Sonntag, 4. September 2011

Kapitel 297

Nichts hielt mich mehr, die Neugier wurde übermächtig. Schnell flitzte ich auf Umwegen, weil die Küche immer noch mit meinen Kartons voll gestellt war, hinaus und riss dem Mann vom Paketdienst die Schachtel aus den Händen. Aufgeregt las ich das Etikett, und war ziemlich überrascht. Mit zitternden Händen stellte ich es auf der Theke ab und suchte nach einem Messer, um das blaue Klebeband aufzuschneiden.

„Halt ! Das mach besser ich ! Du zitterst ja wie Espenlaub !“ grinste Jon und nahm mir das Messer aus den Händen. „Von wem ist es denn ?“ Nun war er auch neugierig geworden und drehte es zu sich, damit er den Absender lesen konnte.
„Tanja ?“ fragte er ebenfalls überrascht.

„Nun mach schon auf !“ forderte ich ungeduldig. Ich konnte es fast nicht mehr aushalten und hibbelte von einem Bein auf das andere. Die Luftpoltersäckchen und das Packpapier flogen zur Seite, und was ich dann sah, ließ mich die Luft anhalten.

„Oh Tanja, Du bist ja soooo süüüüüß !“ jubelte ich lauthals.

Mit fliegenden Händen beförderte ich alles zu Tage, was sich im Dunkel des Kartons versteckte. Meine übermächtige Freude hatte Jon nun sprachlos gemacht. Er sah mich mit offenem Mund an und schüttelte ungläubig den Kopf.

Mhhhhmmmm ! Gummibärchen ! Und dann noch die große Tüte ! Tataaaa ! Und so viele Tafeln Noisette Schokolade mit 300 Gramm (wobei ich mir immer und immer wieder einrede, es wären nur 200 Gramm), 4 Nutella Gläser, Maultaschen, Spätzle, Schupfnudeln, Weißwürste, natürlich alles vakuumverpackt, der dazugehörige süße Senf, und als ob das noch nicht genug wäre, eine Stange Black Devil, die süßen, schwarzen Zigaretten, die man in Deutschland schon so schwer bekommen konnte. Ganz tief unten lag, extra in Luftpolsterfolie verpackt, eine Flasche Cellini.
Jon sah mich fragend an.

„Den hab ich mit meinen Bon Jovi Mädels immer getrunken. Runaway mag den so sehr !“

„Runaway ?“ 

„Runaway ist ihr Nick auf .de,“ erklärte ich ihm atemlos.

„Nick ? de eh ?“

Sein Gesicht sagte mir, das er nur noch Bahnhof verstand, so aufgeregt wie ich war und so schnell wie ich plapperte, war das ja auch kein Wunder……

„Runaway ist ihr Tarn- oder Spitzname im Internet und mit .de meine ich das deutsche Fanforum von Euch.“

„Ah. Und da warst Du auch angemeldet ?“

„Jon, was für eine Frage ! Natürlich ! Bin ich übrigens immer noch.“

Ich musste laut loslachen, als ich an Tanjas Geburtstag dachte und erzählte Jon davon.
Noch während wir bei Kaffee und Kuchen saßen, ich hatte gerade einmal die Hälfte meines Kaffees getrunken, flüsterte mir Runaway zu:

„Sach ma, gibt`s hier eigentlich nichts Richtiges zu trinken ?“

Grinsend war ich aufgestanden und hatte Tanja um eine Flasche Prosecco gebeten, die diese mir mit rollenden Augen wortlos überreicht hatte. Heimlich füllte ich unsere Kaffeetassen damit, schließlich waren Runaway und ich zum aller ersten Mal mit Tanjas Familie zusammen….
Nachdem die Familie weg war, hatten wir einen richtigen Mädelsabend verbracht, einander schmutzige Fantasien erzählt, schmutzige Erlebnisse gebeichtet und über Männer abgelästert. Ihre Nachbarin, die gleich nebenan wohnte, war auch noch geblieben und so waren wir 4 Blondinen in einem Raum und völlig losgelöst durch Unmengen von Prosecco im Blut. Wir hingen kreuz und quer auf Tanjas Sofa, manche drauf und manche auch davor. Je später es wurde, um so mehr schaukelten wir einander hoch mit unseren Geschichten und unserem Gelächter. Am nächsten Tag hatte ich richtigen Bauchmuskelkater vor lauter Lachen. Das war jedoch nicht so schlimm wie Runaways Kater am nächsten Tag. Den hatte sie nämlich auch noch am späten Nachmittag, als wir los wollten auf den Weihnachtsmarkt…..
Wir hatten uns vorher zum Kaffeeklatsch bei mir verabredet, doch Runaway – immer noch grasgrün im Gesicht – vertrug nur Kamillentee. Sie meinte, was anderes würde sie eh nicht bei sich behalten. Jedoch, als wir auf dem Markt angekommen waren, trank sie einen Glühwein nach dem anderen. Spät in der Nacht trudelten wir wieder bei mir daheim ein und wollten einen letzen Absacker zu uns nehmen. Dieser Absacker dauerte dann allerdings auch noch bis fast vier Uhr früh. Da war sie dann wieder fit.
Er grinste nach meiner Erzählung frech über alle vier Backen.

„Was meinst Du mit „schmutzigen Fantasien“ ? Was habt Ihr Euch da so erzählt ?“

„Jon, glaub mir, das willst Du nicht wirklich wissen !“

„Jetzt erzähl halt…..“

„Nein, ganz bestimmt nicht !“

„Ich will das jetzt aber wissen ! ALLES !“ kam er fordernd auf mich zu.

„Ich werde aber nix erzählen ! NIHIIIICHTS !“

„Jetzt komm schon !“ forderte er und setzte dabei dieses charmante Lächeln auf, dem ich normalerweise keinesfalls widerstehen konnte. Doch ich riss mich zusammen und schüttelte mit zusammengepressten Lippen den Kopf.

„So schlimm ?“

„Schlimmer !“

„Geht`s bei Euch immer so zu ?“ fragte er dann etwas konsterniert.

„Meistens.“

Ganz sicher würde ich ihm niemals davon erzählen, wie wir die DVDs von Bon Jovi anschauten und wie oft wir diese stoppten, um sein Standbild anzusabbern. Oder wie wir über sein Hüftkreisen, seine Blicke oder etwa sein Lächeln diskutierten…..Die endlosen Gespräche über seine Shirts, seine Hosen….Wenn er seine Arme hochreckte und sein berühmtes „V“ zutage trat…. Wie sollte ich ihm auch das Gekreische und Gequieke erklären, das immer dann lautstark auftrat, wenn er das machte ? Auf keinen Fall. Auf gar keinen Fall. Kopfschüttelnd drehte er sich weg, allerdings konnte er sein Grinsen dabei nicht verheimlichen.

Wieder schaute ich die Sachen an, die sie mir geschickt hatte. Dankbar schickte ich ihr ein lautloses „Danke !“ in die Richtung, in der ich meine alte Heimat vermutete.
Jon grinste über beide Backen und holte sich noch frischen Kaffee.

„Stop !“ rief er plötzlich und hielt meine Hände fest, die das Packmaterial bereits wieder in den Karton beförderten.

