Samstag, 31. Juli 2010

Kapitel 284

Sie nickten zustimmend und mit weiteren Küssen und Umarmungen verabschiedeten Jon und ich uns, in der Tasche die Verabredung für heute Abend zum Grillen.

„Barbecue, hmmmm,“ grinste Jon im Aufzug vor sich hin.

Irgendwie war ich erschöpft, und lehnte mich an ihn. Es tat gut, seine starken Arme zu spüren, seinen ruhigen Atem. Eigentlich war es schon eine Wohltat für mich, seinen Geruch einzuatmen. Widerwillig lösten wir uns voneinander, als sich die Türen im Erdgeschoß öffneten und gingen auf den Wagen zu. Er steckte den Schlüssel in`s Zündschloss, blickte kurz nach hinten und drehte zügig auf der Straße um. Es herrschte wenig Verkehr, rasch hatten wir die Stadt hinter uns gelassen und fuhren nun auf der ruhigen Straße hoch in die Berge. Ich hing meinen Gedanken nach, ließ den Tag Revue passieren.
Jon`s Bemerkung von vorhin fiel mir wieder ein.
….“wie sich alles entwickelt, die Welt weiter dreht….“ Nun wusste ich, was er damit meinte. Ich musste loslassen, den Dingen und auch den Menschen um mich herum freien Lauf lassen, damit sie ihre Arbeit tun konnten. Das bedeutete allerdings auch, dass wir Gefahr liefen, uns voneinander zu entfernen. Tini tat ihren Job, ich tat meinen. Sie lebte ihr Leben, ich lebte meines. Das bedeutete nicht, dass ich es nicht schätzte, was sie auf die Beine gestellt hatten, aber es bedeutete, dass ich einen Teil meiner Freiheit aufgeben musste. Ich musste das tun, was sie für mich arrangiert hatten und konnte weniger spontan entscheiden, was ich tun wollte. Es war ein merkwürdiges Gefühl für mich, dass meine Freunde für mich arbeiteten, dass ich sie bezahlte. Sicher, es war die letzten Monate schon so gewesen, und doch war es mir nicht wirklich bewusst gewesen. Mir war auch nicht klar gewesen, was für eine Tour so organisiert werden musste, wie auch ?

Immer wieder spürte ich Jon`s Blicke, prüfende, abwartende Blicke. Ich hätte so gerne mit ihm darüber gesprochen, doch ich konnte nicht. Ich war viel zu sehr durcheinander. Bei den Massen an Neuigkeiten, die heute auf mich eingeprasselt waren, würde ich vermutlich ein Weilchen brauchen, bis ich das Ganze sortiert hatte. Daher war vielleicht es ganz gut, dass die beiden heute Abend kommen würden und ich für sie die Grillsachen vorbereiten musste. Beim Kochen konnte ich wenigstens über alles nachdenken.
Ich nahm an, Jon wusste, was in mir vorging, denn er ließ mich in Ruhe und schwieg während der Fahrt. Kurz vor seinem Haus hielten wir vor einer Metzgerei und besorgten noch Grillsachen.

Als er den Wagen in die Garage gestellt und wir ausgestiegen waren, nahm er mich bei der Hand und zog mich an sich. Eine Weile standen wir so in der Einfahrt, bis wir schließlich doch ins Haus gingen.
Er folgte mir auf meinen Schritten in die Küche. Überrascht drehte ich mich um.

„Lass mich Dir helfen, die Sachen vorzubereiten.“

„Aber Du….“

„Schscht schscht….“ Er legte mir den Zeigefinger auf die Lippen, so dass ich augenblicklich schwieg. „Ich weiß, ich kann nicht kochen, aber Du kannst mir ja die Hilfsjobs überlassen, wie Gemüse schnippeln und so. Dann können wir, wenn wir fertig sind, in Ruhe über alles reden, okay ?“

„Du könntest vielleicht das Fleisch ?“

„Okay, mach ich.“

Schweigend machten wir uns an die Arbeit. Ich legte Kartoffeln in Olivenöl ein, gab ein paar Kräuter und Knoblauchzehen dazu und deckte das mit Alufolie ab, damit sie durchziehen konnten. Dann zerrieb ich im Mörser weitere Zehen mit etwas Öl, Meersalz und gehäuteten Tomaten für einen spanischen Mojo de roja.

„Meinst Du das reicht mit dem Salz und dem Pfeffer ?“ fragte er nach einer Weile.

Sein fragendes Gesicht brachte mich zum Lachen. Er hatte die Hände voller Gewürz, hielt diese weit von sich. Lächelnd ging ich um den Küchenblock herum, griff nach dem Steakgewürz und Paprika und stellte dies vor ihn hin.

„Soll ich das auch noch…. ?“

Ich nickte grinsend und zeigte ihm, wie er mit etwas Öl eine würzige Marinade machen konnte und er die Fleischstücke darin einlegen sollte. Jon strengte sich sehr an mir zu helfen, ich dagegen musste mich beherrschen, nicht laut los zu lachen. Während er das Weißbrot in Scheiben schnitt, ließ ich etwas Meersalz in Öl zergehen, vermischte damit die vorher eingeweichten Trockenpilze und dünstete sie in einer Pfanne leicht an. Den Mojo mit dem Brot, die Pilze würde ich als Tapas reichen. Im Kühlschrank waren noch mit Frischkäse gefüllte Peperoni, das würde reichen. Die Salate waren ebenso schnell angemacht, allerdings hatte ich zwei davon und die Dressings für alle drei fertig, als Jon immer noch mit Putzen des Kopfsalates beschäftigt war. So half ich ihm noch dabei, bevor wir das Geschirr auf einem Tablett stapelten und ich die Kartoffeln in einem gusseisernen Bräter in den heißen Backofen schob. Wir hatten noch genügend Zeit, bis unser Besuch eintraf und so setzten wir uns mit einer kühlen Flasche Weißwein auf die Terrasse. Als er für uns beide eingeschenkt hatte, lehnte er sich zurück und sah mich aufmerksam an.

„Was denkst Du über die Sache ?“

Unschlüssig sah ich ihn an und griff nach der Zigarettenschachtel.

„Ich weiß nicht so recht. Irgendwie ist mir das alles zu heavy.“

„Das Büro ?“

„Ja, auch. Ach, einfach alles.“

Nachdenklich blies ich den Rauch langsam aus.

„Ehrlich gesagt, hab ich ja nicht so den Überblick. Aber das, was ich gesehen habe, ist schon unglaublich professionell und durchorganisiert. Als Ihr drüben zusammen gesessen habt, hab ich in unserem Büro in New York angerufen, weil ich mich über meine nächsten Termine informieren musste. Bonnie meinte, unser Team war begeistert von Tini`s Kampagne, sie hat sich oft deren Rat zu Herzen genommen, aber die Grundideen kamen alle von ihr. Unsere Werbeprofis hatten so gut wie nichts auszusetzen. Und Tom ist ein Profi, was soll bei ihm schief gehen ?“

„Jon, es ist einfach alles zu viel ! Es passiert einfach alles zu schnell !“

Leider fuhr ich etwas aus der Haut, er sah mich fast schon ein wenig erschrocken an. Bevor ich weiter sprach, atmete ich tief durch, er konnte ja am allerwenigsten dafür.

„Schau, die Chartplatzierung ist ja schon ein wahnsinniger Erfolg. Aber Tom plant eine Riesentour, er hat, so wie ich gesehen habe, nur Stadien und Hallen gebucht, die mehr als 30.000 Zuschauer fassen, das größte hat 80.000 ! Die Auftritte nebenher, die Videodrehs, die Fototermine, die Fernsehaufzeichnungen…. Und ich hab eine Scheißangst, dass es schief gehen könnte. Am liebsten würde ich alles absagen, mir einen Job in einem Büro suchen….“

Mittwoch, 28. Juli 2010

Kapitel 283

„Halt ! Tom, ich kann mir das unmöglich alles merken, kann ich mir das aufschreiben ?“

Lachend antwortete er:

„Brauchst Du doch nicht ! Erstens habe ich Dir bereits einen Kalender erstellt, einen einfachen übrigens, ich weiß ja, wie Du bist. In Papierform, den Du immer bei Dir tragen kannst. Und zweites wirst Du von mir rechtzeitig informiert werden, okay ?“

„Puhhh !“ atmete ich durch. „Das ist ja Wahnsinn ! Ihr zwei habt echt geackert !“
sagte ich bewundernd.

„Ja, jetzt weißt Du wenigstens, warum wir uns hier so verkrochen haben,“ antwortete Tini.

„Es tut mir leid, was ich vorhin alles gesagt habe, ich war ungerecht zu Euch !“

„Schon okay, Kleines. Bereits vergeben und vergessen !“

Tom sah mich bei seinen Worten beruhigend an und drückte sanft meine Hand.

„Wird es denn nicht zuviel für sie werden ?“ warf Jon besorgt ein.

„Nein, ich denke, ich habe zwischendrin für genügend Freiraum gesorgt. Ihr zwei werdet Euch allerdings etwas einschränken müssen, obwohl ich mit Eurem Team natürlich auch gesprochen und einige Termine mit den Euren abgestimmt habe. Zu hundert Prozent ging es jedoch nicht.“

„Schon klar,“ erwiderte Jon nachdenklich und mit gesenktem Blick. Dann wandte er sich an Tom.

„Kann ich Dein Büro benutzen ? So könnt Ihr hier in Ruhe weiter machen und ich würde Euch nicht stören.“

„Selbstverständlich, aber Du störst uns doch nicht !“

Der kleine Kontrollfreak ! Ganz klar, dass er jetzt gleich in New York anruft und das alles nachprüft, dachte ich im Stillen. So war er eben. Er küsste mich auf die Wange und stand auf.
Wir beugten uns wieder über die Papiere auf dem Tisch und waren nur wenig später vollkommen darin vertieft. Nun war Tini`s Part dran. Sie hatte sich unheimlich Mühe mit der Promotion gegeben und unzählige Zeichnungen für die Tourplakate und Werbebanner angefertigt. Alles war soweit fertig, eigentlich hatten sie nur noch darauf gewartet, dass ich das Ganze abnicke. Der Rest der Band hatte sich bereits einverstanden erklärt und sie hatten ebenfalls nur noch auf mein Ja gehofft. Ich lehnte mich zurück und musste mir eingestehen, dass ich den beiden wirklich Unrecht getan hatte, denn nicht nur, dass alles perfekt vorbereitet war, sondern auch das Timing war absolut in Ordnung. Nur die kleinen Anmerkungen von Tom, fast nicht zu lesen, machten mich stutzig.

