Freitag, 30. April 2010

Kapitel 270 - Willkommen

Schlagartig setzte ich mich aufrecht hin.

„Dessous ausprobiert ? Wie kann man Dessous ausprobieren ???? Und wie um Gottes Willen kommst Du jetzt da drauf ????“

Eine leichte Röte überzog sein Antlitz und verlegen machte er sich schnell daran, die Pasta auf unseren Tellern zu verteilen.

„Richie !“ entrüstete ich mich.

Doch er hielt seinen Kopf weiter gesenkt und machte sich mit einer Engelsgeduld daran, auch noch unsere Salatteller zu bestücken.

„Richie ! Rück jetzt sofort raus mit der Sprache, sonst….“

Er wusste genau, dass ich einen Trumpf in der Hinterhand hatte. Schließlich konnte ich immer noch davon erzählen, dass er seinem Betthäschen sein Handy mit all unseren Nummern gegeben hatte. Und wie aus heiterem Himmel klingelte das von Jon. Er nahm ab, fragte verständnislos ein paar Mal nach, wer denn da am anderen Ende war. Er beendete das Gespräch mit einem unwilligen „Sie sind wohl falsch verbunden. Bye.“ Das Handy flog aus seiner Hand und flutschte quer über den Tisch. Als er meinen fragenden Blick bemerkte, murmelte er nur:

„Irgend eine Tussi hat meine Nummer heraus bekommen. Die Tante ruft ständig an, fragt mich dummes Zeug, macht auf voll erotisch. Das nervt gewaltig. Ich sollte wohl mal wieder meine Nummer ändern.“

Richie sah mich erschrocken an, ich ihn vermutlich ebenfalls. Ich zwinkerte ihm beruhigend zu und wandte mich an Jon.

„Aber die Nummer haben doch nur ganz wenige Leute, wie soll das jemand heraus gekriegt haben ?“ fragte ich unschuldig.

„Das würde mich auch interessieren. Jedenfalls werde ich den Schuldigen persönlich steinigen. Aber nun lasst uns essen.“

Im gleichen Atemzug zuckte Richie zusammen. Er versuchte, sein erschrockenes Gesicht hinter der Serviette zu verbergen, doch ich sah es trotzdem. Jon glücklicherweise nicht. Er hatte sich voll und ganz seinem Essen gewidmet. Um die Situation aufzulösen, fragte ich Richie, ob wir am nächsten Morgen endlich wieder zusammen laufen würden. Begeistert stimmte er zu.

„Hast Du eigentlich die neuen Schuhe schon ausprobiert ?“ fragte Jon erwartungsvoll.

„Nein, leider nicht. In Deutschland hatte ich ja nicht wirklich Zeit. Und die Freizeit, die ich hatte, wollte ich dann doch lieber mit Tanja verbringen.“

Richie sah mich fragend an.
Ich erklärte ihm kurz, wer sie war, worum es ging.

„Oh je ! Da kam dann zu dem ganzen Umzugsstress auch noch Liebeskummer hinzu ?“

„Ja, es war nicht ganz einfach für mich. Vor allem, weil ich ständig das Gefühl hab, dass ich sie im Stich ließ. Wenn ich nur daran denke, wie sie da am Flughafen stand….“

Ich brach ab und nahm schnell einen Schluck von meinem Wein.

„Vielleicht hättest Du doch besser noch bleiben sollen,“ warf Jon ein.

„Ja, vielleicht…. Aber ich wollte auch hierher zurück ….“

Er nahm meine Hand und drückte sie leicht.

„Ich weiß, Schatz.“

Sein warmes Lächeln gab mir binnen Sekunden ein besseres Gefühl.

„Außerdem wartet `ne Menge Arbeit auf Dich ! Tom und Tini haben ganz schön geackert die letzten Wochen. Nicht zu vergessen, Euer Song ist auf der Eins !“

Richie hatte den Salatteller hochgenommen und schaufelte gerade eine volle Gabel in seinen Mund. Dabei sah er mich abwartend an.

„Dachte ich mir schon ! Eigentlich wollte ich mit Jon noch ein paar ruhige Tage verbringen….“

„Das werden wir auf jeden Fall. Wir müssen erst wieder zur Ruhe kommen. Wir beide.“

„Was war eigentlich in New York ?“ fragte Richie an Jon gewandt.

Dieser legte das Besteck auf den Teller und tupfte sich den Mund mit der Serviette ab. Dann nahm er bedächtig einen Schluck Wein. Anscheinend sammelte er seine Gedanken, bevor er antwortete. Mit ruhigen, langsamen Sätzen erzählte er davon. Richie saß, entspannt zurück gelehnt in seinem Stuhl, ein Bein über das andere geschlagen, die Hände gefaltet. Er hörte seinem Freund aufmerksam zu und unterbrach ihn nicht, bis er geendet hatte.

„Was hältst Du davon ?“ fragte Jon und sah ihn fragend an.

„Phhhh… keine Ahnung ! Ich kenn Doro nun auch schon eine Weile, aber so, wie Du sie schilderst…. Das macht mir echt Angst ! Hätte ich auch nie von ihr erwartet. Sie war immer eine liebe, freundliche Person…. Gut, wir beide waren nie die besten Freunde, aber dass sie so abgeht ?“

Jon trank seinen Wein aus und erhob sich, um uns allen nachzuschenken. Dann ließ er sich auf seinen Stuhl fallen und fuhr mit beiden Händen durch die Haare. Diese Geste war mir allzu vertraut. Er benutzte sie, um unangenehmes wegzuwischen. Es half ihm, in schwierigen, komplizierten Situationen nach einer Lösung zu suchen. Doch in dieser Lage half ihm das nicht wirklich.
Alle drei schwiegen wir und starrten gedankenverloren in unsere Gläser. Ich ließ meinen Blick über unsere kleine Runde schweifen.
Richie, selbst aus einem Scheidungsdilemma geschädigt hervorgegangen….
Jon, der das alles noch vor sich hatte….
Und schließlich ich, an meinem ersten Abend hier….

„Wir sind ja ein tolles Willkommens-Komitee ! Wir sitzen hier und haben Dich noch nicht mal richtig willkommen geheißen !“

Jon sprang auf und holte von irgendwoher aus den Büschen einen Sektkühler, in dem eine Flasche, ummantelt mit einer weißen Serviette, stand. In der freien Hand trug er drei Sektkelche. Mit einem lauten Plopp entkorkte er die Flasche und goss die Gläser voll. Nachdem er jedem eines gereicht hatte, erhob er seines und setzte ein feierliches Gesicht auf.

„Ich bin sehr froh, dass Du endlich wieder da bist. Und ich bin sehr dankbar, dass Du Dein Leben mit mir verbringen möchtest. Ich wünsche Dir, dass Du Dich hier für immer wohl fühlst, und ich wünsche mir, dass Du dieses Haus als Dein eigenes betrachtest.“

Er kam um den Tisch herum, stieß mit mir an und zog mich in seine Arme. Nach einem unglaublich langen, intensiven Kuss sah er mich strahlend an.
Auch Richie war aufgestanden und stand neben uns, sein Glas in den Händen.

„Von mir auch ein herzliches Willkommen, Nachbarin !“

Er grinste schelmisch.

„Danke !“

Montag, 26. April 2010

Kapitel 269

Ich nickte lachend und so fuhren wir in den Hof des kleinen Diners. In dieser verlassenen Gegend war dort Gott sei Dank nichts los und wir waren die einzigen Gäste. Wir nahmen an der Theke Platz und bestellten Kaffee und zwei kalte Coke. Durstig trank ich das Glas leer. Die Bedienung erkannte uns anscheinend nicht und schenkte wortlos nach. Ich fragte sie, ob sie vielleicht Kuchen hätten und sie meinte tonlos „Apfelkuchen“. Davon nahm ich ein Stück, Jon orderte einen Hamburger mit Pommes für sich.

Das Gasthaus war wenig einladend, die Bedienung muffig und so aßen wir rasch auf und schwangen uns wieder auf die Bikes. Mittlererweile war es schon dämmrig geworden und Jon wollte vor Einbruch der Dunkelheit daheim sein. Wenn ich ehrlich zu mir selbst war, wollte ich das auch. Denn in dieser Gegend war es bei dem herrschenden Zwielicht äußerst unheimlich. Und doch war auch die Rückfahrt unglaublich schön und ich genoss es sehr, endlich wieder auf dem Motorrad zu sitzen und die Freiheit, die sich sofort dabei einstellte, machte mich glücklich.

Wir fuhren gleich in die Garage und stiegen zeitgleich ab. Jon, noch mit dem Helm auf dem Kopf, die Handschuhe von den Händen ziehend, stand da und schüttelte den Kopf. Trotz des mit Insekten verschmutzten Visiers konnte ich sein Grinsen sehen.

„Was ?“ fragte ich lächelnd.

„Süße, es war wahnsinnig schön mit Dir heute Nachmittag !“

Ich streckte die Arme nach ihm aus und er ging die paar Schritte auf mich zu. Jedoch, als wir uns küssen wollten, war irgend was im Weg. Plastik prallte auf Plastik und wir brachen in Gelächter aus.

„So geht das nicht, glaube ich“, lachte er mit seinem hellen Lachen und befreite mich fürsorglich von meinem Helm. Nachdem er seinen ebenfalls abgenommen hatte, lagen wir uns in den Armen. Wir versanken gerade in einem langen, zärtlichen Kuss, als wir auch schon wieder gestört wurden.

„Sagt mal, wo wart Ihr eigentlich schon wieder ?“ konnten wir Richies Stimme vernehmen.

Mit in die Seiten gestemmten Händen stand er da und sah uns vorwurfsvoll an. Jon und ich tauschten einen verwirrten Blick.

„Ich dachte, Du….“ sagte er zu mir gewandt.