„Was ?“

„Sie hat Dir die Sachen doch nicht geschickt, ohne eine Zeile zu hinterlassen ? Ist kein Brief drin ?“

„Stimmt….“

Rasch kramte ich das ganze Zeugs wieder heraus und musste schon wieder lachen.

„Captain Crash !“ kreischte ich und lachte Tränen.

Jon sah mich wieder vollkommen fassungslos an, so langsam verstand er die Welt wirklich nicht mehr.

„Schatz, Du hältst Konfetti in den Händen, was hat das mit Captain Crash zu tun ?“

„Schatz, Captain Crash ist ein Song der Band Bon Jovi. Wenn Bon Jovi diesen Song auf einem Konzert spielt, wird Konfetti geworfen. Sag bloß, Du hast das noch nie mitgekriegt ?“

„Also, ganz von der Rolle bin ich nun auch wieder nicht, natürlich weiß ich, dass die Fans das immer werfen. Aber sagt Ihr tatsächlich so dazu ?“

„Jep. Bei uns heißt Konfetti nicht Konfetti, sondern eben Captain Crash !“

Kopfschüttelnd lachte er laut auf und ich ließ mich in seine Arme fallen. Kurz musste ich noch daran denken, wie Tanja ihr Geburtstagsgeschenk von Runaway öffnete und der Boden des Wohnzimmers voll davon war....Doch nur Sekunden später löste ich mich wieder von ihm. Die Nachricht.
Ganz unten fand ich dann das kleine, pinkfarbene Kuvert und riss es auf.

Montag, 22. August 2011

Kapitel 296

Ich wollte mich noch festhalten, bekam jedoch nur Jon`s Arm zu fassen, der es mir blitzartig gleich tat und sich an mich klammerte. So kam es, dass wir eng umschlungen den Hang hinunter kugelten und erst zum Stillstand kamen, als ein großer Busch uns stoppte.

Den erschrockenen Blick von ihm werde ich wohl nie vergessen können, wahrscheinlich hatte ich genau denselben drauf. Nachdem ich mich vom ersten Schrecken erholt hatte, schlug ich mir die Hände vor das Gesicht und lachte lauthals los. Jon, der mich noch immer mit weit aufgerissenen Augen anstarrte, stimmte schließlich mit ein. Lachend lagen wir dort, unfähig aufzustehen. Irgendwann sortierten wir unsere Gebeine und er half mir wieder auf die Füße, was angesichts des abschüssigen Geländes gar nicht so einfach war. Fast auf allen Vieren krochen wir wieder hinauf, hielten uns mit den Händen an den Gräsern fest und erreichten schließlich und endlich wieder den Garten.

Wir klopften uns den Schmutz und die Grashalme von den Klamotten und strahlten uns an.

„Es kommt mir vor, als hätten wir schon ewig nicht mehr so miteinander gelacht….“

„Ja, Jon, mir auch !“

„Hast Du Dir auch nichts getan ?“ fragte er besorgt.

„Nein, und Du ?“

„Ne, alles okay. Hoffentlich hat das jetzt niemand gesehen !“

„Ja, das hoffe ich auch ! Stell Dir mal vor, irgend so ein Paparazzi hätte uns eben abgeschossen ! Nicht auszudenken !“

Er beugte sich wieder nach unten, um Äste, die sich an seinen Schuhen verfangen hatten, zu entfernen. Dann fuhr er sich mit beiden Händen durch die Haare.

„Lass uns reingehen, ja ?“

„Ja, ist wohl besser so, nicht dass nochmals was passiert,“ grinste ich.

Er grinste zurück und legte mir seinen Arm um die Schultern. Gemächlich schlenderten wir nach oben Richtung Haus.

Im Badezimmer konnten wir dann die Bescherung in Augenschein nehmen. Unsere Klamotten waren mit Grasflecken übersät, überall hatten wir braune Flecken von der Erde, mein Shirt hatte an der Schulter einen Riss und in meinen Haaren hingen kleine Ästchen und Halme. Jon`s Gesicht hatte einen erdfarbenen Ton bekommen, der ihn wie einen Bauarbeiter erscheinen ließ.

„Wir beide gehen wohl noch duschen !“ schlug er grinsend vor und ich nickte nur zustimmend.

Beim Abtrocknen stellte ich fest, dass der Absturz doch nicht ganz so glimpflich abgelaufen war. Mein Arm brannte mit einem Mal, dort hatte ich mir eine Schürfwunde zugezogen, die sich vom Ellbogen bis kurz vor die Schulter zog.

„Oh je !“ kam es von ihm, als er es sah. Er kramte im Sanischrank und beförderte nach kurzem Suchen eine Tube hervor.

„Lass mich das drauf machen.“

„Komm schon ! Da ist nur die Haut ein wenig ab, das geht schon,“ wollte ich abwehren, doch er ließ nicht mit sich reden.

„Kommt gar nicht in Frage !“

Sanft und behutsam tupfte er mit Mull darauf herum und verstrich anschließend vorsichtig etwas Salbe darauf. Es war so süß, wie er sich dabei anstrengte und wie genau er es mit der „ärztlichen Versorgung“ nahm.

„Tut es sehr weh ?“

„Nein, eigentlich brennt es nur ein bisschen.“

Er sah mich prüfend an, vermutlich glaubte er mir nicht. Ich lächelte ihn gespielt genervt an, um ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Er drückte mir einen Kuss auf die Stirn und verschloss die Tube.

„Lass uns zu Bett gehen, es ist schon spät.“

In die Decken gemummelt, zog er mich an sich, so dass ich mit dem Rücken an seiner Brust lag. Ich ließ ihn gerne gewähren, das war schließlich meine Lieblingseinschlafstellung. Das leichte Streicheln seiner Hand, die über meinen unverletzten Arm strich, ließ mich vollends entspannen. Die wohlige Wärme, die von ihm ausging tat ein übriges, ich kuschelte mich behaglich an ihn. Nur Sekunden später begannen meine Augen zu flattern und fielen zu.

„Es ist alles ein bisschen viel, momentan,“ murmelte er schläfrig.

„Wann ist hier mal wieder Ruhe ?“ murmelte ich ebenso schläfrig zurück.

„Wir sind beide völlig erschöpft…..“

Seine Stimme war nur mehr ein Murmeln, kaum hörbar….Den kleinen Kuss, den er mir auf die Schulter drückte, spürte ich nur noch unbewusst, dann dämmerte ich weg. Und doch merkte ich im Schlaf, dass er mich in dieser Nacht keine Sekunde los ließ.

Er hatte mich ausschlafen lassen, als ich aufwachte, war es bereits nach zehn. Ich streckte mich wohlig aus und blinzelte den letzten Rest Schlaf aus meinen Augen. Dann schwang ich die Beine aus dem Bett und machte mich im Bad fertig. Als ich die Treppe hinunter ging, hörte ich aus der Küche Zeitungsrascheln und den vertrauten Klang, wenn eine Tasse auf der Granitplatte der Theke abgestellt wurde. Jon stand dort, die Zeitung in der Hand und grinste mich über den Tassenrand hinweg an.

„Hi !“

„Guten Morgen, hast Du gut geschlafen ?“

„Jep !“ antwortete ich und küsste ihn.

Gerade wollte ich mich Richtung Kaffeemaschine wegdrehen, als er mich fest hielt.

„Tut es noch weh ?“ fragte er besorgt und besah sich die Abschürfung genau.

