Sonntag, 30. August 2009

„Deine Hand zittert.“

Ich fuhr herum und sah direkt in Tini`s forschende Augen.

„Was ist Süße ?“ bohrte sie.

„Alles okay, warum fragst Du ?“

„Sandy, man sieht Dir von weitem an, dass nichts okay ist. Also ?“ fragte sie fordernd.

„Nun ja…. ich….“ Ich holte tief Luft, konnte ihr jedoch keine Antwort geben.

Sie fasste mich fest an meiner Schulter und sah sich rasch im Raum um.

„Lass uns raus gehen und eine rauchen, okay ?“

Ich nickte nur und ging ihr hinter her. Tini öffnete kurz entschlossen eines der bodentiefen Fenster und wir traten auf den Balkon hinaus. Vor uns lag diese riesige Stadt, mit ihren Hochhäusern, ihrem Verkehrslärm, dem Gewusel auf den Straßen. Wir zündeten uns die Zigaretten an und ihr prüfender Blick ruhte auf mir.

„Raus mit der Sprache !“

„Ich fühle mich einfach nicht wohl. Das ganze hier…. Es kommt mir so fremd, so unwirklich vor.“

„Aber Du hast das doch schon selbst….“

„Ja, ich weiß !“ unterbrach ich sie. „Deswegen bin ich ja so durcheinander. Ach, ich weiß auch nicht was mit mir los ist.“

„Aber ich. Du lernst Jon jetzt in seinem echten Leben kennen. Bisher kanntest Du nur die Schokoseite. Ihr wart zusammen auf den größten Bühnen der Welt, nach Deinem Unfall hat er sich wie ein Traumprinz verhalten, Euer wunderschöner Urlaub, mit dem er Dich überrascht hat. Und nun kommt das wahre Leben. Der wirkliche Jon. Sein wirkliches Leben.“

Sie bedachte mich mit einem mitfühlenden Blick.

„Der Alltag hat Euch geschnappt !“

„Wenn nur die leidige Geschichte mit der Scheidung durch wäre !“

„Davor hätte ich an Deiner Stelle auch eine Mörder-Angst !“

„Die braucht sie aber nicht zu haben.“

Wir fuhren beide herum und ich sah in das wunderschöne Blau von Jons Augen.

„Hey hey, was schwirrt nur wieder in Deinem Kopf herum ?“ fragte er kopfschüttelnd.

Er stand ganz dicht vor mir und sah mich liebevoll an.

„Ich geh dann mal nach den anderen schauen,“ murmelte Tini und ging wieder hinein.

„Jon, ich….“

Er unterbrach mich, indem er seinen Arm hob und mir sanft über die Wange strich.

„Ich verstehe Deine Reaktion voll und ganz.“

Er lächelte über meinen erstaunten Blick.

„Liebes, Du hast mich noch nie live bei einem Interview gesehen, noch nie gehört, wie ich mit einem Fremden über uns spreche. Da ist es völlig normal, dass Dir das komisch vorkommt. Und Alltag, wie Tini das bezeichnete, ist es sicher nicht. Ich hab mich schließlich noch nie scheiden lassen.“

Jon hielt inne, bevor er weiter sprach.

„Es ist ein weiteres Problem, dass uns beide trifft. Ich weiß es ist viel, was in der letzten Zeit bei uns passiert ist. Schließlich sind es erst ein paar Monate, die wir zusammen sind.“

Er hatte sich abgewandt und stütze sich mit beiden Armen auf dem Geländer ab. Sein Blick schweifte über die brodelnde Stadt unter uns.

„Aber ich hoffe trotz allem, dass wir das miteinander schaffen werden.“

Ich erschrak. So hatte ich das nun wirklich nicht gemeint ! Ich trat schnell hinter ihn und schlang meine Arme um ihn. Fest drückte ich mich an ihn, bis ich merkte, wie er sich schließlich entspannte.

„Ich habe nicht daran gezweifelt, dass wir das nicht schaffen können. Es geht mir nur wie Dir. Es passiert einfach zuviel in unserem Leben. Ich wäre echt froh, wenn wir endlich zur Ruhe kommen könnten. Wenigstens für eine kleine Weile…..“

Er entwand sich meinem Klammergriff und drehte sich zu mir um. Mit zur Seite geneigtem Kopf und einem hoffnungsvollen Lächeln zog er mich an sich.

„Versprich mir, dass uns das nicht auseinander bringen wird,“ forderte er etwas hilflos.

„Ich verspreche es Dir !“

„Hoch und heilig ?“

„Ja, hoch und heilig.“

Ich spürte, wie er mich noch näher heranzog und seine Lippen suchten meine. Seine Zunge eroberte sich den Zugang zu meiner und begann sanft mit ihr zu spielen. Wir beide konnten nicht genug von diesem Kuss bekommen. Wahrscheinlich wäre der nächste Herbst, der Winter und der Frühling darauf über uns herein gebrochen, hätte Richie nicht nach uns gesucht. Er stand in der Tür, groß, aufrecht. Und zum ersten Mal an diesem Tag fiel mir auf, wie gut auch er gekleidet war. Im Gegensatz zu seinen Paradies-Vogel-Aufzügen sonst, trug er ebenfalls einen dunklen, auf Figur geschnittenen Anzug, der jede seiner Bewegungen fließen ließ. Der Anzug ließ ihn noch größer erscheinen, als er tatsächlich war. Sein Hemd hatte die Farbe einer Aubergine und war an den ersten Knöpfen offen. Silbern schimmerte eine einzelne Kette hervor.

„Ach, hier seid Ihr. Wir sind soweit, kommt Ihr dann ?“

„Ja, wir kommen gleich,“ antwortete Jon.

Als ich mich bereits zum Gehen gewandt hatte, griff er nach meinem Arm und zog mich wieder nahe zu sich.

Freitag, 28. August 2009

Kapitel 214 - Bee fragt nach .....

Sie setzten sich Bee gegenüber in eine kleine Ledersitzgruppe und das Interview begann.

„Hallo Jon, hallo Richie ! Ich freue mich sehr, Euch begrüßen zu dürfen. Der Anlass an sich ist leider wenig erfreulich. Wir möchten heute über Eure Beziehungen sprechen, die kurz nacheinander zerbrochen sind. Langjährige Ehen sind am Ende, bei denen leider auch Kinder betroffen sein werden. Wie fühlt Ihr Euch ?“

Richie antwortete als Erster.

„Ich für meinen Teil lebe momentan in Scheidung, die wohl im nächsten Frühjahr gültig werden wird. Heather und ich haben uns jedoch nach anfänglichen Streitereien auf eine freundschaftliche Basis geeinigt. Es funktioniert sehr gut im Augenblick, was mich sehr freut. Ich wollte nie, dass unsere Tochter darunter leiden muss.“

„Das ist ja schön, freut mich ehrlich. Und Du Jon ? Wie sieht es bei Dir aus ?“

Jon machte einen offensichtlich entspannten Eindruck. Er hatte ein Bein übergeschlagen, seine Hände lagen ruhig gefaltet in seinem Schoß. Mit seiner Antwort ließ er sich Zeit.

„Wie alle in diversen Berichten schon lesen konnten, momentan nicht so ruhig wie bei Richie. Ich lebe zwar seit über einem Jahr von meiner Frau getrennt, anscheinend sind jetzt allerdings einige Wogen hochgekommen.“

„Was glaubst Du, woher das kommt ?“

„Ich denke, das werden wir nie wirklich ganz ergründen können. Bei Trennungen wird immer einer verletzt zurück bleiben, manchmal auch beide. Meine Ehe war ein langer Lebensabschnitt, den ich bereits vor einigen Monaten für mich abgeschlossen habe. Es gibt im Leben einfach Situationen, in denen man weiter gehen muss. Manchmal kann man diesen Weg zu zweit gehen, manchmal eben nicht.“

„Du wolltest diesen Weg, wie Du es beschreibst, aber eigentlich zu sechst gehen. Du hast vier Kinder.“

„Ja, das wollte ich. Ich wollte es wirklich. Lange, sehr lange habe ich mit allem, was mir zur Verfügung stand, darum gekämpft. Leider habe ich es nicht geschafft.“

„Weil Du nur allein gekämpft hast ?“

„Bee, ich will hier keine schmutzige Wäsche waschen.“ Er lächelte sie gewinnend an. „Wir waren lange sehr glücklich miteinander verheiratet, Dorothea und ich. Aber irgendwann kam der Punkt, an dem es für uns nicht mehr ging. Wir konnten nicht mehr zusammen leben, ohne Streitereien, ohne Querelen. Im Sinne der Kinder trennten wir uns. Wir hätten ihnen beide nicht zumuten können, unter unseren Differenzen zu leiden.“

„Lieber ein Ende mit Schrecken also ?“

„Ja. Wir waren uns einig, dass es so am besten für alle ist. Jedenfalls dachte ich, dass wir uns einig wären.“

„Wie kommt es dann jetzt zu diesen Emotionen, die hoch kochen ?“

Jon räusperte sich und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen.

„Nun, ich bin seit einigen Monaten wieder vergeben. Vielleicht liegt es daran, dass dies vor ein paar Wochen bekannt wurde.“

„Du bist nicht ganz unschuldig daran. Wenn ich an die leidenschaftlichen Küsse vor Eurem Konzert in LA denke….“

„Wir wissen doch beide ganz genau, dass dies sowieso nicht mehr lange unentdeckt geblieben wäre, Bee. Ihr hättet schon dafür gesorgt.“

Jon lächelte sie an und auch Richie grinste.
Sie lächelte gespielt verlegen zurück.

„Wie sieht es bei Dir aus Richie ? Ebenfalls eine Frau in Sicht ?“

„Momentan leider nicht. Es wird wohl auch eine Weile noch so bleiben. Es ist nicht leicht, jemanden zu finden, der es ehrlich mit Dir meint. Der den Menschen in Dir liebt und nicht den Rockstar.“

„Jon hatte es da leichter. Du hast jemand aus dem gleichen Business kennen gelernt. Sandy Reed, Sängerin der Rockband Nine Lives.“

„Ich weiß nicht, ob dies die Sache leichter macht. Sandy ist mir ihrer Band sehr erfolgreich, unsere beiden Terminplaner sind voll. Es ist nicht immer möglich, die Auftritte, Konzerte und so weiter aufeinander abzustimmen. Da bleibt nicht viel Zeit für die Liebe.“

„Zudem hatte sie einen Unfall, der sie lange außer Gefecht setzte. Wie geht es ihr momentan ?“

„Danke der Nachfrage. Ihr geht es Gott sei Dank wieder sehr gut. Sie hat keine Probleme mehr beim Gehen, allerdings darf sie noch nicht wieder joggen. Was ja momentan durch die Dauerbelagerung unserer Häuser sowieso nicht möglich wäre.“

Er setzte einen kleinen Seitenhieb Richtung Journalisten und Fernsehteams. Bee ließ sich davon - von einem kleinen Lächeln abgesehen - nicht beeindrucken und stellte weiter ihre Fragen.

„Wie kommt sie mit Deinen Kindern klar ? Hat sie sie schon kennen gelernt ?“

„Leider nicht. Ich war erst mit den Kids im Urlaub, danach sind wir beide im Urlaub gewesen. Vorher geschah Sandys Unfall. Es war nicht möglich. Wir werden das so schnell wie möglich nachholen.“

„Eine Patchwork-Familie also ?“

„Das sind wir im großen und ganzen sowieso. Hauptsächlich die Familien von Richie und mir waren schon immer zusammen. Mal ist seine Tochter bei mir, mal meine Kinder bei ihm.“

„Wohnt Ihr beide schon zusammen, Du und Sandy ?“

„Was heißt, zusammen wohnen ? Wir leben momentan mehr aus unseren Koffern. Die meiste Zeit verbringen wir in Hotelzimmern. Das kann man eigentlich nicht als zusammen wohnen bezeichnen.“

„Du lebst allein, Richie ?“ hakte Bee nochmals nach.