„Wollte ich ja auch, aber….“

Ich war mir nicht sicher, ob ich von dem Schild an der Terrassentür anfangen sollte. Also ließ ich es und suchte nach einer anderen Möglichkeit. Wenn ich von dem Zettel erzählt hätte, hätte Jon zu fragen begonnen und irgendwann wäre das mit Richies Affäre und seinem verlorenem Handy heraus gekommen. Da ich versprochen hatte, ihm zu helfen, aber bis jetzt noch nicht die Möglichkeit hatte, sagte ich nur:

„Ich habe vorhin bei Euch Sturm geklingelt, aber niemand öffnete.“

Richie hatte meine Unsicherheit bemerkt. Wissend zwinkerte er mir unmerklich zu.

„Ach, da war ich bestimmt schnell ein paar Zeitschriften holen….“

„War was wichtiges ?“ fragte nun Jon.

„Ach, nö…. Ich hab Euch nur vermisst. Die letzten zwei Wochen waren schließlich fürchterlich langweilig hier….“

Eine kurze Pause entstand, bis Richie zähneknirschend fragte:

„Könnte ich bei Euch zu Abend essen ?“

„Ahhhh ! Daher weht der Wind !“ lachte Jon.

„Kommt schon, ich bin ganz alleine drüben, Tini und Tom sind weg, mein Kühlschrank ist leer und alleine mag ich sowieso nicht essen.“

„Dann sag wenigstens, dass es Dir bei Sandy besser schmeckt !“ kam von Jon fordernd.

“Natürlich, das sowieso ! Was gibt`s denn leckeres ?“

Richie stand neben mir und wieder einmal konnte ich diesem Rehblick einfach nicht widerstehen.

„Eigentlich hab ich heute echt keine Lust mehr auf Kochen !“

„Sandy !“ kam bittend von beiden.

Ich stand hilflos dazwischen, anscheinend hatten sich beide zum gemeinsamen Dackelblick verabredet. Doch ich zögerte. So leicht wollte ich es ihnen dann doch nicht machen.

„Wir helfen auch !“

„Du brauchst auch nicht abräumen !“

„Und die Küche räumen wir auch auf !“

„Oh Gott ! Bewahre ! Rosita wird sich bedanken ! Das mach ich besser selbst !“
entgegnete ich und musste schon wieder lachen, so wie die beiden mich anschauten.

„Du kochst also ?“ fragte Richie hoffnungsvoll.

„Gegen Euch habe ich ja eh keine Chance ! Aber es gibt nix aufregendes !“

„Was denn ?“

„Pasta mit Salat ?“ fragte ich und hoffte inständig, dass ich sie damit zufrieden stellen konnte.

Richie rollte kurz mit den Augen und tat, ob er das für sich abwägen musste. Schließlich gab er sein Okay und auch Jon nickte grinsend. Missmutig machte ich mich Richtung Haus auf, lief die Treppen nach oben, entledigte mich der Lederklamotten und machte mich im Bad kurz frisch. Im Vorbeigehen schlüpfte ich in meinen Schnuffelanzug und Flip-Flops und ging wieder nach unten. Ich hatte wirklich keine Lust zu kochen, viel lieber hätte ich uns irgendwas bestellt oder wäre essen gegangen.

Im Vorratsraum griff ich nach einem Paket Nudeln, lugte nach frischem Gemüse und stellte alles auf der Arbeitsplatte bereit. Rosita war einfach ein Traum von einer Perle. Irgendwie hatte sie absolut den Dreh raus, dass immer was da war, aber so gut wie nichts vergammelte. So schnitt ich die Zucchini, Tomaten, Zwiebeln und frische Champignons in feine Scheiben, goss ein wenig Olivenöl in die gusseiserne Pfanne und röstete das Gemüse kurz an. Dann schälte ich zwei Knoblauchzehen, quetschte diese mit dem Messer, hackte sie klein und gab sie zuletzt zum Gemüse, ich mochte es nicht, wenn Knoblauch bitter wurde. Ich goss etwas frische Sahne hinzu und drehte das Gas herunter.

Frischer Kopfsalat war auch vorhanden. Nach dem Putzen bekam dieser ein feines Kräuter-Senf-Dressing. Ich goss die Nudeln ab, vermischte sie mit dem Gemüse und gab noch frische, klein gezupfte Basilikum-Blätter dazu. Zum Schluss träufelte ich noch ein paar Tropfen getrüffeltes Olivenöl darüber.

Beim Anrichten in einer großen Schüssel lugte ich durch das große Fenster nach draußen. Die Jungs waren doch immer wieder für eine Überraschung gut. Dass sie in der Küche Geschirr geholt hatten, war mir tatsächlich entgangen…..Der Tisch war gedeckt. Jon machte gerade eine Flasche Rotwein auf, dekandierte diese und schenkte ein. Richie zündete die Kerzen an.
Romantisch waren sie beide. Ich konnte mich dem kleinen, zufriedenen Grinsen nicht verwehren und trug auf einem Tablett die Schüsseln mit der Pasta und dem Salat nach draußen.

„Ohhhh ! Das ging aber fix !“ staunte der Gitarrist und Mitesser meiner Träume.

„Sandy ist in allem so schnell !“ gab Jon an.

„In allem ???? In wirklich allem ????“

Kopfschüttelnd setzte ich mich. Warum nur hatte ich das Gefühl, dass das wieder einer dieser „männlichen“ Anspielungen war ? Also schenkte ich beiden einen ernsten Blick und sagte mit sehr leiser Stimme:

„Ich kann das Essen auch wieder mitnehmen !“

„Neiiiinnnn ! Das war doch nicht so gemeint !“ versicherte Jon.

„Nein, ganz sicher nicht ! Ich kenn Euch beide schließlich gut genug !“

„Hey Süße, das würde ich niemals von Dir behaupten !“

„Mal was anderes…“ unterbrach Richie.

„Habt Ihr eigentlich die Dessous schon ausprobiert ?“

Freitag, 23. April 2010

Kapitel 268

Er nickte nur stumm und blickte ohne jegliche Regung auf den Tisch. Es war ein seltsamer Augenblick, in dem wir uns befanden, in dem wir fast gefangen schienen. Zum ersten Mal sah ich Jon hilflos. Ja, zum ersten Mal war er nicht derjenige, der allen sagte, wo es lang ging. Der sofort eine Lösung parat hatte, der tröstete, half, aufbaute. Ich nahm mir Zeit, und überlegte mir die Worte gut, die ich nun zu ihm sagte.

„Schau, ich bin mir sicher, es ist nur ihr verletzter Stolz. Wahrscheinlich fühlt sie sich gekränkt, gedemütigt, weg geworfen. Sie ist die Mutter Deiner Kinder, Ihr zwei habt viele Jahre zusammen verbracht. Das ist nun alles vorbei. Ihr ist das vermutlich erst jetzt klar geworden, es kann auch sein, dass das durch den Termin mit den Anwälten erst ausgelöst wurde, so wie sie sich aufgeführt hat, kann ich mir das nur so erklären.“

„Ich weiß es nicht….“ entgegnete er leise. „Das mit dem Interview ging doch auch in diese Richtung….“

„Sie wehrt sich, wenn es auch der falsche Weg ist.“

„Der vollkommen falsche Weg ! Sie glaubt doch nicht im Ernst, dass sie mich mit solchen Aktionen zurück gewinnen kann ?“

„Nein, Jon. Das sicher nicht. Aber versetz Dich mal in ihre Situation. Stell Dir vor, sie hätte einen neuen Freund und würde in Hochglanzbildern in ich weiß nicht wie vielen Zeitungen erscheinen ? Und Du sitzt zu Hause, mit vier Kindern ?“

„Ich versteh es trotzdem nicht !“

Er schüttelte im Unglauben den Kopf.

„Willst Du nicht wissen, was sie über Dich gesagt hat ?“

„Nein, Jon. Weil es sicher nur im Zorn gesagt wurde. Sie kennt mich nicht, hat noch nie ein Wort mit mir gesprochen, also, woher soll sie sich ein Urteil über mich erlauben können ?“

„Eigentlich nimmst Du sie ja gehörig in Schutz.“

Wieder nahm ich mir Zeit für die Wahl meiner Worte.

„Ja, weil ich weiß, wie sie sich fühlt. Nur war ich damals auf der anderen Seite.“

„Oh Honey ! Das wollte ich nicht ! Ich wollte wirklich nicht, dass Du wegen dieser leidlichen Geschichte an Joe erinnert wirst !“

Er sprang rasch auf, kniete sich vor meinen Stuhl und nahm mich fest in seine Arme. Seine Hände strichen zärtlich über meinen Rücken und er drückte einen sachten Kuss auf meine Haare. Ich lehnte mich zurück, um ihm in die Augen sehen zu können.

„Hey hey ! Nicht Du sollst mich trösten, sondern ich Dich !“

Endlich war da dieses Zucken um seine Augen, welches meist ein Lächeln ankündigte. Gleichzeitig holten wir beide tief Luft und seufzten über uns selbst grinsend tief auf. Er kniete noch immer vor mir und plötzlich schoss mir diese geniale Idee durch den Kopf.

„Weißt Du, was wir zwei jetzt machen ?“

„Nein, aber Du sagst mir das hoffentlich gleich ?“ lächelte er schelmisch.

„Du hast den Kopf voll und ich auch. Was hältst Du davon, wenn wir die Motorräder heraus holen und eine kleine Tour unternehmen ?“

Ein kurzes Blitzen der Überraschung flog über sein Gesicht, und er sagte sofort zu.

„Oh ja ! Das ist eine klasse Idee !“

Nur wenige Minuten später standen wir in der Garage und zogen unsere Ledersachen an. Jon reichte mir eben den Helm, als mir etwas siedend heiß einfiel.

„Warte, ich sag nur schnell Tini Bescheid.“

„Jep ! Nicht, dass Du wieder Schimpfe kriegst.“

Ich flitzte durch den Garten, bog die Hecke auseinander und rannte auf Richies Haustüre zu. Dort angekommen, klingelte ich Sturm. Doch niemand öffnete. Ich ging die paar Schritte, bis ich die Terrasse erreicht hatte, doch dort war auch niemand. An der Glastür baumelte ein Zettel. Neugierig ging ich näher.

