Freitag, 29. Mai 2009

Kapitel 168

Nach dem Frühstück war es Zeit für meine erste Untersuchung durch Ke Gao. Behutsam führte er mich in den Fitnessraum im Keller, wo bereits eine Arztliege aufgebaut war. Als ich mich bäuchlings darauf gelegt hatte, tastete er zuerst meine Wirbelsäule von oben nach unten ab, dann drehte er mich auf den Rücken. Vorsichtig winkelte er mein linkes Bein an und drückte es ganz langsam gegen meinen Oberkörper, drückte es nach rechts und nach links. Danach war das rechte Bein dran. Nachdem er seine Hände mit Öl eingerieben hatte, massierte er die Oberschenkel und die Waden. Es war ein sehr schönes Gefühl, ich spürte ein starkes Kribbeln und bemerkte, wie sich mein Körper entspannte.
Ke Gao bedeutete mir, nachdem er fertig war, ich solle mich aufsetzen. Er klappte die Oberseite der Liege hoch, so dass ich mich anlehnen konnte und begann mit einer Fußreflexzonen-Massage. Ich zuckte dann und wann zusammen, da ich im Rücken ein starkes Ziehen verspürte. Es war kein Schmerz, aber es war trotzdem nicht immer angenehm. Außerdem stieg eine starke Erschöpfung in mir hoch. Dies alles tat er schweigend und mit einer unheimlich präsenten Konzentration.

„Ich glaube, für heute reicht es.“

Ich öffnete die Augen und er sah mich direkt an.

„Schon ?“ fragte ich enttäuscht. „Ich dachte, wir würden noch etwas Bewegungsübungen machen.“

„Wir müssen das langsam angehen, Sandy. Ich möchte nicht Gefahr laufen, Ihnen wehzutun oder irgendwelchen Schaden anzurichten. Okay ?“

„In Ordnung, Sie sind ja schließlich der Spezialist.“

Ich wollte in Richtung des kleinen Badezimmers gehen, um das Öl abzuduschen, wurde jedoch von Ke Gao zurückgehalten.

„Lassen Sie das Öl bitte drauf. Es ist eine eigene Mischung, in die ich Kräuter und Essenzen gegeben habe, die speziell für Ihren Fall abgestimmt sind und durch die Haut noch eine Weile weiter wirken.“

„Ach, ach so, okay.“

So zog ich mich an und humpelte mit seiner Hilfe wieder nach oben. Die Treppen machten mir ganz schön zu schaffen, aber ich wollte nicht klein beigeben und kämpfte mich hoch. Als ich an Jons Arbeitszimmer vorbeikam, legte er sofort sein Telefon aus der Hand und kam schnellen Schrittes heraus.

„Süße, seid Ihr schon fertig ?“

„Ja, für heute schon.“

„Du schaust müde aus, willst Du Dich hinlegen ?“

Ohne eine Antwort von mir abzuwarten, nahm er mich auf seine Arme und trug mich hoch ins Schlafzimmer. Ich wollte protestieren, aber er hörte nicht auf mich. Vorsichtig legte er mich aufs Bett und setzte sich neben mich. Seine wunderschönen, blauen Augen ruhten auf mir und er begann zu lächeln.

„Jon, Du hast wieder Dein Strahlemann-Lächeln aufgesetzt !“ neckte ich ihn vorwurfsvoll.

„Ich kann nur lächeln, wenn ich Dich ansehe. Honey, Du machst mich zu glücklichsten Mann der Welt !“

„Warum ?“

„Ich bin Dir so dankbar, dass ich das mit meinen Kindern machen kann. Hey, Du bist hier, verletzt und stehst trotzdem zurück ? Ich finde das so toll von Dir !“

„Es ist schon okay. Wie gesagt, bin ich gut versorgt und die drei Wochen gehen ja auch vorüber. Wir beide haben alle Zeit der Welt.“

„Ja, die haben wir.“

Wir küssten uns innig und er kuschelte sich an mich, bis ich eingeschlafen war. Ich wachte auf, als er sich irgendwann später vorsichtig von mir löste und aufstand. Fast lautlos ging er zur Tür und verließ das Zimmer. Gerade wollte ich wieder einschlafen, als ich die leise Stimme von meiner Mam hörte.