„Nein, es brennt nur ein wenig. Und das auch nicht mehr, wie gestern Nacht. Jon, ich bin nicht aus Zucker, das bringt mich nicht um !“

„Das sicher nicht, aber ich möchte nicht, dass Du eine Narbe davon trägst. Willst Du das nicht besser von einem Arzt anschauen lassen ?“

„Jetzt übertreib mal nicht, so schlimm ist das wirklich nicht. Es ist nur die Haut, die ein wenig abgerubbelt wurde.“

„Wie Du meinst !“ sagte er ergeben, rollte kurz mit seinen Augen und widmete sich wieder seiner Zeitung.

Es läutete an der Haustüre, ich wollte mich gerade auf den Weg machen, um zu öffnen, da hörte ich, wie Rosita jemanden freundlich begrüßte.

„Wohnt hier eine Miss Reed ?“ erklang eine unbekannte Stimme.

„Ja, die wohnt hier !“ antwortete sie mit der ihr eigenen Fröhlichkeit.

„Ich habe ein Paket für sie !“

Fast verschluckte ich mich an meinem Cappuccino. Jon sah mich lächelnd an.

„Das ist bestimmt von Deiner Mam !“

Sonntag, 14. August 2011

Kapitel 295

Er hielt vor einem kleinen italienischen Restaurant, das direkt an der Straße lag. Zufrieden nickte ich ihm zu, als wir ausstiegen. Das war genau das, was ich mir vorgestellt hatte, jedenfalls vom äußeren Eindruck her.

Im Gehen setzten wir unsere Base-Caps auf und zogen diese tief ins Gesicht. Er hielt mir die Tür auf und wir traten ein.

Auch das Innere war so, wie ich das für diesen Abend wollte. Kleine Tische, klapprige Stühle, eine einfache Ausstattung, ohne Schicki-Micki. Eine rundliche Frau, ganz sicher Italienerin, kam an den Tisch und reichte uns nach einem fröhlichen „Buona sera !“ die Karten.

Sie schaute mich eindringlich an und ich zuckte ein klein wenig zusammen. War mir mein Elend schon binnen Sekunden anzusehen ? Mein Zucken hatte sie wohl ebenfalls gleich bemerkt, denn sie zwinkerte mir fröhlich zu.

„Sie können Ihre Base-Caps ablegen, ich denke nicht, dass heute Abend noch jemand hier auftaucht, die sind alle beim Football.“

Verwundert schauten wir sie an, doch sie lächelte nur viel sagend.

„Seien sie unbesorgt ! Das ganze Nest hockt in unserem kleinen Stadion, die Mannschaft kämpft um den Aufstieg in die nächste Liga.“

„Danke,“ erwiderte Jon und lächelte sie freundlich an.

Sie ließ uns allein, damit wir unser Essen aussuchen konnten.

Jon las die Karte aufmerksam, ich dagegen öffnete sie nicht, sondern zündete mir eine Zigarette an. Nach einer Weile sah er mich fragend an.

„Du hast schon ausgesucht ?“

„Ja, ich nehm das, was ich sonst auch immer nehme. Funghi mit Pepperoni.“

„Sonst nichts ?“

„Nein.“

„Ganz einfach also ? Ohne Schnick Schnack ?“

Dieses „Schnick Schnack“ sagte er auf Deutsch.

Wider Willen musste ich lachen, ob des Unbeholfenen, das in den gebrochen ausgesprochenen Worten lag.

Und da war es wieder ! Dieses sonnige, warme Lächeln, das ich an ihm so sehr liebte. Er machte es mir mit der Versöhnung leicht. Leichter, als mir lieb war….

Wir bestellten unser Essen.

Als sie nach den Getränken fragte, meinte Jon nur:

„Rot oder Weiß ?“

„Rot. Einen Landwein, und etwas Wasser, bitte.“

Er lehnte sich zurück und ließ seinen Blick auf mir ruhen.

„Ich glaube, ich weiß immer noch nicht sehr viel von Dir !“

Seine leise Stimme ließ mich ihn erstaunt ansehen.

„So geht es mir mit Dir auch manchmal.“

Er schwieg.

„Ich dachte nicht, dass Du so reagieren würdest,“ brachte ich schließlich mühsam hervor.

„Auf was ?“

„Auf mein Mitbringsel ?“

„Es war einfach…. ungewöhnlich….seltsam….“

Ich versuchte, in seinem Gesicht zu lesen. Lange Sekunden verstrichen, ohne dass ich darauf antwortete. Doch schließlich nahm ich meinen Mut zusammen.

„Eine Amerikanerin hätte das nicht getan…. Aber, Jon, das bin Ich. Vieles hier kommt mir künstlich vor, vor allem beim Essen. Das meiste habt Ihr hier schon fertig vorbereitet, oft weiß man nicht, was wirklich in der Butter ist, im Brot oder in den Getränken. Zuhause konnte ich auf regionale Produkte zurück greifen, wusste, woher mein Fleisch kommt. Deswegen versuche ich auch, so oft wie möglich selbst zu kochen. Und deswegen möchte ich auch an den Traditionen, die ich gewohnt bin, festhalten.“

Er nickte verständnisvoll und wollte ansetzen, um etwas darauf zu sagen, doch ich bedeutete ihm mit der Hand, dass ich noch nicht fertig war.

„Ich liebe Hefeweizen, genauso wie meine Jungs das tun. Ich wollte ihnen eine Freude machen und mir einen kleinen Vorrat anlegen, weil ich nicht wusste, ob ich das hier bekomme. Und Eures schmeckt nun wirklich nicht, das musst Du doch zugeben. Außerdem weiß ich, dass Ihr das auch sehr gerne trinkt, wenn Ihr bei uns unterwegs seid.“

Er nahm meine Hände, hielt sie sanft fest und als er darauf etwas sagen wollte, spürte ich einen leichten Druck.

„Das stimmt schon…. aber…..“

„Es tut mir leid, wenn Du deswegen um Richie Angst hast, aber Du kannst doch nicht allen Ernstes behaupten, dass ich ihn damit gefährde ?“

„Nein, natürlich nicht. Aber die Ereignisse der letzten Tage… da habe ich mir halt so meine Gedanken gemacht. Ich kann mich nur entschuldigen, für mein Verhalten, dass ich das auf Dich abgewälzt habe, doch ich kam mir so hilflos vor, so ohnmächtig. Richie und ich…. wir sind mehr als nur Freunde… wir sind schon so lange zusammen, haben so viel erlebt…. und es tut mir so weh, wenn ich ihn so sehen muss und nichts dagegen tun kann. Jedes verdammte Mal verspricht er mir, dass er es lässt, dass er es im Griff hat, dass es bei diesem „einen“ Mal bleiben würde und dann passiert es wieder.“

Die Sorge um seinen besten Freund stand ihm ins Gesicht geschrieben. Immer noch hielt er meine Hände in den seinen und sah mit starrem Blick darauf.

„Jon, wir werden uns die nächsten Tage gemeinsam überlegen, wie wir ihm helfen können. Und gemeinsam werden wir ihn davon überzeugen, dass er etwas tun muss. Wir beide werden das schaffen, ich bin mir ganz sicher.“

„Meinst Du ? Hilfst Du mir ?“

Sein hoffendes Gesicht brachte mich zum Lächeln.

