Freitag, 26. März 2010

Kapitel 259

„Wie *Eins* ?“

„Na, Eins eben.“

„Jon, reg mich jetzt nicht auf ! Ich hab sowieso schon wieder Herzrasen !“

„Das hätte ich an Deiner Stelle auch !“

„Nun sag schon !“ drängelte ich.

„Eins.“

„Wir…. sind…. ach nee…. das kann doch nicht sein…. Du veräppelst mich !.....Komm, lass die blöden Scherze !“

„Süße, ich scherze nicht !“

„Und das sagst Du mir erst jetzt ?“

„Na ja, ich wollte vorher schon ein wenig hören, wie sehr Du mich vermisst, dass ich Dir fehle, dass Du bald kommst….“

„Hey, ich glaub es wird wirklich Zeit dass ich zu Dir zurück komme ! Dann kann ich Dir wenigstens die Ohren lang ziehen !“

„Wenn Du dafür überhaupt noch Zeit finden wirst !“

„Glaub mir, das werde ich !“

„Du weißt, dass ich eine gewisse Macht über Dich habe.“

„Was meinst Du jetzt damit schon wieder ?“

„Halsbeuge.“

„Hä ?“ fragte ich verständnislos.

„Küsse.“

Ich spürte ganz deutlich, wie mir heiß wurde. Die Hitze stieg augenblicklich in mir hoch. Ich begann zu zittern. Dieser Mann war unglaublich ! Soeben hatte er mir mitgeteilt, dass wir in den Charts auf Platz eins geschossen waren und nur Sekunden später startete er so etwas wie Telefonsex. Doch, wenn ich hoffte, er würde damit aufhören, täuschte ich mich gewaltig.

„Meine Lippen fahren langsam an Deinem Hals hinunter. Du siehst mir in die Augen. Meine Zunge leckt ganz sanft durch das Tal zwischen Deinen Brüsten. Ich streife die Träger Deines BH´s über Deine Schultern. Ich öffne Deine Jeans. Du trägst doch eine momentan ?“

Sein kehliges, heißeres Lachen erklang.

„Jon….“ sagte ich hilflos. Doch er tat, als hätte er mich nicht gehört.

„Ich hebe Dich auf den Block in der Küche….“

Er atmete tief ein und aus.
Es reichte ! Wenn ich ihn fortfahren ließ, wäre ich ganz sicher dem Wahnsinn geweiht.

„Und dann geht die Tür auf und Richie schneit herein !“ unterbrach ich.

„Hey, Du bist so was von….“ beschwerte er sich.

„Was bin ich ? Ich werde hier noch ganz kirre….“

„Bist Du das denn nicht schon ?“ fragte er leise.

„Doch ! Und Du bist ganz schön gemein !“

„Wann also kommst Du zu mir ?“

„Jon !“

„Schon okay, ich hör ja schon auf ! Bleib bei ihr und kümmere Dich um sie.“

„Meinst Du ganz ehrlich ?“

„Ja. Ich meine es so, wie ich es sage.“

„Ich liebe Dich !“

„Ich liebe Dich auch, Süße.“

„Schlaf schön !“

„Ich wünsch Dir einen schönen Tag !“

Wir verabschiedeten uns und legten auf. Immer noch hatte ich diese Hitzewallungen und strich mit der Hand über meine Stirn. Nur allzu gerne hätte ich ihm weiter zugehört. Aber ich sehnte mich nach ihm, nach seinem Körper. Ich wollte ihn wirklich und echt spüren, riechen, schmecken. Das am Telefon hatte es nur noch schlimmer gemacht. Tanja war hinter mich getreten und legte ihre Hand auf meinen Arm.