„Do not disturb !“ stand dort und ich musste lachen. Das war wieder einmal typisch Richie ! Er, der jedes Mal unangemeldet bei uns hereinplatzte, hängte an seine Terrassentür so ein Schild. Es war unglaublich, eigentlich eine Frechheit !
Also machte ich mich auf den Rückweg, tippte im Gehen eine kurze SMS an Tini, damit sie wusste, wo ich war. Gerade, als ich den Helm überstülpen wollte, griff Jon mit der Hand nach meinem Arm und zog mich an sich. Er küsste mich liebevoll und sagte fast unhörbar:

„Pass auf Dich auf !“

Ich lächelte ihn an.

„Pass Du auch auf Dich auf !“

Wir starteten die Motoren und wieder einmal bekam ich Gänsehaut bei dem Klang der Harleys. Kein anderes Motorrad hörte sich so an. So kraftvoll, so in sich ruhend, so stolz.
Nacheinander fuhren wir die Auffahrt hinunter und bogen auf die Straße ein. Ein kurzer Kontrollblick zeigte uns, dass keine Journalisten herumlungerten.
Jon fuhr voraus und folgte der Landstraße, die an den Villen hinaus auf das Land führte. Der Wind pfiff um unsere Nasen und ich genoss dieses Gefühl, so frei zu sein !
Die Strecke, die wir fuhren, war landschaftlich sehr aufregend. Die dichten Wälder wechselten sich nun ab mit karger, fast öder Natur. Die Orte, die wir passierten, waren oft nur mehr eine Ansammlung von ein paar wenigen, kleinen und unscheinbaren Häusern. Man hätte in jedem dieser kleinen Dörfchen, bei entsprechender Dämmerung, einen Thriller oder Horror-Streifen drehen können. In diesen Augenblicken war ich unglaublich glücklich, unglaublich gelöst…..

Mir stand das Bild vor Augen, als Jon damals bei „Miracle“ auf dieser Harley fuhr…. Wie lange war das schon her ? Wie jung waren wir damals gewesen ?
Er hier in den Staaten, ich in meinem kleinen, beschaulichen Deutschland. Es schien mir fast wie aus einer anderen Zeit. Plötzlich riss er mich mit Handzeichen aus meinen Gedanken. Er winkte, hob den Arm und zeigte mit der Hand nach vorne. Als er bemerkte, dass ich nicht wusste, was er mir zeigen wollte, hob er die Faust zum Mund und machte das Zeichen für Essen.

Donnerstag, 22. April 2010

Kapitel 267

Er grinste mich an und ich konnte spüren, dass ihm meine Geschichten gut taten.

„Wann kommen Deine Container an ?“ fragte er und legte sich noch etwas von den Eiern und dem Speck auf.

„Meine Container ? Tja, es ist nur einer.“

„Nur einer ?“ fragte er erstaunt.

„Jep, es ist nur einer. Ich hab einiges Tanja überlassen, sie bleibt schließlich in der Wohnung. Und der eine wird wohl nächste Woche ankommen. Ich weiß auch nicht, wie das genau läuft, ob ich da vom Zoll benachrichtigt werde oder ob ich mich selbst drum kümmern muss.“

„Soll ich das machen ?“

„Nein nein, Du hast genug an der Backe. Irgendwie krieg ich das schon selbst auf die Reihe.“

Wir schwiegen ein Weilchen.

„Eigentlich wollte ich da sein, wenn Du ankommst.“

Ich holte schon Luft, um zu antworten, aber sein durchdringender Blick ließ mich inne halten.

„Ich wollte Dich zu Hause empfangen, so wie sich das gehört.“

Er spielte mit seinem Besteck, schob es auf dem Teller hin und her.

„Aber wieder einmal war ich nicht da.“

„Jon, mach Dir keinen…..“

„Doch. Ich mach mir einen Kopf deswegen. Ich konnte Dir schon nicht beim Umzug beistehen, da wollte ich wenigstens….“

„Hallo, mach mal halblang.“

„Nein nein. Statt hier zu sein und Dich in Deinem neuen Zuhause zu begrüßen, hocke ich in New Jersey.“

Er schüttelte unwillig den Kopf.

„Jetzt hör mir mal gut zu. Erstens hast Du schon verdammt viel für mich getan die letzten Monate. Zweitens habe ich ja schon hier gewohnt. Ich habe nur ein paar von meinen Sachen hier her geholt. Drittens hast Du Deine Kinder gesehen. Und das ist viertens um einiges wichtiger als hier auf mich zu warten.“

Ein fragender Ausdruck lag auf seinem Gesicht.

„Meinst Du das ehrlich ?“ sagte er unsicher.

„Hab ich Dich schon jemals angelogen ? So, und nun erzählst Du mir von Deinem Termin mit Doro und Deinen Anwälten. Und dann will ich alles über Euren Zoobesuch erfahren.“

Energisch goss ich uns noch Kaffee ein. Und er verstand diese Geste. Er wusste, dass es mir ernst war.

„Weißt Du, es war einfach fürchterlich.“

Er stockte, ich spürte, wie schwer es ihm fiel.

„Sie rauschte herein, arrogant, überheblich, zickig…. Ich war fassungslos über ihren Auftritt. Sie hielt es nicht einmal für notwendig, alle Anwesenden anständig zu begrüßen.“

Ungläubig senkte er langsam seinen Kopf.

„Meine Anwälte listeten alles auf, was uns so gehört und was sie bekommt. Danach wirkte sie etwas aus der Fasson, allerdings nur bis zur Pause. Ich ging hinaus auf den kleinen Balkon, weil ich frische Luft brauchte und eine rauchen wollte. Sie ging mir nach…. Ich wollte im Guten mit ihr reden…. Doch sie ging sofort auf mich los…. beschuldigte mich…. verletzte mich….. warf mir Sachen vor …. Sie wollte mich einfach nur fertig machen. Und das hat sie auch geschafft.“

Jon unterbrach sich und sein waidwunder Blick, mit dem er mich ansah, traf tief bis in mein Herz. Und dieses Herz begann wild zu klopfen. Ich regte mich auf, ich wurde wütend, als ich hörte, wie sie mit ihm umgesprungen war.

Doch mir entfleuchte nur ganz leise ein „Und dann ?“

„Ich sagte zu ihr, dass wir das so besprochen hatten, dass wir uns trennen, dass sie sich überhaupt nicht mehr für mich interessiert hatte. Doch sie ist so zerfressen von ihrem Hass….“

Wieder stockte er. Die Ellbogen auf dem Tisch abgestützt, rieb er sich mit beiden Händen über das Gesicht.

„Sie ging richtig auf mich los, verstehst Du ? Dann beleidigte sie auch noch Dich, und da war es für mich vollkommen vorbei. In diesem Moment konnte ich sie nicht mehr ertragen. Sie stand wie eine böse, schwarze Hexe vor mir und bedrohte mich.“

Jon ließ sich wieder zurück fallen, griff nach seiner Tasse und nahm nachdenklich einen großen Schluck. Er legte seinen Kopf zurück, lockerte seine Schultern und versuchte, sich etwas zu entspannen.

„Sie hat alles verloren, was sie einmal war…. Was sie einmal ausmachte…. Das hab ich ihr dann an den Kopf geworfen. Ich hielt es nicht mehr aus, und ließ sie einfach dort stehen. Keine Minute länger hätte ich es mit ihr noch ausgehalten. Und so ging ich.“

Er sah mich an, versuchte in meinem Gesicht zu lesen.

„Ich fuhr zu meinen Eltern. Na ja, eigentlich hab ich mich dorthin geflüchtet. Es schien mir in diesem Augenblick der einzig richtige Ort für mich.“

Sachte griff ich nach seiner Hand.

„Dort habe ich mich so wohl gefühlt. Es tat gut, wie sie sich um mich gekümmert haben. Sie waren für mich da.“

Meine Gefühle spielten Jojo. Er tat mir so leid. Nach außen gab er meist den coolen Rockstar, immer gut drauf, einen lockeren Spruch auf den Lippen, mit einer gehörigen Portion Selbstironie. Er war die letzten Monate so oft mein Rettungsanker und mein Ruhepol gewesen. War für mich da gewesen, hatte mich mit seinem Optimismus überzeugt. Sein Charme, seine Art hatten mich für vieles entschädigt. Dennoch war er sehr sensibel, wenn es um die Familie und sein direktes Umfeld ging. Das wusste auch Doro und genau in diese Kerbe hatte sie geschlagen.
Mit den eigenen Gedanken beschäftigt, seufzten wir tief auf. Wir sahen uns an und mussten trotz allem lächeln. Er griff nach meiner Hand und drückte sie fest.

„War es so schlimm ?“ war das einzige, was ich entgegnen konnte.

Dienstag, 20. April 2010

Kapitel 266

Ich hob den Kopf, um ihn ansehen zu können. Sein unfassbar liebevolles Lächeln ließ mein Herz ein Mal mehr schneller schlagen.

„Eigentlich wollte ich Dich überraschen….“

„Ja, Süße, ich weiß.“

Als er meinen überraschten Blick sah, lächelte er nur.

„Richie ?“

Er nickte, bevor er weiter sprach.
„Er hat mich angerufen und es mir erzählt.“

Ich wollte protestieren, da Rich mir versprochen hatte, er würde dicht halten. Aber Jon legte seinen Zeigefinger sanft auf meinen Mund.

„Schschsch ! Er hat es nur verraten, weil er wusste, dass Du nicht nach NJ fliegen würdest. Außerdem hat er Dich so sehr vermisst, dass er es auch nicht mehr erwarten konnte, bis Du wieder da bist.“

„So schlimm ?“

Er lachte.