„Natürlich ! Ich bin keine von den Frauen, die nur bei schönem Wetter da sind !“

Er lächelte zögerlich, aber er lächelte.

„Das weiß ich.“

Die Wirtin kam mit dem Essen.

„Es tut mir leid, dass es etwas gedauert hat, aber wir machen die Pizzen immer frisch, alles ist hausgemacht und da sie aus dem Holzofen kommen, braucht das halt seine Zeit. Guten Appetit !“

„Danke ! Das macht nichts, dafür sehen sie sehr lecker aus !“ lächelte ich sie an.

Sie verschwand ebenso leise, wie sie gekommen war.

„Künstlich also ?“ fragte Jon und die Ironie war nicht zu überhören.

„Ja, es gibt auch Ausnahmen !“ grinste ich zurück.

Es schmeckte wirklich ausgezeichnet und so langsam spürte ich, wie der ganze Ärger von mir wich. Als wir aufgegessen hatten, war ich um einiges ruhiger, gelassener. Er merkte es, denn er fragte:

„Ist es okay, wenn wir dann wieder nach Hause fahren ?“

„Ja.“

Schweigend fuhren wir durch die Nacht zurück. Als wir in der Halle standen, zog er mich mit sich hinaus auf die Terrasse, nahm eine der Decken, die auf den Liegen lagen. Ich wusste, wohin er wollte. Zu unserem Mäuerchen.

Er setzte sich hinter mich und schlang die Decke um uns, so dass wir es warm hatten. Still und ruhig lag das Tal unter uns. Das Lichtermeer der Siedlungen erlosch langsam und wir konnten sogar das Schimmern des Mondes auf dem Meer sehen. In dieser Nacht war Vollmond. Lange saßen wir dort, aneinander gekuschelt und genossen den Frieden, der sich über uns legte. Keiner von uns beiden würde die Magie des Augenblicks zerstören.

„Wir müssen Richie helfen,“ flüsterte ich.

„Ja, das müssen wir.“

„Aber wie ?“ fragte ich und die Hilflosigkeit in meiner Stimme ließ ihn aufhorchen.

„Du machst dir große Sorgen um ihn, stimmt`s ?“

„Ja, Du etwa nicht ?“

„Doch, Sandy. Aber das geht schon so lange, dass ich einfach keine Chance mehr sehe, etwas zu tun. Ich habe schon so viel probiert, bei allem hat er nur blockiert und es als lächerlich abgetan. Das Schlimme ist, er säuft nur, wenn er zuhause ist. Wenn er auf Tour ist oder seinen anderweitigen Verpflichtungen nachgeht, hat er sich im Griff. Du hast es ja selbst mitbekommen, er trinkt dann nicht mehr, als andere auch. Eben ein, zwei Bier, in geselliger Runde.“

„Warum meinst Du, ist es jetzt passiert ?“

„Ich habe keine Ahnung, was ihn momentan umtreibt. Außer, dass er keine Beziehung hat, dass er deswegen unglücklich ist.“

„Und dann sieht er noch uns beide jeden Tag, direkt nebenan….“

„Hmmm….“

Wieder versanken wir in unsere Gedanken. Er legte seinen Kopf auf meine Schulter, kuschelte sich dicht an mich und hielt meine Hände in den seinen. Dann und wann hauchte er einen Kuss auf meine Haare. Ich lauschte seinem leisen Atem und sog die Stille tief in mich ein.

„Süße ?“ flüsterte er nach einer endlosen Zeit.

„Hmmm….?“

„Sag, ist zwischen uns wieder alles okay ?“

Ich wandte leicht den Kopf, um ihm in die Augen sehen zu können.

„Was meinst denn Du ?“ fragte ich zurück.

Er lächelte unsicher.

„Jetzt sag schon….“

Sein bittender, jungenhafter Blick ließ mich in meinen Grundfesten erbeben. Mit einem leichten Nicken bejahte ich seine Frage. Der Kuss, der folgte, ließ mich alles Geschehene vergessen. Ich spürte seine Lippen sanft auf den meinen, zart und sachte, leicht wie eine Feder. Dann spürte ich seine Zunge, die mit meiner spielte. Warm und weich entführte sie mich in die Welt, in der außer uns beiden niemand Zugang hatte. Er hielt mich fest in seinen Armen und ich meinte, jeden einzelnen Muskel von ihm spüren zu können. Sein klopfendes Herz, sein Atem, der über meine nackte Haut strich….Bestimmt würden wir heute noch dort sitzen, hätte uns nicht eine dunkle Macht einen Strich durch die Rechnung gemacht….

Donnerstag, 28. Juli 2011

Kapitel 294 - Gefühle, Gewitter, Zittern und einfach alles davon......

Doch er hatte es geahnt und hielt mich am Arm fest.

„Nicht schon wieder weg laufen, little runaway….“

Dieses leise, geflüsterte „little runaway“ trieb mir augenblicklich die Tränen in die Augen und ich blieb mit gesenktem Kopf stehen.

Er zog mich an sich und drückte mich fest. Ich spürte die Verzweiflung, die in ihm tobte und diese Verzweiflung war größer als die meine. Auch ein Jon Bon Jovi hatte sich nicht immer im Griff, war nicht immer der strahlende Held, der wusste, was in welcher Situation zu tun war, über allem erhaben. Ich kapierte, dass die Sache mit Richie bei ihm um einiges schwerer wog, als so manch anderes. Und ich kapierte auch, dass ich ihn damit auf keinen Fall allein lassen durfte.

Ich legte den Kopf zurück und zwang ihn, mich anzusehen.

„Lass uns das vergessen, bitte ! Wir müssen wieder runterkommen und miteinander vernünftig reden, in Ordnung ?“

Er nickte nur niedergeschlagen.

An meiner Hand ließ er sich zurück zum Tisch führen und wir rauchten schweigend eine Zigarette.

„Es tut mir leid, was ich gesagt habe,“ begann ich leise.

„Ach, Honey, mir tut das auch leid !“

Wir schauten uns in die Augen. Abwartend, ob der andere etwas sagen würde. Abwartend, wie der andere reagieren würde. Die Sonne schien, die Vögel zwitscherten, die Palmen bogen sich leicht im Wind. Es war ein wunderschöner Tag. Den wir beide nicht wahrnehmen konnten.

„Ich hab viele Dinge gesagt, die ich wirklich nicht so gemeint habe.“

„Ich habe auch überreagiert, vor allem als ich….“ Er unterbrach sich und nahm einen Schluck vom kalten Kaffee.

„Es war blöd von mir mit dem Bier….“ fuhr er fort.

Jon sah an mir vorbei, hinaus in die Ferne.

Ich stand auf und kniete vor seinem Stuhl. Vorsichtig nahm ich seine Hände und drückte sie leicht.

„Schatz, ich möchte mich ehrlich entschuldigen. Natürlich weiß ich, dass Ihr hier auch Eure Traditionen habt. Und es war total unfair, dass ich gesagt habe, dass Du nicht weißt, was es heißt, ein neues Leben zu beginnen. Du bist ja gerade auch dabei….“

Meine Stimme brach, ich konnte nicht mehr. Als ich wiederholte, was ich ihm vorhin vorgeworfen hatte, wurde mir bewusst, wie gemein ich gewesen war.

„Schon gut, uns beiden sind einfach die Nerven durchgegangen.“

Er versuchte ein kleines Lächeln und strich mir sanft über die Wange.