„Tom, heißt das hier neben dem Shooting-Termin etwa Romy und Stella ?“

„Jep !“

„Neeeiiiin !“

Vor Freude fiel ich ihm um den Hals. Ich freute mich wie Bolle, dass ich die zwei wieder um mich haben würde. Ich musste lachen, als ich an unsere „Garderoben-Gespräche“ auf der Tour mit Aerosmith dachte.

„Doch, die zwei Mädels hab ich auch für Dich engagiert. Allerdings hat mir Jon noch einen weiteren Stylisten empfohlen, der einen sehr guten Ruf hat. Er ist zwar etwas teuer, aber ich denke, das wird sich auf jeden Fall lohnen.“

„Drei Leute allein nur für mich ?“ hakte ich ungläubig nach.

„Ja, Süße. Du bist das Aushängeschild der Band, natürlich werden die drei sich auch um Deine Jungs kümmern, da ist schließlich auch noch einiges zu tun, aber Du bist einfach die Hauptperson.“

Er sah mich nachdenklich an.

„Ach ja, dann habe ich noch Rick Pherson gebeten, sich um Deine Performance zu kümmern. Zusammen mit Ke Gao. Hat der eigentlich schon mit dem Tanztraining begonnen ?“

„Ja, hat er. Das habt Ihr also auch ausbaldowert ? Wer zur Hölle ist Rick Pherson ?“

Tom grinste.

„Bevor ich Dir das beantworte, musst Du mir was versprechen.“

„Was ?“

„Dass Du nicht ausflippen wirst.“

„Kann ich nicht. Ich will`s aber trotzdem wissen.“

„Ein Modeltrainer ?“

„Ein Was ?????

Nun war es endgültig vorbei mit meiner Beherrschung. Schön und gut, dass alles perfekt sein sollte. Mir war auch klar geworden, dass unsere Combo bei einigen Dingen Nachhilfe brauchte. Aber einen Modeltrainer ? Ich schüttelte mich vor Lachen, als ich mir vorstellte, wie dieser Rick mit mir einen imaginären Catwalk entlang stolzierte, oder wie er mich beobachtete, wie ich stundenlang mit einem Buch auf dem Kopf den stolzen Gang einer Dame übte.

„Super, dass Du es wenigstens witzig findest,“ grinste Tini vor sich hin.

Die Tränen liefen mir über das Gesicht und binnen kurzer Zeit war ich mal wieder total abgeschminkt. Tini hatte sich von meiner Lachsalve anstecken lassen und prustete mit.

„…. wie Du mit einem Buch auf dem Kopf…..“

„genau an das habe ich gerade auch….“

„wie in ‚Pretty Woman’, als die Schnecke oder was auch immer….“

„von der Gabel geschossen ist….“

Wie hielten unsere Bäuche vor Lachen und hingen auf halb sieben auf der Couch. Als Jon, vermutlich von unserer Geräuschkulisse aufgeschreckt, vorsichtig seinen Kopf zur Tür hereinsteckte, erklärte ihm Tom den Grund dafür.
Auch er ließ sich von uns anstecken und lachte herzlich mit.
Tom löste das Ganze auf, indem er vorschlug, dass wir für heute Schluss machen würden.

„Wir können ja morgen weiter machen, ja ?“

„Okay, heute macht es wirklich keinen Sinn mehr, wir sind jetzt zu albern drauf.“

Ich nahm Tini fest in den Arm und drückte sie lange an mich. Sie sah mich erstaunt an.

„Es tut mir leid, ich hab das alles missverstanden. Hätte ich gewusst, was Ihr hier auf die Beine stellt, hätte ich nicht so schlecht von Euch gedacht. Mich zerfrisst das schlechte Gewissen fast.“

„Sandy, es ist schon okay. Tom und ich sind dafür da, Euch alles vom Hals zu halten. Na ja, wenn ich ehrlich bin, macht das auch verdammt viel Spaß. Außerdem hat uns Jon von seiner Überraschung für Dich erzählt und wir wollten Euch auch ein bisschen Zeit für Euch alleine geben. Du weißt ja, in Verschwörungen ist unsere Truppe erste Klasse.“

„Ihr seid mir nicht böse ?“

„Nein, natürlich nicht. Allerdings könntest Du es mit einem guten Essen wieder gut machen.“

Ich grinste. Das war typisch.

„Allerdings hätte ich noch eine Bedingung.“

Gespannt schauten sie mich an.

„Ich möchte nie mehr wieder, dass Ihr Euch als unsere Angestellten betrachtet.“

„Aber….“ warf Tom ein.

„Nix aber. Ich will es niemals mehr hören. Okay ?“

Sonntag, 25. Juli 2010

Kapitel 282

Tom bedeutete uns, uns zu setzen und holte tief Atem, bevor er sprach.

„Ich dachte mir, dass Du so reagieren würdest.“

Tini stand auf und trat an die Kaffeemaschine. Mit zwei gefüllten Tassen kam sie zurück und stellte diese vor sich und Tom. Sie musste sich beschäftigen, sie fühlte sich unbehaglich, die Situation war ihr gänzlich unangenehm. Ich kannte sie.

„Wenn Du wusstest, wie ich reagieren würde, warum hast Du dann nichts zu mir gesagt ?“

Wieder dieser schneidende Ton.
Er sah mich lange und mit festem Blick an, trank dann einen Schluck seines Kaffees und stellte die Tasse bedächtig zurück.

„Sandy, wir wollten Dich damit einfach nicht behelligen. Du hattest den Umzug, dann erfuhren wir von der Geschichte mit Tanja…. Außerdem kenn ich Dich lange genug, um zu wissen, was der Jetlag bei Dir so anstellt. Aber das wichtigste für uns war, dass Du Dich auf Jon konzentrieren konntest, dass Du für ihn Zeit und einen freien Kopf hattest. Wir haben lange mit allen zusammen darüber beratschlagt und dies für die beste Lösung gefunden.“

„Wie mit allen ?“ hakte ich nach.

„Zum Beispiel mit Deinen Jungs ?“

„Okay….“ sagte ich gedehnt.

„Hey, Kleines ! Du musst Dich daran gewöhnen, dass Du Angestellte hast, die dafür bezahlt werden, für Dich alles zu erledigen. Du wirst in den nächsten Monaten keine Zeit haben, Dich um so profane Angelegenheiten wie Einkäufe, Shopping mit Tini und so weiter zu kümmern. Schau, Du hast uns doch vorher auch vertraut, warum denn jetzt nicht mehr ? Wegen diesem Büro ?“

Er sah mich liebevoll an. Dann beugte er sich zu mir herüber und griff nach meinen Händen.

„Du siehst doch auch ein, dass wir das nicht mehr von Richie`s Wohnzimmer aus machen können ?“

Meine Gedanken rasten. Verflucht ! Jetzt stieg mir auch noch das Wasser in die Augen !
Unter Tränen antwortete ich schließlich.

„Ich möchte nie mehr, dass Ihr zwei Euch als meine Angestellten bezeichnet ! Ihr seid doch meine Freunde !“

Heulend sah ich schließlich zu meiner besten Freundin, die aufstand, sich auf die Lehne meines Sessels setzte und mich in ihre Arme nahm.
Es war zuviel für mich, es war alles zu neu für mich. Ich konnte damit nicht umgehen. Jedenfalls jetzt noch nicht.

„Willst Du Dir denn nicht mal alles ansehen ?“ fragte Jon mit leiser Stimme.

Ich nickte nur und ließ mich von Tini hochziehen. Alle vier zusammen gingen wir durch die Räumlichkeiten und Tom erklärte alles. Die Führung begann mit einem Raum, der jedoch noch nicht fertig gestellt war. Dort hingen noch unzählige Kabelstränge aus den Wänden und von der Decke. Das würde der Besprechungsraum werden. Tom meinte, sie hätten damit gewartet, weil sie noch unsere Meinung hören wollten, was wir alles an Kommunikationstechnik hier haben mochten. Danach ging es weiter zu seinem Büro. Im Gegensatz zu Tini`s kreativem Chaos herrschte hier eine klar durchstrukturierte Ordnung. Sein gläserner Schreibtisch war bis auf seinen PC, sein Handy und einem einzelnen Ordner leer. Tom konnte nur effektiv arbeiten, wenn er nicht von herumliegenden Sachen abgelenkt wurde. Er war straff durch organisiert und verließ sich vollkommen auf seinen Rechner und sein Handy.

Die Ordner im Regal an der Seite waren allesamt von der gleichen Farbe und mit den gleichen Rückenschildern beschriftet. Sogar seine Jacke hing ordentlich an dem kleinen Ständer links neben der Tür. Als einzigen Luxus hatte er sich eine große, saftig grüne Washingtonia-Palme gestattet. Weiter ging`s zu den Waschräumen mit den Toiletten.

Tom schloss die Tür und drehte sich lächelnd zu mir um.

„Für die Jungs haben wir das hier genommen….“

Er griff nach der Klinke der nächsten Tür und ließ diese aufschwingen. Ein großes, Licht durchflutetes Zimmer tat sich vor uns auf. Staunend und immer noch schweigend betrachtete ich es. Die Fenster waren auf der ganzen Front bodentief, der Boden mit grauem Stein ausgelegt, die Wände schneeweiß. Eine schwarze, puristische Ledercouch, die mit chromfarbenen Rohren eingefasst war, nahm einen großen Teil ein. Auch hier stand ein Glasschreibtisch, auf dem mehrere Laptops gestapelt waren. Alle mit Namen versehen. Jeder von uns konnte sich seinen nehmen und einstöpseln. An der Wand gegenüber des Schreibtisches befand sich ein riesiger Plasma-Schirm, dessen Größe ich auf 4 Quadratmeter schätzte.

„Dann gehen wir jetzt am besten in Deines,“ schlug Tom vor.