„Ja, so schlimm ! War ja klar, nach dem ganzen Trubel hier. Plötzlich waren wir alle weg und er hat sich wohl ziemlich gelangweilt.“

Na ja, er hat sich ja trotzdem ein bisschen getröstet, dachte ich für mich im Stillen. Ich überlegte kurz, ob ich ihm von seiner Affäre und der Handy-Aktion erzählen sollte, ließ es dann aber sein. Zuerst wollte ich Jon genießen und eigentlich hatte ich ja mit Richie abgesprochen, dass wir zwei darüber zuerst noch reden würden.

„Wollen wir frühstücken ?“

„Hat mein kleiner Vielfraß Hunger ?“ fragte er zurück und stupste mich an der Nase.

„Großen sogar !“

„Dann lass uns runtergehen.“

Gemeinsam bereiteten wir unser Frühstück vor. Während ich den Speck in einer Pfanne knusprig ausließ, deckte Jon draußen den Tisch. Es war sehr lange her, dass wir alleine dort unser Essen einnahmen. Die letzten Wochen war hier ja immer sehr viel los gewesen. Und nun waren wir wieder nur zu zweit. Ein wohliger Seufzer entschlüpfte mir. Ich legte den Speck auf Küchenkrepp, damit das Fett etwas aufgesogen wurde. Seine starken Arme umschlangen mich.

„Was seufzt Du denn so herzzerreißend ?“

„Es ist so schön, dass wir endlich mal wieder für uns sind.“

„Ja, finde ich auch.“

Kleine Küsse fanden ihren Weg auf meinem Hals.

„Jon !“

„Was denn ?“

„Ich hab Hunger !“

„Ich auch !“

„Fragt sich nur, auf was….“

„Schon gut, schon gut ! Ich hör ja schon auf.“

Ich musste lachen, als ich sein amüsiertes Lächeln sah.
Er schnappte sich die Kaffeekanne und wartete, bis ich die Spiegeleier und den Speck auf eine Platte gelegt hatte. Nacheinander gingen wir auf die Terrasse und setzten uns. Wir hatten beide großen Appetit und langten ordentlich zu. Während dem Essen studierte ich unauffällig sein Gesicht.

Er sah müde und abgekämpft aus. Irgendwie erschöpft. Mir fiel auf, dass er um einiges mehr an Kaffee trank als sonst. Außerdem unterbrach er sein Essen und zündete sich zwischendurch eine Zigarette an. Das tat er sonst nie. Eigentlich rauchte er ausschließlich abends, etwa zu einem Glas Wein. Oder, wenn er bis tief in die Nacht arbeitete, so wie im Winter in Kanada. Anscheinend hatte er bemerkt, dass ich ihn musterte und setzte schnell sein Lächeln auf, das jedoch nicht darüber hinwegtäuschen konnte.

„Nun erzähl mal, wie war`s in Good Old Germany ?“

Bevor ich ihm antwortete, nahm ich einen großen Schluck Kaffee. Eigentlich wollte ich doch wissen, was er erlebt hatte. Ich wollte wissen, wie das Treffen mit Doro und den Anwälten verlaufen war. Aber so war es vielleicht besser, vielleicht konnte ich ihn mit meinen Erlebnissen aufheitern und er konnte nachher von sich erzählen. Und vielleicht tat er sich dann leichter damit.

Obwohl es mir sehr schwer fiel, berichtete ich von meinen Erlebnissen. Als ich bei unserem italienischen Abend angekommen war und ihm erzählte, wie wir zwei Mädels betüdelt heimgestolpert waren, verschluckte er sich vor Lachen und hielt schnell die Serviette vor den Mund. Er fragte nach dem Vorfall an der Tankstelle und danach schüttelte er sich vor Lachen.

„Ich kann es mir bildlich vorstellen ! Der arme Typ ! Wahrscheinlich wusste er nicht, wie ihm geschah.“

„Nein !“ lachte ich mit. „Es war mir danach fast schon peinlich, weil ich ihn so angefahren habe, aber eigentlich hat er sich das selbst zuzuschreiben.“

„Na ja, er konnte ja nicht wissen, dass Ihr zwei solch wichtige Dinge zu besprechen habt. An einer Zapfsäule….Normalerweise hocken Frauen doch bei Kaffee oder Sekt und bequatschen das….“

„Das geht halt nicht immer. Manchmal erwischt Dich das Leben eben an einer Zapfsäule.“

Montag, 19. April 2010

Kapitel 265

Wir waren vor seinem Haus angekommen. Richie stellte den Wagen vor der Garage ab und ging mit mir durch den Garten hinüber zu Jon`s Haus. Ganz Gentleman bog er die Hecke auseinander und ließ mich durchschlüpfen. Endlich schloss ich die Haustüre auf, langte nach dem Lichtschalter und ließ meinen Rucksack fallen. Zwar hatte ich im Flugzeug geschlafen, das jedoch sehr unruhig und immer wieder unterbrochen.

„Willst Du vielleicht noch einen Kaffee ?“

„Ja, gerne !“

Der Kaffee war schnell zubereitet, Richie hatte sich an die Theke in der Küche gesetzt und so gesellte ich mich zu ihm.

„Hast Du was von Jon gehört ?“ fragte ich zwischen zwei schnellen Schlucken.

„Nein, seit gestern nicht mehr. Er war mit den Kids im Zoo, anscheinend hatten sie viel Spaß miteinander. Er wusste noch nicht, wann er wieder her kommt.“

Warum hatte er eben so spitzbübisch gegrinst ? Oder hatte ich mir das nur eingebildet ? Dafür gab es schließlich keinen Grund.

„Dann hab ich ein Problem mit meiner Überraschung.“

„Du kannst Dir das ja noch überlegen. Außerdem weiß er ja nicht, dass Du wieder da bist.“

Er gähnte unverhohlen, es war Zeit, ihn ins Bett zu schicken.

„Danke, dass Du mich abgeholt hast ! War echt süß von Dir !“

„Schon okay. Du kannst mir auch mal wieder einen Stein in den Garten werfen. Ist es okay, wenn ich Dich alleine lasse ? Es ist niemand hier. Rosita ist ein paar Tage bei ihrer Tochter.“

„Das macht mir nichts, ich schalte die Alarmanlage ein und Du bist schließlich gleich nebenan.“

„Gute Nacht ! Und ich freue mich wirklich sehr, dass Du zurück bist !“

Er küsste mich leicht auf die Stirn. Nur zu gern ließ ich mich von ihm in die Arme nehmen. Als er gegangen war, ging ich nach oben und ließ die Wanne vollaufen. Der Reisedreck musste runter und ich wollte unbedingt etwas entspannen, bevor ich mich schlafen legte. Das heiße Wasser tat gut. Gedankenverloren spielte ich mit dem Schaumbergen.

Sollte ich zu ihm fliegen ? Das war doch total blöd, dort vor der Tür seiner Eltern stehen. „Hi, ich bin Sandy. Ist Jon vielleicht da ?“ Ne, das ging überhaupt nicht. Einfach profan anrufen „Schatz, ich bin bei Dir zuhause, wann kommst Du ?“ Das war auch doof.

Es hatte keinen Zweck, ich musste erst schlafen, mich ausruhen. Dann fiel mir bestimmt was ein. Ich stieg aus der Wanne, trocknete mich ab und cremte mich sorgfältig ein. Ich zog aus meiner Wäscheschublade ein rotes Hemdchen mit passendem Slip und streifte beides über. Schnell schlug ich die Bettdecke zurück, schob die überzähligen Kissen beiseite und mummelte mich ein. Und doch hielt mich irgend etwas wach. Komisch war das hier schon. Die erste Nacht in meinem neuen Zuhause, leider war ich hier ganz alleine und der Grund meines Umzuges lag nicht neben mir. Irgendwie hatte ich mir das insgeheim doch anders gewünscht, anders vorgestellt. Doch nun musste ich es so nehmen, wie es war.

Wenn ich doch nur endlich schlafen könnte ! Also stand ich auf, um mir einen Schlummertrunk zu holen. Da fiel mir das Shirt auf, das über der Stuhllehne hing. Ich sog tief daran. Versonnen ging ich zum Bett zurück, das Shirt fest an mich gedrückt. Und endlich kam in dieser Nacht das Sandmännchen auch zu mir.

Ein Traum hielt mich gefangen. Sanfte Hände auf meiner Haut, Finger, die durch meine Haare glitten, die Bettdecke wurde sachte angehoben. Feuchte Küsse an meinem Hals. Mir wurde heiß.

Oh. Mein. Gott.
Jetzt war es soweit. Jetzt war ich schon so irre, dass ich einen dieser „feuchten Träume“ hatte. Oh nein !!!! Das Verlangen, das mich zwei Wochen lang geplagt hatte, forderte endgültig seinen Tribut. Jede Gegenwehr war zwecklos, ich gab mich diesem Traum willenlos hin. Oder sollte ich doch nicht ? Andererseits war es nicht zu ertragen, frisch verliebt und wochenlang ohne seinen Geliebten zu sein, oder ? Das war doch nicht normal ! Seine blauen Augen lächelten mich an, kurz darauf hatte ich das Gefühl, sie sahen direkt in mein Herz….

Hatte ich vorhin ein Höschen angezogen, oder nicht ? Verwirrt tastete ich danach. Ich hatte nicht. Aber ich hatte doch, als ich zu Bett ging…. Die Finger, die sich vorher mit meinem Haar beschäftigt hatten, ließen die Träger meines Hemdchens von den Schultern rutschen…. Hände streichelten sanft meine Brüste. Das Shirt hatte den Duft von Jon anscheinend sehr gut gespeichert, irgendwie wurde er sogar noch stärker…. Sogar sein „Babe“ konnte ich hören….

Wach und doch noch schlafend, entschlüpfte mir ein kleiner Seufzer. Mit einem wohligen Gefühl in meinem ganzen Leib drehte ich mich auf den Bauch und kuschelte mich in die Kissen.

Fingerspitzen strich sanft wie eine Feder über meinen Rücken, von den Schultern bis zum Po, fuhren fast unmerklich an den Innenseiten meiner Schenkel entlang… Der Gänsehautschauer, der über meine Haut lief, brachte mich vollends zur Besinnung. Unruhig warf ich mich herum, schlaftrunken öffnete ich die Augen und sah direkt in ein paar blaue Augen, die mich an einen Bergsee erinnerten. Ungläubig drückte ich meinen Kopf in das Kissen zurück, um besser sehen zu können. Und doch traute ich meinen Augen nicht.