Ich bemerkte diese kleine, winzige Bewegung, mit der er sich zu mir hinunter beugte. Im gleichen Moment streckte ich mich ihm ein klein wenig entgegen. So gingen wir Zentimeter um Zentimeter aufeinander zu, bis unsere Gesichter einander ganz nah waren.

Endlich küssten wir uns. Ein Kuss, in dem die Emotionen dieser Welt lagen. Angst, Hilflosigkeit, Hoffnung, Verzweiflung, Wut und endlose Liebe. Jon ließ mich spüren, dass er damit allen Unbill, alles Schlimme wieder wegwischen wollte.

Danach sahen wir uns noch lange in die Augen, bis er mich hoch hob und auf seinen Schoß zog. Ewige Zeit saßen wir dort, hielten uns in den Armen, streichelten uns sanft und vorsichtig. Die Stille legte sich über uns, keiner wagte, etwas zu sagen. Trotzdem verstanden wir uns und die Anspannung, die uns beinahe zu Schlimmerem getrieben hätte, wich schleichend aus unseren Körpern und Gedanken.

„Lass uns eine Pizza essen gehen, irgendwo, wo uns keiner kennt.“

Jon sah überrascht auf. Seine Augen wurden groß, der Mund stand etwas offen.

„Irgendeine kleine Pizzeria, nichts besonderes, ohne Schnick Schnack, okay ?“ drängte ich.

„Okay,“ sagte er gedehnt. „Jetzt gleich ?“

„Jetzt gleich, ich hab Hunger.“

„Wollen wir nicht lieber hier was….“

„Nein, ich muss raus hier, wenigstens für ein Weilchen.“

Ich stand auf, doch ich wusste, dass ihm nicht klar war, was mich antrieb. So drehte ich mich nochmals zu ihm um und erklärte es ihm.

„Sei mir nicht böse, aber ich muss das tun. Glaub mir, es wird uns beiden gut tun, in Ordnung ?“

Er nickte nur, griff nach den beiden Tassen und ging mir nach. Im Badezimmer schloss ich die Tür hinter mir und lehnte mich an. Ich schloss die Augen und versuchte, mich zu beruhigen. Meine Gedanken spielten wieder einmal miteinander Jojo. Verzweifelt sandte ich ein Stoßgebet gen Himmel, in dem ich darum bat, dass mein Leben wenigstens für die nächsten Tage ein klein wenig ruhiger verlaufen würde. Ich wusste, dass ich dieses Auf und Ab, diese ständige Action nicht länger aushalten konnte. Mein ganzer Körper, meine Seele sehnte sich nach etwas Ruhe, nach einem geregelten Tagesablauf…. Wenn ich daran dachte, dass wir schon in wenigen Tagen auf Tour gehen würden, wurde mir beinahe übel.

Ein leises Klopfen riss mich aus meinen Überlegungen.

„Schatz ?“ fragte er vorsichtig.

Ich öffnete die Tür und der Blick, mit dem er mich ansah, machte mir klar, dass er wieder einmal genau wusste, was in mir vorging. Vermutlich hatte er die vergangenen Minuten genutzt, um nachzudenken.

„Lass uns beim Essen drüber reden, bitte.“

„Okay !“ nickte er nur und wandte sich dann ab.

Ich machte mich schnell frisch, schminkte mich ein wenig und bürstete meine Haare. Danach ging ich zurück in das Schlafzimmer um mich umzuziehen. Jon zog sich gerade eines seiner alten Schlabbershirts über und beugte sich nach seinen Schuhen. Ich tat es ihm nach, schlüpfte in eine Jeans und griff nach einem meiner Tops. Über mein Outfit machte ich mir an diesem Abend so gut wie keine Gedanken, es war mir egal. Ich wollte normale Klamotten anziehen, kein besonderes Styling. In Wirklichkeit wollte ich einen ganz normalen Abend mit meinem Freund verbringen, so wie Millionen anderer Frauen auf diesem Planeten auch.

„Ich weiß, wo wir hingehen können. Aber es ist wirklich sehr einfach dort, ich hoffe, Dir gefällt es trotzdem….“

Unsicher schaute er mich an. Noch immer schwelte etwas Unerklärliches zwischen uns beiden. Spannung, Ungesagtes, Unsicherheit…..

„Je einfacher, desto besser !“ versicherte ich ihm und probierte ein Lächeln.

Jon fuhr nicht Richtung Stadt, wie ich erwartet hatte, sondern nahm die Landstraße, die wir vor wenigen Tagen gefahren waren, als wir unsere Motorradtour gemacht hatten. Ich überlegte, wohin er mit mir wollte, dachte an Benton und Beryl, doch das schien mir zu abwegig, es war zu weit weg. Außerdem hatten sie ja keine einfach Pizzeria, sondern ein Lokal der eher gehobenen Klasse. Ich spürte, das er mich ansah und wandte den Kopf zu ihm.

Nun war er es, der ein Lächeln versuchte. Er legte mir die Hand auf den Schenkel.

„Besser ?“ fragte er.

„Ja.“

Montag, 18. Juli 2011

Kapitel 293


Was, wenn er mir jetzt sagen würde, dass alles ein Irrtum gewesen war, dass ich wieder gehen solle ? Ich beachtete den tiefen Stich, der sich durch mein Herz bohrte, nicht.

Dann würde ich eben wieder einpacken, gehen, weiter ziehen. Es wäre mal wieder ein weiteres Fiasko gewesen…..

Ach quatsch, Sandy, was reimst Du Dir nur wieder zusammen ? gemahnte ich mich zur Ruhe. Warum hätte er dann das Mini-Konzert veranstaltet, den Ring gekauft, all die lieben Worte gesagt ?

Noch unruhiger geworden, griff ich nach meinen Zigaretten und ging auf die Terrasse hinaus. Meine Knie waren mittlererweile so zittrig, dass ich froh war, dass ich mich auf den nächst besten Stuhl fallen lassen konnte. Sein Gesicht trat vor meine Augen, ich hatte vorhin nur allzu deutlich gesehen, wie seine Wangenknochen mahlten. Das verhieß nichts Gutes. Seine Miene war nahezu ausdruckslos gewesen. An seine Stimme wagte ich nicht einmal zu denken….

Irgendwie hatte ich ein ganz und gar ungutes Gefühl, gegen das ich mich nicht wehren konnte. Und wie so oft, spielten meine Gedanken Jojo auf der Achterbahn.

Jedoch spürte ich auch diesen Zorn in mir aufsteigen, welcher mir - so widersinnig es auch klingen mochte - wieder etwas Klarheit brachte. Auf gar keinen Fall würde ich mich wegen diesem Vorfall verbiegen lassen. Und ich würde mir auch nichts von ihm verbieten lassen.

Wortlos stellte er die beiden Kaffeetassen auf den Tisch und setzte sich mir gegenüber. Er schlug ein Bein über das andere, stütze die Ellbogen auf den Lehnen auf, legte die gespreizten Hände aneinander vor seinen Mund und sah mich abwartend an.

„Was geht eigentlich zwischen Dir und Richie vor ?“

Booom. Zwischen mir und Richie ? Was zur Hölle wollte er damit sagen ? Bis jetzt war ich in der Annahme gewesen, ich wäre bereits komplett verwirrt, doch ich hatte mich getäuscht.