Anscheinend konnte sie nicht recht glauben, dass er tatsächlich keine neue Freundin hatte.

„Momentan habe ich zwei Untermieter, Sandys Freundin und Ihren Manager,“ scherzte dieser grinsend.

„Bei Dir sind die Eltern Deiner Freundin zu Besuch, Jon ?“

„Ja, Sandys Eltern kamen, um ihr in der schweren Zeit nach ihrem Sturz beizustehen. Sie sind eine große Hilfe.“

„Wie kommst Du mit der Äußerung Deiner Frau klar, Du würdest Dich nicht um Deine Kinder kümmern ?“

Jon sah Bee sehr lange an. Man konnte von weitem erkennen, dass seine Wangenknochen mahlten.

„Überhaupt nicht. Als ich das gehört habe, war ich ziemlich zornig, weil es einfach nicht wahr ist. Es ist schlicht gelogen. Hätte ich nicht gesehen, dass Dorothea das tatsächlich gesagt hat, hätte ich das niemals geglaubt. Es ist ihr verletzter Stolz, der aus ihr spricht. Ich habe mich in der wenigen Zeit, die mir bei meinem Job bleibt, immer bemüht für die Kinder da zu sein und viel mit ihnen unternommen. Sie wissen, dass sie mich zu jeder Tages- und Nachtzeit anrufen können. Und ich werde alles dafür tun, damit sie glücklich und zufrieden aufwachsen können.“

Richie mischte sich nun ein.

„Ich kann es nur bestätigen. Jon ist ein liebevoller, fürsorglicher Vater. Wir planen unsere Termine stets so, dass wir Zeit für die Kids haben. Und an den Tagen, an denen wir frei haben, sind wir ausschließlich für unsere Familien da.“

„Ich danke Euch beiden für dieses überaus offene Interview. Das gibt`s bei Bon Jovi nicht alle Tage.“

„Wir danken Dir auch, Bee. Ich hoffe, wir konnten einiges richtig stellen.“

„Das denke ich schon.“

Die drei blieben noch einen Moment sitzen, bis sie das Signal vom Kameramann bekamen, dass sie aufstehen konnten. Bee schüttelte Jon und Richie freundlich die Hand. Sie unterhielten sich noch einige Minuten miteinander. Ich schenkte mir eine weitere Tasse Kaffee ein.

Kapitel 213

Die Fahrt zum Flughafen verging sehr schnell, glücklicherweise war Sonntag morgens um diese Uhrzeit nicht so viel los. Schnellen Schrittes gingen wir durch die Hallen Richtung VIP-Lounge und warteten, bis unser Flug aufgerufen wurde. Dieses Mal flogen wir mit einem Linienflug, da die Gulfstream der Band in Reparatur war. Knappe sechs Stunden später landeten wir in New York. Dort war ich zum letzten Mal 95 mit einigen Freunden gewesen. Im Urlaub. Wehmütig dachte ich an die lustige Zeit, die wir damals hier verbracht hatten.

Eine Stewardess nahm uns in Empfang und geleitete uns durch einige lange Gänge direkt zu einem separaten Ausgang, wo eine Limousine auf uns wartete. Durch den dichten Verkehr fuhren wir so schnell es eben möglich war durch die pulsierende Stadt, bis wir vor einem der Wolkenkratzer in Manhattan zum Stehen kamen.

„Wir sind da !“ sagte Jon mit einiger Anspannung in seiner Stimme.

Der Doorman begrüßte Jon und Richie mit ihren Namen. Uns lächelte er verbindlich an und wünschte einen schönen Tag. Den können wir auch wirklich gebrauchen, dachte ich im Stillen. Ein gläserner Aufzug sollte uns einige Stockwerke höher bringen. Richie öffnete die Tür mit der Eingabe einer Code-Nummer. Der Lift hielt kurz darauf. Das war es also. Das Büro der Band.

Die Böden waren mit dicken Teppichen ausgelegt, die jedes Geräusch, welches wir mit unseren Schritten machten, verschluckten. Eine ruhige, sehr gedämpfte Stimmung herrschte vor. Einige Mitarbeiter saßen an ihren Schreibtischen und telefonierten leise oder blickten in ihre Bildschirme. Als sie uns sahen, lächelten sie alle sehr freundlich. Jon stellte mir Bonny vor, seine persönliche Sekretärin und Assistentin. Sie ging uns voraus, bis wir in einem riesigen Besprechungsraum angekommen waren. Dieser war mit allen erdenklichen Geräten der modernen Bürotechnik ausgestattet. Am Ende des großen Konferenztisches saß eine gepflegte Rothaarige, die sofort aufsprang und auf uns zu eilte.

„Jon, Richie ! Ich freue mich sehr, Euch zu sehen ! Wie war Euer Flug ? Ich hoffe, es ging alles glatt.“

„Hallo Bee ! Es war alles in Ordnung, danke. Darf ich Dir vorstellen…. ?“

Er nannte nacheinander unsere Namen. Erst zum Schluss stellte er mich vor.

„Hallo Sandy ! Freut mich ebenfalls sehr, Dich kennen zu lernen !“

Sie lachte ein freundliches, ehrliches Lachen. Ihre Augen musterten mich von oben bis unten. Normalerweise war mir das immer sehr unangenehm und derjenige, der sich das bei mir heraus nahm, hatte von vorne herein schon verloren. Aber bei ihr geschah dies auf eine eigenartige Art der Neugierde, die ich ihr nicht übel nahm. Ihre herzliche Art, die sie an den Tag legte, machte sie sofort sympathisch.

„Wollen wir dann ? Schaut Euch bitte noch kurz die Fragen durch, dann müssen wir nachher nicht so viel schneiden, okay ?“

Sie reichte den beiden jeweils mehrere Blätter, wandte sich dann zu ihrem Kameramann und winkte einen weiteren Typ zu sich, der anscheinend für den Ton verantwortlich war. Leise und mit einigen Gesten unterlegt gab sie ihnen die letzten Anweisungen bis sie sich noch mit Tini und Tom besprach. Ich kam mir ziemlich verloren und überflüssig vor. Daher trat ich an den Tisch, auf dem Thermoskannen mit Kaffee, Tee und verschiedene Soft-Drinks bereit standen.
Genüsslich nahm ich einen großen Schluck Kaffee. Das war genau das, was ich gerade brauchte.

„Schenkst Du mir bitte einen Tee ein ?“ hörte ich Jons Stimme hinter mir.

Ich reichte ihm die volle Tasse und beobachtete die anderen. Jeder war beschäftigt, außer mir. Jon stand neben mir und las sich die Seiten durch. Darauf vollkommen konzentriert, nahm er dann und wann einen Schluck von seinem Tee. Richie war aufgestanden und ging auf ihn zu.

„Von mir aus ist alles okay,“ sagte er leise zu Jon.

„Ja, von mir aus auch. Dann lass uns mal.“

Er wandte den Kopf und sah mich abwartend an. So ging ich die zwei Schritte zu ihm, nahm ihn in die Arme und gab ihm einen Kuss.

„Viel Glück !“

„Und ich ? Werde ich etwa nicht gedrückt ?“ fragte Richie gespielt enttäuscht.

„Natürlich Du auch !“ lächelte ich ihn an, drückte ihn fest an mich und wünschte ihm ebenfalls viel Glück.
Ich ahnte, wie schwer es beiden fiel, dass sie nun dazu gezwungen wurden, aus ihrem Privatleben auszupacken.

Donnerstag, 27. August 2009

Kapitel 212

Ich war hundemüde, als mein Handy seinen fürchterlichen Weckton ertönen ließ. Schlaftrunken drückte ich auf irgendeine Taste, um das Geräusch abzustellen. Jon regte sich fast unmerklich neben mir. Ich küsste ihn leicht und streichelte über seine Wange. Flatternd öffneten sich seine Augen und er blinzelte ein wenig, um den Schlaf aus ihnen zu vertreiben.

„Hallo,“ sagte ich leise.

„Auch hallo. Wie spät ist es ?“ fragte er verschlafen.

„Halb sechs. Lass uns aufstehen, okay ?“

„Will ich eigentlich aufstehen ? Ich glaube eher nicht. Lass uns den Tag hier im Bett verbringen. Wir schließen die Tür ab, gehen nicht ans Telefon, wenn jemand klopft, tun wir so, als ob wir nicht da wären….“ maulte er.

„Du weißt, dass das nicht geht.“

„Jaaahhhh, das weiß ich leider nur zu gut.“

Missmutig und vor sich hinbrummelnd machte er sich auf den Weg ins Badezimmer. Kurz darauf hörte ich die Dusche rauschen. Ich ging ihm nach, und so lange ich darauf wartete, bis ich ebenfalls duschen konnte, putzte ich mir ausgiebig die Zähne. Nebenbei beobachtete ich ihn durch die beschlagenen und nass gespritzten Scheiben. Als er das Wasser abstellte und die Tür auf der Suche nach einem Handtuch öffnete, warf ich ihm rasch eines zu.

„Anzug oder Jeans ?“ fragte er beim Frottieren seiner Haare.

„Natürlich Anzug !“

Er grinste schief.

„Und weißes Hemd, mein Schatz !“

„Aber keine….?“

„Doch ! Krawatte.“

Um weiteren Diskussionen aus dem Weg zu gehen, stellte ich schnell das Wasser in der Dusche an. Jon sah ihn Anzügen genauso umwerfend aus wie in zerfetzten Jeans. Leider ging es ihm wie den meisten Männern, er fühlte sich in Anzügen nicht so wohl, erst recht nicht mit Hemd und Krawatte. An diesem Morgen fügte er sich jedoch klaglos in sein Schicksal und wider Erwarten hörte ich keinerlei Gejammer.

Nachdem meine Haare trocken geföhnt waren, steckte ich diese hoch und legte ein leichtes Make-up auf. Nun stand ich vor dem Kleiderschrank und suchte nach Sachen, die ich anziehen wollte. Ich wählte meinen schwarzen Hosenanzug, bei dem ich normalerweise unter dem eng anliegenden Jäckchen nichts trug. Für diesen Anlass schlüpfte ich aber in ein enges weißes Top und zog dann das Jäckchen darüber. Jon zupfte im Bad noch ein paar Haarsträhnen zurecht, fixierte diese anschließend mit Haarspray.

Ich begutachtete mich vor dem großen Wandspiegel, um eventuelle Fussel auf dem dunklen Stoff zu entfernen. Er trat lächelnd hinter mich und umschlang mich mit seinen Armen. Sein Kinn lag auf meiner Schulter.

„Wir zwei sehen doch äußerst seriös aus, meinst Du nicht ?“

Ich lachte ihn fröhlich an.

„Ja, ausnahmsweise mal !“

„Dann lass uns schnell runter gehen, damit wir noch ein bisschen frühstücken können.“

Er ging voraus, nahm mich aber an der Hand und hielt diese fest, bis wir in der Küche angekommen waren. Auf der Frühstückstheke stand schon alles bereit. Marmelade, Butter, Wurst, Käse, Honig, Brötchen. Verwundert sahen wir uns um. Meine Mam und Rosita kamen gerade aus dem Vorratsraum und hielten frische Eier in ihren Händen.

