Dienstag, 4. Mai 2010

Kapitel 272

Kopfschüttelnd ging ich ebenfalls zurück zum Haus und machte mich salonfähig. Mir blieb nicht mehr viel Zeit, bis ich in die Stadt musste. Das lenkte mich wenigstens von meiner Ungeduld, die Jon in mir entfacht hatte, etwas ab. Ke Gao hatte in dem Center, in dem er normalerweise arbeitete, eine kleine Halle reserviert. Dort wollte er mit mir für die Tour trainieren. Ich hatte zwar keinen Schimmer, wofür er eine Halle brauchte, aber er wusste sicherlich, was er tat. Schnell hatte ich meine Sporttasche gepackt, ließ die Haustür hinter mir zufallen und ging Richtung Garage.

„Hey, nimmst Du mich mit ?“

Richie kam mit einem ziemlichen Tempo um die Ecke gebogen. Vor lauter Schreck hätte ich fast meine Tasche fallen lassen.

„Richie !!!! Sag mal, musst Du mich so erschrecken ?“

„Sorry, aber ich dachte, ich erwische Dich nicht mehr !“

„Genau ! Ich bin noch nicht einmal in der Garage drin, das Tor ist noch nicht offen und ich sitze auch noch nicht im Auto ! Was in aller Welt ist so wichtig ?“

„Du gehst doch ins Training, richtig ?“

„Und woher weißt Du das schon wieder ?“

„Tini ?“

Er lachte verlegen und hatte einen schuldbewussten Ausdruck auf seinem Gesicht.

„War ja klar ! Ich bin jetzt über einen Tag wieder hier, und sie hat es nicht mal für nötig befunden, nach mir zu sehen. Aber wo ich hingehe, verrät sie !“

Ich war im Grunde meines Herzens schon ein wenig von meiner Freundin enttäuscht, weil sie sich seit meiner Ankunft nicht hatte blicken lassen. Und das, obwohl wir nebeneinander wohnten…..

„Komm, sei nicht sauer ! Sie sitzt mit Tom in der Stadt und brütet über Euren Tourplänen. Die zwei sind grad mächtig im Stress.“

„Ja, und wahrscheinlich wird genau dieser Stress irgendwann mal Sandy Reed`s Stress sein !“ brummelte ich vor mich hin, während ich das Tor öffnete.

„Wenn Du mich mitnimmst, sag ich Dir auch, wie Du am besten fährst.“

„Danke Rich ! Was würde ich nur ohne Dich tun ?“

Die Ironie troff nur so von meinen Worten.

„Hey ! Ich kann doch nix dafür, wenn sie Dich nicht anruft ! Ich weiß nur, dass die beiden in ihrem Büro hocken und Eure Tour planen !“

„Ist ja schon gut !“ versuchte ich einzulenken und bemühte mich um einen versöhnlicheren Ton. Ich hatte die Tasche in den Kofferraum geworfen und er stellte seine daneben.

„Du willst auch trainieren ?“ fragte ich erstaunt.

„Jep ! Ich treff mich dort mit einem alten Bekannten zum Squash.“

„Ah…..“

Den Blick nach hinten gewandt, stieß ich mit dem Wagen zurück, um in der Auffahrt umzudrehen. Kies spritzte nach allen Seiten, weil ich doch etwas zu stark auf das Gaspedal getreten hatte. Dafür erntete ich natürlich einen vorwurfsvollen Blick von meinem Beifahrer.

„Soll ich lieber…. ?“

„Richie ! Reg mich jetzt bloß nicht auf ! Ich fahr selbst !“

Er stöhnte leise neben mir und stützte den Kopf in seine Hand.
Nun doch vorsichtiger geworden, mahnte ich mich selbst zur Ruhe und fuhr langsam die Bergstraße hinunter Richtung City. Er schwieg, vermutlich, um nicht noch einen Wutausbruch meinerseits zu ernten. Es tat mir leid, dass ich ihn so angefahren hatte.