„Zwischen mir und Richie ?“

„Jep.“

„Was meinst Du ?“

„Irgendetwas verheimlicht Ihr mir doch ?“

„Wir verheimlichen Dir etwas ?“ fragte ich ratlos.

„Kannst Du mir eine meiner Fragen vielleicht auch ohne Gegenfrage beantworten ?“ fragte er mit einer gehörigen Portion Ungeduld in seiner Stimme.

„Ich versuche es…. Aber ich weiß wirklich nicht, was Du meinst…..“

„Also gut. Dann zäumen wir das Pferd von vorne auf.“

Sein durchdringender Blick ließ mich zum Teenager werden. Nein, ich kam mir vor wie ein kleines Kind, das etwas angestellt hatte und nun gerügt wurde.

„Du hast mitbekommen, dass ich ständig Anrufe von dieser durchgeknallten Person bekomme ?“

„Ja, hab ich….“

„Wie kommt diese Frau an meine Nummer ?“

„Ich hab keine Ahnung….“

„Sandy, es hat keinen Sinn, ihn zu schützen. Ich weiß genau, dass sie die Nummer von ihm hat. Was ich jetzt noch wissen will, ist, wer ist sie und wie konnte das passieren ?“

„Du weißt….. ?“

„Wollen wir das Gegenfragen-Spiel noch stundenlang treiben ?“ fragte er genervt.

„Nein, natürlich nicht….“

„Also, dann raus mit der Sprache !“

Er wusste es. Woher auch immer. Es hatte keinen Zweck, dass ich Ausreden erfand, geschweige denn, dass ich ihn anlog. Das wollte ich auf gar keinen Fall. Ich überlegte rasend, wie ich es ihm beibringen konnte, so dass Richie nicht allzu schlecht dabei wegkam.

„Okay, wenn Du immer noch darüber nachdenkst, wie Du ihn retten kannst, lass es ! Ich habe von einer Detektei die Nummer checken lassen, ich hab ihre Adresse, sogar Fotos von ihr. Eigentlich weiß ich alles, außer, warum Richie so ein Vollpfosten war und ihr die Nummern gegeben hat.“

„Jon, er hat oder hatte eine Affäre mit ihr. Er sagte mir, dass er mit ihr nichts mehr zu tun haben will, weil er außer den Bettgeschichten nichts mit ihr anfangen kann. Leider verfolgt sie ihn und….“

„Wie ist sie an die Nummern gekommen ?“ bohrte er unerbittlich nach.

„Sie hatten getrunken, waren wohl ziemlich wild bei der Sache, jedenfalls Richie. Sie wollte es unbedingt in der Wanne tun, Richie konnte es nicht mehr erwarten, er stolperte und fiel mit der Jeans und dem Handy ins Wasser, sie wollte es am nächsten Tag reparieren lassen und er hat es ihr gegeben.“

Wieder dieser durchdringende, alles scannende Blick….. Nur, dass er jetzt seine Hände um die Lehnen gelegt hatte. Die Knöchel traten schneeweiß hervor. Die Anspannung war nicht mehr nur zu spüren, sie war körperlich zu sehen.

„Ich könnte ihn umbringen !“

„Sei nicht so streng mit ihm, er wusste einfach nicht, was er damit auslösen würde,“ bat ich.

Doch er schaute mich noch immer so an.

„Du kannst Dir doch eine andere Nummer geben lassen….“

„Das kann ich schon, und übrigens all die anderen Leute auch ! Sie ruft jeden, aber auch wirklich jeden, der im Speicher war, an. Unsere Familien, unsere Freunde, unsere Angestellten, Geschäftspartner ! Bonnie sitzt in New York und tut den lieben langen Tag nichts anderes, als sich um Schadenbegrenzung zu bemühen. Das geht so nicht !“

„Schau, er war ganz einfach betüdelt….“

„Sandy, er war nicht ganz einfach betüdelt, er war wie schon so oft ganz einfach besoffen !“

„Das ist Dir natürlich noch nie passiert !“

„Doch, aber wenn, dann dreh ich nicht solche Dinger ! Und außerdem brauche ich nicht schon Morgens einen Drink, bevor ich mich an den Frühstückstisch setze !“

Auch das wusste er. Ich brauchte also nicht mehr um den heißen Brei herum reden oder Ausreden erfinden. Wir konnten offen darüber sprechen.

„Aber wir müssen ihm doch helfen….“

„Was glaubst Du, habe ich schon versucht ?“

Der bittere Unterton in seiner Stimme machte mich vollends sprachlos. Es ging also schon länger, es war ein noch größeres Problem, als ich zu hoffen gewagt hatte.

„Ich habe davon nie etwas geahnt, Jon. Als Fan war ich immer so stolz darauf, dass Ihr sauber seid, dass es bei Euch keine solch fürchterlichen Exzesse wie bei anderen Bands gab. Obwohl ich ja wirklich nichts dafür getan hatte, war ich stolz. Stolz auf Euch.“

„So kann man sich täuschen.“

Er stand auf und schaute reglos in den Garten.

„Und dann kommst Du noch mit 20 Kisten Bier an.“

„Willst Du mir etwa vorwerfen, dass ich daran schuld bin, dass er trinkt ?“ fragte ich fassungslos.

„Nein, aber Du unterstützt ihn damit.“

„Ich mache was ?“

„Du animierst ihn mit solchen Aktionen.“

„Das ist doch völliger Blödsinn ! Jetzt komm mal wieder runter ! Das Bier ist für meine Band gedacht gewesen. Außerdem ist Dein Haushalt ebenfalls mit Alkoholika bestückt. Richie ist ein erwachsener Mann, Du glaubst doch nicht im Ernst, dass Du allen Stoff dieser Welt vor ihm verstecken kannst ?“

„Nein, das dachte ich anfangs ja auch….“

„Außerdem gilt bei uns in Bayern Bier nicht als Alkohol !“

Mit diesem kleinen Witz wollte ich die Stimmung etwas entspannen, doch er verstand ihn nicht.

„So schlecht bin ich in Geografie auch nicht, dass ich nicht weiß, dass Du aus Schwaben kommst und nicht aus Bayern !“

„Jon, hör auf mit dem Scheiß ! Was soll das ?“

Wir beide hatten unsere Stimmen erhoben und waren ziemlich laut. Wir standen voreinander und hatten die Arme in die Hüften gestemmt.

„Außerdem, wenn Du so gut in Geografie bist und so genau weißt, wo ich her komme, dann weißt Du auch, dass das zur Grenze von Bayern ist !“ giftete ich.

„Es ist absolut kindisch, was wir beide hier abziehen !“

„Ja, Jon-Schatz ! Das ist es wirklich !“

„Du hast es als Dein USA-Überlebenskit bezeichnet !“

„Ach komm ! Das war ein Witz, ein Scherz !“

„Der natürlich nicht ernst gemeint war !“

„Das sind Witze im Allgemeinen nicht ! Aber zu Deiner Info, es ist tatsächlich mein Überlebenskit hier, Du weißt doch gar nicht, was es bedeutet, alle Brücken abzubrechen und auf einem anderen Kontinent ein neues Leben anzufangen ! Und Du weißt als Amerikaner auch nicht, was Traditionen bedeuten ! Und Du hast keine Ahnung davon, wie gut so ein Bier nach Feierabend tut, weil Ihr hier ja nicht einmal das Wort Feierabend kennt !“

Noch immer standen wir so voreinander, die Angriffslust in den Augen, bereit dem anderen weh zu tun, sich zu verteidigen, was auch immer. Ich spürte, dass wir kurz vor der Eskalation standen und dass es so nicht weiter gehen durfte. Doch ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich hatte es übertrieben, hatte zuviel gesagt. Auch einiges, das ich so niemals hätte sagen dürfen, weil es nicht stimmte, weil es ihn verletzen musste.