„Guten Morgen, Ihr zwei !“ begrüßten sie uns freundlich.

„Guten Morgen !“ lächelten wir zurück.

„Mam, Rosita, Ihr seid echt die Allerbesten !“ sagte Jon erfreut.

Wir hatten uns eigentlich auf einen schnellen Kaffee eingestellt, den wir im Stehen trinken wollten, bis wir uns dann aufmachen wollten. Die beiden strahlten um die Wette, als sie Jons Worte hörten. Besonders meine Mam. So hatte er sie noch nie genannt und so, wie sie eben war, nahm sie ihn herzlich in die Arme und klopfte auf seinen Rücken.

„Wer soll das denn alles essen ?“

„Richie, Tini und Tom kommen auch gleich. Wir dachten, wenn Ihr heute so einen schweren Tag vor euch habt, braucht Ihr was anständiges zu essen.“

Mam hatte gerade ausgesprochen, als die Terrassentür aufging und die drei eintrudelten.
Das Frühstück gestaltete sich allerdings dann doch sehr zügig, denn die Zeit drängte. Kurz darauf klingelte es an der Haustür, der Fahrer war da. Meine Mutter verabschiedete uns alle mit einem etwas besorgten Blick, besonders Jon bedachte sie mit aufmunternden Worten. Sie nahm ihn in die Arme und wünschte uns alles Gute und viel Glück.

Dienstag, 25. August 2009

Kapitel 211

„Wie denkst Du über das alles ?“

„Kann ich Dir nicht sagen, Rich. Ich verstehe ja, dass Dorothea verletzt ist und dass sie sich irgendwie Luft macht. Was ich aber nicht verstehe, ist, dass sie es in der Öffentlichkeit tut. All die Jahre, in denen ich mein Dasein als Fan fristete, hatte ich immer den Eindruck, dass sie ein sehr zurückhaltender Mensch ist und das Rampenlicht eher scheut. Und nun…“

Ich brach ab und sah ihm in die Augen. Er sah mich erwartungsvoll an.

„Aber warum ausgerechnet jetzt ? Sie leben seit über einem Jahr getrennt. Nie habe ich mitbekommen, dass sie ihn anruft, dass sie noch großen Anteil an seinem Leben nimmt.“

„Ich kann es Dir wirklich nicht sagen. Keine Ahnung, warum.“

Er zündete zwei Zigaretten an und schob mir eine davon zwischen die Lippen. Schweigend rauchten wir und ich goss uns frischen Kaffee in die Tassen.

„Du hast Angst ?“

„Ja, die habe ich. Ich finde nichts schlimmer, als Ungewissheit. Wenn ich nicht weiß, was auf mich zukommt.“

Richie sah mich überrascht an.

„Hey, Du bist doch sonst immer die Optimistische ! Du bist doch diejenige, von der immer sofort eine Lösung kommt. Der Satz ‚In jedem Schlimmen steckt immer auch etwas Gutes’ wurde doch von Dir erfunden ?“

„Schon. Aber wenn sie so in die Vollen geht ?“

„Abwarten. Es kann auch sein, dass es von ihr nur ein Schuss vor den Bug war. Eine Überreaktion.“

„Egal, wie auch immer. Ich wünsche mir nur eines. Ich will mit Jon in Ruhe leben. Und ich habe langsam echt keine Lust mehr auf die ganzen Querelen. Unser Urlaub war ein Traum. Wir hatten unsere Ruhe von allem, konnten uns aufeinander konzentrieren und diese ewigen Schwierigkeiten waren weit weg. Es war so schön.“

Bevor ich weiter sprach, atmete ich ein paar Mal tief ein und aus.

„Rich, ich will nicht schon wieder so durch die Presse und die Medien gezogen werden. Das halte ich echt nicht aus.“

„Ach, Liebes ! Vielleicht wird es nicht so schlimm. Unsere Medienleute helfen uns da, und Tini und Tom sind ja auch dabei. Außerdem ist Jon kein solcher Hitzkopf wie… Na ja…. wie Joe einer ist. Mach Dir nicht so viele Sorgen !“

Seine Hand strich leicht über meinen Arm und nahm meine Hand fest in seine. Er drückte sie und hielt sie weiter fest. Tränen schossen mir in die Augen. Als er dies bemerkte, nahm er mich sanft in seine Arme und murmelte beruhigende Worte in mein Ohr.

„Ich hab eine Scheißangst. Angst, dass das unsere Liebe zerstören könnte.“

„Hey, das glaubst Du doch nicht wirklich ? Jon würde das niemals zulassen. Er würde darum kämpfen bis zum Letzten. Das weißt Du. Und Du würdest das ebenfalls tun.“

„Ja, das würde ich....“ sagte ich leise.

„Du hast mein Wort, dass ich alles tun werde, um Euch zu helfen.“

„Danke Dir.“

Er lächelte mich an und hielt meine Hand. Irgendwann schöpfte ich neuen Mut und lächelte zurück.

„Was würde ich nur ohne Dich machen ?“ fragte ich.

„Das frage ich mich auch manchmal !“ scherzte er und grinste jungenhaft.

Jon kam zurück. An seinem Gang konnte ich erkennen, dass er sehr viel optimistischer war.

„Na Ihr zwei ? Blast Ihr etwa Trübsal ?“

„Ne ne, wir haben uns nur über die ganze Sache unterhalten.“

„Das Konzept für das Interview ist fertig. Ich denke, sie haben gute Arbeit geleistet. Morgen Mittag um vier ist es dann soweit.“

„Wo ?“ fragte Richie.

„Leider in New York. Dean und Tom meinten, in unserem Büro wäre es einfacher, das alles zu arrangieren. Wir fliegen dann gegen acht morgen früh.“

„Okay, ich bin dabei.“

„Und Du ?“ Jon sah mich hoffnungsvoll an.

„Wenn Du möchtest, komm ich natürlich mit !“

Er legte seine Arme auf meine Schultern und zog mich sanft an sich. Nach einen kleinen Kuss auf meine Stirn spürte ich die Unruhe, die ihn beherrschte.
Wir gingen bald zu Bett, da wir am nächsten Morgen sehr früh aufstehen mussten. Ich hatte mich kaum in meine Decke eingemummelt, als Jon diese anhob und darunter schlüpfte. Ich legte meinen Kopf auf seine Brust. Lange lagen wir so da und lauschten auf den Atem des anderen. Irgendwann drehte ich mich zu ihm um und gab ihm einen zärtlichen Kuss. Sein erstaunter Blick suchte meinen und wir tauchten darin ein. Er küsste mich zuerst zögernd, dann immer fordernder und leidenschaftlicher. Seine Arme umfingen mich und ich hatte das Gefühl, als würde er mich damit von Kopf bis Fuß einhüllen. Wir ließen uns viel Zeit und gingen sehr vorsichtig und behutsam miteinander um. Beide zügelten wir unsere Leidenschaft so gut es ging und sahen uns immer wieder tief in die Augen, um darin zu lesen. Als wir einander spüren konnten, fühlten wir beide die wahnsinnige Verbundenheit, die in diesen Momenten nur uns gehörte und die uns niemand nehmen konnte. Ich lag unter ihm und ich wusste, dass ich dieses Gefühl niemals mit jemand anderem erleben würde. Er lag in meinen Armen, den Kopf zwischen meinen Brüsten gebettet. Ich streichelte beruhigend über seine Haare, bis er eingeschlafen war. Vorsichtig legte ich mich in eine etwas bequemere Position um ihn nicht wieder aufzuwecken. Er brauchte den Schlaf, um für den nächsten Tag Kraft zu schöpfen. Irgendwann später beruhigte sich sein Atem und er schlief tief und fest. Lange danach versuchte ich, die schlimmen Gedanken und Ahnungen zu verscheuchen, bis ich endlich auch einschlafen konnte.

Kapitel 210

„Warum hast Du Dich versteckt, Honey ?“

„Habe ich gar nicht, ich hielt mich nur zurück.“

Noch immer hielt er meine Hand fest in seiner und sah mich durchdringend an.

„Babe, Du gehörst zu mir. Die Sache geht Dich auch an. Ich will Dich von nichts ausschließen, das weißt Du ?“

„Das weiß ich. Aber die Öffentlichkeitsarbeit, da kenne ich mich ja nicht aus,“
erwiderte ich etwas hilflos. „Außerdem sagtest Du doch vorhin, Du willst mich da raushalten.“

„Damit meinte ich ein eventuelles Interview. Ich will Dich nicht präsentieren, geschweige denn will ich Dich für meine Zwecke ausnutzen.“

„Wieso ausnutzen ?“

„Kannst Du Dir uns beide in einer Homestory vorstellen ? Nebeneinander, auf dem Sofa. Die Sonntags-Kaffeetassen auf dem Tisch ? Auf Kommando in die Kamera grinsend ? Also ich nicht ! Und das will ich Dir nicht zumuten. Ich möchte halt, dass Du bei allem dabei bist, dass Du über alles Bescheid weißt, okay ?“

Mit einem ernsten Ausdruck auf seinem Gesicht zog er mich in seine Arme und ich fühlte, dass er meine Nähe brauchte. Ich drückte ihn fest an mich, strich ihm über den Rücken und versuchte, ihm den Halt zu geben, den er suchte.

„Sandy ? Jon ?“

Richie rief nach uns. Als er um die Ecke bog und uns fand, murmelte er ein leises „Oh, sorry !“

Wir lösten uns voneinander.

„Macht nichts, Rich,“ erwiderte ich und versuchte ein Lächeln.

„Deine Mam hat für uns alle Kaffee gemacht. Wir sitzen draußen, kommt Ihr auch ?“

„Ja. Wir kommen.“

Rich verschwand wieder und ich drehte mich zu Jon um.

„Schatz, ich verspreche Dir, ich bin für Dich da. Wir beide schaffen das schon !“

Er schenkte mir sein bezauberndes Lächeln und küsste mich liebevoll.

„Danke.“

„Lass uns jetzt raus gehen, okay ? Vielleicht kommen wir auf andere Gedanken und es wird Dir gut tun, mit den anderen zusammen zu sein.“

Jon nickte nur. Hand in Hand gingen wir auf die Terrasse, wo der Tisch wie erwartet, reich gedeckt war. Den ernsten Blick von meinem Dad versuchte ich mit einem Augenzwinkern zu entschärfen. Meine Mam ließ sich allerdings nicht so leicht täuschen. Ihrem Blick konnte ich entnehmen, dass sie genau wusste, was in mir drin los war. Da wusste sie jedoch wieder ein Mal mehr als ich selbst. Die Gesprächsfetzen drangen irgendwann nur noch entfernt an mein Ohr und ich versank in Grübeleien.
Wie würde ich mich an Dorotheas Stelle verhalten ? Was würde ich fühlen, denken ? Wie würde ich reagieren ? Wäre ich verletzt, würde ich Jon dafür hassen ?

„Hey, Kleines !“

Ich spürte plötzlich eine Hand auf meinem Arm und schrak aus meinen Gedanken hoch.

„Hallo ?“

Richies braune Augen sahen mich mit einem liebevollen Blick an.

„Bist Du noch auf unserem Planeten ?“

„Ja…. sicher…. ich….,“ stammelte ich und sah in die Runde.

Alle Augenpaare waren neugierig auf mich gerichtet.

„Hey ! Was ist denn ?“ fragte nun auch Jon.

„Ach, es ist nichts. Ich hab nur so vor mich hingedöst. Bin wohl noch ein wenig müde.“

Um meine Unsicherheit zu verstecken, griff ich rasch nach meiner Kaffeetasse und nahm einen großen Schluck. Nervös zündete ich mir eine Zigarette an und inhalierte tief.