„Schlimm ?“

„Joa.“

„Dann lass uns weiter machen. Um so schneller bist Du wieder bei ihm.“

Sie lächelte mich mit ihrem sanften Lächeln an. Doch irgendwie spürte ich, dass sie das gegen ihren Willen gesagt hatte. Ganz sicher wäre es ihr lieber, wenn ich noch bei ihr bliebe. Doch niemals, in ihrem ganzen Leben nicht, hätte sie das zugegeben.
Wir machten uns also daran, ihre Sachen einzuräumen. Sie kramte in ihren Kisten herum und ich machte mich auf, ihr Geschirr in die Küchenschränke zu verfrachten. Wir beide hingen in aller Ruhe unseren Gedanken nach. Nach dem Mittagessen wurde es jedoch so heiß, dass wir beschlossen, zu pausieren und uns in die Sonne zu legen. Faul fläzten wir uns auf den Liegen und genossen die Wärme. Irgendwann waren wir beide eingedöst. Ich wachte auf, als ich Tanja leise reden hörte.

„Ja, genau ! Wann geht denn der früheste ?“

Ich rieb mir die Augen und streckte mich wohlig aus.

„Ach ? Gut, ja dann nehme ich diesen. Nein, die Buchung lautet auf den Namen Sandy Reed. Das Ticket erhält sie dann beim Check-In ? Super !“

Sie nannte eine lange Nummer und eine Bank.

„Ja ! Super, danke ! Auf Wiederhören.“

Ich stand rasch auf. Das konnte ja wohl nicht wahr sein !

„Was hast Du getan ? Mit wem hast Du telefoniert ?“

Sie sah mich lächelnd an.

„Du fliegst morgen früh um sechs nach LA. Ich fahr Dich zum Flughafen. Es ist alles geregelt.“

„Tanja, gar nichts ist geregelt ! Du kannst mir nicht einfach einen Flug buchen ! Ich kann Dich doch nicht alleine lassen ?“

„Doch, das kannst Du und das wirst Du ! Schau, ich hab noch ein wenig von Eurem Gespräch mitgekriegt und ich weiß, wie sehr er Dir fehlt.“

Ich wollte aufbrausen und sie unterbrechen.

„Nein, lass mich ausreden ! Ihr geht demnächst auf Tour, da bleibt nicht viel Zeit für Euch beide. Außerdem….“ Sie lächelte geheimnisvoll. „Ich hab Dir die Abendzeitungen mitgebracht.“

„Was…?“

„Lies ! Ich mach solange Essen.“

Mit den Zeitungen in der Hand ging ich zurück auf die Terrasse und breitete sie dort vor mir aus. Nur unbewusst hörte ich Tanja mit Geschirr klappern. Sie war anscheinend während ich noch schlief, einkaufen gewesen.

Mit stockte der Atem.

Mittwoch, 24. März 2010

Kapitel 258

„Honey ! Ich vermiss Dich so schrecklich ! Was machst Du ? Melde Dich doch bitte, wenn Du das liest, ich muss Dich unbedingt hören. Ruf an, egal wie spät es ist.“

Hin und her gerissen wirbelten meine Gedanken durcheinander. Irgendwie schaffte ich es nicht, jetzt mit ihm zu telefonieren. Tanja saß draußen in ihrem Elend und wenn ich mit ihm sprechen würde, würde sie unser Liebesgeflüster mit anhören müssen. Doch – unkompliziert wie sie war – kam sie mir entgegen und lächelte ein hilfloses Lächeln.

„Mach schon ! Ich geh jetzt ins Bad und danach zum Bäcker, lass Dich von mir nicht stören !“

Ich nickte dankbar und wählte seine Nummer.

„Sandy !“

Er hatte sofort nach dem ersten Klingeln abgenommen. Ich sah ihn vor mir sitzen, das Handy in der Hand und auf meinen Anruf wartend.

„Hi mein Schatz ! Du musst also unbedingt meine Stimme hören ?“

„Ja, Du fehlst mir so sehr !“

„Du mir auch !“ flüsterte ich.