„Entschuldigung, weil ich so zickig war. Es war nicht böse gemeint.“

„Schon in Ordnung !“

Er klopfte mir mit der flachen Hand leicht auf den Schenkel und grinste mich an.

„Jeder hat mal einen schlechten Tag.“

„Wenn`s das nur wäre ! Ich hab mir das eigentlich ein bisschen anders vorgestellt. Und ich frage mich echt, warum sie sich noch nicht bei mir gemeldet hat ! Sie weiß doch, dass ich da bin, oder ?“

„Schon, aber gestern Abend wurde es bei ihnen ziemlich spät, so dass sie in der Stadt übernachtet haben. Ich glaub sogar, dass sie im Büro gepennt haben.“

„In welchem Büro eigentlich ?“

„Weißt Du das noch gar nicht ?“

„Ne…“

„Sie haben es vor ein paar Tagen angemietet. Es ist wohl einfacher, dort zu arbeiten. Na ja, komfortabler als auf der Terrasse beziehungsweise im Wohnzimmer wird’s bestimmt sein.“

Ich runzelte die Stirn. Das waren ja mal Neuigkeiten ! Meine beste Freundin und unser Manager mieteten sich irgendwo ein und ich wusste nichts davon. Toll. Wahrscheinlich bekam ich dann meine nächsten Termine per SMS oder Fax.
Und dann war da noch die Sache mit Tanja. Das hätte ich Tini ja auch noch erzählen wollen. Dass sie sich so gar nicht für meinen Umzug interessierte….. Außerdem konnte sie sich ja denken, dass ich Tanja getroffen hatte….. Jon mit seinem merkwürdigen Verhalten vorhin….
Schließlich die Tour, die ich vor mir hatte……

„Mach Dir mal keine Gedanken.“

Ich wandte mich schnell zu Richie.

„Was ?“

Vor lauter Ärger hatte ich nicht bemerkt, dass ich laut gesprochen hatte.

„Ja, mach Dir keine Gedanken ! Tini meint das sicherlich nicht böse, sie hat einfach zuviel zu tun. Und Jon…“ er lachte leise auf. „Du weißt doch, wie er ist !“

„Vielleicht hast Du Recht !“

„Hab ich meist !“

Nachdem ich sein Lächeln erwidert hatte, wurde ich endlich ruhiger. Außerdem musste ich mich auf den Verkehr konzentrieren. Richie lotste mich sicher durch die Stadt und kurz darauf waren wir an dem Spa-Center angekommen, in den Ke Gao arbeitete. Ich staunte nicht schlecht. Es war ein riesiges Areal, mit einer pompösen Eingangshalle, links und rechts weitere Gebäude, einige davon als Tennishallen zu erkennen und viel Grün drum herum.

„Fahr vor den Eingang, der Wagen wird für Dich geparkt.“

Ich tat, wie mir befohlen und stoppte an der großen Freitreppe, die mit Buchsbäumchen gesäumt war. Links und rechts der Tür standen große, saftig grüne Palmen. Die Treppe war mit einem blauen Teppich belegt, auf der kein Staubkörnchen zu sehen war. Vermutlich wurde er zwanzig Mal am Tag gesaugt, damit niemand schmutzige Fußsohlen bekam, dachte ich sarkastisch.
Richie wollte meine Tasche abnehmen, doch ich winkte ab. Er ging mir voraus und blieb an einer Theke aus Wurzelholz stehen.

„Hi !“

„Hi Mr. Sambora !“ lachte eine braungebrannte, durchtrainierte, blauäugige Blondine hinter ihrem Bildschirm hervor.

„Ihr Squash-Partner ist bereits da. Er wartet an der Saftbar auf Sie !“

Sie gab ihm einen Stapel schneeweiße Handtücher, auf denen ein ebenso schneeweißer Bademantel lag. Daneben legte sie einen Schlüssel an einem Bändchen. Wenigstens das war wie bei uns in Good Old Germany….. Nachdem sie ihn mit einem lasziven Augenaufschlag angelächelt hatte, wandte sie sich an mich.