„Es ist alles okay, macht Euch mal keine Gedanken.“

„Bist Du sicher ?“ hakte Richie nach.

„Ja, ganz sicher,“ lächelte ich.

Endlich schenkten mir nicht mehr alle am Tisch ihre ungeteilte Aufmerksamkeit, sondern nur noch Jon und Richie. Dave rettete mich mit einer Story von einem völlig verpatzten Interview von den beiden. Sie waren damals auf Welttournee und hatten am Abend ein völlig erschöpfendes Konzert von über drei Stunden gegeben. In München. Am nächsten Tag schon spielten sie in der nächsten Stadt und morgens um zehn war ein Interview angesetzt. Jon war dermaßen schlecht aufgelegt, dass er die Reporterin mit seinem arroganten Auftreten völlig aus dem Konzept brachte. Er hatte alles, nur überhaupt keine Lust auf dieses Frage-und-Antwort-Spiel und ließ das alle Beteiligten auch merken. Er ließ zu einhundert Prozent den Rockstar heraushängen. Das Mädel hatte null Chance. Richie versuchte, das Ganze hinzubiegen, hatte jedoch die Rechnung ohne Jon gemacht. Jedes Mal, wenn Richie auf eine Frage antwortete, erzählte Jon das genaue Gegenteil. Irgendwann wurde es Richie dann zu bunt und er drehte den Spieß herum. Das Ergebnis war ein feixender Jon, ein entnervter Richie und eine vollkommen deprimierte Journalistin. Dave hatte die unglaubliche Gabe, solche Geschichten so lustig und spannend zu erzählen, dass wir uns schließlich alle am Tisch vor Lachen bogen.

Geschichte reihte sich an Geschichte und aus der merklich angespannten Stimmung, die bisher geherrscht hatte, wurde ein fröhliches Beisammensein. Dave, Hugh und Tico verabschiedeten sich dann gegen vier, sie flogen zurück nach New York. Meine Eltern wollten sich noch eine Weile hinlegen und Tini und Tom hatten sich noch immer in Jons Arbeitszimmer verbarrikadiert. Jon wollte unbedingt wissen, wie weit die beiden waren und so blieb ich mit Richie zurück.

Sonntag, 23. August 2009

Kapitel 209 - Die Videokonferenz

„So, wie ich sehe, seid Ihr mit Getränken versorgt, es kann nun losgehen ?“ fragte der mittlere der drei.

„Ja, Dean, wir können,“ antwortete Jon.

„Fakt ist momentan, dass die Yellow Press Kopfstände macht, sie benehmen sich wie die Aasgeier. Die Anfragen bezüglich Exklusiv-Interviews sind ins Unermessliche angestiegen. Du hast für Aufsehen gesorgt, Jon.“

„Das ist mir auch klar, allerdings konnte ich nicht ahnen, dass Dorothea so übertrieben reagieren würde.“

Schuld bewusst senkte er seinen Kopf. Von weitem konnte man sehen, wie seine Backenknochen aufeinander mahlten. Jede Sehne, jeder Muskel, sein ganzes Ich war angespannt wie ein Panther vor dem Sprung.

„Das konnte wohl niemand. Wir haben das Gespräch mir ihr gesucht, jedoch hat sie uns nur beschimpft. Wir wollten vermitteln, die Sache entschärfen. Es war bis jetzt nicht möglich, vernünftig mit ihr zu reden.“

„Dito. Mir erging es bisher nicht anders. Ich glaube auch nicht, dass das der Weg ist, den wir einschlagen sollten,“ gab Jon hilflos zurück.

„Was schlägst Du vor ?“

„Ich habe keine Ahnung.“

„Homestory ? Exklusiv-Interview ?“

„Homestory wird nichts bringen. Sandy und mich als glücklich verliebtes Paar ? Wir würden nur Öl ins Feuer gießen und Dorothea dreht womöglich komplett durch. Außerdem will ich Sandy so weit wie möglich da raus halten. Ein Interview nur mit mir, ich weiß nicht. Das war noch nie mein Ding. Ich will nicht, dass mein ganzes Privatleben ausgebreitet und breit gequatscht wird.“

„Schon klar. Aber wir sind an einem Punkt, an dem Du der Presse zumindest einige Brocken hinwerfen musst. Die Sache hat einen positiven Aspekt: Du kannst die Anschuldigungen, Du hättest Dich nicht um Deine Kinder gekümmert, zurück weisen und Du kannst einige Dinge aus Deiner Sicht schildern. Die Leute werden Dir glauben.“

Jon überlegte angestrengt, seine Anspannung und auch seine Hilflosigkeit waren ihm deutlich anzusehen. Richie meldete sich zu Wort und unterbrachte seinen Vorschlag.

„Wie wäre es, wenn Jon und ich gemeinsam das Interview geben ? Schließlich haben wir beide das immer so gemacht. Das wäre dann nicht ganz so auffällig, wie wenn Jon alleine da sitzt und über seine Ehe spricht. Und es würde dem ganzen etwas die Brisanz nehmen.“

„Wie wäre es, wenn wir das Ganze so aufziehen, dass Ihr beide über Eure zerbrochenen Beziehungen sprecht ? Oder möchtest Du das nicht, Richie ?“ fragte Dean.

Richie antwortete nicht sofort. Er sah fragend in die Runde, zum Schluss blieb sein Blick an Jon haften.

„Du musst das nicht tun, Rich.“

„Das weiß ich, Jon. Ich werde es dennoch tun.“

Tico, Dave und Hugh fuhren herum und sahen überrascht auf ihren Gitarristen. Auch Tini und Tom hatten ihre Gesichter ihm zugewandt. Richie ließ sich davon nicht beeindrucken und sah Jon mit festem Blick an.

„Du würdest das Gleiche für mich tun.“

„Ja, das würde ich.“

Tico klopfte Richie leicht auf die Schulter und sah ihn lächelnd an. Die Spannung hatte sich bei den fünf gelöst und sie wirkten alle etwas lockerer.

„Okay, dann werden wir das ausarbeiten. Die Details können wir Euch dann im Laufe des Tages geben. Tini, Tom, wir würden das gleich hier mit Euch besprechen,“ schlug Dean vor.

Die beiden nickten zustimmend und Tini zog ihre Notizen aus der Tasche.

„Einen Wunsch hätte ich allerdings,“ warf Jon ein. „Ich möchte Bee Charleston.“

„Okay, ich denke, das lässt sich machen.“

Die fünf verabschiedeten sich von Dean und den anderen beiden und wandten sich zum Gehen. Tini und Tom blieben zurück. Jon ging auf mich zu und streckte mir seine Hand entgegen. Wir ließen die anderen vorgehen und er zog mich zur Seite, damit wir ungestört reden konnten.

Freitag, 21. August 2009

Kapitel 208

„Jon, ich glaube, ich bin viel zu durcheinander….“

„Zu durcheinander um was ?“

„Du weißt schon.“

„Ne, weiß ich nicht.“

„Ich bin auch viel zu erledigt, um noch….“

„Okay, ich hab verstanden.“

Er gab seine Bemühungen mich zu verführen auf, streichelte statt dessen zärtlich meine Arme. Die wohlige Wärme des sprudelnden Wassers machte müde und wir entschlossen uns, die Wanne zu verlassen. In ein Handtuch gewickelt machte ich mich auf die Suche nach meiner Bodylotion. Mit der Flasche in der Hand ging ich zurück ins Schlafzimmer und begann mich einzucremen. Jon trat hinter mich, nahm mir sie aus der Hand und flüsterte:

„Lass mich das machen.“

„Jon….“

„Ohne Hintergedanken, ehrlich !“

Er schubste mich sanft auf das Bett und verteilte die Lotion auf meinem Körper. Unendlich zärtlich glitten seine Hände über meine Haut. Gänsehautschauer lieferten sich ein Wettrennen nach dem anderen und wäre ich nicht so wahnsinnig kaputt gewesen…..

„Jon….“

„Lass es einfach geschehen,“ flüsterte er kaum hörbar.

„Jon, bitte….“

„Lass es geschehen, lass uns ins Reich des Vergessens….“

Seine Stimme klang heiser. Er gab mir die kleinen Bisse an meinem Hals, die mich um den Verstand brachten. Er wusste genau, wie er meinen Widerstand brechen konnte. Und er hatte es geschafft. Jegliche Vernunft war von mir gewichen und ich gab mich ihm hin, ließ ihn gewähren, war Wachs in seinen Händen.

‚Ein Rätsel, woher er die Energie nimmt. Nach diesem langen, anstrengenden Tag, nach diesen vielen Ereignissen….’

Seine Augen fingen mich, hielten meinen Blick gefangen, ein tiefblauer See, unergründlich, von ungeahnter Tiefe und doch so vertraut. Er schloss sie halb, ich konnte nur kurz das allzu vertraute Aufblitzen sehen, bevor auch meine Lider zufielen. Die unerklärliche Verbundenheit, die wir beide in diesem Augenblick der nur uns gehörte, empfanden, machte alles Geschehene vergessen.
Erschöpft hielten wir uns in den Armen.
Als ich meine Augen wieder öffnete, ruhte sein Blick wieder in meinem.

„Ich liebe Dich,“ sagte ich leise.

„Ich liebe Dich, Ms. Reed. Bis ans Ende meiner Tage.“

Das waren die letzten Worte, die ich in dieser Nacht hörte. Ich schlief auf der Stelle ein.

„Süße ?“

Ich wollte nicht aufwachen.

„Süße, wir müssen aufstehen.“

Ich wollte auf gar keinen Fall aufwachen.
Mit aller Macht blinzelte ich dem hellen Tageslicht entgegen. Seine Arme hielten mich noch immer fest umschlungen. Die blauen Augen, die ich in der Nacht zuletzt gesehen hatte, sahen mich nun wieder an. Er lächelte liebevoll.

„Jetzt sofort ?“

„Leider jetzt auf der Stelle.“

„Wann ist die Videokonferenz ?“ fragte ich müde und rieb mir den Schlaf aus den Augen.

„Um zehn, also in zwei Stunden.“

„Dann können wir ja wenigstens noch in Ruhe frühstücken.“

Also quälte ich mich mühevoll aus dem Bett und schlurfte ins Badezimmer. Mechanisch stellte ich mich unter die Dusche und seifte mich ein. Das warme Wasser half an diesem Morgen auch nichts. Meine Glieder taten weh und ich fühlte mich wie gerädert. Während ich mich abtrocknete beobachtete ich Jon beim Rasieren. Er sah schlecht aus. Dunkle Schatten lagen unter seinen Augen und seine ganze Körperhaltung war gebeugt.

„Komm her,“ forderte ich ihn auf.

Ich nahm etwas von meinem Make-up und verstrich es um seine Augen herum, um das schlimmste zu überdecken. Er blinzelte etwas und besah sich dann im Spiegel.

„Danke. Du bist ein Schatz. Kann ich jetzt so unter Menschen gehen ?“

Er sah mich so süß an, dass meine Gefühle Achterbahn fuhren.

„Lass uns runter gehen und frühstücken, okay ?“

„Erst, wenn ich noch einen Kuss bekomme !“ forderte er lächelnd.

Gerne ließ ich mich dazu überreden und gab ihm, nach was er verlangte. Währenddessen spürte ich mein Handtuch wie von Geisterhand verschwinden und sein fast nackter Körper presste sich an meinen.

„Jon ! Du wolltest nur einen Kuss !“ versuchte ich ihn abzuwehren.

„Oder auch zwei, oder drei….“ hauchte er in mein Ohr.