„Wann kommst Du denn ? Soll ich Dich abholen ? Du fliegst doch direkt nach LA ? Deine Sachen müssen ja erst noch durch den Zoll und kommen erst später ? Hast Du den Flug schon gebucht ?“

Ich musste lächeln, doch stoppte ich seine Fragelawine mit einem „Johooon !“

„Sorry, aber ich kann es nicht mehr erwarten, bis Du endlich wieder da bist. Die zwei Wochen sind einfach zu lang !“

Innerlich kämpften zwei kleine Teufelchen miteinander.
Der eine sagte: „Flieg !“

Der andere sagte mahnend: „Du kannst Deine Freundin nicht im Stich lassen !“

„Flieg schon, macht doch nix ! Jon fehlt Dir, Du willst bei ihm sein.“

„Nein, Du fliegst nicht ! Das Leben ist kein Ponyhof und wir sind auch nicht bei „wünsch Dir was“ ! Kümmer Dich gefälligst um Deine Freundin !“

Jon bemerkte mein Zögern und mit beklommener Stimme fragte er:

„Schatz, was ist denn ? Du kommst doch ?“

Ich zögerte immer noch. Und doch wischte ich die beiden Teufel mit einer raschen Handbewegung weg und hoffte, sie waren wirklich verschwunden.

„Was ist denn ? Warum antwortest Du mir nicht ? Ist etwas passiert ?“

Er klang immer drängender und so ging ich auf die Terrasse, in der Hoffnung, Tanja würde mich nicht hören können.

„Jon, ich hab hier ein Problem. Tanja hat erfahren, dass ihr Freund eine andere hat. Ihre ganze Zukunft, die sie mit ihm geplant hat, ist beim Teufel. Ich kann sie nicht alleine lassen.“

Er holte tief Luft und ich spürte, dass er nicht wusste, was er sagen sollte.

„Weißt Du, sie ist ziemlich verzweifelt und traurig. Ich hab ihr angeboten, sie solle mit mir zu uns kommen, aber sie will hier bleiben. Allein. Und das finde ich nicht gut. Ich hab ein wenig Angst um sie.“

Ein kleine Pause entstand.

„Ich weiß, dass Du mich ebenso brauchst wie sie. Aber ich weiß einfach überhaupt nicht, was ich jetzt tun soll.“

Er nahm sich Zeit, bevor er weiter sprach.

„Es ist schon okay, wenn Du noch bei Ihr bleibst. Leider kenn ich sie nicht, aber es ist sicher besser, sie ist nicht alleine. Nicht, dass sie sich noch was antut.“

„Das glaube ich zwar nicht, aber ich bring es nicht über mich, jetzt zu gehen.“

Die Tränen schossen mir in die Augen. Irgendwie tauchte wieder dieser riesige Ozean vor meinen Augen auf und erschien mir in diesem Augenblick als unüberwindbar.

„Hey hey ! Jetzt wein doch nicht ! Mach Dir wegen mir keine Gedanken. Ich bin hier gut aufgehoben bei meinen Eltern. Außerdem kommen meine Kinder her.“

„Echt ?“ rief ich überrascht aus. „Das ist ja super ! Du platzt wahrscheinlich fast vor
Freude ?“

„Da kannst Du Dir sicher sein ! Doro weiß nichts davon, dass ich hier bin. So kann ich die vier wenigstens ohne Stress mit ihr sehen.“

„Was wirst Du dann mit ihnen machen ?“

„Zuallererst werde ich mit ihnen sprechen. Ich muss es ihnen erklären, von meiner Seite aus. Und dann weiß ich ja nicht, was Doro alles zu ihnen gesagt hat.“

„Mhhhm…. Stimmt. Ich hoffe nur, dass sie Dich nicht schon bei ihnen schlecht gemacht hat und Du da auch noch Schwierigkeiten hast.“

„Ja, ich trau ihr alles zu.“

Er räusperte sich.

„Aber erzähl, was macht Ihr zwei sonst ? Ich mein, außer Liebeskummer bewältigen ?“

Ich erzählte ihm vom vergangenen Tag und er lachte, als ich ihm die Situation an der Tankstelle schilderte.

„Das kann ich mir bildlich vorstellen. Sandy außer Rand und Band und ein völlig verdutzter Typ hinter seinem Lenkrad.“

Ich musste mitlachen, von jeher war sein Lachen so ansteckend, dass ich mich eigentlich nie dagegen verwehren konnte.