„In meines ?“

Er öffnete eine weitere Tür und wir standen in einem Eckbüro, dessen beide Fronten voll verglast waren. Ich sah mich ungläubig um, sah die moderne Einrichtung, den ebenfalls grauen Steinboden, die weißen Wände, die Ledercouch – ein Zwilling der Couch, die im Büro nebenan stand und als Krönung, und den in vollkommenem Kontrast dazu stehenden antiken Schrank, der an der Wand gegenüber stand. Derselbe Plasma-Schirm hing auch hier, man konnte von der Ledercouch wie auch vom Schreibtisch aus bequem fernsehen. Ich war sprachlos.

„Schön, dass es Dir gefällt !“ frotzelte Tini grinsend.

„Ich hab ein so großes Büro ? Aber warum, ich bin doch eher selten hier ? Und warum hab ich eines für mich alleine ? Wollt Ihr nicht lieber das nehmen ? Ihr braucht doch einen vernünftigen Arbeitsplatz und nicht ich, also ich meine, Ihr geht doch vor ?“

„Nein, Süße. Du bist der Kopf der Band. Denk dran, dass Du repräsentative Aufgaben haben wirst und dann brauchst Du ein solches Büro. Du kannst doch nicht in einer kleinen Rumpelkammer hocken….“

„Was würden dann die Leute sagen ?“ vervollständigte ich Tom`s Satz.

„Eben.“

„Waren meine Jungs schon hier ?“

„Bereits des Öfteren, sie haben es mit ausgesucht und sie sind begeistert ! Eigentlich wollten sie Dir damit eine Überraschung machen, quasi als kleine Entschuldigung, weil Du die meiste Arbeit mit der Band hast.“

Ich sah Jon an, versuchte, in seinem Gesicht zu lesen. Er war unschlüssig ob meiner Reaktion und lächelte mich etwas schief an.
Hailey kam herein und fragte, ob wir noch etwas brauchen würden.

„Würdest Du uns noch bitte ein paar gekühlte Getränke bringen ?“ bat Tini.

Sie nickte und ging wieder hinaus. Um meine Gedanken zu ordnen und wieder einigermaßen ruhig zu werden, trat ich an die Fenster und blickte auf die Stadt unter mir.
Mein Leben änderte sich grundlegend. Ich konnte es nicht aufhalten. Also beschloss ich, das Beste daraus zu machen. Wie immer dachte ich an meinen letzten Lauf, um meinen Kopf leer zu bekommen. Einige Minuten stand ich dort und sammelte mich. Es war wichtig, dass ich mich wieder in den Griff bekam. Ich holte tief Luft und drehte mich zu den dreien um, die mittlererweile auf dem Sofa Platz genommen hatten.

„Also, dann lasst uns arbeiten ! Rock and Roll !“

„Okay !“ nickte Tom erleichtert und erhob sich. „Ich hol uns am besten den Terminplaner, dann kannst Du Dir am leichtesten ein Bild machen, was wir bisher organisiert haben.“

Hailey brachte die Getränke und fragte nochmals, ob sie noch etwas für uns tun könnte. Wir verneinten, da Tom mit seinem Laptop wieder kam, vor den ich mich gespannt setzte.
Er hatte wie immer eine dermaßen komplizierte Tabelle erstellt, die es mir sehr schwer machte, ihm zu folgen, ja ich musste mich echt anstrengen. Basierend auf einem Jahreskalender hatte er mit Kommentarfunktion die kommenden Termine eingetragen. Er ging die Wochen und Monate durch und mir wurde schnell bewusst, das da einiges auf mich zukommen würde. Es war ein enormes Pensum an Vorarbeit, die vor allem ich leisten musste. Irgendwann stoppte ich ihn in seiner Begeisterung, die mich bereits erfasst hatte.

Donnerstag, 22. Juli 2010

Kapitel 281

Eine Stunde später saßen wir im Wagen und fuhren in die City. Es war herrlich, neben ihm zu sitzen. Wie schon zuvor wurde mir bewusst, was für ein guter Fahrer Jon war. Sicher, jedoch in flottem Tempo steuerte er die Limousine die gewundenen Straßen hinunter. Wir unterhielten uns angeregt und alberten miteinander herum.
Jon hielt vor einem imposanten Bürogebäude. Staunend stieg ich aus und legte den Kopf in den Nacken, um es zu begutachten.

Nicht schlecht, dachte ich. Anscheinend verdienten wir ganz schön Kohle, wenn wir uns das leisten konnten ! Dass das vom Geld bezahlt wurde, das unsere Band verdiente, stand außer Frage. Tom hatte längst bei 8tmf gekündigt, und Tini war ja schon seit der Tour mit Aerosmith bei uns angestellt. Die komplette Fassade war mit dunklem, anthrazitgrauem Glas verkleidet, der Eingang mit der großen zweiflügligen Tür war teilweise mit Messing ausgekleidet, der Boden mit schwarzem Granit ausgelegt. Ich drehte mich einmal um meine eigene Achse und schaute die umliegenden Hochhäuser an. Alle, bis auf eines, das wohl gerade saniert wurde, waren sehr elegant und modern. In der Nachbarschaft waren Bankhäuser, Immobilienfirmen und dergleichen angesiedelt, alles in allem eine seriös anmutende Gegend. Jon lehnte lächelnd an seinem Auto und spielte mit dem Schlüssel, mich beobachtend.

„Was ?“ fragte ich.

„Nichts, es ist nur immer wieder interessant, Dich zu beobachten, wie Du merkst, was um Dich herum passiert.“

„Was um mich herum passiert ?“

Er nickte nur.

„Es ist toll, wie Du staunend betrachtest, wie sich alles um Dich entwickelt, die Welt sich weiter dreht ….“

„Sei mir nicht böse, aber das ist mir gerade echt zu poetisch !“

Er sah mich von unten herauf an, mit leicht geneigtem Kopf beobachtete er mich weiter.

„Wollen wir hier Wurzeln schlagen, oder gehen wir irgendwann einmal hinein ? Ich will endlich sehen, was die beiden sich hier ausgesucht haben. Warst Du eigentlich schon mal hier ?“

„Nein, sie haben mir nur ein paar Fotos und die Pläne gemailt.“

Stirn runzelnd sah ich ihn an. Trotz der riesigen Ungeduld, die ich verspürte, hielt ich inne.

„Wieso weißt Du eigentlich immer über alles Bescheid, und ich nicht ?“

Er lachte.

„Schatz, sie wollten Dich damit nicht belasten. Du musst Dich daran gewöhnen, dass es jetzt Leute um Dich herum gibt, die das für Dich erledigen.“

„Du meinst, ich habe Personal ?“ fragte ich ungläubig.

„So sieht`s wohl aus !“

Langsam gingen wir auf den Eingang zu. Links von der Türe prangten chromfarbene Schilder, auf denen in schwarzen Lettern die Firmennamen eingeprägt waren. Die meisten sagten mir natürlich nichts, es waren einige Modefirmen und Versicherungen dabei. In der Mitte ungefähr fiel mir eines natürlich gleich ins Auge.
Schlicht und mit nur zwei Worten. Nine Lives.
Jon fasste meine Hand und zog mich grinsend mit sich. Am Empfang sagte er dem Wachmann, wohin wir wollten. Dieser gab auf einer Computertastatur einen Code ein und wies lächelnd auf einen der Aufzüge, dessen Tür sich gerade öffnete.

„Bitte ! Der Lift hält im gewünschten Stockwerk.“

Wir bedankten uns und gingen darauf zu.
Während wir sanft in die Höhen gehoben wurden, dachte ich über seine Bemerkung von vorhin nach. ….“wie sich alles entwickelt, die Welt weiter dreht….“ Ich verstand nicht, was er damit meinte.
Die Tür öffnete sich im 78. Stock und wir wurden von einer lächelnden Frau empfangen, die sich freundlich und zuvorkommend vorstellte.

„Hallo Miss Reed, Mister Bongiovi ! Ich bin Hailey Adams. Zu wem darf ich sie bringen ?“

„Zu Tini und Tom ?“ fragte ich fassungslos nach.

Ich war froh, dass mich Jon an der Hand hielt, denn diese brauchte ich im Moment und drückte sie fest.
Plötzlich öffnete sich eine der Bürotüren und Tini kam heraus gestürmt.

„Hab ich doch richtig gehört !“

Freudestrahlend lief sie auf mich zu und riss mich in ihre Arme.

„Endlich kommst Du vorbei, ich dachte schon, Du hast mich vergessen !“

Das gleich hatte ich von ihr auch gedacht, doch als sie uns in ihr Büro geschafft hatte, wusste ich warum. Dort herrschte ein heilloses Durcheinander, überall lagen Ordner, Akten, Fotos und Krimskrams herum. An einer Wand hing eine Karte der Staaten, auf denen lauter rote Pins steckten. An der nächsten waren zahllose Fotos unserer Band aufgepinnt. Über den Stühlen der Sitzecke lagen kreuz und quer Klamotten verteilt. Ohne zu fragen, trat sie an die Kaffeemaschine und drückte uns nur wenig später zwei Tassen Cappuccino in die Hand.

Nach ein paar Schlucken hatte ich endlich meine Fassung wieder gefunden und zündete mir eine Zigarette an. Während dessen räumte sie die Kleidungsstücke beiseite und wir setzen uns. Sie griff nach dem Telefon.

„Tom, kommst Du bitte, wir haben Besuch !“

Ein über alle vier Backen strahlender Tom kam nur Sekunden später herein und riss mich wie Tini zuvor in seine Arme.

„Süße ! Wie geht`s Dir denn ?“

Nach ein paar Küssen links und rechts hielt er mich etwas von sich weg und schaute mich prüfend an.

„Eigentlich dachte ich, Du hast uns vergessen ! Wieso hast Du Dich denn nicht mehr gemeldet ?“

Irgendwas ging hier wohl vollkommen an mir vorbei….

„Hattest Du viel Stress mit dem Umzug ? Erzähl, wie ist es Dir ergangen ?“

Er lies mich los und gab Jon die Hand, um auch ihn zu begrüßen. Dieser stand grinsend neben mir.

„Könnt Ihr mich vielleicht mal aufklären, was hier vor sich geht ?“ fragte ich die beiden.

Meine Stimme klang schneidender, als ich das beabsichtigt hatte. Vielleicht sahen sie mich deswegen so ungläubig an. Vielleicht war es auch mein Gesichtsausdruck.

„Wieso weiß ich von alldem nichts ? Und wieso habt Ihr Euch eigentlich nicht mehr gemeldet ? Telefon habt Ihr ja anscheinend !“

Eine peinliche Stille trat ein. Sie wussten, dass ich kurz vor einer fürchterlichen Explosion stand.