„Wir kommen wieder zu spät !“

Ein Klopfen an der Tür rettete mich.

„Sandy, Jon ! Kommt Ihr frühstücken ?“

„Ja, gleich !“ rief ich zurück.

Jon wandte sich ab und frotzelte vor sich hin. „Es ist doch schön, wenn die liebe Mama auf ihr Töchterlein aufpasst, selbst wenn es dreißig ist !“

Ich warf mein nasses Handtuch nach ihm. Er fing es geschickt ab, drehte sich halb um und warf es aus der Hüfte heraus zu mir zurück.

„Hey, Du bist so was von….“

„Was denn, Schönheit ?“ grinste er unverschämt.

Ich lachte zurück und war froh, ihn ein klein wenig glücklicher zu sehen. Angezogen und frisch gestylt gingen wir hinunter, wo unsere Familie schon auf uns wartete. Familie bedeutete in diesem Fall: Richie, Dave, Hugh, Tico, Tom, Tini, meine Eltern. Der Tisch war wie üblich reich gedeckt. Mam lächelte mich wissend an. Sie bestand von jeher darauf, dass an schweren, anstrengenden Tagen zuerst kräftig gefrühstückt wurde. Sie häufte Rührei, Speck und gebratene Würstchen auf einen Teller und reichte ihn Jon, der sie darauf fragend ansah.

„Das ist viel zu viel ! Eigentlich habe ich gar keinen Hunger, Kaffee hätte gereicht.“

„Ja genau. Und zum Kaffee nur eine kleine, schlanke Zigarette ? Kommt gar nicht in Frage ! Das wird aufgegessen, und zwar alles !“

Sie ließ nicht mit sich reden und wegen ihrem energischem Blick fügte er sich widerspruchslos. Ich grinste heimlich in mich hinein und bekam von ihr den gleich vollen Teller, wie vorher Jon. Schweigend machte ich mich darüber her und hörte dem Rest am Tisch zu, wie sie über die bevorstehende Videokonferenz mit dem Bon Jovi-Management beratschlagten. Am Gespräch selbst beteiligte ich mich nicht, ich wollte mich keinesfalls irgendwie aufdrängen. Die Öffentlichkeitsarbeit der Band Bon Jovi war mir fremd, ich wusste darüber nicht wirklich etwas. Als Fan war mir nur bekannt gewesen, dass die Jungs so gut wie nichts über ihr Privatleben verlauten ließen.

Als es Zeit war, gingen wir in Jons Arbeitszimmer, wo einer der Angestellten, den ich vorher nur selten zu Gesicht bekommen hatte, bereits Kameras und einen riesigen Bildschirm aufgebaut hatte. Die Band nahm auf der Sitzgruppe Platz, ich setzte mich auf einen Stuhl an der Seite. Tini und Tom schnappten sich zwei Stühle, die sie hinter der Couch hinstellten und sich darauf nieder ließen. Jon schaltete den Bildschirm per Fernbedienung ein und stellte sich neben die Couch. Wie immer, wenn er nervös war, blieb er stehen. Er konnte dann nicht still sitzen. Drei Männer in Anzügen erschienen zuerst flackernd, dann klar und begrüßten alle. Sie schienen sich zu freuen, dass Tini und Tom anwesend waren, denn sie bedachten sie mit einem freundlichen „Hallo“ und ihren Namen. Rosita kam mit einem Tablett mit Kaffee und Soft-Drinks herein.

Donnerstag, 20. August 2009

Tico bog eine Straße vorher ab, und wir konnten einen kurzen Augenblick die Menschenmenge vor den beiden Anwesen erkennen. Ich erschrak bis ins Innerste. So etwas hatte ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen können. Jons Gesicht war ausdruckslos geblieben, jedoch arbeiteten seine Wangenknochen auf Hochtouren. An der Bewegung, wie er sich eine Zigarette anzündete, sah ich sofort, wie nervös er war.

Tico fuhr rückwärts an Richies Haus heran und verlangsamte das Tempo, als er auf das kleine Holztor zuhielt. Wie von Geisterhand öffnete sich dies. Als wir ausgestiegen waren, wurde es von Richie schnell wieder verschlossen.
Er kam grinsend auf uns zu und gab uns drei ein High-Five.

„Wie die echten Gangster !“ lachte er.

Es tat gut, von ihm in die Arme genommen zu werden.

„Na, Kleines ? Wie haben wir Jovis das gemacht ?“ Er hielt mich immer noch fest umarmt und küsste mich liebevoll auf die Wangen.
„Gut seht Ihr aus ! Der Urlaub scheint Euch gut bekommen zu sein. Aber nun lasst uns schnell reingehen, die Meute ist komplett versammelt und begierig darauf, Euch zu sehen.“

Er klopfte Jon auf die Schulter und wir vier gingen in Richies Haus. Das Wohnzimmer war belagert. Meine Eltern, Tini, Tom, Dave und Hugh warteten auf uns. Sie hießen uns herzlich willkommen und wir wurden umarmt, geküsst und geherzt.

„Na, da hast Du ja ordentlich für Aufsehen gesorgt, bevor Ihr zwei Euch ins Nirvana verabschiedet habt !“ frotzelte Dave.

„Besser, sie waren die zwei Wochen abgetaucht, dann haben sie wenigstens nicht das ganze Durcheinander miterleben müssen,“ verteidigte Tini.

„Egal, wann oder wie Jon das gemacht hätte. Es wäre immer passiert, was nun passiert,“ sagte Richie. „Dorothea ist keine Frau, die das friedlich regelt.“

„Nein, das ist sie nicht,“ kam von Jon, gefolgt von einem bitteren Lachen.

„Spekulationen helfen uns nicht weiter. Erstmal möchte ich Euch danken, dass Ihr alle da seid. Ich habe, Euer Einverständnis vorausgesetzt, für morgen eine Videokonferenz mit unserem Management anberaumt. Ich möchte, dass Ihr alle teilnehmt um die weiteren Schritte zu besprechen. Sandy wird auch dabei sein.“

Jon sprach mit fester Stimme und alle im Raum wussten, dass er sich das weitere Vorgehen genau überlegt hatte.

„Ich ? Was soll ich….?“ fragte ich etwas unbeholfen.

„Schatz, Dich betrifft es genauso wie mich und ich möchte, dass Du über alles informiert bist. Du sollst dem Ganzen nicht schutzlos ausgeliefert sein, okay ?“

Richies Perle reichte Kaffee und kalte Getränke. Gedankenverloren trank ich den Cappuccino. Meine Gedanken rasten, ich konnte nicht mehr klar denken. Unbemerkt von den anderen ging ich hinaus auf die Terrasse und zündete mir eine Zigarette an.

„Liebes….“

Ich drehte mich um und lief in die ausgebreiteten Arme meiner Mam. Sie hielt mich fest und streichelte leicht über meinen Rücken.

„Es tut mir so leid, dass Du das alles erleben musst. Ich gäbe viel dafür, wenn Du mit Jon endlich zur Ruhe kommen könntest. Erst warst Du so krank und hast so kämpfen müssen und kaum kommt Ihr aus Eurem Urlaub, wartet schon das nächste Problem auf Euch.“

„Mam, das ist wahrscheinlich der Weg, den ich gehen muss. Ich hatte es schließlich noch nie einfach.“

„Du liebst ihn sehr ?“

„Ja, Mam. Ich kann Dir nicht sagen wie sehr.“

„Dann werdet Ihr beide das auch schaffen. Er hätte es nicht getan, wenn er Dich nicht genauso sehr lieben würde.“

„Meinst Du ?“

„Ja, Schatz. Es wäre um einiges leichter gewesen, er hätte die Dinge so weiter laufen lassen. Aber wenn er riskiert, das dies alles passiert, ist es ihm verdammt ernst.“

„Das ist es wohl.“

„Lass den Kopf nicht hängen. Irgendwann wird alles wieder gut.“

„Ich bin so durcheinander, ich weiß nicht mehr, wo hinten und vorne ist.“

„Das ist doch ganz normal. Weißt Du, was Ihr beide jetzt macht ? Ihr verschwindet heimlich nach Hause. Die können sich ihre Köpfe auch alleine heiß reden.“

„Wie soll das gehen, ohne dass es von den anderen bemerkt wird ?“

„Lass mich nur machen !“

„Mam, Du bist echt die Beste !“

„Du aber auch, denn Du bist nämlich meine Tochter !“

Sie drückte mich noch einmal fest an sich und strich mir liebevoll über die Haare.
Beruhigt gingen wir zurück und Mam ging schnurstracks auf Jon zu. Blitzschnell flüsterte sie ihm etwas ins Ohr, woraufhin er mich ansah und mir unmerklich zuzwinkerte.

„Ich nehme dann noch einen Kaffee,“ sagte er betont.

Als er ihn erhalten hatte, marschierte er schnurstracks auf die Terrassentür zu und verließ den Raum. Niemand hatte davon etwas bemerkt und so nutzte ich die Chance und ging ihm schnell nach.

Draußen angekommen, nahm er mich verschwörerisch grinsend an der Hand und wir flitzten schnell durch den Garten, bogen die Hecke um und nur wenige Sekunden später fiel Jons Haustür hinter uns ins Schloss.

„Jetzt müssen wir nicht nur vor der Journaille flüchten, sondern auch noch vor der Familie !“

Aufatmend lehnten wir an der Tür und begannen schallend zu lachen. Ein befreiendes Lachen. Die ganze Anspannung, die uns die letzten Stunden in Schach gehalten hatte, fiel von uns ab. Eine unheimliche Erschöpfung machte sich bei uns beiden breit.
Jon sah es mir wie immer gleich an und strich mir sanft über meine Wange.

„Lass uns nach oben gehen, den Whirlpool mit heißem Wasser voll machen und ein wenig relaxen.“

„Gute Idee !“

Meine Klamotten fanden ihren Platz auf dem Boden genau neben der Wäschetonne. Es war mir egal, ich ließ sie einfach dort liegen. Umgeben von riesigen Schaumbergen lag Jon in der Wanne und winkte mich mit dem Zeigefinger zu sich. Nachdem ich meine Haare hochgesteckt hatte, glitt ich zu ihm. Er zog mich vor sich, so dass ich an seine Brust angelehnt liegen konnte. Seine Arme und Beine hielten mich fest umklammert. Er hauchte kleine, zarte Küsse auf meinen Hals und lachte leise auf, als er das Schaudern von mir bemerkte.

Mittwoch, 19. August 2009

Kapitel 206 - Der Retter in der Not

Ich nahm ihn in meine Arme und drückte ihn an mich. In diesem Moment kam er mir unglaublich dünn, zerbrechlich vor. Sogar seine Knochen spürte ich. Als wir uns los ließen, entschuldigte er sich auf die Toilette. Mit einem sehr unbehaglichen Gefühl im Magen sah ich ihm nach. Hastig kramte ich in meiner Tasche nach meinen Zigaretten und zündete mir eine an.

Neben mir nahm ein Typ auf einem der Barhocker Platz. Im Spiegel, der hinter den Flaschenregalen angebracht war, musterte ich ihn heimlich. Er war ein wenig der Rocker-Typ. Bandana auf dem Kopf, sehr dunkle Sonnenbrille, schwarze Kleidung. Er trank sein Glas leer und winkte den Bartender zu sich. Mit einer knappen Handbewegung bedeutete er ihm, dass sein Glas aufgefüllt werden sollte. Dieser kurze Wink kam mir irgendwie bekannt vor. Ich betrachtete seine Hand etwas genauer.