„Schön, dass Du „uns“ gesagt hast.“

Ich stutzte.

„Was ?“

„Na vorhin ! Du hast zum ersten Mal „uns“ gesagt.“

„Hab ich ?“ fragte ich erstaunt.

„Jep ! Hast Du ! Um so schöner, dass Du es, wie es scheint, unbewusst gesagt hast.“

„Jon ?“

„Ja ?“

„Hey, Du fehlst mir echt. Ich würde mich jetzt so gerne von Dir in die Arme nehmen lassen.“

„Und ich würde Dich jetzt so gerne in meinen halten !“

Ich seufzte laut auf.

„Ach, hätte ich fast vergessen. Du hast Dir vor lauter Umzugschaos sicher keine Chartplatzierungen angeschaut ?“ fragte er geheimnisvoll.

„Ne, warum ? Tom hätte mich sicherlich schon angerufen, wenn`s was neues gäbe.“

„Tom und Tini sind heute aber auf einem kleinen Ausflug. Und ich hab die Nachtausgabe von den LA Latest News.“

Ich konnte ihn über die vielen tausend Meilen, die uns trennten, feixen hören.

„Ja und ?“

„Tatatata !“ Jon ahmte eine Fanfare nach und ich brach schon wieder in Gelächter aus.

„Nun sag schon ! Oder musstest Du ein Schweigegelübde ablegen ?“

Ich wurde ungeduldig, denn ich spürte, dass es interessante Neuigkeiten waren.

„Eins.“

Dienstag, 9. März 2010

Kapitel 257

Wesentlich ruhiger, und um einiges abgekühlt stiefelte ich wieder zu unserem Auto und öffnete die Fahrertür. Nun war es Tanja, die mich verdutzt ansah.

„Ich fahre weiter.“

Sie rutschte dankbar auf den Beifahrersitz und kramte nach einem Taschentuch. Ich bog wieder auf die Autobahn ein und fuhr einige Kilometer, bevor ich sie fragte.

„Weißt Du schon, was Du jetzt machen willst ?“

„Neiiiiin !“ und heulte schon wieder los.

„Aber wann ist das passiert ? Ich versteh das alles nicht….“ brachte ich hilflos hervor, doch außer einem Schulterzucken war von ihr nichts zu vernehmen.
„Hat er sie hier in München kennen gelernt ?“

„Neiiiiin…. Er war die letzten Tage in Barcelona, Galerien besuchen…. Meine Sachen ausstellen…. Das alles organisieren…. Es wäre eine riesige Chance für mich gewesen…. Und nun das…..“

„Ja aber, das geschieht doch nicht einfach so….“

„Anscheinend aber doch !“ fuhr sie mich trotzig an.

„Hast Du vorher nichts gemerkt ?“

„Nicht wirklich. Er war schon viel unterwegs und bekam viele Anrufe und SMS. Aber ich habe mir darüber keine Gedanken gemacht. Ich dachte mir doch nichts schlimmes dabei.“

„Vielleicht ist das so, wenn man verliebt ist.“

„Was ?“

„Dass man vielleicht ein bisschen blauäugig und gutgläubig ist. Dass man nicht so scharfsinnig ist.“

„Auf jeden Fall wird mir so was nicht noch Mal passieren !“ sagte sie mit fester Stimme.

„Ach komm Tanja ! So darfst Du das nicht sehen !“

„Doch ! Ich hab mich schon so oft verletzen lassen, ich hab da keinen Bock mehr drauf.“

Ich kannte ihre Einstellung. Zu häufig hatte sie sich schon verliebt und war enttäuscht worden. Nur deswegen hatte sie sich in den letzten Jahren so abgeschottet, keinen Mann mehr wirklich an sich heran gelassen. Stets hatte sie cool reagiert, hatte das alles abgetan, als ob es nicht wirklich wichtig wäre. Und doch hatte ich immer das Gefühl, dass sie sich nach der großen Liebe, nach Mr. Right sehnte. Die nächste Zeit schwiegen wir und hingen unseren Gedanken nach.