Mittwoch, 21. Juli 2010

Kapitel 280

„Na ? Du bist aber ziemlich früh aus den Federn gekrochen ?“

„Jep.“

Mehr brachte ich nicht hervor und schnappte mir die Flasche. Nach mehreren tiefen Schlucken setzte ich diese schwer atmend ab, drückte ihm einen Kuss auf die Lippen und ließ mich auf den nächsten Stuhl plumpsen.
Jon schien sich köstlich über mich zu amüsieren, denn er lachte mich immer noch an. Auf diese Art und Weise, dass ich mir einmal mehr wie ein Teenager vorkam. Er rückte näher an den Tisch heran, stützte beide Ellbogen ab und nahm einen genießerisch langen Schluck von seinem Kaffee, die Tasse mit beiden Händen umschlossen.

„Möchtest Du frühstücken ?“ fragte er fürsorglich.

„Nein, Schatz, nur Kaffee bitte. Oh, ich hab so einen Brand !“

Da das Wasser leer war, wollte ich aufstehen und mir ein neues holen. Doch er winkte ab.

„Bleib sitzen, ich mach das schon.“

Er ging rasch in die Küche und als er zurück war, stellte er eine neue Wasserflasche vor mich und schenkte mir Kaffee ein.

„Du verwöhnst mich ganz schön !“

„Findest Du ? Das ist doch normal, Du machst das doch auch für mich.“

„Ja ?“ grinste ich ihn an.

„Ja Süße. Aber was anderes. Weißt Du was mit Richie los ist ?“

Er sah mich durchdringend an.

„Nein, leider nicht. Ich weiß nur, dass was nicht stimmt. Er ist echt komisch die letzten Tage.“

„Hat er was gesagt ? Irgendeine Andeutung vielleicht ?“

„Wie kommst Du jetzt darauf ? Ist was passiert ?“

„Nein, ich meine nur….“

Wieder bedachte er mich mit einem prüfenden Blick, so als wollte er mich scannen. Doch ich konnte ihm nicht allzu viel sagen, ich wusste ja selber nichts.

„Aber Du musst doch einen Grund haben, warum machst Du Dir denn Gedanken ?“ hakte ich meinerseits nach.

„Gestern, als wir das Mini-Konzert für Dich vorbereitet haben, war er schon so seltsam. Er war in Gedanken auf einem vollkommen anderen Planenten. Es schien, als ob er mir überhaupt nicht zuhören würde. Dann schlug er ganz andere Songs vor. Stell Dir vor, wir hätten Living on a prayer für Dich gesungen….“
Er schüttelte ungläubig den Kopf bevor er fort fuhr.
Dabei hatten wir die Titel schon länger besprochen. Dann kam er plötzlich an, er hätte keine Zeit.“

„Living hätte ich auch genommen,“ versuchte ich zu scherzen.

„Aaahhh, ich verstehe wirklich nicht, was ihn umtreibt,“ gähnte Jon.

„Ich glaube, er ist einfach einsam. Schau, er ist schon lange allein und dann muss er uns zwei Turteltauben auch noch ertragen ! Da kann man schon ein bisschen irre werden. Eigentlich dachte ich….“

Ich unterbrach mich und überlegte kurz, ob ich Jon von Richie`s Affäre erzählen sollte. Sein neugieriger Blick ließ mich schließlich alle Bedenken über Bord werfen. Da war ja wirklich nichts dabei.

„Was dachtest Du ?“

„Na ja, er hat mir – als er mich vom Flughafen abholte – von einer Bettgeschichte erzählt. Nichts Ernstes, er hat eigentlich mehr darüber gescherzt.“

„Er ist also nicht verliebt ?“

Ich lachte leise auf.

„Nein, bestimmt nicht. Viel mehr wollte er die Dame wieder los werden, als der erste Reiz des Neuen verflogen war.“

„Hmmmm…. Das ist es also auch nicht…. Ich werd einfach nicht schlau aus ihm….“

Kopfschüttelnd griff er nach seinem fiependen Handy und nach einem Blick auf das Display hatte er einen äußerst unwilligen Ausdruck auf dem Gesicht.

„Ja ?“ meldete er sich kurz angebunden.

„Nein ! Hören Sie, ich weiß nicht, wer sie sind und eigentlich will ich das auch gar nicht wissen ! Hören Sie endlich auf damit, mich zu belästigen, ansonsten werde ich mich an meinen Anwalt wenden !“

Eine kurze Pause, bevor er mit schneidender Stimme fortfuhr.

„Ja, das was Sie hier veranstalten, ist Belästigung, wenn nicht sogar Stalking ! Ich habe keine Ahnung, woher Sie meine Nummer haben, aber sollte ich denn Schuldigen finden, wird es für denjenigen sehr unangenehm werden !“

Wütend beendete er die Verbindung und ließ das Handy über den Tisch flutschen.

„Oh Mann ! Diese Tussi regt mich so langsam wirklich auf ! Es ist wohl besser, ich lass mir bald eine neue Nummer geben !“

„War das die Frau, die schon des Öfteren angerufen hat ?“

„Ja, mein ‚erotischer Alptraum’ !“

„So schlimm ?“ lachte ich. „Ist es vielleicht ein Fan ?“

„Kann sein, glaub ich aber eher nicht. Die Tante ist wirklich durchgeknallt, so verhält sich kein echter Fan.“

„Wer weiß ? Was sagt sie denn ?“

„Das willst Du nicht wirklich wissen, glaube mir !“

Er lächelte mich an, bevor er sich mit der mir so sehr vertrauten Geste mit beiden Händen über sein Gesicht fuhr. Unangenehme Dinge wegwischen, dachte ich im Stillen.

„Was machst Du heute ?“ fragte er.

„Ich hab noch keinen Plan, eigentlich wollte ich in die Stadt, nach meinen Jungs schauen.“

„Du kannst mit mir fahren, ich müsste auch ein paar Dinge erledigen. Wir könnten bei Tini und Tom vorbei schauen, dann könnte ich von dort ein paar Angelegenheiten klären und Du hättest Gelegenheit, Euer neues Büro zu begutachten.“

„Wär nicht schlecht, außerdem wäre ich dann auch mal wieder auf dem neuesten Stand, was die zwei so treiben. Ich hab mal wieder keine Ahnung, was die nächste Zeit so auf mich zukommt.“

„Also dann ?“

„Aber zuerst muss ich noch duschen und mich umziehen. So kann ich ja nicht mit.“

„So ein bisschen Arbeit täte Dir auch mal wieder gut, mein kleiner Faulpelz !“ neckte er.

„Ja, ich hab die letzten Wochen ja nur auf der faulen Haut gelegen !“

Lachend stand ich auf und flitzte rasch nach oben.

Dienstag, 20. Juli 2010

Kapitel 279

Er dachte an ihre erste Begegnung und schloss die Augen. Damals in Kanada, als er sie beim Joggen getroffen hatte. Ein kleines Grinsen konnte er sich nicht verkneifen, als ihm einfiel, wie sie auf dem glatten Schnee in`s Straucheln gekommen war, sich an ihm festhalten wollte und sie beide schließlich umgefallen waren. Danach mussten sie erst ihre Knochen sortieren, bevor er ihr aufhelfen konnte.

Sie war so natürlich, so unbefangen. Von Anfang an hatte sie ihn begeistert, fasziniert. Vor allem, weil sie nicht wie all die anderen Frauen sofort auf Jon angesprungen war. Damals konnte er nicht ganz verstehen, warum sie ihn so abgelehnt hatte. Gerade das aber machte sie so besonders.
Erschrocken schlug er die Augen auf und sah sich verwundert in seinem Schlafzimmer um. Eben war ihm gewesen, als ob er ihr helles Lachen gehört hätte. Dieses Lachen…. Einmal hell und unschuldig, dann wieder jenes Lachen, wenn sie sich über irgendetwas kaputt lachte und nicht mehr aufhören konnte. Jedes Mal rannen ihr sofort die Tränen herunter. Wie sagte sie dann immer ?
„Richie, hör sofort auf damit ! Ich bin schon wieder total abgeschminkt !“

Es hatte keinen Sinn. Er musste wieder runter kommen. Missmutig stand er auf und ging mit hängenden Schultern nach unten in den Wohnbereich. An der Bar griff er nach einem Glas und schenkte sich einen Whiskey ein. Mit der silbernen Zange holte er aus dem kleinen Eisfach direkt daneben ein paar Eiswürfel und ließ diese in die goldbraune Flüssigkeit fallen. Gedankenverloren schwenkte er das Glas einige Zeit hin und her um den Alkohol gleichmäßig durchzukühlen. Er trank in einem Zug aus und schenkte sich noch einen ein. Es waren nur ein paar Schritte zu den bodentiefen Fenstern. Doch er ging sie nicht.

Er wollte nicht sehen, dass im Schlafzimmer im Haus nebenan Licht brannte. Vermutlich hätte er auch noch die Schatten der beiden Menschen gesehen, die sich dort aufhielten.
Es gab ihm einen tiefen Stich, als er vor sich hin sinnierte.
Die zwei hatten einen schönen Abend verbracht. Jon hatte ihm genau erzählt, wie er sich den Verlauf vorstellte, was er geplant hatte. Er hatte ihn einfach reden lassen, nur dann und wann hatte er den Begeisterten oder den Verwunderten gegeben. Das Schlimmste war, Jon hatte ihn einige Male zweifelnd angesehen, ihn sogar gefragt, ob etwas nicht in Ordnung wäre. Mit einiger Beherrschung hatte er ihn beruhigt und die Sorgen seines Freundes mit belanglosen Ausreden abgetan.

Und er wusste, verdammt noch mal, überhaupt nicht, wie das Ganze weitergehen sollte.


Szenenwechsel:

Ich wachte vor Jon auf. Vorsichtig schlug ich die Decke zurück und blieb dann doch noch ein paar Minuten liegen, da er unruhig geworden war. Es war so schön, ihn zu beobachten. Ein paar der blonden Strähnen hingen über seine Augen. Sein Gesichtsausdruck war friedlich, entspannt….. Die Decke war herunter gezogen und gab das Tattoo auf seinem Oberarm frei. Nur zu gerne hätte ich ihn darauf geküsst, doch ich wollte auf keinen Fall, dass er aufwachte. Es war heute Nacht sehr spät geworden, bis wir endlich eingeschlafen waren. Prüfend sah ich zu meinem kleinen Radiowecker. Es war kurz vor acht.