Ich wollte weg und drehte mich um.

Donnerstag, 14. Juli 2011

Kapitel 292

"Du meinst….“ wollte ich nachfragen und legte voller Schrecken meine Hand vor den Mund.

„Ich meine, dass Richie ein Riesenproblem mit sich herumschleppt.“

„Du willst doch nicht sagen, dass er…..“

Ich unterbrach mich, konnte nicht weiter sprechen. Ohnmächtig ob des Unausgesprochenen beugte ich mich vor, stellte meine Ellbogen auf die Tischplatte und schlug beide Hände vor das Gesicht. Meine Gedanken rasten, realisierten, sortierten in Windeseile, überschlugen sich und kamen doch zu keinem Ende.

„Nein, Tom ! Sag bitte, dass das nicht wahr ist !“ flehte ich ihn an und wusste doch im gleichen Atemzug, dass er mein Flehen nicht erhören würde.

Ich schloss meine Augen und versuchte, meinen Atem zu beruhigen.

„Schau, wir haben ihn beide eine ganze Zeit lang beobachten können. Durch die Wohnsituation bleibt so was ja nicht aus…..“

„Nein, Tom, Tini, bitte nicht…..“

Er rutschte ein Stück vor und nahm meine Hände in die seinen.

„Es macht doch keinen Sinn, Dir das zu verschweigen, Süße.“

Tini war einen Schritt vorgetreten und sah mich hilflos an.

„Ihr wollt mir jetzt aber nicht sagen, dass er trinkt ? Dass er ein Alkoholiker ist ?“

Die beiden schwiegen und als ich in ihre betretenen Gesichter sah, wusste ich, dass es Wirklichkeit war. Der Mann, der seit meiner Jugend auf einem Marmorpodest stand, den ich für sein Gitarrenspiel anbetete, der strahlende Ritter, mein Lanzelot….. Ich dachte nach, rief mir einige Begebenheiten ins Gedächtnis. Es war alles so wirr.

Natürlich trank er manchmal einen über den Durst, wie wir alle. Kein Mensch konnte nach einem Gig einfach so in sein Bettchen gehen, das gerade Erlebte einfach so zur Seite schieben, als wäre nichts gewesen, das Adrenalin ließ sich nicht auf Knopfdruck ein- und ausschalten. Da hatte Richie doch meist nur ein paar Bier getrunken….. So richtig betrunken hatte ich ihn doch nur ein oder zwei Mal gesehen…. Aber, als ich ihn zum Essen holte, wollte er sein Glas vor mir verstecken….

„Habt Ihr mit Jon darüber gesprochen ?“

„Nein, wir haben uns – ehrlich gesagt - nicht getraut. Jon ist bei Bon Jovi der Don, der Padrone und daher….“

Tom unterbrach sich rasch, ich merkte, wie unangenehm ihm die Situation war.

„Leute, es tut mir leid, aber ich fahr jetzt nach Hause. Nachdem, was ich gehört habe, krieg ich sowieso nix mehr auf die Reihe. Ich muss in Ruhe überlegen, was wir tun können und dann werde ich mit Jon reden.“

Ihr Einverständnis vorausgesetzt, stand ich auf, griff nach meiner Tasche und ging zur Tür. Sie gingen mir nach und umarmten mich kurz. Tini nickte mir noch aufmunternd zu und dann verließ ich das Büro. Am Empfang nickte ich Hailey kurz zu und betrat den Aufzug. Als sich die Tür geschlossen hatte, lehnte ich mich an die Wand. Meine Knie zitterten und mir wurde schwindelig. Im Auto ließ ich die Scheibe runter und zündete mir eine Zigarette an. Eigentlich wäre jetzt ein Schnaps genau das richtige gewesen, dachte ich bitter. Gerade, als ich den Zündschlüssel umdrehte, fiepste mein Handy. Es war Jon.

„Wo bist Du ?“ fragte er ohne Umschweife.

„Ich sitz im Auto vor unserem Büro, ich fahr jetzt heim.“

„Okay, ich warte auf Dich.“

„Jon ?“

„Ja ?“

„Wir müssen reden.“

„Das müssen wir wohl.“

„Bis gleich !“

„Bye.“

Ich wartete noch kurz, aber er hatte bereits aufgelegt. Unsicher und mit sehr gemischten Gefühlen fuhr ich aus der Stadt hinaus. Komischerweise verirrte ich mich dieses Mal nicht und fand ohne Umwege den richtigen Weg. Mir war nicht wohl beim Gedanken, gleich daheim anzukommen, aus irgendeinem Grund wollte ich nicht wirklich dorthin. Doch wusste ich, dass ich es nicht umgehen konnte.

Nachdem der Wagen in der Garage und das Tor verschlossen war, ging ich auf das Haus zu. Der Eingang, der mir sonst immer so einladend erschien, sah ablehnend aus. Ich straffte die Schultern, richtete mich auf und zwang mich, ruhig zu atmen.

Sofort, nachdem ich die Haustür geschlossen hatte, kam Jon aus seinem Arbeitszimmer. Unschlüssig standen wir voreinander und auch das kurze „Hi“ von ihm ließ die Anspannung nicht von mir weichen. Ich stand immer noch direkt vor der Tür, er neben meiner kleinen Kommode. Mit wackligen Beinen ging ich die paar Schritte dorthin und legte meine Tasche darauf ab. Nicht wie sonst kam er auf mich zu, sondern er blieb abwartend stehen und sah mich ausdruckslos an.

Ich wollte etwas sagen, doch er unterbrach mich.

„Lass uns nach draußen gehen.“

Ohne meine Antwort abzuwarten, drehte er sich um, ging in die Küche. Ich hörte, wie er dort die Kaffeemaschine anwarf und mit dem Geschirr klapperte. Sein Auftreten machte mich wütend, ich fand es unmöglich, dass er so eine Riesensache draus machte. Eigentlich hatte ich gehofft, dass er mich in die Arme nehmen würde, sich entschuldigen würde, mir sagen würde, alles wäre wieder okay. Doch es hatte keinen Anschein, dass das geschehen würde

Dienstag, 1. Februar 2011

Kapitel 291

Meine Runde war fast zu Ende und ich lief auf das Anwesen zu. Dort angekommen, machte ich einen Satz über die Hecken und verlangsamte meine Schritte, um gemütlich auszulaufen, den Puls wieder runter zu bringen, den Körper zu beruhigen. Rosita war nicht mehr in der Küche zugange, als ich mir dort ein Wasser holte. Mit gierigen Schlucken trank ich die Flasche halb aus und machte mich dann auf den Weg unter die Dusche.