„Und weißt Du, was mich am allermeisten ankotzt ? Dieser Schnarchzapfen verkauft das Grundstück mit meinem Traumhaus drauf ! Ich habe alles geplant, die Grundrisse gezeichnet, die Ideen sind alle von mir !“

„Jetzt wart`s mal ab. Vielleicht stellt sich das alles noch ganz anders heraus.“

„Was soll sich da noch anders herausstellen ? Und selbst wenn. Der Typ hat mir so wehgetan, der kann sich einfallen lassen, was er will, der ist für mich gestorben ! Der braucht nie wieder angekrochen kommen !“

Man konnte die Wut, die nun in ihr tobte, förmlich spüren und insgeheim war ich froh, dass sie nicht am Steuer saß. Die weitere Fahrt über schimpfte sie über den ehemals so Geliebten und ich ließ sie. Ich wusste, sie brauchte das, um den ersten Schmerz zu verarbeiten. Als wir vor meiner Wohnung standen und Tanja bereits aussteigen wollte, legte ich meine Hand auf die ihre. Fragend sah sie mich an.

„Eigentlich wollte ich Dir sagen, dass ich so bald wie möglich in die Staaten zurück kehren will. Aber nun….“

„Was nun ? Wegen mir ?“ Sie runzelte die Stirn. „Wegen mir brauchst Du nicht hier zu bleiben. Flieg ruhig ! Das macht mir nichts aus.“

„Und wenn Du mit mir kommst ? Ist doch sicher besser, als hier alleine zu bleiben.“

„Nein, ich möchte lieber alleine sein. Glaub mir, ich brauche das.“

Ohne weiter abzuwarten, was ich noch sagen würde, schnappte sie ihre Tasche und sprang vom Sitz. Tanja war unglaublich schnell unterwegs, als wir die Kartons nach oben trugen. Sie regte sich damit ab. Wir stellten alles mitten ins Wohnzimmer. Viel war es ja nicht und wir waren bald darauf fertig. Da unsere Mägen laut knurrten, griff ich nach dem Telefon und bestellte Pasta und frische Salate. Ich öffnete eine gute Flasche Rotwein und wir setzten uns auf die Terrasse. Das Essen wurde geliefert und wir machten uns wie hungrige Wölfe darüber her. Ich grinste, als ich merkte, dass meine Freundin trotz Liebeskummer großen Appetit zeigte. Sie sah, dass ich sie anschaute und meinte trocken:

„Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich deswegen hungern werde ?“

Ich musste lachen und sie stimmte – wenn auch zögerlich – mit ein.
Müde ließen wir uns auf mein Bett sinken und waren augenblicklich eingeschlafen. Am nächsten Morgen wurde ich vom Duft von frischem Kaffee geweckt. Sie saß mit dem Rücken zu mir auf der Terrasse und wirkte völlig in sich gekehrt. Leise ging ich zu ihr und wünschte ihr einen Guten Morgen.

„Hey, Du bist schon wach ? Hab ich Dich geweckt ?“

„Wie spät ist es denn ?“

„Frag lieber wie früh ! Es ist noch nicht mal sechs.“

Plötzlich hatte ich ein unheimliches Bedürfnis, sie in die Arme zu nehmen und drückte sie fest.

„Wie geht`s Dir ?“

„Ach ganz gut. Besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.“

Sie gab sich optimistisch, doch ich wusste genau, wie es in ihr aussah. Sie war verletzt, gedemütigt, ohnmächtig, traurig, wütend….. Nachdem ich mich mit Kaffee versorgt hatte, ging ich wieder zu ihr.