Da ich hellwach war, stand ich auf und öffnete die Tür an meinem Schrank. Ich griff nach meinen Trainingsachen und ging ins Badezimmer. Mit der Morgentoilette machte ich mir nicht allzu große Mühe. Kurzes Zähneputzen und noch kürzeres Waschen und schon zog ich mich an. In der Küche drückte ich die Taste für Cappuccino, welchen ich im Stehen trank. Danach ging ich durch den Garten zu Richie hinüber. Ich klopfte an die Terrassentür, doch niemand öffnete. Dasselbe geschah an der Haustüre.

Enttäuscht ging ich wieder zurück. Es wäre zu schön gewesen, wenn wir heute morgen hätten zusammen laufen können. Wir hatten das so lange nicht mehr gemacht. Also trabte ich alleine los. Bevor ich den Garten verließ, sah ich Richie auf der anderen Straßenseite zurück kommen. Ich rief seinen Namen.
Sein Kopf fuhr verwundert zu mir herum und er zog die Stöpsel seines MP3-Players aus den Ohren.

„Schade, Du kommst schon zurück ?“

„Ja, ich konnte nicht mehr schlafen.“

„Warum hast Du denn nicht gefragt, ob ich mitkomme ? Wir sind schon ewig nicht mehr zusammen gejoggt ! Außerdem haben wir das gestern Abend eigentlich so ausgemacht ?“

Er sah mich lange an, bevor er antwortete. Zu lange, fand ich.

„Ich wollte Euch nicht wecken, Ihr seid ja bestimmt erst spät in die Kiste gekommen, oder ?“

„Ja, allerdings !“ lachte ich.

Ein Schatten ging über sein Gesicht. Sein Lächeln, mit dem er mein Lachen quittierte, sah mehr als gequält aus.

„Richie, sag, was ist los mit Dir ? Stimmt was nicht ?“

„Doch, doch ! Alles okay. Vielleicht habe ich einfach Herzschmerz.“

„Herzschmerz ? Wegen der Badewannen-Lady ?“

„Ne, nicht wegen der. Vielleicht bin ich ganz einfach einsam.“

„Einsam ?“ Ich erschrak und stammelte vor mich in, da ich nicht wirklich wusste, was ich ihm antworten sollte. „Okay, ich kann das verstehen. Jon und ich feiern da drüben und Du hockst alleine hier. Es tut mir leid, wirklich.“

„Es braucht Dir nicht leid zu tun. Du brauchst Dich nicht dafür zu entschuldigen, dass Dir der Mann, der dich liebt, einen solchen Abend bereitet hat. Es ist schon in Ordnung.“

Wir standen schweigend voreinander. Mit schwante, dass das nicht die volle Wahrheit war. Es war zu offensichtlich, dass ihn etwas quälte, über das er im Moment nicht reden wollte.

„Also dann….“ sagte er.

„Kommst Du nachher zum Mittagessen rüber ?“

„Ich glaube nicht, ich hab nachher noch einen Termin in der Stadt. Keine Ahnung, wann ich zurück bin.“

„Schade. Aber Du weißt ja, wo wir sind ?“

„Jep. Nun lauf schon los !“

Ich hob meine Hand und strich ihm sachte über die Wange. Sonst wusste ich nicht, was ich in diesem Moment hätte für ihn tun können. Ohne ihn noch einmal anzusehen, drehte ich mich um und lief los. Jeder andere hätte vermutlich auf ein Gespräch gedrängt, hätte versucht, heraus zu bekommen, was mit Richie war. Das war jedoch nicht meine Art, ich hatte immer Angst, zu sehr in jemand zu dringen. Wenn er darüber reden wollte, würde er das sicher von alleine tun.

Nur wenig später hatte ich meinen Rhythmus gefunden und achtete auf meine Atmung, bevor ich schließlich doch wieder meinen Gedanken nachhing. Grübelnd versuchte ich darauf zu kommen, was mit ihm war. Mir fiel die Situation von gestern wieder ein, als ich nur in Unterwäsche vor ihm stand. Sein begehrlicher Blick…. Konnte es damit zu tun haben ? Hatte er ein Auge auf mich geworfen ? Ach Quatsch ! Ich wischte dies unwillig beiseite. Nie im Leben konnte ich mir vorstellen, dass er an so etwas dachte.

Schließlich waren wir nicht nur Freunde, unsere Beziehung zueinander basierte auf etwas tieferem, etwas besonderem. Außerdem würde er niemals wagen, die Freundin seines besten Freundes…. Ganz bestimmt war er nur einsam und er sehnte sich nach einer echten Beziehung. Da war es natürlich zusätzlich belastend für ihn, dass er gleich in unmittelbarer Nähe ein so verliebtes Paar wie uns beide hatte. Kein Wunder, dass er so durcheinander war….. Und dann der Abend gestern…. Die beiden mit ihren Gitarren…. Jon, als er vor mir kniete…. Mir traten die Tränen in die Augen, so sehr war ich auch jetzt noch gerührt…. An die Nacht konnte ich schon gar nicht denken, ohne dass mir heiß und kalt wurde…. Ich hob leicht meinen Arm und betrachtete stolz den Ring, den er mir geschenkt hatte. Er war wirklich wunderschön, etwas besonderes…. Ein unglaublich starkes, liebevolles Gefühl stieg in mir auf, als ich Jons Gesicht vor mir sah…. eine unendliche Dankbarkeit.

War für ein Leben führte ich ? Nur wenige Monate waren vergangen, seit wir zusammen waren und doch kam es mir vor, als wären es Jahre. Soviel war passiert, soviel geschehen. Manchmal hatte ich den Eindruck, andere erlebten das in ihrem ganzen Leben nicht, was mir in der kurzen Zeit geschehen war. Wie lange das wohl noch so gut gehen würde ?

Wieder wischte ich die dunklen Gedanken von mir und lief schneller. Irgendwie musste ich es doch schaffen, wieder runter zu kommen und meinen Kopf zu leeren. Sonst klappte das doch auch immer ! Ich rannte, bis mir die Glieder schmerzten, glücklicherweise befand ich mich schon auf der Rückrunde und nach wenigen Minuten sah ich Jons Anwesen zwischen den Bäumen auftauchen. Ich machte einen Satz über die Hecken und durchquerte den riesigen Garten. Er saß auf der Terrasse.
Als er mich sah, beendete er rasch sein Telefonat und legte das Handy und die aufgeschlagene Zeitung zur Seite. Noch bevor ich am Tisch angekommen war, hatte er eine frische Wasserflasche geöffnet und hielt sie mir grinsend entgegen.

Sonntag, 18. Juli 2010

Kapitel 278

Szenenwechsel:

Er lachte.
Wir hatten uns leidenschaftlich geliebt und lagen nass geschwitzt und total erledigt auf den Laken. Besser gesagt, diese waren in einem heillosen Durcheinander um unsere Beine und Körper geschlungen, irgendwie fehlte mein Kissen….
Ich beugte mich zur Seite, um es vom Boden aufzuheben und kuschelte mich wieder an Jon.

Von ihm war nur ein zufriedenes Knurren zu hören. Ich grinste und küsste ihn auf die Nasenspitze. Ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen. Versonnen öffnete er seine Augen ein wenig, und schaute mich aus kleinen Schlitzen liebevoll an.

„Ich liebe es, wenn Du so bettelst !“ sagte er schelmisch.

„Ich weiß, ich liebe es auch, wenn Du darum bettelst, dass ich bettle !! frotzelte ich zurück.

„Dann ist ja alles okay !“

„Fragt sich nur, wer da wem am meisten ausgeliefert ist ?“

„Hmmmm….. Du mir ?“

„Ja, klar ! Eine andere Antwort hätte ich von Dir auch nicht erwartet !“

Er lachte sein helles Lachen.
Er küsste mich, legte seine Hand an meinen Hinterkopf und kraulte durch meine Haare. Dann sah er mich ernst an.
Ich wollte ihn fragen was er hatte, doch er legte seinen Zeigefinger auf meine Lippen.

„Lass mich Dir erst noch etwas sagen, okay ?“

Sein bittender Blick ließ mich augenblicklich verstummen.

„Honey, ich hab Dir vorhin nicht alles gesagt. Deine Reaktion war für mich sehr heftig…. ich war überrascht… Du warst so fassungslos, so…. hilflos. Das hätte ich nie erwartet, sonst lässt Du Dich nur so fallen, wenn wir…“ er lachte leise, „….wenn wir…. na ja, das tun, was wir eben getan haben. Der Ring, ich …. Er soll kein Antrag sein…. Ich hoffe, Du verstehst was ich meine ? Er soll ein Zeichen dafür sein, dass wir beide verbunden sind, auch ohne Heirat, dass Du immer an mich denkst, dass ich immer bei Dir bin…. dass Du zu mir gehörst….“

Nach seinem Kuss, den er mir in einer Art Verzweiflung auf die Lippen drückte, sah er mir lange in die Augen. Ich wusste, dass er in meinen las und ich schaffte es, dass ich meine Gedanken hinein legte, denn er atmete tief aus und wirkte gleich erleichtert.

„Jon….“

Sein Kopfschütteln ließ mich abermals verstummen, er sprach kaum hörbar weiter.

„Du weißt, dass ich Dich am liebsten sofort vor den Altar führen würde ?“

Ich nickte leicht.

„Das werde ich, versprochen ! Aber ich kann das erst tun, wenn ich wirklich alles geregelt habe, wenn alles ausgestanden ist, okay ?“

Er hatte mich an den Schultern gefasst und hielt diese mit festem Griff, fast tat es mir weh. Dieses „okay“ von ihm war beschwörend, flehend gewesen und ich sah die Tränen in seinen Augen. Mein Herz raste und drohte zu zerspringen. Ich konnte ihm nicht antworten, und wollte ihm doch soviel sagen. Statt zu sprechen, tat ich etwas anderes.

„Diamond ring, wear it on your hand, it`s gonna tell the world, I`m your only man
Diamond ring, diamond ring, Baby, you´re my everything, diamond ring…”

Sein erstaunter Blick wegen meines leisen Gesanges ließ mich dann aber doch sagen, was ich zu sagen hatte.