Den Ring, den er trug, kannte ich. Aber woher, daran konnte ich mich beim besten Willen nicht erinnern. Zuviel andere Dinge lieferten sich in meiner Birne ein Wettrennen, als dass ich jetzt auf die Schnelle darauf kam.

‚Los Ihr grauen Zellen, arbeitet mal gefälligst !’ sagte ich ihm Stillen zu mir selbst. Er schenkte mir über den Spiegel ein wissendes Lächeln und auf einmal durchfuhr mich ein Geistesblitz. Gerade im Begriff, mich ihm ganz zuzuwenden, sah ich, dass er seinen Zeigefinger an die Lippen legte. Okay, so sagte ich nichts. Er schob mir unauffällig einen kleinen Zettel zu.
‚Also, echt wie im Film !’ schoss mir durch den Kopf.

„Wenn Jon zurückkommt, gib ihm diesen Zettel unbemerkt, geh auf die Toilette. Ihr trinkt aus, bezahlt. Ich stehe auf, Ihr folgt mir wenige Minuten später. Den Gang entlang, dritte Tür raus durch den Notausgang. Ein weißer Lieferwagen, blaue Schrift. Ich warte auf Euch.“

Wie ein Blitz durchfuhr es mich ! Schlagartig wusste ich, wer da neben mir saß ! Oh Mann, manchmal war ich nun wirklich schwer von Begriff ! Ich schickte ihm über den Spiegel ein kleines Lächeln. Da kam auch schon Jon zurück. Wie verabredet, entschuldigte ich mich ebenfalls und ließ den Zettel für ihn unter seinem Glas liegen. Als ich zurückkam, war der Typ verschwunden und Jon damit beschäftigt, die Getränke zu zahlen. Er grinste mich an und im Gehen raunte er mir ins Ohr:

„Ganz schön raffiniert, oder ?“

„Ja wirklich. Hoffentlich klappt das !“

Die Tür schlug hinter uns zu und wir zählten im Laufen die Ausgänge. Am dritten angekommen, sahen wir uns noch kurz an, bevor ich die Klinke hinunter drückte und hinausspähte. Dort unten stand tatsächlich ein weißer Lieferwagen mit blauer Aufschrift. Undeutlich war darin der Typ aus der Bar zu erkennen. Jon öffnete die Tür, schob mich auf den Beifahrersitz und ließ sich aufatmend neben mich fallen.

„Hi ! Hat ja super funktioniert, danke Tic !“

„Hallo, Ihr zwei. Es war mir wie immer ein Vergnügen ! Euer Gepäck ist übrigens hinten auf der Ladefläche.“

Tico nahm mich kurz in seine Arme, gab Jon ein High-Five und startete den Wagen. Er steuerte das Auto geschickt vom Flughafengelände auf den Highway. Er zündete sich eine Zigarette an und nahm einen tiefen Zug. Ich bemerkte, dass er immer und immer wieder nervös in den Rückspiegel schaute.

„Ist jemand hinter uns ?“ fragte ich aufgeregt.

„Nein, Süße. Eher vor uns.“

Es war ziemlich viel Verkehr und Tico war damit beschäftigt, trotz der rasanten Fahrt kein Risiko einzugehen.

„Du fährst aber nicht an meine Einfahrt, oder ?“ fragte Jon.

„Machst Du Witze ? Erstens bin ich nicht wahnsinnig und zweitens ginge das nicht, selbst wenn ich wollte. Die Straße vor Euren Häusern ist komplett blockiert. Ich fahr rückwärts an Richies Haus, wir müssen dann halt durch die Gärten marschieren.“

Dienstag, 18. August 2009


„Was ist denn ?“

„Ich hab ne SMS von Richie.“

Er sah mich völlig entgeistert an und ich wusste sofort, dass etwas passiert war.

„Vor unseren Häusern ist der Teufel los. Er schreibt, es sei unerträglich.“

„Oh nein !“ Erschrocken schlug ich beide Hände vor mein Gesicht.

„Oh doch.“

Er wählte Richies Nummer und bat den Piloten, mit dem Start noch etwas zu warten.

„Hi Rich !“ „Ja, habe ich eben gelesen.“ „Was ?“ „Oh mein Gott !“ „Sie hat was ?“ „Hey, das ist doch nicht wahr ?“

Jon bemerkte, dass ich vor lauter Ungeduld auf meinem Sitz hin und her rutschte.

„Wart mal, ich stell auf laut, Sandy möchte mithören.“

„Ja, sie hat ein Fernseh-Interview gegeben, in dem sie die arme, betrogene Ehefrau gab. Sie hätte von all dem nichts gewusst und erst durch den Urlaub von Dir und Sandy sei ihr klar geworden, dass Eure Ehe am Ende sei. Sie säße nun alleine mit den Kindern da, um die Du Dich im Übrigen nie gekümmert hättest und sie wüsste nicht, wie es weiter gehen solle. Außerdem würdest Du sie und die Kids nicht versorgen.“

„Sag, dass das nicht wahr ist, Rich !“

„Doch ! Ich habe es selbst auf Video gesehen. Unser Management dreht am Rad, unser Pressesprecher ist seit Tagen auf den Beinen und ich soll Dir von Deinen Eltern ausrichten, Du sollst Dich sofort melden, sobald Du zuhause bist.“

Jon atmete erst einmal tief ein und aus, bevor er weiter sprach.

„Wie viele Reporter stehen vor meinem Haus ?“

„Vor Deinem ? Frag lieber, wie viele in unserer Straße sind.“

„So viele ?“

„Jep !“

„Was ist mit meinen Kids ?“ fragte er atemlos.

„Jon, ich hab Steph angerufen, sie ist ziemlich cool. Sie meinte nur, sie hätte das kommen sehen. Ich soll Dir liebe Grüsse von ihr bestellen und Du sollst Dir keine Sorgen um die vier machen. Doro versuche, alles von ihnen fernzuhalten, sie verhalte sich ihnen gegenüber normal.“

„Richie, sag mir, was machen meine Eltern ?“ fragte ich nun ängstlich geworden.

„Hallo Liebes ! Was glaubst Du ? Sie haben so was ja noch nie erlebt. Ich übrigens auch nicht.“

Man konnte hören, wie Richie einen Schluck von was auch immer nahm, bevor er weiter sprach.

„Glücklicherweise ist Tini da, sie beruhigt sie immer wieder.“

„Was machen wir nun ? Wie kommen wir vom Flughafen nach Hause ?“

„Macht Euch keine Gedanken, ich organisier das schon. Am besten wäre es, wenn Ihr vom Jet direkt in die VIP-Lounge geht. Das müsste gehen, ohne dass Ihr gesehen werdet. Wenn Ihr angekommen seid, meldet Ihr Euch noch mal, okay ?“

„Okay, danke Dir.“

Jon legte auf und sah mich lange mit einem unbewegten Blick an. Die Stewardess hatte mitbekommen, was los war und kam mit der Flasche und frischem Eis zurück. Wir nickten beide wie auf ein geheimes Kommando.

„Alkohol ist auch keine Lösung,“ versuchte er zu scherzen.

„Nein, aber er erleichtert die Sache ungemein.“

Er grinste mich mit einem schiefen Lächeln an. Wir tranken schweigend. Beide machten wir uns Gedanken, was uns erwarten würde und ich hatte so eine leise Ahnung, dass es ungeahnte Ausmaße annehmen würde. Der Pilot fragte nach, ob er mit dem Start beginnen könne. Jon bejahte es und informierte ihn, dass er weiterhin telefonieren müsse.

„Okay Jon. Kein Problem. Das Wetter ist sehr gut, wir haben ausgezeichnete Sicht, der Flug wird sicher sehr ruhig werden. Kannst Du aber noch bitte warten, bis wir die Flughöhe erreicht haben ?“

„Natürlich. Danke, Sean.“

Manchmal wünsche ich mir, ich wäre noch einmal sechzehn. So unbeschwert, ohne Probleme und jeder Tag wäre einfach ein Tag, den es zu erobern galt. Es schien mir, je älter ich wurde, um so schwieriger wurde es. Langsam trank ich mein Glas aus und ich merkte, wie der Alkohol ins Blut ging. Ich kuschelte mich in die Polster zurück und wünschte mich weit, weit weg. Jon rief bei seinem Management an und ließ sich auf den neuesten Stand bringen. Seiner Miene nach, die sich immer wieder in Sorgenfalten legte, sah es nicht gut aus.

Nachdem er das Gespräch beendet hatte, warf er sein Handy zornig in die nächste Ecke. Ein Bein über das andere gelegt und die Stirn auf seine zusammengeballten Hände gestützt, sah er regungslos zu Boden. Fast traute ich mich nicht, zu atmen. Mir war mittlererweile schlecht. Die Wut, die in ihm tobte, war körperlich zu spüren. Noch nervöser geworden, zündete ich zwei Zigaretten an und reichte ihm eine davon. Er nahm sie ohne ein Wort. Ich spürte, dass er absolute Ruhe wollte. Eine unendlich lange Zeit verging, in der wir einander gegenüber saßen und keiner von uns auch nur eine Regung zeigte.
Irgendwann sah er zu mir.

„Babe, es tut mir unendlich leid. Eigentlich dachte ich, dass wir in unserer Beziehung ein bisschen Ruhe hinein bekommen. Unser Leben ist so schon schwierig genug. Wenn ich geahnt hätte, was sie für eine Show abzieht, hätte ich das niemals getan. Aber nun ist es zu spät.“

Ich ließ mir mit meiner Antwort lange Zeit. Dann stand ich auf und setzte mich vorsichtig neben ihn. Seine Wangenknochen mahlten aufeinander. Sein Körper bebte im Zorn. So hatte ich ihn noch nie erlebt.

„Du hast getan, was für Dich richtig und wichtig war.“

„Ob es richtig war, weiß ich nicht.“

„Aber Du hast es getan, weil Du es wolltest.“

„Ja. Weil ich es wollte, weil ich mit Dir ein neues Leben wollte. In Ruhe. Ohne Streitereien. Unser Anfang war schwierig genug.“

„Das war er. Aber wir beide sind mittlererweile doch ein wenig kampferprobt miteinander. Wir haben in der kurzen Zeit, in der wir zusammen sind, schon mehrere Probleme zusammen gelöst. Und wir werden auch diese Zeit durchstehen.“

„Bist Du Dir da so sicher ?“

„Ja. Das bin ich. Weil wir uns beide sehr lieben.“

Wortlos zog er mich an sich. So saßen wir zusammen, bis der Pilot den Landeanflug auf LA ankündigte. Wir hielten uns einfach in den Armen, dann und wann streichelten wir uns, sahen uns in die Augen und genossen die Wärme und Nähe, die wir einander gaben.
Nach der Landung verließen wir den Flieger so rasch wie möglich und gingen durch die Gänge Richtung VIP-Bereich. Eine sehr fürsorgliche Dame geleitete uns auf dem kürzesten Weg dorthin. In der Lounge angekommen, begaben wir uns gleich an die Bar. Jon wollte von dort aus Richie nochmals anrufen, um in Erfahrung zu bringen, wie wir nach Hause kommen würden, ohne den Spießrutenlauf mit den Journalisten in Kauf nehmen zu müssen.
Nachdem die Drinks vor uns standen, sah er mich traurig an.

„Es tut mir so leid !“

„Das braucht es nicht, Jon. Es ist in Ordnung.“

„Wirklich ?“

„Ja wirklich.“

Montag, 17. August 2009

Unser letztes gemeinsames Frühstück hier. Ein wenig wehmütig waren wir beide, aber es half ja nichts. Wir mussten irgendwann zurück. Missmutig packten wir unsere Sachen zusammen und warteten unten am Strand, bis wir abgeholt wurden. Jon setzte sich breitbeinig auf seinen Koffer und starrte auf das Meer hinaus. Mir fiel noch etwas ein, dass ich unbedingt erledigen musste. Ich suchte nach einer schönen Muschel, legte sie auf den kleinen Felsen, der sich neben dem Steg befand.