„Miss Reed, nehme ich an ?“

Natürlich tat sie, als hätte sie mich schon einmal gesehen, ließ jedoch durchblitzen, dass sie sich nicht sicher war, wer ich denn sei, denn sie hatte ihre Frage mit ein klein wenig Arroganz unterlegt. Sie musterte mich von oben bis unten, so als würde ich dieses edle, noble Ambiente das uns umgab, mit meiner Anwesenheit beleidigen.

„Ja, ich bin Miss Reed,“ entgegnete ich beherrscht. „Mr. Ke Gao wartet auf mich, nehme ich an ?“

Ich war nicht wütend, weil sie mich nicht erkennen wollte. Mir gefiel nur ihr Getue um Richie nicht, dass sie danach tat, als wäre ich weniger wichtig. Diese Stutenbissigkeit war mir fremd und äußerst verhasst. Bevor sie jedoch noch einen Ton von sich geben konnte, hörten wir einen freudigen Ausruf hinter uns.

Montag, 3. Mai 2010

Kapitel 271

Mehr konnte ich nicht sagen, es war auch nur mehr ein Hauchen. Meine Stimme war flöten gegangen, und mir war sehr bewusst, dass dies ein wichtiger Augenblick war. Nicht nur für mich, sondern auch für die zwei Jungs rechts und links von mir. Nicht nur Jon, auch Richie hatte sein feierliches Gesicht aufgesetzt und schaute mich um Fassung bemüht an. Das Wasser schoss in meine Augen und um die Tränen zurück zu halten, wandte ich meinen Blick gen Himmel. Ich war nicht übermäßig gläubig, doch jetzt schickte ich meinem Schöpfer ein klitzekleines „Dankeschön“.

Das Klirren der Gläser klang sehr hell, als wir drei diese zeitgleich aneinander klingen ließen, fast so, als sollte dieses Klirren etwas besiegeln.
Wir tranken im Stehen aus, bis wir uns wieder auf unseren Plätzen nieder ließen.
Jon klatschte in die Hände.

„So, nun lasst uns nicht länger Trübsal blasen ! Lasst uns Euren Run in die Charts feiern und außerdem will Richie bestimmt auch wissen, was Ihr zwei Mädels in den zwei Wochen so alles getrieben habt !“

Richie pflichtete ihm nickend bei und ich begann zu erzählen.
Anscheinend gefiel beiden die Szene an der Tankstelle am besten, als ich den Mann so angefahren hatte. Richie fand es klasse, dass ich Tanja meine Wohnung überlassen hatte.

„Schade, dass ich nie dort war. Hätte mich schon interessiert, wie Du gelebt hast.“

„Das kannst Du ja demnächst live erleben, wenn ihre Container geliefert werden. Irgendwie habe ich ein klein wenig Angst davor….“ frotzelte Jon.

„Brauchst Du nicht, mein Schatz ! Es ist nämlich nur einer.“

Jon zog überrascht die Augenbraue hoch.
Die würde er, wenn der Container geöffnet würde, ganz sicher nochmals hochziehen, feixte ich im Stillen. Er wusste ja nicht, was ich als „USA-Überlebens-Kit“ eingepackt hatte…..

Die ersten grauen Streifen waren am Firmament zu sehen und schickten uns mahnend in unsere Betten. Gähnend und mit wackligen Schritten verabschiedete sich Richie. Wir räumten noch schnell die Gläser zusammen und ich sah ihm noch nach, wie ihn die Dunkelheit verschluckte. Die Geste, mit der er die Hecke zur Seite bog, war zu einem festen Ritual geworden. Irgendwann mussten wir uns vielleicht doch etwas einfallen lassen….

Als ich aufwachte und meine Hand nach links wandern ließ, fasste ich ins Leere. Verschlafen rieb ich mir die Augen und sah hinüber. Die Decke war zurückgeschlagen und das Bett war verlassen. Jon war bereits aufgestanden.
Nachdem ich geduscht und mir bequeme Shorts und ein weites Shirt angezogen hatte, ging ich hinunter in die Küche. Dort war er ebenfalls nicht. Ich wählte an der Kaffeemaschine die Taste für Cappuccino und setzte mich auf einen der Barhocker an die Theke. Da fiel mir der kleine Zettel auf.