„Schatz, ich muss mit Dir nicht verheiratet sein, um mit Dir glücklich zu sein…. Es ist schön, so wie es ist. Solange Du noch nicht geschieden bist, würde ich Dich niemals mit so etwas belasten. Ich will einfach nur in Ruhe mit Dir zusammen sein.“

Wieder sah er mich überrascht an, doch ich konnte das stille Einverständnis in seinen Augen sehen.


Szenenwechsel:


In seinem Haus angekommen, ließ er sich mutlos auf das Sofa fallen. Die Beine lang ausgestreckt und einen Arm über sein Gesicht gelegt, lag er da. Unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Warum passierte das immer wieder ? Warum passierte das immer wieder ausgerechnet ihm ? In Sachen Liebe war er ein fürchterlicher Pechvogel. Ein Pechvogel, der an seinem Unglück auch noch selber schuld war.

Heather war seine absolute Traumfrau gewesen, er hatte sie geliebt wie ein Wahnsinniger. Als Ava auf die Welt kam, meinte er, sein Glück nicht mehr aushalten zu können und oft zweifelte er daran, dass er das Ganze wirklich verdient hatte. Und doch hatte er alles kaputt gemacht. Zerstört. Wegen einer sinnlosen Romanze mit einer oberflächlichen Frau. Einer Frau, die es absolut nicht wert gewesen war, ihretwegen seine Familie aufs Spiel zu setzen.

Beim Gedanken an sie überkam ihn ein Schaudern.

Heather war manchmal eine unglaubliche Zicke. Stur, bockig, immer ihren Willen durchsetzend. Sie hatten oft gestritten, sich bis aufs Blut gereizt. Die Versöhnungen danach zauberten ihm ein Lächeln auf sein Gesicht. Ja, sie war eine Diva, mit all ihren Macken, ihren Ansprüchen, ihren oft überzogenen Forderungen. Heute würde er all das mit Freuden in Kauf nehmen, könnte er die Vergangenheit ungeschehen machen.
Dann wäre er zumindest nicht in diese verdammte Situation gekommen.

Nur ein paar Meter entfernt von hier machte gerade sein bester Freund seiner Liebsten eine Liebeserklärung, die wohl ihresgleichen auf dieser Welt suchte, und er ? Er begehrte genau diese Frau. Leise vor sich hin fluchend, raffte er sich schließlich auf und ging nach oben. Nach einer kalten Dusche beschloss er, zu Bett zu gehen. Wohl wissend, dass er keinen Schlaf finden würde, ließ er die kleine Nachttischlampe brennen.
Auf der Decke liegend, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, starrte er an die Decke. Seine Gedanken begannen zu kreisen, er konnte es nicht verhindern.

Donnerstag, 15. Juli 2010

Kapitel 277 - Tränen und Brillianten

Szenenwechsel:

Er sah sie dort sitzen, die Hände vor das Gesicht geschlagen, die Schultern zuckend. Sie heulte Rotz und Wasser. Rasch stand er auf, gab Richie ein Zeichen und drückte ihm seine Gitarre in die Hand. Dieser nahm sie an sich und verließ auf leisen Sohlen die Terrasse. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis er im Halbdunkel verschwunden war. Jon`s Gitarre würde er morgen wieder zurück bringen. Ein leichtes Lächeln huschte über sein Gesicht. Es war ihm nicht leicht gefallen, und doch hatte er seinem besten Freund diesen Gefallen gerne getan.

Jon trat zur ihr und fasste sie sachte an den Armen. Mit fast unhörbarer Stimme sprach er Worte der Beruhigung. Endlich sah sie mit völlig verheultem Gesicht zu ihm auf.

„Babe ?“ versuchte er es.

„Ja ?“ antwortete sie mit kläglicher Stimme.

Er zog sie sanft hoch und hielt sie in seinen Armen. Er musste abwarten, bis sie wieder ruhiger geworden war. Sonst bestand eventuell die Gefahr, dass sie auch noch hyperventilieren würde. Am besten würde er sie zurück zum Tisch führen…. Wenn sie sitzen würde, konnte sie wenigstens nicht umfallen. Als sie saß und einen großen Schluck von ihrem Rotwein getrunken hatte, kniete er vor ihr nieder. Sie bebte immer noch und zitterte am ganzen Leib. Insgeheim freute es ihn, dass er sie mit seiner Musik so beeindrucken konnte. Schließlich kannte sie die Songs seit über zwanzig Jahren. In und auswendig. Und doch musste er jetzt Vorsicht walten lassen. So fassungslos hatte er sich noch niemals gesehen.

Nicht einmal, wenn sie miteinander schliefen. Das waren immer noch die einzigen Augenblicke, in denen sie völlig ihm gehörte und sich völlig fallen ließ. Minute um Minute verrann, ehe er sich endlich traute, in seine linke Hosentasche griff und das kleine, samtene Schächtelchen heraus zog.

Sie hatte seine Bewegung bemerkt und sah ihn mit tränenumflorten Augen an.

„Babe ?“

Sanft und mit fast unhörbarer Stimme unternahm er noch einen Versuch. Sie griff nach einem Papiertaschentuch und putzte energisch ihre Nase. Anschließend holte sie mit geschlossenen Augen tief Luft, tupfte ihr Gesicht trocken und straffte die Schultern. Danach war ihr Blick klar und fest. So war sie. Jon spürte deutlich, dass sie sich wieder in den Griff bekommen hatte und bereit war, für das, was er ihr sagen wollte.

„Geht`s wieder ?“ fragte er vorsichtshalber nach.

Sie nickte nur.
Nun war es an ihm, tief durchzuatmen und sich zu sammeln. Es würde auch für ihn nicht einfach werden, das zu tun.
Er nahm ihre Hände in die seinen und fast schien es ihm, dass er sich auch an ihr festhalten musste.

„Honey, ich habe Dir gesagt, dass ich es dieses Mal richtig machen möchte.“

Seine Stimme brach und ihr erstaunter Blick ruhte auf ihm.

„Ich…. Es….. Also….. Ach Mensch, warum ist das nur so schwierig ?“

Ein kleines, verstecktes Lächeln huschte über ihr Gesicht und dieses winzige Aufblitzen machte ihm wieder Mut fortzufahren. Vermutlich amüsierte sie sich über sein Stottern. Doch sie schwieg und sah ihn mit unbewegtem Blick an.

„Süße…. Ach….“

Ein tiefer Seufzer entschlüpfte ihm.

„Ich wollte Dir mit den beiden Songs einfach zeigen, dass Du mir unglaublich wichtig bist. Ich bin so unendlich froh, dass Du wieder hier bist und mit mir leben willst. Ich brauche Dich und möchte jede Sekunde meines Lebens wissen, dass Du bei mir bist. Sandy, ich liebe Dich, wie ich noch nie vorher eine Frau geliebt habe.“

Vorsichtig öffnete er das Kästchen. Ein überraschter Ausdruck lag auf ihrem Gesicht. Er zeigte ihr den Ring und ihre blauen Augen wurden dunkel, so dunkel wie ein tiefer Bergsee. Sie erschienen ihm größer denn je. Regungslos saß sie vor ihm und so nahm er ihre Hand, streifte behutsam den Ring über ihren linken Ringfinger. Dann hob er seinen Kopf und sah sie gespannt an. Wie gebannt schaute sie auf den Ring.
Er war schmal, aus Silber gearbeitet. Oben auf war er mit Brillianten besetzt. Sie hatte die Finger ausgestreckt und drehte ihre Hand leicht von links nach rechts. Ihre Augen wichen nicht mehr davon ab.

Die Brillianten zeigten ein mit einem S verschlungenes J, jedoch so filigran gearbeitet, dass man es nicht auf den ersten Blick erkennen konnte. Die Steine funkelten geheimnisvoll im Kerzenlicht.

Sie schwieg immer noch. Eigentlich hätte er erwartet, dass sie wie üblich auf ihre burschikose, fast raue Art darauf reagieren würde. Doch dieses Mal war es vollkommen anders. Er spürte, dass sie immer noch fassungslos, sprachlos war. Sie atmete tief durch und sah ihn dann unbewegt an. Es wurde ihm fast unheimlich, so lange ließ sie ihren Blick auf seinem Gesicht ruhen.

„Jon, ich weiß nicht was ich sagen soll.“

„Dann sag einfach nichts und küss mich !“

Er zog sie in seine Arme, atmete ihren Duft ein, ließ sich von ihm berauschen. Und endlich legte sie ihren Kopf zurück und küsste ihn. Es war ein schier unendlicher Kuss, der ihm die Sinne raubte. Sanft hob er sie hoch und trug sie immer wieder küssend nach oben. Vorsichtig legte er sie auf dem Bett ab. Ihm war, als hinterließen ihre Hände heiße Spuren auf seiner Haut. Ungläubig öffnete er die Augen und sah nach, ob das nicht doch irgendwelche Folgen hatte. Schauer jagten über seine Körper, die Härchen an seinen Armen stellten sich auf.

Langsam zog er ihr den langen weißen Rock aus und schob ihr Top hoch. Bewundernd sah er auf sie hinab, nur noch mit ihrer schwarzen Unterwäsche bekleidet, die Swarovski-Kristalle aufreizend funkelnd. Wie immer konnte er sich an ihr nicht satt sehen. Sie atmete heftig, das sah er an ihrem bebenden Busen.

Er ließ sich Zeit, wusste er doch genau, dass dies ein besonderer Abend war. Nicht nur für ihn.

„Jon, bitte….“ flüsterte sie.

„Ja ?“

Sie bäumte sich auf, ihm entgegen. Auf die Antwort wartete er vergebens.
Er gab ihr die kleinen, fast nur gehauchten Küsse auf die Halsbeuge. Wieder kam sie ihm entgegen.

„Jon….“

„Honey ? Was willst Du mir denn sagen ?“

Dieses Spiel konnte er noch ewig so treiben, es war zu köstlich für ihn. Irgendwann würde es ihr ja doch raus rutschen.

„Wieso zitterst Du denn so ?“ fragte er scheinheilig und hatte Mühe, sein Grinsen zu verbergen.