„Was machst Du ?“ fragte er verwundert.

„Man sagt, wenn man einen Stein auf einen bestimmten Ort legt, dann kommt man wieder an diesen Ort.“

„Glaubst Du daran ?“

„Ja, wenn es in diesem Fall auch eine Muschel ist.“

Er lächelte mich an und streckte seine Hand nach mir aus.

„Komm her, Süße.“

Ich ging zu ihm, fiel auf die Knie und ließ mich in seine Arme ziehen. Er streichelte mit seinen Händen über meinen Rücken und ich ließ mir dies nur allzu gerne gefallen.

„Jon ?“

„Ja, mein Herz ?“

„Versprichst Du mir was ?“

„Was denn ?“

„Dass wir auf jeden Fall wieder hier her kommen werden ?“

„Versprochen !“

„Hoch und heilig ?“

„Hoch und heilig !“

Wir lächelten uns an und er legte seinen Zeigefinger unter mein Kinn. Langsam zog er meinen Kopf ganz nah zu seinem und gab mir einen dieser unsagbar langen Küsse.
Wahrscheinlich würde ich heute noch immer dort von ihm knien und mich in ihm verlieren, hätten wir nicht das Motorengeräusch des Bootes gehört. Unwillig lösten wir uns voneinander und standen auf. Die beiden Jungen, die uns die letzten zwei Wochen mit unseren Mahlzeiten versorgt hatten, luden unsere Siebensachen ein und Jon, der bereits eingestiegen war, reichte mir seine Hand. Ich ergriff sie, drehte mich jedoch noch einmal nach „unserer“ Insel um und verabschiedete mich in Gedanken von ihr. Dann stieg ich endlich mit ein.

Wir nahmen den Weg zurück, den wir gekommen waren. Boot, Heli, Lear-Jet. Ich setzte mich in einen dieser bequemen Sitze und war einfach nur deprimiert. Jon, der noch kurz mit dem Piloten gesprochen hatte, kam herein und setzte sich mir gegenüber. Als er in mein Gesicht sah, wusste er augenblicklich, was in mir los war.

„Hey, wir kommen doch wieder !“ lachte er mich an.

„Ja, vielleicht. Vielleicht auch nicht. Ich hab echt keine Lust, auf das was uns zuhause erwartet. Presse, Fotografen, Termine, Interviews mit blöden Fragen, ach Mann !“

Er rutschte ein Stück vor, damit er näher bei mir war und nahm meine Hände.

„Ich gäbe ziemlich viel dafür, wenn ich Dir das nicht zumuten müsste.“

Ich erschrak. So hatte ich das doch nicht gemeint !

„Jon, sorry. Ich meinte nicht die Sache mit Dir und der Scheidung. Ich meinte es allgemein. Schau, wir sind ja sonst auch die ganze Zeit im Fokus. Dauernd sieht uns jemand, dauernd werden wir fotografiert und interviewt. Und so, wie ich Tom und Tini kenne, wartet jede Menge Arbeit auf mich.“

Mutlos ließ ich meine Schultern hängen und sah zum Fenster hinaus.

„Das ist unser Leben Honey. Wie immer chaotisch, hektisch und aufregend. Wir waren jetzt zwei Wochen abgeschnitten von allem, von jeder Zivilisation. Aber die Ruhe und die Einsamkeit hat uns doch auch Kraft schöpfen lassen, für das was uns erwartet, glaubst Du nicht ?"

Ich drehte meinen Kopf wieder zu ihm und sah in an. Ich sah das Bitten in seinen Augen. In diesem Moment wurde mir klar, dass ich in der nächsten Zeit genau diese Kraft sehr benötigen würde. Und mir wurde ebenso bewusst, dass ich am allerwenigsten vor ihm herumjammern sollte. Insgeheim schwor ich mir, dass ich das nicht mehr tun würde.

„Doch, natürlich. Das stimmt schon. Es tut mir leid, was ich eben gesagt habe. Ich habe es wirklich nicht so gemeint.“

„Schon in Ordnung. Ich habe es auch nicht so aufgefasst.“

Er gab mir einen kleinen Kuss auf die Stirn und lehnte sich zurück. Die Stewardess kam und fragte nach, ob wir etwas zu trinken haben möchten. Ich bestellte spontan einen doppelten Whisky on the rocks. Jon grinste, als er das hörte und bestellte gleich zwei. Wir stießen mit den Gläsern an und nahmen beide einen tiefen Schluck, bevor wir uns unseren Handys widmeten. Ich hatte nur ein paar Wünsche für einen schönen Urlaub und natürlich Tini`s Drängel-SMS, wann ich denn wieder käme. Als ob sie das nicht genau wüsste !

„Was interessantes ?“ fragte Jon, ohne den Blick von seinem Display zu wenden.

„Nö, eigentlich nicht. Bei Dir ?“

„Auch nicht….“ Er tippte weiter auf den kleinen Tasten herum. „Aber…. Oh Shit !“

Ich sah ihn an. Unruhig geworden, beugte ich mich vor.

Donnerstag, 13. August 2009

Kapitel 203

„Bevor wir hierher flogen, habe ich die Scheidung eingereicht.“

Damit hätte ich nun am allerwenigsten gerechnet. Bevor ich darauf etwas sagen wollte, nahm ich noch einen großen Schluck Wasser. Wir standen noch immer mitten im Raum und das war mir unangenehm. Also fasste ich mir ein Herz, nahm seine Hand und zog ihn nach draußen, wo die kleine Sitzgruppe stand. Ich bedeutete ihm, er solle sich setzen und wartete weiter ab.

„Du kannst Dir sicher vorstellen, was uns erwartet, wenn wir in LA aus dem Flieger steigen.“

„Weiß denn jemand, wann wir ankommen ? Und weiß jemand von der Scheidung ?“

„Das ist doch völlig egal, wenn sie uns dort nicht gleich erwischen, werden sie innerhalb kürzester Zeit das Haus belagern. Und meine Noch-Gattin wird sicher dafür Sorge tragen, dass es bekannt wird."

„Ist das Deine einzige Sorge ?“

„Nein. Natürlich nicht. Dorothea wird ganz bestimmt schon ihren Schlachtplan entworfen haben, wie sie das Opferlamm gibt und wie sie uns schaden kann.“

„Aber sie kann uns beiden doch nicht wirklich etwas anhaben, oder ?“

„Du kennst sie nicht. Wenn ich nur an die Hass-Mails denke, die sie mir geschickt hat.“

Er schüttelte unwillig seinen Kopf.

„Erstens musst Du die Mails nicht lesen, zweitens kannst Du sie ignorieren lassen.“

„Und was macht sie dann mit den Kindern ? Sie wird sie ganz bestimmt gegen mich aufhetzen.“

Als er die Worte ausgesprochen hatte, sank er merklich in sich zusammen. Es zerriss mir das Herz, so wie er da saß. Ein Häufchen Elend.

„Jon, sie ist die Mutter. Auch ihr wird klar sein, dass ihr das am Ende des Tages nichts einbringen wird. Stephanie ist in einem Alter, in dem sie selbst urteilen kann. Und die Jungs sind bis auf Romeo auch nicht mehr so klein. Alle vier lieben Dich von ganzem Herzen. Niemand auf der ganzen Welt wird sie von ihrem Dad abbringen können. Auch ihre Mutter nicht.“

“Bist Du Dir da so sicher ?“

„Ja, das bin ich. Und wenn sie auch nur einen Teil von Dir mitbekommen haben, brauchst Du Dir keine Sorgen zu machen.“

„Aber….“

„Nix aber. Jetzt mal nicht den Teufel an die Wand. Noch ist es ja nicht soweit.“

Er senkte den Kopf und in diesem Moment hätte ich so ziemlich alles dafür gegeben, hätte ich ihm das abnehmen können. Aber ich wusste, dass alles was ich für ihn tun konnte war, für ihn da zu sein und ihm zuzuhören. Ich hatte keine Ahnung, was da auf uns zukommen konnte, schließlich kannte ich seine Frau nicht. Ich kannte ja nicht einmal seine Kinder. In solch einer Situation hatte ich mich noch nie befunden. Was in aller Welt macht man da ?

“Wir beide müssen jetzt Geduld haben und stark bleiben.“

Sein Blick traf mich wieder bis ins Mark als ich das sagte, doch ich nahm mich zusammen, setzte ein optimistisches Gesicht auf und versuchte ein kleines Lächeln, das eher hilflos wirkte.
Eine Weile saßen wir noch schweigend da, bis wir uns dann doch hundemüde auf den Weg in unser Bett machten. Er schlief sehr unruhig und wälzte sich hin und her. Dann und wann murmelte er vor sich hin. Erst in den frühen Morgenstunden schlief er in meinen Armen ruhig weiter. Glücklicherweise flogen wir erst gegen Mittag und wir konnten trotz allem ausschlafen.
Als wir aufstanden und beim Frühstück saßen, machte Jon einen gelösten Eindruck, er scherzte sogar dann und wann.

„Besser ?“ fragte ich vorsichtig.

„Ja, viel besser.“

„Wenn man eine Nacht darüber geschlafen hat, sieht die Welt meist besser aus.“

Er lachte kurz auf.

„Stimmt. Sie sieht zumindest besser aus.“

Die meiste Zeit aßen wir schweigend. Es herrschte eine merkwürdige Stimmung. Immer wieder schauten wir auf das Meer, so als ob wir Angst hätten, diesen Anblick zu vergessen. Vielleicht war es besser, nicht zu reden.

Mittwoch, 12. August 2009

Kapitel 202

Als wir abends zurückkamen, war ich vollkommen geschafft. Die vielen bunten Eindrücke, die netten Menschen, das war nach all der Ruhe dann doch etwas viel gewesen, nach fast zwei Wochen totaler Ruhe und Abgeschiedenheit. Als ich nach dem Essen müde auf das Bett fiel, musste ich über den Gedanken lächeln, wenn wir von hier direkt, ohne einem anderen Menschen zu begegnen nach LA geflogen wären. Zurück in die Hektik, in die Menschenmassen und zurück in die Öffentlichkeit. Zurück in unser Leben mit all den Terminen, dem Zeitdruck und den ständig auf uns lauernden Fotografen.
Ich war Jon unendlich dankbar für dieses Urlaubsziel, da uns tatsächlich niemand aufgestöbert hatte. So unglaublich das auch klingen mochte.

Spät in der Nacht wachte ich auf. Ich hörte Gitarrenklänge. Nein, das konnte doch nicht sein. Hier gab es weder Fernseher, noch Radio. Wir hatten beide auch keine Laptops mitgenommen. Aber doch, immer wieder wehte der Wind leise Akkorde zu mir. Verschlafen rieb ich mir die Augen und schwang schließlich meine Beine aus dem Bett. Ich griff nach dem nächst besten Shirt und trat aus dem Haus.
Im Mondlicht konnte ich unten am Strand Jons Umrisse erkennen. An den Stamm einer Palme gelehnt, saß er da, die Gitarre auf seinen Schenkeln. Als ich leise näher kam, hörte ich eine traurige, sentimentale Melodie. Ich kannte das Lied nicht, und es war ganz sicher kein Song von Bon Jovi und doch klang er zu hundert Prozent danach. Es trieb mir die Tränen in die Augen. Jon spielte mit sehr viel Gefühl und ich verstand.
Vorsichtig trat ich hinter ihn und legte sanft meine Hände auf seine Schultern. Er drehte sich um. Sein gequältes Gesicht jagte mir Angst ein. Ich erschrak bis ins Mark und mein Herz begann zu rasen. Am ganzen Leib zitternd wollte ich ihn fragen, was los war, aber meine Stimme versagte. Mit einem letzten Stück Kraft holte ich tief Luft. Er legte die Gitarre beiseite und starrte auf das Meer hinaus. Endlich fand ich meine Fassung wieder.