„Ich bin kurz in der Stadt, Besorgungen machen. Bin bald zurück ! Kuss, Jon.“

Was musste er für Besorgungen machen ? Fast alles wurde doch für ihn erledigt, sogar die Klamotten wurden ins Haus geliefert, von den Lebensmitteln oder Getränken ganz zu schweigen. Kopfschüttelnd ging ich, die Tasse in der Hand, hinaus ins Freie. Ich beschloss, den Tag ruhig angehen zu lassen und schlenderte hinunter zu der kleinen Mauer. Wieder einmal wurde mir bewusst, in welch schönem Fleckchen Erde ich hier war. Der Anblick des Tales unter mir raubte mir den Atem. Jedes Mal, wenn ich seiner ansichtig wurde, fühlte ich das gleiche. Und jedes Mal genoss ich es in vollen Zügen und vergaß die Welt um mich herum. Daher zuckte ich zusammen, als ich leise Schritte hinter mir hörte.

„Schschscht ! Ich bin`s nur !“

Mit einem unglaublich intensiven Strahlen kam er auf mich zu. Er trug eine abgewetzte, hellblau ausgewaschene Jeans, ein weißes enges Shirt. An den Füssen hatte er Sneakers. Fast provozierend schlenderte er den kleinen Hang herunter und fing mich mit seinem Blick.

„Wo warst Du denn ?“

„Nur kurz in der Stadt, etwas abholen. Hast Du mich etwa vermisst ?“

„Hallo ? Ich wache auf und Du bist verschwunden. Statt dessen finde ich in der Küche eine Notiz von Dir, die mir weismachen will, Du müsstest was besorgen ?“

„Ist das so verwunderlich ?“ grinste er feixend.

„Ja, Jon-Schatz ! Ist Dir vielleicht schon mal aufgefallen, dass Mr. Rockgott nie selbst zum Einkaufen geht ? Dass ihm alles ins Haus getragen wird ? Meistens geschieht das sogar, bevor er selbst drauf gekommen ist !“

„Nenn mich nicht immer Mr. Rockgott !“

„Doch, weil Du das für mich bist !“

Er bog lachend seinen Kopf zurück.

„Okay, wenn ich Mr. Rockgott für Dich bin, dann….“

„Was dann ?“

„Na ja…. dann kann ich ja immer bestimmen, was….“

„Ne ne ne !“

Er hatte nach meinen fuchtelnden Händen gegriffen und hielt sie fest.

„Kannst Du auch mal ernst bleiben ?“ frotzelte ich lachend.

Er atmete tief durch.

„Okay, aber nur für fünf Minuten !“

Den Kopf zur Seite gelegt, schenkte er mir sein verführerisches Lächeln. Die blonden Strähnen fielen ihm in die Stirn und er lugte frech dazwischen hervor. Abwechselnd hielt er seinen Blick auf die Landschaft unter uns gerichtet, dann sah er mir in die Augen. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte, was nun folgen würde. Worauf wartete er ?
Er ließ seinen Blick langsam über das Tal schweifen, dann blickte er mich ernst an.

„Ich möchte es dieses Mal richtig machen.“
Erstaunt zog ich die Augenbrauen zusammen.
„Gibst Du mir bitte bis heute Abend Zeit ?“ fragte er flehentlich.
„Ich weiß ja nicht einmal…..“
„Lass Dich überraschen !“
Mit diesen Worten stand er auf, ich spürte, dass es ihm nicht leicht fiel, dass er jedoch von irgend etwas angetrieben wurde. Nach einem sehr zarten Kuss auf meine Stirn ging er mit schnellen Schritten, die Hände in den Hosentaschen vergraben, die kleine Anhöhe hinauf. Kurz darauf hörte ich den Motor von seinem Jaguar aufheulen.