„Willst Du darüber reden ?“

„Nein.“

„Täte Dir aber bestimmt gut.“

„Nein.“

„Tanja, reden ist besser, als alles in sich hineinzufressen.“

„Ach weißt Du, ich hätte es vorher wissen müssen. Es wäre zu schön gewesen, um wahr zu sein. Vielleicht ist das mein Schicksal.“

„So ein Quatsch !“

„Es ist kein Quatsch ! Ich hab einfach kein Glück mit den Männern. Wenn ich mir die Typen in`s Bett hole, ohne Verpflichtungen, ohne Gefühle, ohne all das, dann hab ich meinen Spaß und vor allem keine Probleme. Und das werde ich ab sofort wieder tun.“

„Aber….“ Versuchte ich einzuwenden.

„Nix aber ! Ich komm besser klar so, und das ist die Hauptsache.“

Sie nippte an ihrer Tasse und sah nachdenklich in die Ferne. Ich spürte, dass es keinen Sinn machen würde, sie von etwas anderem zu überzeugen und schwieg. Mein Handy fiepte, doch ich traute mich nicht, aufzustehen und hinzugehen.

„Geh ruhig ! Es ist sicher Jon.“

„Macht es Dir nichts aus ?“

„Na los ! Geh schon !“

Für mich war es ein falscher Zeitpunkt, sie jetzt da allein sitzen zu lassen. Widerwillig stand ich auf und ging hinein. Auf dem Display sah ich, dass die SMS tatsächlich von ihm war.

Montag, 8. März 2010

Kapitel 256

Szenenwechsel:

Wir wachten beide mit unglaublichen Kopfschmerzen auf. Kein Wunder. Beim Italiener der Rotwein, gefolgt von einigen Ramazottis und dann noch der Prosecco…. Es musste ja so enden ! Tanja lag jammernd im Bett, unfähig aufzustehen. Die Hände an die Schläfen gelegt, krabbelte ich mühsam aus meinem Nachtlager und machte mich auf in die Küche. Beim Kaffeepulver sparte ich an diesem Morgen nicht.

Irgendwo mussten doch die verdammten Kopfscherztabletten sein ! Kurz entschlossen leerte ich der Einfachheit halber meine Handtasche aus. Endlich sah ich das weiße Röhrchen, ließ zwei Stück in meine Hand kullern und löste sie in etwas Wasser auf. Mit der Kaffeetasse in einen und dem Wasserglas in der anderen ging ich hinaus auf den Balkon. Von dort ließen sich die Menschen, die unten auf der Straße zur Arbeit, zum Einkaufen oder zu was auch immer hetzten, wunderbar beobachten. Gemütlich legte ich die Beine hoch. Irgendwann wirkten auch endlich die Tabletten und das Klopfen in meinem Kopf ließ nach.

„Guten Morgen,“ murmelte Tanja hinter mir.

„Hi !“

„Oh Mann ! Nicht so laut !“ maulte sie.

„Setz Dich, ich hol Dir `ne Tablette und frischen Kaffee !“

Ich zog einen Stuhl heran und sie ließ sich stöhnend darauf fallen.

„Danke. Ich hab Dich lieb !“

Ich grinste sie nur an und holte das Versprochene.
Tanja war an diesem Morgen ausgesprochen still. Auf meine Fragen hin meinte sie nur, es wäre nichts. Na ja, wahrscheinlich noch die Nachwirkungen von gestern.
Ruhig machten wir uns daran, ihre Habe in unseren kleinen Miettransporter zu tragen und dort möglichst platz sparend zu stapeln. Gegen 16.00 Uhr waren wir fertig, kehrten die Wohnung durch und übergaben dem Hausmeister die Wohnungsschlüssel. Tanja machte es mit ihrem Abschied von der Wohnung bemerkenswert kurz. Ich fragte sie danach.

„Ach was, ich hab ja eh nur hier geschlafen. Gewohnt oder gelebt hab ich hier nicht wirklich !“

Wortlos drehte sie sich um und setzte sich hinter das Steuer. Irgendwie kam sie mir seltsam vor, doch ihr Gesicht verriet nichts.
Vollbeladen machten wir uns auf den Weg und erreichten nur wenige Minuten später die Autobahn.
Doch da fiel mir was äußerst wichtiges ein.