„Schatz….“ begann ich, unterbrach mich jedoch. Ich wollte mich umdrehen und weggehen, aber er hielt mich zurück.

„Bleib bitte, Honey.“

Er zog mich vor sich, so dass ich an ihn gelehnt sitzen konnte. Seine Arme hielten mich fest umklammert, es fühlte sich an, als wollte er sich an mir fest halten. Wir saßen da, schwiegen und sahen beide auf das Wasser.
Ich wagte nicht, zu fragen, was mit ihm war. Welche Gedanken in so quälten.
Nach einer unendlichen Zeit zog er sein Päckchen Zigaretten aus der Hosentasche und zündete zwei Stück an. Er gab mir eine und wir sogen den Rauch tief ein.
Als ich ausgeraucht hatte, nahm ich all meinen Mut zusammen.

„Schatz….“ Ich holte tief Luft, bevor ich weiter sprechen konnte. „Wir haben uns einmal darauf geeinigt, wir wollen über alles miteinander sprechen, damit nichts zwischen uns steht.“

„Ja, das haben wir.“

Er zog an der Zigarette und schnippte die Asche achtlos weg.

„Du hast mir auch einmal gesagt, dass ich Dir immer alles sagen soll, dass nichts so schlimm sein kann, dass wir nicht darüber reden könnten.“

„Das habe ich auch.“

„Willst Du das dann nicht endlich beherzigen ?“

„Sandy, ich….“

Seine Stimme wurde brüchig und er schlug seine Augen nieder.

Normalerweise wollte ich niemanden zwingen, sich mir anzuvertrauen. Das sollte derjenige von sich aus freien Stücken tun. Außerdem wusste ich, dass Jon es nicht mochte, wenn man zu sehr in ihn drang. Aber ich konnte sehen, dass eine schwere Last auf seinen Schultern ruhte. Ich spürte, dass er sich mit irgend etwas unheimlich herumplagte.

„Meine Grandma sagte mir immer, wenn man über etwas spricht, dann rutscht schon die Hälfte der Steine auf dem Herzen weg und alles wird leichter,“ versuchte ich ihn aufzumuntern.

Ein leichtes Lächeln huschte über sein Gesicht, welches sich jedoch sofort wieder zu verschließen schien.

„Meine Mam sagte immer, geteiltes Leid ist halbes Leid.“

„Das sagt meine Mam heute noch.“

„Dann scheint es wohl wahr zu sein,“ lachte er bitter auf.

„Willst Du mir nicht erzählen, was los ist ?“ fragte ich sehr leise.

„Ich erzähl Dir davon, wenn wir wieder zuhause sind, okay ?“

„Jon, das ist nicht fair. Ich merke doch, das was nicht stimmt.“

„Lass uns diese Nacht einfach genießen und gut.“

„Wie soll ich etwas genießen, wenn ich weiß, dass es Dir nicht gut geht ?“

„Lass uns darüber sprechen, wenn wir wieder zuhause sind, in Ordnung ?“

„Du verlangst sehr viel von mir.“

„Ich weiß.“

„Also gut, wie Du willst.“

Ich stand auf und küsste ihn leicht auf die Stirn, drehte mich dann um und ging zurück ins Haus. Die Tränen standen mir in den Augen. Was war denn nur los ? Es war so wunderschön gewesen und nun ? Unsere Beziehung war durch das öffentliche Interesse schon schwierig genug, warum waren wir beide nur immer wieder solch starken emotionalen Schwankungen ausgesetzt ? Tini sagte einmal zu mir: „Wenn dann noch zwei so kreative Menschen aufeinander treffen, dann wird’s kompliziert.“ Sie hatte wohl recht damit.

Ich legte mich wieder ins Bett, fand aber keinen Schlaf. Ich überlegte hin und wieder her. Die Tränen liefen mir über die Wangen. Nichts war mir so verhasst, wie Unsicherheit. Später hörte ich seine leisen Schritte auf der Veranda. Schnell wischte ich mir das Gesicht ab und schnäuzte leise meine Nase.

„Sandy ?“ fragte er leise.

„Ich bin wach. Du brauchst nicht zu flüstern.“

„Ich schwöre, das ganze hat mit Dir nichts zu tun. Du brauchst Dich nicht zu sorgen.“

„Jon, wir leben zusammen. Wir lieben uns, wie soll dann etwas in Deinem Leben mit mir nichts zu tun haben ?“

Kopfschüttelnd stand ich auf und holte mir aus dem kleinen Kühlschrank ein kaltes Wasser. Ich musste mich abkühlen. So langsam wurde ich wütend. Und ich konnte ihn immer weniger verstehen. Noch mehr als Unsicherheit hasste ich es, wenn ich nur einen Teil von etwas wusste. Als ich hochsah, stand er an die kleine Kommode gelehnt, die Arme aufgestützt und den Kopf gesenkt. Er fixierte den Boden vor sich.
Irgendwann unendliche Zeit später sah er mich hilflos an.

„Ich will Dir nicht wehtun.“

„Jon, was soll das ? Du sagst, Du willst mir nicht wehtun. Statt dessen verrätst Du mir nur einen Bruchteil und lässt mich vollkommen im Ungewissen. Was soll ich Deiner Meinung nach denken ? Wie soll ich mich verhalten ? So tun, als wäre alles in bester Ordnung ? Das kann ich nicht. Ich kann nicht einfach weiter auf Hippie-Happy-Flower-Power machen, wenn ich weiß, Dir geht es nicht gut.“

„Lass uns darüber sprechen, wenn wir wieder in LA sind.“

„Nein.“

Durch dieses entschlossene Nein von mir gab er sich endlich einen Ruck. Seine Stimme war sehr leise und sie klang brüchig, als er schließlich weiter sprach.

Montag, 10. August 2009

Kapitel 201

„Nun erzähl mal.“

Jon hatte sich entspannt zurückgelehnt und nahm einen langen Schluck aus seiner Tasse. Ich berichtete ihm genau, wie das alles abgelaufen war und er hörte mir still, ohne eine Regung und gelassen zu. Als ich geendet hatte, lächelte er mich sanft an.

„Was ?“ fragte ich, weil ich nicht kapierte, warum er so lächelte.

„Ich weiß nicht, warum Du so durcheinander warst. So schlimm ist das doch nicht. Vielleicht hat sie uns tatsächlich erkannt, vielleicht hat sie über uns etwas gelesen. Die Menschen hier sind nicht mehr so von der Außenwelt abgeschnitten, wie es den Anschein hat. Außerdem hat Deine Mam ja auch manchmal diese Vorahnungen, richtig ?“

„Ja schon. Aber Mam kennt mich, sie weiß immer, was bei mir los ist.“

„Bei Joe lag sie aber auch richtig. Sie hat Dir damals gesagt, dass er gefährlich für Dich werden kann. Das war, wenn ich mich recht erinnere, als sie ihn das erste Mal sah. Und was geschah dann ?“

Ich trank nachdenklich meinen Kaffee aus. Er hatte Recht. So dann und wann hatte ich ja selbst diese Deja vus, oder ich wusste Dinge im Voraus, weshalb auch immer.

„Und wer soll mich beobachten ? Mir ist richtig gruselig, wenn ich dran denke, dass sie tatsächlich Joe gemeint haben könnte.“

Ich zog schaudernd meine Schultern hoch und trotz der hohen Temperaturen fröstelte es mich.

„Schatz, hak es einfach als Zufall ab. Das was sie Dir vorhergesagt hat, ist doch ziemlich allgemein gehalten und vage. Und die Dinge, die zutrafen, kann sie von irgendwoher gewusst haben, oder zufällig erraten haben.“

Er nahm meine Hände in die seinen und drehte meine Rechte nach oben.

„Ich werde Dir jetzt auch mal vorhersagen. Lass mal sehen…. Mmmhhh…. Ich kann sehen, dass ein sehr hübscher, blonder Amerikaner unheimlich in Dich verliebt ist. Er trägt Dich auf Händen…. Ja, er würde alles für Dich tun…. Er ist unheimlich glücklich mit Dir…. Und, man könnte sagen, dass er verrückt nach Dir ist…. Manchmal nervst Du ihn zwar, weil Du nie tust, was er Dir sagt…. Du kochst sehr gut für ihn…. Wenn er auch die Gerichte im ganzen Leben nicht richtig aussprechen kann…. Du hast schon einmal einen Song für ihn gesungen…. Vor gaaaanz vielen Menschen….Jaaaa…. Du bist gerade mit ihm in Urlaub….“

Ich bog mich vor Lachen und hielt mir den Bauch, da ich sonst geplatzt wäre
.

„Ganz klar ! Ein sehr hübscher, blonder Amerikaner ! Genau ! Eingebildet bist Du wohl überhaupt nicht ?“

„Nö.“

Jon hatte sein jungenhaft-unschuldiges Gesicht aufgesetzt, nahm verschmitzt einen Schluck aus seiner Tasse und ich war wieder glücklich von den Haarspitzen bis zu den Zehen. Wie schon so oft hatte er es mit seinem Humor geschafft, meine dunklen Gedanken zu vertreiben.

„Wollen wir noch etwas auf dem Markt stöbern ?“

„Eigentlich habe ich etwas Hunger !“ lachte ich immer noch.

„Tja, dann ist wohl wieder alles in Ordnung mit meiner Prinzessin ?“

Er lachte zurück und winkte die Kellnerin zu uns. Wir bestellten gegrillte Scampis, Salat und etwas Brot. Nur wenige Minuten später brachte sie das Essen und wir speisten genüsslich. Gestärkt gingen wir auf den Markt zurück und dieses Mal stöberten wir freudig Stand für Stand durch. Ich erstand für meine Tini noch eine hübsche Kette, eigentlich ein Lederband, an dem eine Perlmuttscheibe befestigt war. Schlicht und einfach, aber trotzdem schön.
Als wir an dem Stand vorbei kamen, an dem vorher die Wahrsagerin gewesen war, sah ich erstaunt, dass nun eine sehr junge Dame dort saß. Ich ging zu ihr hin und fragte sie nach der Frau von vorhin. Sie schüttelte den Kopf und meinte, eine andere Frau wäre nicht hier, sie säße schon den ganzen Tag hier. Ich nickte nur und auch Jon hatte ein erstauntes Gesicht aufgesetzt. Hatte ich das alles nur geträumt ? Ich beschloss, das alles abzutun und nicht mehr daran zu denken.
Jon machte es mir wieder einmal leicht damit, denn er zeigte mir stolz den Gürtel, den er gekauft hatte. Als ich ihm meine Maske zeigte, lachte er und meinte nur, das hätte er vorher schon geahnt, weil er in meiner Wohnung schon gesehen habe, dass ich auf so was stehen würde. Er bewunderte kurz die Kette, die ich für Tini erstanden hatte und nahm mich fest in seine Arme. So setzten wir unseren Bummel fort und fast am Ende des Marktes entdeckte ich noch einen Stand, der wunderschöne bunte Tücher verkaufte. Hier konnte ich nicht mehr an mich halten und suchte mir fünf aus.