Fertig gestylt ging ich aus dem Haus, holte den Wagen aus der Garage und fuhr durch die Berge hinunter in die Stadt. Einen Stadtplan hatte ich nicht gefunden, doch ich machte mir nicht allzu viele Gedanken, ob ich den Weg zu unserem Büro finden würde. Notfalls würde ich Tini anrufen, damit sie mich dorthin lotste. Nur kurze Zeit später war es dann soweit, ich wählte ihre Nummer. Sie lachte nur, als sie von meinem Problem hörte und erklärte mir geduldig, wie ich weiterfahren musste. Zum Glück fand ich einen Parkplatz direkt vor der Tür, wenn ich danach hätte auch noch suchen müssen…..

Hailey begrüßte mich allzu freundlich und für mein Empfinden zu überschwänglich. Aus irgendeinem mir unerfindlichen Grund mochte ich diese Frau nicht. Sie geleitete mich zu Tom ins Büro. Den Weg hätte ich auch von alleine gefunden, dachte ich im Stillen.

Die beiden erwarteten mich schon gespannt, begierig darauf, dass wir weiter arbeiten konnten.

Doch als Tini mein Gesicht sah, kam sie erschrocken auf mich zu.

„Mensch, Mädel, was ist denn mit Dir passiert ?“

Ich wandte mich zu Hailey um, die, die Türklinke in der Hand, auf irgendetwas zu warten schien. Ich riss mich zusammen und fragte sie mit gezwungener Freundlichkeit:

„Würden Sie uns bitte etwas zu trinken bringen ?“

Sie nickte, vermutlich enttäuscht darüber, dass sie ihre Neugier nicht befriedigen konnte und schloss die Tür.

„Ich hab Zoff mit Jon.“

„Wie ? Was ist denn geschehen ?“ fragte Tini und schlug augenblicklich die Hände vor ihr Gesicht.

Auch Tom sah mit gewitterumwölkter Stirn zu mir.

„Ich hab keine Ahnung….“

„Sandy, Du hast nichts angestellt ?“

Meine Freundin kannte mich einfach zu gut, sie ahnte, dass ich natürlich doch etwas verbockt haben könnte.

„Nein, ich hab nix gemacht…. Jedenfalls nicht so wirklich….“

„Sandy, also hast Du doch…..“

Sie wurde unterbrochen, da Hailey mit den Getränken kam und beflissen fragte, ob sie noch etwas für uns tun konnte. Dabei sah sie immer noch neugierig in die Runde.

„Nein, danke,“ erwiderte ich, zugegeben etwas ungehalten.

Als die Tür endlich wieder zu war, ließ ich mich auf die Couch fallen und schenkte mir etwas Kaffee ein.

„Nun mach`s nicht so spannend !“ drängelte Tom.

„Gestern kam mein Container, und als wir die Sachen ausgeladen haben….“

„Sandy, was hast Du gemacht ?“ bohrte Tini fordernd nach.

„….hat Jon das Bier entdeckt.“

„Welches Bier ?“ fragte sie mit energischem Ton.

„Das, welches ich mitgebracht habe.“

„Jon regt sich wegen Bier auf, das Du mitgebracht hast ?“

Ein ungläubiger Tom setzte sich neben mich.

„Ja.“

„Moooment !“ warf Tini ein. Und ich wusste, dass sie wusste, dass ich doch etwas angestellt hatte. „Wieviel Bier ?“

Nun hatte sie die Hände in die Hüften gestemmt und stand vor mir, so wie meine Mutter immer vor mir gestanden hatte, wenn ich als Kind etwas ausgefressen hatte und sie mich zum Beichten zwang.

„20 Kisten,“ gab ich zu.

„Wiiiieeeeeviiiiieeeeel ?“ fragte sie entgeistert.

Tom lachte laut auf und prustete zwischen Luftholen und Husten nur „Du spinnst doch !“

„Da wunderst Du Dich noch, dass er sich aufregt ? Hast Du Dir schon mal überlegt, dass eine Frau das einfach nicht macht ?“

„Eine Frau macht das nicht ? Sag mal, Tini, wie bist Du denn drauf ? Hätte ich statt dessen 20 Hutschachteln mitbringen sollen ? Wär das besser gewesen ? Du weißt schon noch, dass das unser Bandgetränk ist ?“

„Das weiß ich, das weiß Tom, aber weiß das auch Jon ? Versetz Dich doch mal in seine Lage und stell Dir vor, er wäre bei Dir eingezogen und mit so was angekommen ? Was hättest Du dann gedacht ?“

„Dass er nicht ganz dicht ist, weil wir in Deutschland nämlich vernünftiges Bier haben ?“

„Mädels, so bringt das nichts !“ warf Tom ein, immer noch grinsend. „Natürlich ist ein Mann schockiert über so was, aber es ist ja zu erklären, oder ? Habt Ihr denn nicht darüber gesprochen ?“

„Nein, er ließ mir ja keine Chance. Und ich kann es wirklich nicht verstehen, der größte Teil davon ist sowieso für die Jungs.“

„Das weiß er aber nicht ?“ hakte Tom nach.

„Nein, weiß er nicht,“ erwiderte ich genervt. „Er hat mich ja nicht mal mehr angehört, und schon gar nicht, als Richie auch noch mit drei gefüllten Gläsern für uns ankam.“

Tom lachte wieder laut auf.

„Richie hat sich gleich eines schmecken lassen ?“

„Ja, er fand die Idee cool.“

„Oh Mann ! Männer !“ rief Tini aus.

Tom unterbrach die Diskussion mit ausgebreiteten Händen.

„Das bringt so nichts. Soll ich ihn anrufen und das mit ihm klären ?“

„Nein, das mach ich selbst. Besser gesagt, da muss schon Mr. Rockgott zu mir kommen.“

„Jetzt sei nicht schon wieder so bockig !“

Sie sah mich beschwörend und gleichzeitig bittend an. Als ich zögerte, änderte sich ihr Gesichtsausdruck in einen hilflosen.

„Du haust jetzt aber nicht einfach wieder ab, so wie früher ?“

„Nein, natürlich nicht. Es ist ja eigentlich ein Witz, was er da abzieht.“

„Normalerweise ist es das. Ich hätte eher gedacht, dass er darüber lacht.“

Tom rieb sich die Nasenwurzel mit Zeigefinger und Daumen, so als ob er Kopfschmerzen hätte. Doch bei seinem nächsten Satz wurde mir klar, dass er angestrengt nachdachte.

„Verstehen kann ich ihn nicht so ganz, ich finde es für absolut überzogen. Soweit kenne ich Jon mittlererweile, dass ich weiß, dass bei solch einer Reaktion von ihm weit aus mehr dahinter steckt. Hast Du nicht eine kleine Ahnung, was es sein könnte ?“

„Nein, ich war ja auch vollkommen überrascht.“

Er rieb sich nachdenklich das Kinn und sah dabei hinunter auf die Papiere, die auf dem Tisch lagen.

„Könnte es etwas mit Richie zu tun haben ?“ sagte er dann und sah mich mit seinen stahlblauen Augen aufmerksam an.

„Wie jetzt ?“

So, wie mich Tom anschaute, wusste ich, dass er auf etwas ganz bestimmtes anspielte, doch ich kam nicht drauf.

Tom`s Blick ruhte noch immer auf mir, seine Augen wichen nicht einen Millimeter von meinen, die Stille im Raum erdrückte mich. Ein schlimme Ahnung überkam mich. Und plötzlich war mir alles klar.