Dienstag, 1. Februar 2011

Kapitel 291

Meine Runde war fast zu Ende und ich lief auf das Anwesen zu. Dort angekommen, machte ich einen Satz über die Hecken und verlangsamte meine Schritte, um gemütlich auszulaufen, den Puls wieder runter zu bringen, den Körper zu beruhigen. Rosita war nicht mehr in der Küche zugange, als ich mir dort ein Wasser holte. Mit gierigen Schlucken trank ich die Flasche halb aus und machte mich dann auf den Weg unter die Dusche.

Fertig gestylt ging ich aus dem Haus, holte den Wagen aus der Garage und fuhr durch die Berge hinunter in die Stadt. Einen Stadtplan hatte ich nicht gefunden, doch ich machte mir nicht allzu viele Gedanken, ob ich den Weg zu unserem Büro finden würde. Notfalls würde ich Tini anrufen, damit sie mich dorthin lotste. Nur kurze Zeit später war es dann soweit, ich wählte ihre Nummer. Sie lachte nur, als sie von meinem Problem hörte und erklärte mir geduldig, wie ich weiterfahren musste. Zum Glück fand ich einen Parkplatz direkt vor der Tür, wenn ich danach hätte auch noch suchen müssen…..

Hailey begrüßte mich allzu freundlich und für mein Empfinden zu überschwänglich. Aus irgendeinem mir unerfindlichen Grund mochte ich diese Frau nicht. Sie geleitete mich zu Tom ins Büro. Den Weg hätte ich auch von alleine gefunden, dachte ich im Stillen.

Die beiden erwarteten mich schon gespannt, begierig darauf, dass wir weiter arbeiten konnten.

Doch als Tini mein Gesicht sah, kam sie erschrocken auf mich zu.

„Mensch, Mädel, was ist denn mit Dir passiert ?“

Ich wandte mich zu Hailey um, die, die Türklinke in der Hand, auf irgendetwas zu warten schien. Ich riss mich zusammen und fragte sie mit gezwungener Freundlichkeit:

„Würden Sie uns bitte etwas zu trinken bringen ?“

Sie nickte, vermutlich enttäuscht darüber, dass sie ihre Neugier nicht befriedigen konnte und schloss die Tür.

„Ich hab Zoff mit Jon.“

„Wie ? Was ist denn geschehen ?“ fragte Tini und schlug augenblicklich die Hände vor ihr Gesicht.

Auch Tom sah mit gewitterumwölkter Stirn zu mir.

„Ich hab keine Ahnung….“

„Sandy, Du hast nichts angestellt ?“

Meine Freundin kannte mich einfach zu gut, sie ahnte, dass ich natürlich doch etwas verbockt haben könnte.

„Nein, ich hab nix gemacht…. Jedenfalls nicht so wirklich….“

„Sandy, also hast Du doch…..“

Sie wurde unterbrochen, da Hailey mit den Getränken kam und beflissen fragte, ob sie noch etwas für uns tun konnte. Dabei sah sie immer noch neugierig in die Runde.

„Nein, danke,“ erwiderte ich, zugegeben etwas ungehalten.

Als die Tür endlich wieder zu war, ließ ich mich auf die Couch fallen und schenkte mir etwas Kaffee ein.

„Nun mach`s nicht so spannend !“ drängelte Tom.

„Gestern kam mein Container, und als wir die Sachen ausgeladen haben….“

„Sandy, was hast Du gemacht ?“ bohrte Tini fordernd nach.

„….hat Jon das Bier entdeckt.“

„Welches Bier ?“ fragte sie mit energischem Ton.

„Das, welches ich mitgebracht habe.“

„Jon regt sich wegen Bier auf, das Du mitgebracht hast ?“

Ein ungläubiger Tom setzte sich neben mich.

„Ja.“

„Moooment !“ warf Tini ein. Und ich wusste, dass sie wusste, dass ich doch etwas angestellt hatte. „Wieviel Bier ?“

Nun hatte sie die Hände in die Hüften gestemmt und stand vor mir, so wie meine Mutter immer vor mir gestanden hatte, wenn ich als Kind etwas ausgefressen hatte und sie mich zum Beichten zwang.