Das Lächeln, direkt über mir, war echt. Ich blinzelte den letzten Rest von Schlaf weg und war schlagartig hellwach.
Die Sonne ging auf. Das Gefühl konnte ich nicht in Worte fassen. Im Nu war alles okay, alles in Ordnung, die Welt wieder in ihren Angeln. Das ganze Chaos der letzten Tage war vergessen, verflogen, vorbei.
Er schüttelte fast unmerklich den Kopf und beugte sich wieder über mich, nicht ohne sein unwiderstehliches, unverschämtes Grinsen aufblitzen zu lassen. Sein vorsichtiger, zärtlicher Kuss brachte alles in mir zum Erliegen. Seine Zunge drang zart ein und spielte ganz langsam mit meiner. Sie fühlte sich warm und sanft an. Das, was er vorher schon mit seinen Händen gemacht hatte, machte er wieder. Sie waren überall. Sie waren überall dort, wo ich es mir wünschte. Unfähig, dasselbe bei ihm zu tun, ließ ich mich treiben, gab mich hin. Jon war ein Liebhaber, wie ihn sich eine Frau nur wünschen konnte. Er spielte mit mir. In kurzen Momenten wartete er ab, wie ich reagierte und tat weiter das, was mich fast um den Verstand brachte. Seine Erregung wurde übermächtig und er nahm sich, was er wollte. Es war irreal….

„Ich hab Dich so vermisst…. Du warst so weit weg…. Ich konnte es nicht mehr abwarten….. bis Du wieder hier bist….“ flüsterte er.

„Ich auch nicht…. Alles war so grau ohne Dich…“ flüsterte ich zurück.

Dann verloren wir keine Worte mehr, die Blicke, die wir tauschten, sagten uns alles. Wir versanken in einander und waren völlig eins. Die Erlösung, die wir fanden, erschöpfte uns beide vollkommen. Ich lag halb auf ihm, umklammert von seinen starken Armen und genoss das lähmende Gefühl. Mein Kreislauf war am Boden.

„Welcome home, Baby,“ hauchte er in mein Ohr.

Freitag, 16. April 2010

Kapitel 264

Szenenwechsel:

Wie gerädert stieg ich die Gangway hinunter. Der Typ neben mir hatte mir den letzten Nerv geraubt. Seine ständigen Boxereien in meine linke Seite hatten mich immer und immer wieder aufgeweckt. Warum hatte ich mich nicht doch in die First Class gesetzt ? Warum nur hatte ich Trottel nicht einfach bei Jon angerufen und um den Jet gebeten ? Weil ich ja so stolz war, und weil ich ihn überraschen wollte. Überraschen, wie eigentlich ? Richie hatte ganz bestimmt dicht gehalten, wie immer. Also wusste Jon nichts davon, dass ich in LA gelandet war. Er wähnte mich noch immer in Deutschland. Und er war sicherlich noch in New Jersey, sonst hätte ich längst eine Nachricht von ihm bekommen.

So schlurfte ich missmutig den Gang hinunter. Wenigstens musste ich mich nicht am Band anstellen und auf mein Gepäck warten. Einerseits war ich hundemüde und mir tat jeder einzelne Knochen weh, andererseits war da diese wahnsinnige Aufregung in mir. Ich hatte tatsächlich Schmetterlinge in meinem Bauch. Schließlich zieht man nicht jeden Tag in die Staaten. Noch dazu zu seinem absoluten Traummann. Als ich durch den Zoll ging und die Schiebetüren auseinander fuhren, traute ich meinen Augen nicht. Dort stand doch wahrhaftig ein Typ, der ein riesiges Schild in seinen Händen hielt. Mit meinem Namen drauf. „Sandy R.“. Wer zur Hölle war das denn ? Ich hoffte inständig, dass niemand von den Fluggästen das Plakat wirklich las und mit mir in Verbindung brachte. Sein Gesicht war von dem völlig überdimensionierten Plakat verdeckt, ich konnte nur sehen, dass der Mensch ziemlich groß war. Zögernd hielt ich auf ihn zu.

Wenige Meter von ihm entfernt, verlangsamte ich meine Schritte noch weiter. Die Stiefel kamen mir doch irgendwie bekannt vor ? Solch abartige Stiefel trug nur einer. Alle anderen wären sofort und ohne ordentliche Verhandlung für lange Zeit weggesperrt worden. Welcher Mensch kaufte sich schließlich Cowboy-Boots aus lila eingefärbtem Schlangenleder ????
Sein Plakat fiel zu Boden, und er breitete mit einem überbreiten Grinsen seine Arme aus.

„Richie !!!!“ rutschte mir lauter als gewollt heraus, und ich ließ mich gegen seine Brust fallen.

„Hey Sweety ! Mensch, bin ich froh, dass Du wieder da bist ! Es war so dermaßen langweilig und ruhig ohne Dich, ich wär fast an Einsamkeit gestorben !“

„Na, jetzt übertreibst Du aber ! Du tust ja gerade so, als bliebe ohne mich die Welt stehen !“

„Ganz so schlimm war es nicht, die Sonne ging jeden Tag auf und wieder unter, aber noch länger hätte ich das nicht ausgehalten. Wenn ich das vorher geahnt hätte, wär ich gleich mit Dir geflogen.“

„Jon ist noch in New Jersey ?“

Er kratzte sich verlegen am Kopf und sagte bedauernd:
„Ja. Ich weiß auch nicht, wann er wieder kommt.“

Richie sah über meinen Kopf hinweg, so als ob er etwas suchen würde.

„Ist das Dein einziges Gepäck ?“ fragte er und deutete über meinen Rucksack, der wieder einmal auf dem Boden lag.

„Ja. Das wirklich richtige Gepäck kommt erst in einer Woche per Schiffscontainer.“

„Oh mein Gott ! Ist es viel ?“

„Nein,“ beruhigte ich ihn. „Es ist nicht viel.“

Ich hakte mich bei ihm unter und es tat gut, mit ihm zusammen zu sein. Auf der Fahrt erzählte er mir von einem amourösen Abenteuer das er letzte Woche in einer schummrigen Bar erlebt hatte. Die Frau, die er dort kennen gelernt hatte, war seiner Erzählung nach total verrückt nach ihm gewesen und ließ seitdem nicht mehr locker.

„Sie ruft in der Stunde mindestens einmal an und textet mich zu, wie sehr sie in mich verliebt sei. Es ist echt nicht zum Aushalten !“

„Und warum gibst Du einer Frau so ganz einfach Deine Nummer ?“

„Na ja….“

„Los ! Raus mit der Sprache !“ forderte ich grinsend.

„Also…. Ich…. Wir….“

Es war ihm sichtlich unangenehm, darüber zu reden, doch ich ließ nicht locker.

„Richie ! Erzähl schon !“

„Aber Du sagst nichts davon zu Jon !“

„Nein, mach ich nicht !“ versprach ich und musste mir ein Lachen verbeißen.

„Wie gesagt, waren wir in dieser Bar. Und wir hatten ziemlich einen in der Krone. Wir gingen dann zu ihr, und…. Was dann passierte, muss ich Dir ja wohl nicht erzählen, oder ?“

„Doch, eigentlich schon. Schließlich muss ich ja wissen, was genau geschehen ist.“

Langsam aber sicher konnte ich mir das Lachen nicht mehr verkneifen.

„Hey ! Du bist schon wie er ! Warum habt Ihr zwei auch noch den gleichen Humor ?“

Es war soweit. Ich prustete los, ansonsten wäre ich geplatzt.

„Danke, danke ! Das hat man also davon, wenn man die Freundin seines Freundes frühmorgens vom Flughafen abholt !“

„Richie ! Wenn Du nicht sofort….“

„Schon gut ! Wir waren also bei ihr und sie wollte es unbedingt in der Badewanne tun. Sie ließ das Wasser ein und na ja…. Ich war ziemlich heiß auf sie, weil sie wirklich klasse aussieht, eine super Figur hat und….“ Er holte tief Luft. „Ich konnte es eben nicht mehr erwarten und wollte so schnell wie möglich aus meinen Klamotten. Wir standen im Bad, direkt vor der vollen Wanne und….“

Nochmals war ein tiefer Schnaufer von ihm zu hören.

„Im Eifer des Gefechtes, als ich aus meiner Jeans wollte, stolperte ich oder rutschte aus und ich fiel, einen Fuß in und einen aus der Hose, in die Wanne.“

„Neeeiiiinnn !“ brüllte ich los und schlug mir beide Hände vor das Gesicht.

Er sah mich Augen rollend an. Ich beeilte mich mit der nächsten Frage.

„Und was hat das alles mit Deiner Nummer zu tun ?“

„Mein Handy war in der Hosentasche !“

„Es war kaputt ?“

„Ja, es war natürlich vollkommen hin.“

„Aber wie kommt sie dann an Deine Nummer ?“

So langsam verstand ich gar nichts mehr.

„Es tat ihr leid, sie wollte mir helfen. Und ich Depp schickte sie am nächsten Tag los, um mir ein neues zu besorgen und gab ihr meine Nummer mit, damit ich die mit dem neuen Handy übernehmen kann.“

„Oh je ! Was machst Du, wenn sie die weiter gibt ? Ich meine, so wie Du Dich anhörst, willst Du ja nichts von ihr. Irgendwann wird sie das schnallen und ich denke mal, nicht so begeistert davon sein.“

„Keine Ahnung. Ich hoffe ja nur, dass sie die gespeicherten Nummern nicht auch noch alle hat !“

„Oh Mann Richie ! Da sind unsere auch dabei !“ rief ich entsetzt aus.

