Kapitel 73 - Zeit, um einiges klar zu stellen.....

Nach dem Duschen packte ich meine Habseligkeiten aus. Ausnahmsweise hatte ich mal mitgedacht und mir auch leichte Sachen eingepackt. Ich genoss es wahnsinnig nach dem Schneechaos mitten im Sommer gelandet zu sein und zog mein weißes Neckholder-Top und meinen blauen Batik-Wickelrock an. Als Schuhe schnappte ich mir wie immer wenn es heiß war, Flip-Flops.
Im Haus war es unnatürlich still. Als ich aus dem Fenster in den Garten schaute, wusste ich warum. Die Außenwände waren fast 40 cm dick ! Wie in einer Festung.
Mein Handy klingelte.

„Kommst Du runter, das Essen ist bereit ?“

„Ja“, hauchte ich etwas aufgeregt. Wenn ich ehrlich zu mir war, musste ich zugeben, dass ich ganz schön nervös war. Hibbelig, würde Tini sagen. Oh Mann, Tini, steig vom Himmel und hol mich hier raus ! Aber keine Tini kam und ich musste wohl oder übel runtergehen.
Er stand unten an der Treppe und wartete auf mich.

„Wow !“

Na gut, ich gefiel ihm also.
Während ich die vielen Stufen hinunter ging, musterte ich ihn ebenfalls.
Er trug eine oliv farbene Cargohose und ein weißes Leinenhemd, das offen war. An den Füßen hatte er keine Schuhe, er war barfuss. Er sah umwerfend aus. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Er führte mich auf eine riesige Terrasse, an die ein imposanter Pool grenzte. Der Tisch war wunderschön eingedeckt. Auf Holzbrettchen waren Salami, Parma-Schinken, verschiedene Käsesorten angerichtet. Ein großer, derber Korb enthielt verschiedene Brotsorten und in einer Glasschale befand sich frischer grüner Salat. Außerdem war noch frischer Obstsalat und Joghurt dabei.

„Trinkst Du ein Glas Wein mit mir ?“

Er stand neben mir, die Flasche und ein Glas in der Hand und sah mich fragend an.
Seine Stimme bebte etwas. Oder war das Show ?

„Ja, gerne !“

Natürlich trank ich Wein mit ihm, Hauptsache er enthielt genug Alkohol, damit ich hier irgendwie klar kam ! Ich war selten so nervös, wie an diesem Abend. Nervosität legte sich bei mir meistens, sobald ich eine Situation erfasst und einen Weg gefunden hatte, mit ihr umzugehen. Aber das hier ? Ich fühlte mich unbehaglich und wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte. Da meine Knie zitterten wie Espenlaub, setzte ich mich sicherheitshalber. Verflucht ! Warum war ich aufgeregt wie ein Teenager ? Ich musste um Himmels willen endlich wieder runterkommen !
Nachdem er uns beiden eingeschenkt hatte, stießen wir miteinander an. Nachdenklich und ruhig sah er mich an.

„Willst Du nicht endlich Dein Kriegsbeil begraben ?“

Ich versuchte seinem Blick standzuhalten und sah ihn ebenso ruhig an, bevor ich antwortete.

„Jon, es tut mir ehrlich leid, wenn ich Dich verletzt habe. Aber bevor wir hier noch Blutsbrüderschaft schließen, möchte ich wissen, was das ganze hier soll. Warum bin ich wirklich hier ?“

Er nahm noch einen Schluck aus seinem Glas, das er dann mit beiden Händen umschloss.

„Weil ich will, dass Du aufhörst, in mir nur das ewig böse zu sehen. Ich habe Dir nie etwas getan und ich verstehe nicht, warum Du mich so brutal ablehnst.“

Er machte eine kurze Pause.

„Und ich will, dass Du endlich und endgültig die Mauer einreißt, die Du um Dich herum aufgebaut hast !“

Boom, das saß !

„Richie schwärmt in den höchsten Tönen von Dir, er erzählt mir ständig, wie witzig es bei Eurem Joggen war oder wie toll Du tanzt. Gleich am ersten Tag in Kanada war er von Dir total begeistert, wie offen Du mit ihm sprichst, dass Du Dich ihm total anvertraut hast. Was in aller Welt habe ich Dir getan ?“

Ich erschrak.

„Keine Angst, er hat mir keine Details von Euren Gesprächen erzählt. Da kannst Du Dich absolut auf Richie verlassen !“