Donnerstag, 28. Mai 2009

„Ich weiß es nicht. Die Termine für die kommenden Wochen wurden von Tini und Tom abgesagt. Danach hatten Nine Lives Urlaub für zwei Monate geplant, soviel ich mitbekommen habe. Eigentlich wollten wir in Urlaub fahren, nur wir beide.“

Jon seufzte laut auf.

„Dazu kommt, dass ich übernächste Woche mit meinen Kids wegfahren wollte. Sandy hat darauf bestanden, dass die Kinder vorgehen. Das muss ich auch noch stornieren.“

„Hast Du mit ihr darüber geredet ?“ fragte meine Mam.

„Nein, noch nicht. Aber ich kann sie jetzt unmöglich hier alleine lassen.“

„Ich bin mir sicher, dass sie es verstehen wird,“ sagte Mam. „Wenn Du es ihr erklärst, wird sie ganz bestimmt nichts dagegen haben.“

„Davon bin ich ebenfalls überzeugt,“ kam von Dad.

„Ne, das geht auf keinen Fall ! Ich hätte ein wahnsinnig schlechtes Gewissen. Gut, Ke Gao wäre hier und sie wäre zumindest ein paar Stunden am Tag mit ihrem Training beschäftigt, aber ich würde das nicht übers Herz bringen.“

Durch das Küchenfenster sah ich, wie er seinen Stuhl zurück schob und mit dem Rücken zu den anderen ins Tal hinunter schaute.

„Jon, ich möchte mich nicht einmischen. Aber wie werden es Deine Kinder auffassen, wenn Du die Reise mit ihnen absagst ?“

Nun wusste ich, wem die Stimme gehörte. Es war Ke Gao.

„Daran will ich gar nicht denken !“ antwortete Jon.

Er hatte sich wieder umgedreht und sah total hilflos aus. Ich hatte genug gehört und gesehen und humpelte lautstark durch die Küche hinaus.

„Hallo !“

„Ja, hallo ! Du bist schon wach ?“

Meine Mam war aufgesprungen, um mir auf einen Stuhl zu helfen. Die Blicke aller ruhten auf mir.

„Okay, ich geb zu, ich habe einen Teil Eures Gespräches belauscht. Jon, Du fährst natürlich ! Und ich werde dies nicht mit Dir diskutieren. Schau, ich hab hier doch alles. Rosita versorgt mich, Ke Gao trainiert mich und meine Eltern bleiben einfach noch ein Weilchen länger hier. Mir kann gar nichts passieren und ich bin auch nicht alleine. Außerdem ist Richie die nächsten Wochen ebenfalls da.“

Erwartungsvoll sah ich ihn an. Er war unschlüssig, wie er reagieren sollte.

„Aber….“

„Nichts aber ! Es bleibt wie besprochen. Du fährst. Ich würde mir das niemals verzeihen, überleg mal, wie lange Du sie nicht mehr gesehen hast ? Sie brauchen ihren Vater, auch wenn sie verstehen würden, warum Du hier bleiben möchtest. Sie sind in dieser Sache einfach wichtiger als ich. So, und nun möchte ich einen frischen Kaffee und etwas zum frühstücken. Ich habe nämlich Hunger. Und dann will ich wissen, wie mein Training aussehen wird und wie lange ich noch diese blöden Krücken brauchen werde.“

„Was habe ich vorhin gesagt ? Stur !“ grinste mein Dad.

Jon kam zu mir und kniete neben meinem Stuhl.

„Bist Du wirklich sicher ?“

„Okay, ich bin etwas benebelt von den Tabletten. Aber ich habe durchaus meine lichten Momente. Und so ein Moment ist jetzt gerade.“

Ich drückte ihm einen dicken Schmatzer auf die Wange und nahm einen großen Schluck Kaffee. Endlich konnte ich wieder etwas richtiges und schmackhaftes essen. Durch den Krankenhausaufenthalt und die Hämmer, die ich schlucken musste, war mir der Appetit völlig abhanden gekommen. Dadurch hatte ich einige Kilos verloren und so wie ich jetzt aussah, war ich mir eindeutig zu dünn. Jon hockte immer noch neben mir und sah mich ungläubig an.