„Deswegen sollst Du Jon ja nix von erzählen !“

„Okay, ich bin jetzt müde, heute krieg ich eh nichts mehr auf die Reihe. Lass uns morgen überlegen, wie wir das machen, in Ordnung ?“

„Einverstanden.“

„War`s denn wenigstens schön ?“

„Süße, es war der Hammer !“

„Warum willst Du dann nichts von ihr ?“

„Weil ich nicht nur eine Frau für`s Bett suche, sondern eine Frau, mit der ich auch tagsüber was anfangen kann.“

„Das kannst Du nicht mit ihr ?“

„Ne, ganz sicher nicht ! Sie hat nämlich nicht so arg viel im Oberstübchen.“

„Schade eigentlich ! Ich hätte mich gefreut, wenn Du wieder eine Frau an Deiner Seite hättest.“

„Glaub mir, ich auch !“

Mittwoch, 14. April 2010

Kapitel 263

Szenenwechsel:

Jon ging auf dem direkten Weg in das Gästezimmer. Seine Kleidung warf er auf einen Stuhl und schlüpfte unter die kühle Decke. Die vier hatten ihn vollkommen geschafft. Er lächelte müde mit geschlossenen Augen. Ein schöner Tag lag hinter ihm. Das Gespräch am Morgen hatte ihn zwar mitgenommen, aber der Besuch im Zoo war genau das Richtige gewesen. Seine Kinder waren anfangs noch etwas zurückhaltend, ja scheu gewesen. Doch die Tiere hatten sie rasch auf andere Gedanken gebracht und sie hatten viel Spaß zusammen gehabt. Nur eines bereitete ihm Kopfzerbrechen.

Stephanie.
Sie war so ernst gewesen, so in sich gekehrt. Als die Jungs vor den Gorillas standen und diese im wahrsten Sinne des Wortes nachäfften, hatte sie ihn sehr lange angesehen. Schließlich griff er nach ihrer Hand und zog sie an sich. Sie ließ sich in seinen Armen gehen, und heulte hemmungslos. Er hielt sie fest und strich über den bebenden, zarten Rücken. Sie wirkte so zerbrechlich. Jon wartete geduldig, bis sie sich ausgeweint hatte. Sie hob ihren Kopf und sah ihm direkt in die Augen.

„Lohnt es sich, für diese „neue“ Frau alles hinzuschmeißen ?“

„Ja, Steph. Glaub mir, ich habe alles versucht, um unsere Ehe zu retten. Sandy kam erst in mein Leben, als alles schon vorbei war. Schau, die Scheidung ist nur der letzte Schritt.“

„Liebst Du sie sehr ?“

„Ja,“ antwortete er mit fester Stimme.

Immer noch ruhte ihr Blick in seinem.

„Du wirst sie auch mögen, wenn Du sie kennen lernst.“

Sie wandte den Kopf, um nach den Jungs zu sehen. Doch die waren immer noch mit den Gorillas beschäftigt und hatten von all dem nichts mitbekommen.

„Ich weiß nicht, was ich sagen soll, Dad.“

„Ist schon gut. Ich kann Dich auch so verstehen.“

Sie lächelte ihn hilflos an und er zwinkerte ihr zu. Dann legte er seinen Arm um die schmalen Schultern und sie gingen langsam zu den anderen. Wenig später war scheinbar alles vergessen, sie lachte sogar ein paar Mal. Auf der Rückfahrt saß sie neben ihm auf dem Beifahrersitz. Er legte seine Hand sanft auf die ihre und drückte sie. Seine Tochter zwinkerte ihm zu und sie beide mussten lachen.

Beim Abschied musste er ihnen versprechen, dass sie bald zu ihm nach LA kommen könnten. Er nahm ihnen das Versprechen ab, dass sie sich immer sofort melden würden, wenn sie ihn brauchten. Die vier stiegen vor der Einfahrt zu seinem Anwesen aus und rannten den Weg hoch. An der Haustüre winkten sie ihm noch zu, bevor sie verschwanden. Die Tränen, die sich ihren Weg bahnten, drückte er kurz entschlossen weg und gab Gas.

Es war ihm vollkommen egal, ob Dorothea sah, dass er sie nach Hause gebracht hatte. Die vier würden sowieso nicht verschweigen können, was sie den Tag über gemacht hatten. Ihm fielen die Augen zu und er schlief erschöpft ein.
Verflucht ! Müde griff er zum Nachttisch und tastete nach seinem Handy. Nach einem Blick auf das Display fragte er nur:

„Ist etwas passiert ?“

„Sandy ist auf dem Weg hierher.“

„Wie ?“

„Ich hab eben mit ihr gesimst, sie sitzt im Flieger in München und wartet auf den Start.“

„Im Ernst ?“

„Ja Jon. Im Ernst.“

„Dann ist sie in zwölf Stunden da ?“

„Ja Jon,“ kam von Richie mit leicht genervtem Unterton.
„Sie landet um sechs Uhr morgens in LA.“

„Shit !“

Nun war er hellwach. Nach einem Blick auf den Wecker begann sein Gehirn fieberhaft zu arbeiten. Der Jet war so schnell nicht zu kriegen. Ein Linienflug ? Zu welchen Zeiten war er schon von hier nach LA geflogen ?

„Hey, bist Du noch dran ?“ hörte er Richie fragen.

„Bin ich. Ich überleg gerade….“

„Ruf am JFK an, um vier geht ein Flug. Das müsstest selbst Du mit Deiner aufwändigen Morgentoilette schaffen.“

„Danke, Du bist ein echter Freund !“

„Ich hätte ja auch nicht anrufen können.“

„Richie, sei nicht immer so sarkastisch. Danke, dass Du Dich gemeldet hast !“

„Bitte, es war mir wie immer ein Vergnügen. Du weißt aber von nichts ! Ich musste es ihr versprechen. Sie will Dich überraschen.“

„Dann werde ich den Spieß umdrehen und sie überraschen. Aber…. Ich werde es wohl nicht schaffen, sie am Flughafen abzuholen. Könntest Du .… ?“

„Schon klar ! Ich geh sie abholen !“

„Danke Rich !“

Er legte auf, um gleich die Nummer des Flughafens zu wählen. Nach kurzem hin und her war sein Ticket gebucht, er hatte tatsächlich einen Flug um vier bekommen. Es lohnte sich nicht, sich wieder hinzulegen und zu schlafen. Er kramte seine Sachen zusammen, rief sich ein Taxi und kritzelte schnell einen Zettel für seine Eltern, welchen er in der Küche hinterlegte.

Am Flughafen setzte er sein Base-Cap und seine Sonnenbrille auf, ging zum Schalter der American Airlines und holte sein Ticket ab. Glücklicherweise hatte er noch einen Platz in der Ersten Klasse ergattert. Mit weit ausholenden Schritten ging er in die VIP-Lounge und bestellte Kaffee. Mit der Tasse in der Hand setzte er sich auf eines der gemütlich wirkenden Sofas und griff nach einer der Tageszeitungen. Trotz seiner Aufregung, die sein Adrenalin Achterbahn fahren ließ, versuchte er, sich auf die Artikel zu konzentrieren. Er war hundemüde und doch gleichzeitig aufgeregt. Aufgeregt, weil er nach Hause flog. Aufgeregt, weil er sie endlich wieder sehen würde.

Was sie wohl sagte, wie sie wohl reagierte, wenn er plötzlich zuhause ankam ? Beim Gedanken huschte ein Lächeln über sein Gesicht.

Dienstag, 13. April 2010

Kapitel 262

Szenenwechsel:

Bevor ich mein Ticket und meinen Ausweis vorlegte, drehte ich mich noch ein letztes Mal nach ihr um. Sie stand da, die Hände ineinander verschlungen und lächelte kläglich. Ein kleiner Stich in meinem Herzen machte mir bewusst, dass ich sie vielleicht so bald nicht wieder sehen würde. Ich war auf dem Weg in mein Leben und sie in ihres.

Beklommen schluckte ich den Kloß in meinem Hals hinunter, versuchte, ein Lächeln zustande zu bringen und hob den Arm, um ihr einen letzten Abschiedsgruß zu schicken. Zaghaft winkte sie zurück und schickte mir einen Luftkuss. Ich fing ihn mit der Hand auf und schüttelte den Kopf. Sie drehte sich um und war bald in der Menschenmenge verschwunden.

„Miss Reed ?“ hörte ich wie aus weiter Ferne eine Stimme.

„Ja ?“ fragte ich zurück und wandte mich um.

„Entschuldigung, ich wollte nicht stören. Möchten Sie vielleicht in die Erste Klasse wechseln ? Wir hätten noch einige Plätze dort frei. Dort wären sie ungestört.“

„Nein, danke ! Es macht mir nichts aus,“ antwortete ich lahm und sammelte meine Papiere wieder ein.

„Guten Flug !“

Entgegen meiner sonstigen Angewohnheit, mich ständig immer für alles zu bedanken, ging ich ohne etwas zu sagen, den Tunnel entlang Richtung Flieger. Ich wollte mit niemandem sprechen, sonst hätte ich wahrscheinlich noch richtig losgeheult. Geschafft und mutlos geworden, ließ ich mich auf meinen Platz sinken. Meinen Rucksack warf ich achtlos auf den Boden. Die Stewardess kam und kontrollierte die Gurte. Ich schloss die Augen.
Da fiepte mein Handy.

„Hey, wann kommst Du denn endlich wieder ? Hier ist es stinklangweilig ! Ich hab niemanden zum laufen, niemanden zum Essen und so langsam krieg ich wirklich die Krise. Jon hockt in NJ, die anderen zwei verlustieren sich in New York und Du flitzt irgendwo in Europa rum. Du fehlst mir, Schwester ! LG Rich.“

Ich musste lachen, ich konnte Richie vor meinem geistigen Auge sehen, wie er da stand, das Handy in der Hand und beim Schreiben des Textes mit dem Fuß aufstampfte. Wie ein kleines ungeduldiges Kind.