„Tu nicht so unschuldig, Du weißt genau warum.“

„Ich weiß warum ?“

„Und zwar ganz genau !“

„Schatz, ich kann mich überhaupt nicht dran erinnern. Kannst Du mir vielleicht auf die Sprünge helfen ?“

„Jon !“

„Und warum bist Du jetzt so empört ?“

„Weil Du mich irgendwann noch einmal wahnsinnig machst,“ entgegnete sie ungeduldig.

„Soll ich aufhören ?“

„Neeiiiiin !“

„Wir könnten fernsehen.“

„Jon ! Ich will vieles, aber ganz bestimmt nicht fernsehen.“

„Was sonst ?“ stichelte er weiter.

„Muss ich das jetzt wirklich noch sagen ?“ Ihre Stimme war brüchig.

„Ja…..“

Sie flüsterte es in sein Ohr und nun verbarg er sein Grinsen nicht mehr.

„Ach so…..“ flüsterte er zurück und beugte sich über sie.

Seine Hände gingen wieder auf Wanderschaft. Als er bestimmte Stellen erreichte, reagierte sie sofort. Ihr Seufzen, ich Stöhnen, ihre Worte brachte ihn um den Verstand. Das ziehen in seinen Lenden wurde übermächtig und er wollte nur noch eines….

„Ich werde mich fürchterlich rächen,“ drohte sie ihm leise.

„Süße, Du weißt es. Ich weiß es."

„Was weiß ich ?“

„Dass Du mir wieder einmal vollkommen und total ausgeliefert bist.“

„Bin ich das ?“

„Wenn nicht, kannst Du ja aufstehen und sonst was machen.“

„Eines Tages werden sich meine Hände ganz langsam um Deinen Hals legen und Dich erwürgen.“

Mittwoch, 14. Juli 2010

Kapitel 276

„Du hast…. ?“

„Ja !“

„Jon, Du bist einfach unglaublich !“

„Freut mich, wenn ich Dich überraschen kann !“

Er nahm meinen Teller und legte mir auf.

„Wer hat das gekocht ? Rosita ?“ fragte ich immer noch leicht fassungslos.

„Jep ! Nach dem Rezept von Deiner Mam. Keine Ahnung, warum sie ausgerechnet das von ihr bekommen hat….Aber ich hab schon auch ein klein wenig geholfen….“

„Wie kommst Du auf dieses Essen ?“

„Ich dachte daran, dass Du das bei meinem ersten Besuch in Deiner Wohnung gekocht hast und heute ist ja eigentlich Dein erster richtiger Abend hier und deswegen….“

„Du bist so süß ! Aber ich war doch gestern schon hier….“

Unschlüssig sah ich zu ihm. Er grinste nur.

„Nun lass es Dir schmecken, ich hoffe, Rosita hat das so gut hinbekommen, wie Du damals. Lass Dich überraschen. Wenn Du morgen aufwachst, wirst Du wissen, warum !"

Was er damit wieder meinte…..? Neugierig schnitt ich ein Stück von der Rindsroulade ab und schob sie in den Mund. Sie schmeckte herrlich, genauso wie die Soße und das Kartoffelpüree. Eigentlich schmeckte es fast wie bei Mam zuhause….

„Und was hat Du dabei geholfen ?“

Sein Lächeln, vermischt mit etwas Stolz, brachte mich fast zum Schmelzen und ließ mich vergessen, dass ich eigentlich auch schlucken sollte.

„Das Kartoffeldings….“

Ich lachte laut auf.

„Du meinst Kartoffelpüree ?“

„Lach mich nicht aus, für einen Amerikaner ist das ein sehr schweres Wort, genauso wie Rinderralll…. Ach, ich geb`s auf !“

„Komm, Babe, Du hast doch bestimmt nur die Kartoffeln geschält ?“ frotzelte ich.

„Nein, ich hab die auch – unter Anleitung von Rosita – selbst gekocht und gestampft.“

Er war so süß, wie er da saß, schier platzte vor lauter Stolz. Natürlich lobte ich ihn, wie immer…..
Entspannt genossen wir das Essen. Es war ein wunderbarer Abend, immer noch schön warm, wenn auch eine leichte Brise vom Meer herauf wehte. Die silbernen Kerzenleuchter reflektierten das flackernde Licht. Ich schaute mich um, so als ob ich meine Umgebung zum ersten Mal sähe. Wir lebten hier wirklich wie im Paradies. Tief in mir wusste ich mit einem Mal, dass mein Umzug hier her die einzig richtige Entscheidung gewesen war. Und ich fühlte mich ab diesem Moment hier zuhause. Ich wusste, dass ich hier her gehörte.

Er wischte sich den Mund mit der Serviette ab und ließ diese auf seinen Teller fallen. Ich war bereits fertig mit Essen und papp satt. Zufrieden lehnte ich mich in meinem Stuhl zurück und trank einen Schluck Wein. Jon tat es mir nach, allerdings warf er mir ein grinsendes „Cheers“ zu, bevor er das Glas ansetzte. Es schien mir, als würde er auf etwas warten…..

Plötzlich raschelte die Hecke und im Halbdunkel konnte ich sehen, wie die Zweige zur Seite gingen und Richie hindurch schlüpfte. Mit einem tiefen Seufzer wollte ich schon protestieren, der Abend sollte doch Jon und mir gehören ! Waren wir hier denn niemals alleine ?
Doch Richie klopfte mir beruhigend auf die Schulter.

Durch sein Auftauchen abgelenkt, hatte ich nicht bemerkt, dass Jon zwei Gitarren und drei Stühle bereit gestellt hatte. Richie bedeutete mir, dass ich mich auf den dritten, der etwas entfernt von ihren stand, setzen sollte. Ich tat ihm natürlich den Gefallen.
Erst durch das Stimmen der Gitarre wurde ich wieder auf Jon aufmerksam. Richie ließ sich ebenfalls auf einen Stuhl fallen und griff nach seiner. Ein kleines, feines Privatkonzert also….

Die beiden sahen sich an, von Richie war ein leises „ready ?“ zu hören und sie begannen. Ich fiel fast vom Stuhl, als ich die Akkorde erkannte. Hilfe suchend griff ich mit beiden Händen nach den Armlehnen und krallte mich fest. Ich drückte so fest zu, dass meine Knöchel schneeweiß hervor traten. Es half nichts. Jon sang so gefühlvoll, wie ich ihn noch niemals zuvor gehört hatte. Hatte er denn nicht vorhin zu mir gesagt, jetzt wäre nicht die Zeit für Tränen ? dachte ich verzweifelt.


“This Romeo is bleeding
But you can't see his blood
It's nothing but some feelings
That this old dog kicked up.

It's been raining since you left me
Now I'm drowning in the flood
You see I've always been a fighter
But without you I give up.

Now I can't sing a love song
Like the way it's meant to be
Well I guess I'm not that good anymore
But baby that's just me…”


Er schaute konzentriert auf die Saiten. Dann und wann hob er den Kopf und sah mich mit festem Blick direkt an. Ich konnte ihm nicht widerstehen. Wieder und wieder sah ich - meinen Schöpfer um Gnade anflehend - gen Himmel.
Beim Refrain sang Richie leise mit und mit meiner Beherrschung war es endgültig vorbei. Ich heulte Krokodilstränen.

Als die beiden endeten, hegte ich die leise Hoffnung, dass ich das überstanden hatte. Diesen Song verkraftete ich bei den Konzerten nie, ohne dass mir das Wasser in die Augen schoss. Aber so, in dieser Unplugged-Version und meine beiden Helden direkt vor mir, hatte ich das natürlich noch niemals erleben dürfen. Das war um einiges schlimmer für mich, und als ob das noch nicht genug wäre, hörte ich von Jon ein leises one…. two…. three…

Die Anfangsklänge vom nächsten Titel ließen mich bis ins Mark erstarren. Nein ! Das konnte unmöglich sein Ernst sein ! Er wusste genau, dass ich das nicht überleben würde ! Ja, er wusste es. Und er spielte es trotzdem. Vielleicht genau deswegen…..


“As I sit in this smokey room
The night about to end
I pass my time with strangers
But this bottle's my only friend…
Remember when we used to park
On Butler Street out in the dark
Remember when we lost the keys
And you lost more than that in my backseat”

Montag, 12. Juli 2010

Kapitel 275

Er grinste mich noch an, gab mir einen kleinen Kuss auf die Schläfe und ging zur Küchentür. Dort drehte er sich noch einmal um und zwinkerte mir zu. Leise fiel die Tür ins Schloss und ich sah auf meine Tasse hinunter. Vielleicht sollte ich im Kaffeesatz lesen, um zu erfahren, was er für heute Abend geplant hatte….. Dieser Mann war einfach unglaublich. So oft glaubte ich, ihn zu kennen und dann überraschte er mich wieder völlig. Eine Weile grübelte ich noch darüber nach, was er sich ausgedacht haben könnte, dann stand ich seufzend auf.

Von alleine kam ich ja sowieso nicht drauf, und so ging ich mit einer frisch gefüllten Tasse hinaus in den Garten. An eines der Rankgitter gelehnt, rauchte ich in Ruhe eine Zigarette. Gedanken verloren blies ich den Rauch aus und dachte über Richie nach. Es ging mir einfach nicht aus dem Kopf, was vorgefallen war. Was war nur mit ihm los ? Sein Blick erschien vor meinem Auge. Seine Begierde, das Leuchten, als sein Blick über meinen Körper gestreift war….. Er war doch wie ein Bruder für mich….. Ein Seelenverwandter….. Jon war sein bester Freund….

Höchste Zeit, Tini anzurufen. Nach kurzem Geplänkel, wie es uns beiden ergangen war und einem knappen Bericht über meinen Umzug und Tanja`s Liebeskummer berichtete ich von diesem Erlebnis. Tini war zuerst sprachlos, doch dann lachte sie lauthals los.

„Wie, glaubst Du, soll er reagieren, wenn Du nur in Dessous vor ihm stehst ?“ fragte sie prustend.

„Aber…“

„Nix aber ! Sag mal, Du weißt wirklich nicht, wie Du auf einen Mann wirken kannst ?“

„Super Antwort, falsche Antwort ! Du weißt schon, dass wir beide oft als Zwillinge betitelt werden ? Du siehst doch fast gleich aus, wie ich. Außerdem haben wir dieselbe Figur.“

„Ich weiß das. Aber ich weiß auch, was geschieht, wenn ich halbnackt vor Richie stehe. Mensch Mädel, er ist schon so lange alleine ! Ich weiß jetzt nicht, was Du willst ? Soll er so tun, als sähe er Dich nicht ?“

Sie lachte wieder laut auf.