„Meinst Du das wirklich ernst ?“

„Sicher, sonst hätte ich es nicht vorgeschlagen !“

„Und es macht Dir nichts aus ?“

„Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, es macht mir nichts aus. Aber es ist okay für mich.“

Er küsste mich zärtlich, flüsterte ein leises „Danke“ und ging zu seinem Stuhl zurück. Ich begann mit meinem Frühstück und wir sprachen über alles mögliche. Während der ganzen Zeit sah mich Jon immer wieder mit einem überraschten Gesichtsausdruck an, so als könne er es immer noch nicht glauben. Dann und wann schüttelte er mit einem feinen Lächeln den Kopf.

Mittwoch, 27. Mai 2009

Kapitel 167

Helles Sonnenlicht kitzelte in meiner Nase und brachte mich zum Niesen. Langsam, ich war die vorsichtigen Bewegungen mittlererweile so gewohnt, hob ich den Kopf und sah auf dem Nachttischchen nach der Uhrzeit. Es war bereits gegen 10.00 Uhr. Ich hatte fast 12 Stunden geschlafen. Das Bett zu meiner Linken war leer und kalt, Jon war also schon länger aufgestanden. Vorsichtig setzte ich mich auf und zog meine Knie an, um diese dann liegend aus dem Bett zu schieben und aufzustehen. Das gemeine Ziehen von den Fußsohlen bis in den Rücken machte mich schwindelig. Auf den Krücken schleppte ich mich ins Bad und stellte mich unter die Dusche. Wenigstens im Stehen hatte ich keine Schmerzen. Das einseifen war allerdings ein Kunststück, dass bewerkstelligt werden musste. Irgendwie bekam ich den Dreh schnell heraus, wie ich mich bewegen musste, damit ich keine Probleme hatte. Und genauso verhielt es sich mit dem Abtrocknen. Es war für mich eine vollkommen neue Erfahrung, so gehandicapt zu sein, ich hatte vorher keinerlei gesundheitliche Probleme, geschweige denn Verletzungen. Alles ging langsamer und musste vorher überlegt werden. Langsam ging mir das gehörig auf die Nerven. Aber ich biss die Zähne zusammen und zog mich an. Sollte ich jemanden rufen, der mir nach unten half ? Oder sollte ich es einfach selbst probieren ?
Schritt für Schritt ging ich die Treppe hinunter, natürlich nicht, ohne mich am Geländer festzuhalten. Mit der anderen Hand stützte ich mich auf eine Krücke. Unten angekommen, stellte ich fest, dass mir das nun überhaupt nichts ausgemacht hatte. In der Küche holte ich mir eine Tasse Kaffee und begab mich auf die Suche nach Jon und meinen Eltern. Da hörte ich von der Terrasse her leises Stimmengemurmel. Gerade als ich durch das Wohnzimmer hinausgehen wollte, hörte ich meinen Namen. Ich tat nicht gerne, was ich da tat, aber irgendetwas zwang mich dazu.

„Sie ist unglaublich stur in manchen Dingen. Auch dort, wo sie es nicht sein sollte. Ich meine, in Situationen, wo sie auf andere angewiesen ist, kann es durchaus vorkommen, dass sie die Hilfe ablehnt und statt dessen versucht, es alleine zu meistern.“ Es war die Stimme von meinem Dad.

„Ja, das habe ich schon gemerkt, aber nun geht es halt nicht anders. Sie muss einfach kapieren, dass es nicht so einfach und schnell geht,“ hörte ich Jon antworten.

„Jon, Du musst dabei wahrscheinlich sehr geduldig mit ihr sein. Sie wird es Dir nicht leicht machen. Sandy ist manchmal unglaublich kompliziert und unberechenbar.“

Jon lachte leise auf.