„Du wirst gleich einen Herzhüpfer haben, denn ich bin bereits auf dem Weg ! Sag aber bitte Jon nichts davon, es soll eine Überraschung werden ! Bussi und eine dicke Umarmung ! Sandy.“

Nur wenige Sekunden später bekam ich die nächste SMS.

„Stimmt das wirklich ? Oder ist das einer Deiner bösen Scherze ? Sonst heb ich mir den Herzhüpfer für später auf. Nein, zu spät ! Ich hab ihn schon…. *grins* Wann kommst Du denn an ? Soll ich Dich abholen ? Würde ich echt gerne machen.“

„Wir starten in ein paar Minuten, ich bin also in etwa zwölf Stunden da. Du brauchst mich nicht abzuholen, es ist ja dann ca. sechs Uhr morgens. Ich nehm mir einfach ein Taxi. Bis später !“

„Guten Flug und pass auf Dich auf, Süße !“

Die Stewardess trat neben mich und sah mich ein klein wenig vorwurfsvoll an.

„Das müssen Sie nun aber leider ausschalten.“

„Wird gemacht !“

Ich tat wie befohlen und lehnte mich wieder zurück. Richie war einfach zu süß ! Wie immer war er im richtigen Moment zur Stelle, keine Ahnung, wie er das immer wieder anstellte. Niemand außer Tanja wusste, dass ich auf dem Rückflug war, und er schickte mir kurz vor dem Abflug eine SMS ?! Hoffentlich verriet er mich nicht !
Nur, wie das mit der Überraschung werden sollte, darüber hatte ich mir natürlich noch keinerlei Gedanken gemacht. Doch ich hatte ja die nächsten zwölf Stunden genug Zeit, mir was einfallen zu lassen.

Die Startvorbereitungen waren abgeschlossen und der Vogel rollte langsam auf das vorgesehene Rollfeld, bevor er zum Stillstand kam. Ich konnte das erregende Motorengeräusch hören, das sich immer mehr steigerte, bis der Flieger endlich losrollte, rasch an Geschwindigkeit gewann und schließlich abhob. Steil stach er hoch in den nächtlichen Himmel und mir wurde flau im Magen. Sobald die Getränke angeboten wurden, bestellte ich eine Bloody Mary. Als die Flugbegleiterin diese vor mich hinstellte, orderte ich sofort eine zweite. Sie bedachte mich mit einem erstaunten Blick.

„Liebeskummer !“

„Oh je ! Wenn Sie noch etwas brauchen, wenden Sie sich an mich, in Ordnung ?“

Ich nickte nur und nahm einen Schluck. Es war immer wieder erstaunlich, was für eine beruhigende Wirkung Alkohol haben konnte. Der Drink rann brennend meine Kehle hinunter und ich hätte ziemlich viel dafür gegeben, hätte ich dazu noch eine rauchen können. Seufzend schloss ich wieder die Augen und dämmerte bald darauf in einen unruhigen Schlaf. Mein Sitznachbar entpuppte sich als sehr unruhig und dann und wann bekam ich einen kleinen Hieb in die Rippen.

Erst Stunden später kam ich wegen heftiger Turbulenzen wieder zu mir. Ein Blick auf den Bildschirm über dem Gang verriet mir, dass wir im Moment den Grand Canyon überflogen. Zarte Lichtstrahlen brachen sich ihren Weg durch die dichte Wolkendecken. Unendlich tief unter mir konnte ich das majestätische Gebilde ausmachen. Ich kam mir so klein vor, vor dieser unfassbaren Schönheit der Schöpfung. Eines Tages würde ich mit Jon dorthin fahren…. Auf dem Motorrad….

Es waren noch knappe vier Stunden bis zur Landung.

Montag, 12. April 2010

Kapitel 261

Szenenwechsel:

Er war hundemüde und total geschafft, als er die Auffahrt zu seinen Eltern hochfuhr. Seine vier Racker waren am frühen Morgen von einem Fahrer vorbei gebracht worden. Er hatte in der Haustüre gestanden, als der Wagen vorfuhr und sie beim Aussteigen beobachtet. Als sie ihn sahen, ließen sie alles fallen, was sie in den Händen gehalten hatten und liefen freudig auf ihn zu. Glücklich fielen sie ihm in die Arme. Er hörte geschätzte einhundert Mal ein aufgeregtes „Daddy ! Daddy !“ und versuchte mit seinen Umarmungen und Küssen allen vieren gerecht zu werden. Er sah die kleinen freudigen Gesichter, die ihn anstrahlten, aber er sah auch den ernsten Blick von Stephanie. Mit einem kleinen Zwinkern versuchte er, sie aufzuheitern. Das hatte früher immer geklappt. Ein hilfloses kleines Lächeln huschte über ihr Gesicht, das jedoch sofort wieder verschwand.

Die vier stürmten ins Haus, um auch die Großeltern zu begrüßen. Seine Mutter hatte Frühstück gemacht und ließ die fünf alleine. Jon hatte es so mit ihr abgesprochen. Sie machten sich hungrig über die Pancakes, Muffins, Hash browns und die gebratenen Würstchen her. Stephanie nahm sich nur ein wenig von den Cornflakes, die sie nachdenklich löffelte. Ab und zu nahm sie einen Schluck von ihrem Tee. Über die Tasse hinweg sah sie ruhig ihren Vater an. Dieser Blick verunsicherte ihn etwas, denn er kam ihm nur allzu bekannt vor. Es war der Blick ihrer Mutter.
Er riss sich zusammen und wischte den Gedanken an seine Frau augenblicklich weg. Sie sollte an diesem Tag und schon gar nicht an diesem Gespräch Anteil haben.

„Hört mal, ich muss etwas mit Euch besprechen.“

Vier neugierige Augenpaare ruhten auf ihm. Sogar die beiden Kleinen, Jacob und Romeo ließen ihr Besteck sinken. Sie sahen ihn neugierig an. Er wusste nicht, wie er anfangen sollte.

„Also, Ihr habt ja bestimmt schon gemerkt, dass Eure Mam und Euer Dad…“

Weiter kam er nicht, denn Stephanie unterbrach ihn.

„Dad, lass die Einleitung. Wir wissen, dass Ihr Euch trennen wollt.“

Überrascht sah er sie an. Nun wusste er gar nicht mehr, was er sagen sollte.

„Sag uns einfach, wie das weiter gehen soll. Wie Ihr Euch das vorstellt.“

„Steph…“ er unterbrach sich und hüstelte. „Ich wollte, dass wir in Frieden auseinander gehen. Und das funktioniert nicht. Ich will bestimmt nicht schlecht über Eure Mutter reden, aber es sind einige Dinge zwischen uns geschehen, die ein Zusammenleben unmöglich machen. Ich habe anfangs versucht, dass wir wegen Euch zusammen bleiben. Ich wollte niemals, dass Ihr in einer kaputten Familie aufwachsen müsst. Aber es geht nicht.“

Die vier sahen ihn sprachlos, aber auch erwartungsvoll an. Romeo verstand sicher nicht genau, über was hier gesprochen wurde. Jon wurde klar, dass es mit diesem einen Gespräch nicht getan sein würde. Wie auch, seine Kinder waren vom Alter her viel zu weit auseinander.

„Wir haben uns sehr geliebt. Wir wollten für immer zusammen bleiben. Deswegen seid Ihr auf der Welt. Ihr seid der Beweis für unsere Liebe, die es einmal gab. Aber irgendwann haben wir uns einfach nicht mehr verstanden. Die Gefühle, die wir füreinander hatten, veränderten sich. Wir haben nur noch miteinander gestritten.“

„Wer ist diese Frau, mit der Du immer wieder fotografiert wirst ?“ fragte Jesse.

„Sie ist meine Freundin. Sie heißt Sandy und ich liebe sie sehr.“

„Lebst Du mit ihr zusammen ?“ kam nun von Stephanie.

„Ja, sie wird zu mir nach LA ziehen.“

Sie drehte ihre Tasse unruhig zwischen den Händen und er spürte, was in ihr vorging.

„Wirst Du mit ihr auch Kinder haben, wenn Du sie so sehr magst ?“

„Ich weiß es nicht, dafür ist es noch zu früh.“

„Wirst Du uns dann nicht mehr lieb haben ?“ bohrte Jesse.

„Wie kommst Du denn nur auf so etwas ? Ich werde Euch immer lieb haben und Ihr werdet immer das Wichtigste in meinem Leben sein.“

Er sah die vier der Reihe nach an. Er wusste, dass sie verunsichert waren. Dass sie sich allein gelassen fühlten. Und dass sie Angst hatten.

„Seht her, ich bin über ein Jahr weg von zuhause. Eigentlich dachten wir, so eine Auszeit würde uns wieder zusammen bringen. Wir könnten über alles nachdenken.“

„Aber es hat nicht geklappt,“ stellte Stephanie fest. „Du hast Dich in eine andere Frau verliebt, Mam trifft sich mit anderen Männern und wir sind irgendwo dazwischen. Na super, da kann ich mich ja dann endlich in die Reihe bei meinen Klassenkameradinnen einreihen.“

Er erschrak, als er ihre Bemerkung hörte. Sie klang so sarkastisch, so abgeklärt.

„Sie trifft sich mit anderen Männern ?“ hakte er nach.

„Ja. Dauernd sind es andere. Ich würde ja nichts sagen, wenn es einer wäre. Schließlich bist Du auch mit einer anderen Frau zusammen. Sie glaubt, wir würden es nicht merken, wenn sie früh morgens nach Hause kommt. Aber wir merken es doch.“

Jon wurde unruhig. Das hatte er nicht erwartet. So, wie er Dorothea kannte, hatte er gedacht, sie hätte beim Treffen mit den Anwälten so reagiert, weil sie ihn immer noch liebte, weil sie verletzt war und keine Chance sah, ihre Ehe zu retten. Aber dass sie sich mit anderen traf, sogar mit vielen verschiedenen…. Er musste etwas tun, etwas entscheiden, aber was ? Und wie ? Sagte Stephanie die Wahrheit, oder übertrieb sie einfach, weil sie ihre Eltern für das, was geschah, verurteilte ?