„Also manchmal glaube ich wirklich, Du lebst unter einem Stein. Warum echauffierst Du Dich eigentlich so ? Es ist doch nichts passiert !“

„Nein, Tini, es ist nichts passiert. Außer dass der beste Freund von Jon dessen Freundin lüstern angeschaut hat. Ich konnte genau sehen, was ihm durch den Kopf ging.“

„Ja und ? Ich finde das eigentlich völlig normal. Bist Du neuerdings unter die Nonnen gegangen ? Du bist doch sonst nicht so verklemmt ?“

„Bin ich ja auch nicht, aber es war Richie ! Richie ist wie ein Bruder für mich, und ich hab einfach Muffensausen, dass da noch was nachkommt….“

„Jetzt halt mal die Füße still. Früher hättest Du Dich köstlich darüber amüsiert, hättest mir die gleiche Story immer und immer wieder erzählt….“

Durch diese Bemerkung hatte sie mich wieder auf den Boden der Tatsachen geholt. Sie hatte ja Recht. Und je länger ich mit ihr sprach, um so weniger konnte ich meine Zweifel verstehen. Früher hätte ich darüber gelacht, hätte in dem Augenblick irgendeine doofe Bemerkung zu ihm losgelassen. Wahrscheinlich war ich doch unter die Nonnen gegangen, zumindest gedanklich dann und wann. Tini beruhigte mich weiter und noch während des Gespräches konnte ich wirklich darüber lachen und das Ganze etwas lockerer sehen. Und doch sah ich immer wieder zur Tür hinüber und vergewisserte mich, dass ich alleine war und niemand mich belauschte.

Nachdem ich aufgelegt hatte, zündete ich mir noch eine Zigarette an und setzte mich an den Tisch. Eine kleine Weile noch wollte ich meine Gedanken spielen lassen. Mit Absicht hatte ich Tini nicht auf das Büro angesprochen, denn ich wollte, dass sie es mir von sich aus erzählten. Da kam eben meine Sturheit wieder durch. Ich sah Rosita vom Garten her kommen und lächelte ihr erwartungsvoll entgegen. Sie ließ die grüne Gießkanne aus den Händen fallen und lief freudig auf mich zu. Bei mir angekommen, zog sie mich hoch und riss mich in ihre Arme.

„Ach, ist das schön, dass Du endlich wieder da bist !“

Sie hielt mich, nachdem sie mir einige Küsse auf die Wangen gedrückt hatte, etwas von sich weg und musterte mich strahlend. Ihre Augen funkelten voller Temperament und Freude, mich zu sehen.
Wieder zog sie mich an sich und drückte mich fest. Ihre Freude war ehrlich und überschwänglich. Und genau das tat mir so gut im Moment. Als sie mich los ließ, sah sie mir ernst in die Augen und sah mich beschwörend an.

„Weißt Du, ich mag Dich sehr, und Du tust Jon so gut. Er tut mir so leid….. Bevor er nach New York flog, hing er nächtelang nur im Studio herum und manchmal hat er dort unten sogar geschlafen. Er hat Dich sehr vermisst.“

Sie sah zu Boden und hielt inne. Es war ihr anzusehen, dass sie sich Sorgen gemacht hatte.

„Jetzt bin ich ja wieder da. So wie es aussieht, hat er in Sachen Scheidung bis auf weiteres alles auf den Weg gebracht. Hoffentlich ist das Schlimmste überstanden.“

„Das hoffe ich auch. Für Euch beide ! So, nun muss ich aber in die Küche, ich muss doch kochen für heute Abend.“

Augenblicklich schlug sie sich erschrocken die Hand vor den Mund und schaute mich mit großen Augen an.

„Oh ! Jetzt habe ich wohl zuviel gesagt ! Du weißt von nichts, okay ?“

Lachend nickte ich.

„Nein, ich weiß von nichts !“

Sie wuselte davon, drehte sich noch einmal zu mir um und zwinkerte mir verschwörerisch zu. Ein klein wenig hatte ich also doch heraus bekommen. Wir würden heute Abend also hier bleiben, warum sonst sollte Rosita kochen ? Mit einem Grinsen im Gesicht ging ich nach oben um zu duschen und mich fertig zu machen. Von Jon war bis jetzt nichts mehr zu hören oder zu sehen gewesen.

Nachdem meine Haare trocken waren, trat ich vor meinen Schrank und suchte mir die Sachen, die ich anziehen wollte, zusammen. Ich griff nach einem beigefarbenen Top mit Spaghetti-Trägern und dem weißen, langen Stufenrock. Irgendwo musste doch der geflochtene Gürtel sein…. Ganz unten auf dem Boden sah ich etwas braunes, ledernes heraus lugen und zog daran. Aus der Wäschekommode nahm ich das Set aus schwarzer Seide, das mir Jon bei Victorias Secret gekauft hatte.

Ich lehnte mich an der Kommode an und ließ den zarten, duftigen Stoff durch meine Finger gleiten. Voller Freude sah ich den funkelnden Swarovski-Stein, der den Verschluss vorne verdeckte. Die drei Träger, die vom Körbchen spiralförmig über die Schultern liefen, würden frech unter dem Träger des Tops hervor blitzen. Zufrieden mit meiner Auswahl schlüpfte ich in die Sachen und ging zurück in`s Bad. Dort schminkte ich mich sorgfältig und ging schließlich erwartungsfroh nach unten. Auf der untersten Stufe angekommen, lauschte ich in die Stille. Jedoch war nur Rosita in der Küche zu hören.

Ich öffnete die Tür, jedoch war diese kaum offen, kam mir auch schon eine mit dem Geschirrtuch wedelnde Rosita entgegen und scheuchte mich aufgeregt wieder davon. Schulter zuckend ging ich hinaus in den Garten ging langsam schlendernd zum Mäuerchen hinunter. Dann würde ich eben warten, bis etwas hoffentlich entscheidendes geschehen würde…..
Ich ließ meine Gedanken schweifen und versank völlig darin. Irgendwie ging mir ein paar Textfetzen nicht mehr aus dem Kopf…. Through the clouds…. Against the storm…. Above the sea…. You will shine on me…..

Schließlich stand ich auf, um im Haus nach meinem Notizbuch zu suchen und die Fragmente zu notieren, bevor ich sie wieder vergessen hatte. Weit kam ich jedoch nicht.
Rasch verbarg ich mich hinter dem dicken Baumstamm rechts von mir und starrte gebannt auf das seltene Bild. Oben auf der Terrasse deckte Mr. Rockgott persönlich den Tisch. Ich konnte von Weitem sehen, dass er sich damit sehr viel Mühe gab. Er rückte das Besteck zurecht, rückte an den Tellern, zupfte an den Servietten, verschob die Gläser mal dahin, dann wieder dorthin. Dazwischen trat er ein, zwei Schritte zurück, um sein Werk zu betrachten.

Ein Lächeln überzog mein Gesicht. Es war so süß, wie er sich anstrengte. Wie man sehen konnte, schien es ihm unheimlich wichtig zu sein.
Dann sah ich, wie die Hecke auseinander gebogen wurde und Richie hindurch schlüpfte. Mit langen Schritten durchmaß er den Garten und ging auf ihn zu. Jon klopfte ihm freudig auf die Schulter, Richie tat es ihm gleich. Sie unterhielten sich kurz, Jon sagte etwas eindringlich zu ihm, dabei zählte er mit den Fingern bis fünf. Richie stand vor ihm, die Hände in die Hüften gestemmt und hörte ihm aufmerksam zu. Leider konnte ich kein Wort des Gesprochenen hören, dafür war ich zu weit weg. Richie hob beide Hände zum Victory-Zeichen und verließ das Gelände ebenso schnell, wie er es betreten hatte.

Unschlüssig geworden, was ich tun sollte, ging ich langsam die kleine Anhöhe hoch.
Gerade, als ich auf der Terrasse angekommen war, kam Jon aus der Küche, mit zwei Schüsseln in der Hand, gefolgt von Rosita. Diese stellte ihre behände auf dem Tisch ab und nahm die anderen aus seinen Händen. Mit seinem Million-Dollar-Lächen strahlte er mich an. Wollte ich mein Augenlicht behalten, bräuchte ich wohl eine Sonnenbrille.

„Hey, Du kommst gerade richtig !“

Mit seinem federnden Gang, den er immer drauf hatte, wenn er glänzender Laune war, kam er auf mich zu. Er fasste mich an beiden Händen und sah mich mit einem unglaublich intensiven Blick an. Ich merkte, wie er meinen Geruch in sich einsog und langsam wieder ausatmete. Dann spürte ich seine Lippen zart auf meinen. Vor langer, langer Zeit hatte ich die Augen geschlossen. Er nahm mich fest in seine muskulösen Arme und hielt mich dicht an sich gedrückt. Ich spürte jeden einzelnen Finger von ihm auf meinem Rücken. Diese starke Nähe von ihm ließ keinen Platz für andere Gedanken. Sie ließ keinen Platz für irgend einen Gedanken. Mit wenigen Gesten nahm er von mir Besitz und machte mich sich völlig zu eigen. Deutlich konnte ich seinen schnellen Herzschlag an meiner Brust spüren. Mit dem letzten Rest Beherrschung versuchte ich, nach Atem zu ringen und verlor doch kläglich den Kampf gegen die aufsteigenden Tränen.

„Jetzt ist nicht die Zeit für Tränen, Honey,“ sagte er bedeutungsvoll und küsste mich abermals.

„Und bevor Du mich geteert und gefedert auf einer Stange aus der Stadt tragen lässt, lade ich Dich zu einem romantischen Dinner ein. Außer, Du hast doch etwas anderes vor ?“

Mit dem Daumen strich er die Spuren von meinen Wangen weg und lächelte mir aufmunternd zu. Er führte mich, die Hand an meinen Rücken gelegt und sanften Druck ausübend, zum festlich gedeckten Tisch, zog meinen Stuhl zurück und setzte sich mir gegenüber. Das kleine verschmitzte Grinsen, das eben über sein Gesicht huschte, war mir nicht entgangen und machte mich neugierig. Irgendetwas hatte er doch wieder ausgeheckt !

Als er die Deckel der Schüsseln anhob, musste ich schon wieder lachen.