„20 Kisten,“ gab ich zu.

„Wiiiieeeeeviiiiieeeeel ?“ fragte sie entgeistert.

Tom lachte laut auf und prustete zwischen Luftholen und Husten nur „Du spinnst doch !“

„Da wunderst Du Dich noch, dass er sich aufregt ? Hast Du Dir schon mal überlegt, dass eine Frau das einfach nicht macht ?“

„Eine Frau macht das nicht ? Sag mal, Tini, wie bist Du denn drauf ? Hätte ich statt dessen 20 Hutschachteln mitbringen sollen ? Wär das besser gewesen ? Du weißt schon noch, dass das unser Bandgetränk ist ?“

„Das weiß ich, das weiß Tom, aber weiß das auch Jon ? Versetz Dich doch mal in seine Lage und stell Dir vor, er wäre bei Dir eingezogen und mit so was angekommen ? Was hättest Du dann gedacht ?“

„Dass er nicht ganz dicht ist, weil wir in Deutschland nämlich vernünftiges Bier haben ?“

„Mädels, so bringt das nichts !“ warf Tom ein, immer noch grinsend. „Natürlich ist ein Mann schockiert über so was, aber es ist ja zu erklären, oder ? Habt Ihr denn nicht darüber gesprochen ?“

„Nein, er ließ mir ja keine Chance. Und ich kann es wirklich nicht verstehen, der größte Teil davon ist sowieso für die Jungs.“

„Das weiß er aber nicht ?“ hakte Tom nach.

„Nein, weiß er nicht,“ erwiderte ich genervt. „Er hat mich ja nicht mal mehr angehört, und schon gar nicht, als Richie auch noch mit drei gefüllten Gläsern für uns ankam.“

Tom lachte wieder laut auf.

„Richie hat sich gleich eines schmecken lassen ?“

„Ja, er fand die Idee cool.“

„Oh Mann ! Männer !“ rief Tini aus.

Tom unterbrach die Diskussion mit ausgebreiteten Händen.

„Das bringt so nichts. Soll ich ihn anrufen und das mit ihm klären ?“

„Nein, das mach ich selbst. Besser gesagt, da muss schon Mr. Rockgott zu mir kommen.“

„Jetzt sei nicht schon wieder so bockig !“

Sie sah mich beschwörend und gleichzeitig bittend an. Als ich zögerte, änderte sich ihr Gesichtsausdruck in einen hilflosen.

„Du haust jetzt aber nicht einfach wieder ab, so wie früher ?“

„Nein, natürlich nicht. Es ist ja eigentlich ein Witz, was er da abzieht.“

„Normalerweise ist es das. Ich hätte eher gedacht, dass er darüber lacht.“

Tom rieb sich die Nasenwurzel mit Zeigefinger und Daumen, so als ob er Kopfschmerzen hätte. Doch bei seinem nächsten Satz wurde mir klar, dass er angestrengt nachdachte.

„Verstehen kann ich ihn nicht so ganz, ich finde es für absolut überzogen. Soweit kenne ich Jon mittlererweile, dass ich weiß, dass bei solch einer Reaktion von ihm weit aus mehr dahinter steckt. Hast Du nicht eine kleine Ahnung, was es sein könnte ?“

„Nein, ich war ja auch vollkommen überrascht.“

Er rieb sich nachdenklich das Kinn und sah dabei hinunter auf die Papiere, die auf dem Tisch lagen.

„Könnte es etwas mit Richie zu tun haben ?“ sagte er dann und sah mich mit seinen stahlblauen Augen aufmerksam an.

„Wie jetzt ?“

So, wie mich Tom anschaute, wusste ich, dass er auf etwas ganz bestimmtes anspielte, doch ich kam nicht drauf.

Tom`s Blick ruhte noch immer auf mir, seine Augen wichen nicht einen Millimeter von meinen, die Stille im Raum erdrückte mich. Ein schlimme Ahnung überkam mich. Und plötzlich war mir alles klar.