„Ich weiß nicht, wie es weiter gehen wird. Eigentlich habe ich mir gewünscht, dass Eure Mam und ich Freunde bleiben würden. Dass ich Euch immer besuchen könnte, wann ich wollte und Ihr mich. Ihr wisst, dass Ihr mich immer anrufen, mich immer besuchen könnt, wann Ihr wollt ? Dass ich immer für Euch da sein werde ?“

Die vier nickten nur traurig. Keiner von ihnen sprach ein Wort. Er hatte keine Ahnung, was er ihnen noch sagen konnte, was er nun tun sollte. Was das richtige war. Seine Eltern waren seine Rettung. Sie kamen leise herein und sahen die fünf ruhig an. Carol ergriff das Wort.

„Ihr Süßen, Ihr wisst, dass Euer Dad die Wahrheit sagt ?“

Sie machte eine kleine Pause, um ihnen Zeit zu geben und ihren Worten Nachdruck zu verleihen.
Wieder nickten sie nur.

„Er liebt Euch über alles und ist immer für Euch da. Er ruft so oft bei uns an, um nach Euch zu fragen. Und er macht sich große Sorgen um Euch.“

„Was sollen wir jetzt tun ? Sollen wir Mam dafür verurteilen ?“ fragte Stephanie verzweifelt.

„Nein nein ! Natürlich nicht ! Aber Ihr müsst offen sein, Ihr müsst Eurem Dad erzählen, wenn etwas nicht stimmt, wenn Euch etwas stört, wenn Ihr etwas nicht verstehen könnt. Nur so können Missverständnisse beiseite geräumt werden.“

„Und wo sollen wir leben ?“ fragte Jesse mit Tränen in den Augen.

„Wo wollt Ihr denn leben ?“ fragte Jon leise.

„Bei Dir und bei Mam,“ sagte Jake.

„Ihr wisst, dass das nicht geht. Ihr habt hier Eure Schule, Eure Freunde, Euer Zuhause. Aber Ihr könnt immer zu mir kommen, und ich werde, so oft ich kann, zu Euch kommen. Wenn Ihr das wollt ?“

Die drei Größeren sprangen auf und umarmten ihn, Romeo schaute immer noch verständnislos drein, doch John nahm ihn auf seine Arme und trug ihn zu Jon, der ihn auf seinen Schoß setzte.

„Und Du ?“

„Auch…. Ferien…. bei Dad….“ stammelte er.

„Aber Ihr müsst mir versprechen, dass Ihr mich immer anruft, wenn Ihr mich braucht !“

Sie nickten.

„Und Ihr müsst mir versprechen, dass Ihr mir immer alles sagt, was zuhause vor sich geht ?“

Sie nickten und er sah die Tränen in den Augen. Es tat ihm so weh.

„So, genug der Tränen und der Traurigkeit ! Euer Dad geht mit Euch in den Zoo !“

Carol klatschte in die Hände und scheuchte die Kids auf, die sofort jubelnd aufsprangen und nach ihren Sachen kramten.
Jon sah seine Eltern dankbar an und stand langsam auf. Der erste Schritt war getan. Für ihn war es der wichtigste.

Montag, 5. April 2010

Kapitel 260

„Nine Lives auf der Eins in den Staaten !
Die deutsche Rockband um die Sängerin Sandy Reed hat das fast unmögliche geschafft. Zum ersten Mal seit den Zeiten Nenas ist eine deutsche Band auf Platz Eins in den amerikanischen Charts geschossen. Ihr Song „Can`t stop calling you“ hatte zwar einen kleinen Durchmarsch durch die Top Twenty zu bewältigen, aber es hat geklappt !“

„Sandy Reed mit ihren Jungs on Top !
Unsere Lokalhelden haben es tatsächlich geschafft, die amerikanischen Charts zu stürmen ! Was hier mit Auftritten auf Schulfesten, Hochzeiten und Dorffesten begann, nimmt in der großen weiten Welt seinen Fortgang. Wir sind sehr stolz auf ‚unsere’ Nine Lives !“

Mit wurde schwindelig und ich konnte es nicht glauben. Jon hatte mich also nicht veräppelt. Es war Wirklichkeit. Wir waren auf der Eins in den Staaten. Und das noch mit einem meiner Lieblingssongs. Meine Gedanken rasten. Ich griff nach meinem Handy und wählte Stefans Nummer. Nach endlosem Klingeln gab ich genervt auf. Warum ging er nicht hin ? Ich sah auf die Uhr. Bei uns war es kurz vor sieben Uhr abends. Die waren mich Sicherheit noch nicht auf, wenn sie überhaupt schon ins Bett gefunden hatten. Ich musste lachen, hielt aber gleich wieder inne. Ich war nicht bei ihnen und sollte es doch sein….

Tanja kam mit Tellern und Besteck beladen zu mir und machte sich daran, den Tisch zu decken. Sie lächelte mich an.

„Trübe Gedanken ?“

„Ich bin nicht bei meiner Band.“

Sie sah mich prüfend an, zeigte jedoch keine Regung.

„Schau, wie oft im Leben ist man auf Platz eins ? Und für wie lange ? Ich meine, so was sollte man doch zusammen feiern, oder ?“

„Du fliegst doch morgen. Durch die Zeitverschiebung gewinnst Du ja noch 12 Stunden.“

„Schon. Aber ich weiß gar nicht, wie ich das jetzt machen soll. Jon sitzt in New Jersey, die Jungs in LA. Eigentlich will ich zu Jon und eigentlich will ich zu meinen Jungs.“

„Ich denke, wenn er weiß, dass Du wieder in LA bist, wird er sicherlich gleich zu Dir fliegen.“

Ich nickte nur.

„Soll ich Dir noch was helfen ?“

„Nein, lass nur. Ich bin soweit fertig.“

Nach dem Essen ging ich bei meinen Eltern vorbei. Es wurde ein tränenreicher Abschied, und sehr oft dachte ich daran, einfach hier zu bleiben. Hin- und her gerissen, völlig durcheinander machte ich mich schweren Herzens auf den Heimweg. Den Heimweg ? Langsam ging ich durch die Nacht und versuchte meine Gedanken zu ordnen. Versuchte, mir einzureden, dass das, was ich tat, das richtige war. Wenn bloß Jon hier wäre !

Nur wenige Stunden später standen wir auf. Es war kurz nach zwei. Knappe zwei Stunden Fahrt zum Flughafen, eine Stunde vorher einchecken…. Wir hatten also noch etwas Zeit für ein Frühstück.
Das letzte Frühstück in meiner Wohnung….

Ich sammelte meine Habseligkeiten ein und packte meinen kleinen Rucksack. Traurig sah ich mich um. Obwohl noch ein paar meiner Möbel hier waren, sah es völlig anders aus. Es war jetzt Tanjas Bleibe. Ich ließ ein letztes Mal meinen Blick schweifen, bevor ich mich umdrehte und hinaus ging.

Sie schloss sorgfältig ab und wir gingen langsam die Treppe hinunter. Die Haustür fiel laut ins Schloss. Tanja ging voraus zum Auto. Ich drehte mich um und sah ein allerletztes Mal zu meinen Fenstern hoch. Das Wasser schoss mir in die Augen. Sie hatte gemerkt, was in mir los war und griff nach meiner Hand.

„Komm !“ sagte sie nur und zog mich sanft mit sich.

Während ich mein Ticket holte, besorgte sie uns Kaffee. Im Raucherbereich ließen wir uns auf die Stühle sinken und tranken schweigend. Alles kam mir so unwirklich vor, Irgendwie hatte ich plötzlich Angst vor meiner Zukunft. Ich sollte mich um Tanja kümmern, ich begann ein neues Leben, auf einem anderen Kontinent. Platz eins in den USA. Jon`s Scheidung, meine Jungs.

„Süße, es wird alles gut werden. Du tust das Richtige !“

„Bei Dir hört sich das alles immer so einfach an !“

„Es ist einfach.“

Ich sah sie zweifelnd an, doch Tanjas Optimismus machte auch mir wieder Mut.

„Wenn es drüben nicht klappt, was ich absolut nicht glaube, kommst Du wieder her. Du hast hier Deine Eltern, Deine Freunde, Deine Wohnung.“

„Tanja, ich hab echt Angst !“

„Ach lass Dich drücken !“

Sie nahm mich in ihre Arme.

„Vor was hast Du denn Angst ? Vor dem Glücklichsein ? Vor dem Erfolg ?“

Leise auflachend schüttelte sie ihren Kopf.

„Und ich hab ein schlechtes Gewissen.“

„Aber nicht wegen mir ! Das lass mal ganz schnell wieder sein.“

„Aber ich lass Dich einfach so alleine…. Und….“

„Nichts und ! Du lässt mich alleine, weil ich es so will ! Es tut mir bestimmt ganz gut, für mich zu sein. Niemals im Leben würde ich von Dir verlangen, hier zu bleiben und mich zu trösten. Außerdem ist es nicht der erste Liebeskummer den ich habe.“

„Du kommst aber wann immer Du willst ?“

„Sicher !“

„Mir fällt gerade ein, Du hast ja den Flug bezahlt ! Was hat der denn gekostet ?“

„450 Euro. Aber sieh`s als Mietzahlung an !“

„Ne, Tanja ! Ich will nicht, dass Du den bezahlst !“

„Ist schon okay.“

Mein Flug wurde aufgerufen und das Boarding begann. Sie stand auf, um zur Toilette zu gehen. Ich steckte rasch fünf Hunderter in ihre Handtasche, vergrub diese aber ganz unten, damit sie sie nicht gleich sah, falls sie während unseres Zusammenseins noch einmal hinein schaute.

Wir verabschiedeten uns heulend. Schniefend und vor uns hin stammelnd, nahm ich ihr das Versprechen ab, dass sie immer anrufen würde, falls sie mich brauchen würde. Und sie musste mir versprechen, und dafür nahm ich ihr einen Eid ab, dass sie kommen würde, falls ihr danach war.