„Sag mal, wolltest Du nicht noch bei Deinem Spanier vorbei ?“

„Nö,“ lautete die knappe Antwort von ihr.

Sie hielt das Lenkrad mit beiden Händen fest und starrte mit unbewegtem Blick durch die Windschutzscheibe.

„Tanja ?“ hakte ich nach.

„Was denn ?“

„Habt Ihr Streit ?“

„Nö.“

„Willst Du nicht darüber reden ?“

„Nö.“

Also ließ ich sie in Ruhe. Wenn sie wollte, würde sie damit rausrücken. Zwingen konnte ich sie ja schließlich nicht. Ich beschloss, ihr Zeit zu lassen. Meine Gedanken schweiften ab, als die Landschaft vorüber zog. Was er wohl machte ? In New Jersey war es jetzt kurz nach zehn Uhr morgens. Ob er schon auf war ? Ich vermisste Jon immer mehr und es machte mich unsicher, so weit von ihm entfernt zu sein. Der Ozean, der uns trennte, erschien mir unüberwindbar. Als ob es keine Flugzeuge gäbe ! Den Kopf in eine Hand gestützt, grübelte ich weiter vor mich hin. Auch Tanja schwieg, bis sie den Blinker setzte.

„Wir müssen tanken.“

Sie schwang sich vom Sitz und machte sich an der Zapfsäule zu schaffen. So richtig mutlos geworden, zündete ich eine Zigarette an. Als sie zurück kam, hatte ich einen Entschluss gefasst. Eigentlich zwei.

„Willst Du immer noch nicht darüber reden ?“

„Eigentlich nicht. Ich will die paar Stunden, die wir noch zusammen sind, nicht über solche Dinge sprechen.“

„Was meinst Du mit „solche Dinge“ ?“

„Also gut.“

Tanja hatte sich vorgelehnt und beide Arme auf das Lenkrad gelegt.

„Wenn Du es nicht anders willst.“

Sie holte ein paar Mal tief Luft, bevor sie zu sprechen begann.

„Juan, - mein Spanier – wie Du ihn immer nennst, hat mir heute morgen mitgeteilt, dass er wohl nicht mit mir nach El Hierro ziehen wird. Er möchte das Grundstück verkaufen und nach Barcelona gehen.“

„Ja, aber warum ? Und wieso kommt er jetzt plötzlich auf so was ?“ fragte ich erschrocken.

„So, wie er mich kennen gelernt hat, hat er nun eine andere kennen gelernt. Die ist wahrscheinlich hübscher, jünger, talentierter, erfolgreicher und ganz sicher nicht so kritisch wie ich !“

„Ach Mensch, Süße ! Komm, lass Dich in die Arme nehmen !“

Wir hielten uns in den Armen und ich hielt sie fest, während ihr die Tränen nur noch so herunter liefen. Irgendein Idiot hinter uns hupte wie verrückt. Ich wurde so wütend, dass ich aus dem Auto ausstieg und zu ihm nach hinten ging. Vor Zorn bebend stapfte ich zu ihm und riss die Fahrertür auf.

„Hey Du Volldepp ! Du kasch ao ausschdeiga, dann hup i fr de weider !“
(„Hey Du Volldepp ! Du kannst auch aussteigen, dann hupe ich für Dich weiter !“).

Der Mann saß völlig verdutzt und erschrocken hinter dem Steuer.

„Ent….sch….“ stammelte er.

„Was soll der Scheiß ? Kasch mer des amal verraoda ? Oder bisch dao drzua ao z bleed ?“
„Was soll der Scheiß ? Kannst Du mir das mal verraten ? Oder bist Du dazu auch zu blöde ?“)

„Es tut mir…..“ stotterte er.

„Ach vergiss es ! Solche Leit wia Du lernat nia drzua ! Hao jetzt bloß ab, bevor i mi dodaal vergess !“
(„Ach vergiss es ! Solche Leute wie Du lernen nie dazu ! Hau jetzt bloß ab, bevor ich mich total vergesse !“).