„Nun, das kenne ich bereits von ihr. Wenn sie einfach wäre, hätte ich vermutlich nicht so um sie gekämpft.“

„Dies ist aber eine andere Situation. Es wird lange dauern, bis die Therapie anschlagen wird und es wird noch länger dauern, bis sie wieder so herumhüpfen kann wie vorher.“

Diese Stimme war mir unbekannt, ich wollte um die Ecke schauen, wem sie gehörte, hatte jedoch Bedenken, dass ich entdeckt werden könnte. An wen erinnerte mich die bloß ?

„Was ist mit ihrer Karriere ?“ hörte ich meinen Vater fragen.

Sonntag, 24. Mai 2009

Kapitel 166 – Ke Gao

Jon schob mich um das Haus herum Richtung Garten. Natürlich verrieten mir die Lampions sofort, um was es sich handelte. Alle waren da.
Die Menschen, die in meinem Leben eine wichtige Rolle spielten. Meine Eltern, Tini und Tom, Nine Lives und Bon Jovi. Und – zu meiner größten Überraschung – die kleine Ava !

„Was….?“ fragte ich fassungslos und drehte mich soweit es mir möglich war, zu Jon um.

Er stand glücklich lachend hinter mir.

„Überraschung gelungen !“ Er gab Richie ein High-Five und die beiden lachten sich an.

„Habt Ihr beide das ausbaldowert ?“

„Jaaa !“ kam es wie aus einem Mund.

Offensichtlich hatten die beiden höllischen Spaß an ihrer Überraschung. Nachdem sie mich mit der allergrößten Vorsicht auf eine Liege gebettet hatten, und ich die Gäste begrüßt hatte, konnte ich mich umsehen. Der Grill war bestückt, Getränke standen bereit, der Garten war witzig geschmückt, Rosita und ein paar Mädchen flitzten herum und kümmerten sich um alles. Entspannt lehnte ich mich zurück. Eigentlich komisch, auf einer Gartenparty dazuliegen, während alle anderen standen. Da fiel mir jemand auf, den ich nicht kannte. Er stand mit dem Rücken zu mir und unterhielt sich gerade mit Jon. Von eher hagerer Statur machte er den Eindruck, dass er sehr drahtig und durchtrainiert war. Ich hatte ihn noch nie gesehen, daher musterte ich ihn eingehend. Irgendwie faszinierte er mich. Als ob er meine Blicke gespürt hatte, drehte er sich zu mir um und sprach noch kurz mit Jon, bevor er Kurs auf mich nahm.

„Hallo, ich bin Ke Gao. Dr. Morris hat Ihnen sicher von mir erzählt.“

Seine Augen ruhten auf mir und schienen in mich zu dringen. Ein sehr intensiver Blick. Ich riss mich davon los und wollte gerade irgend etwas sinnloses sagen, da mir absolut der Zusammenhang fehlte.

„Sandy, das ist der Physiotherapeut, den Dr. Morris empfohlen hat.“

Jon hatte bemerkt, dass ich Schwierigkeiten hatte, mich zu erinnern.

„Sorry, ich habe wohl zuviel Medikamente in mir. Ich bin es normalerweise nicht gewohnt, so viele Tabletten einzunehmen.“

Ich reichte ihm meine Hand, um ihn zu begrüßen.

„Dr. Morris hat mir Ihre Krankenakte zukommen lassen, ich bin also darüber informiert, was Sie verschrieben bekommen hatten und es ist völlig normal, dass Sie sich nicht an alles erinnern können.“

Er drückte meine Hand, die er noch immer sanft in seiner hielt und ließ sie dann los. Wieder sah er mich mit diesem durchdringenden Blick an und blieb weiterhin neben meiner Liege hocken.

„Ke Gao wird sich ausschließlich um Dich kümmern. Er ist nur für Dich da und wird auch hier wohnen.“

„Sie sind nur für mich da ? Den ganzen Tag ?“

Er lächelte ein geheimnisvolles Lächeln.

„Ja, aber wir werden nicht den ganzen Tag trainieren. Anfangs werden wir nur leichte, kurze Übungen machen, die von langen Pausen unterbrochen werden. Wir wollen uns ja nicht überanstrengen ? An manchen Tagen werden wir nur leichte Massagen oder Lockerungen machen. Aber morgen beginnen wir zuerst mit einer gründlichen Untersuchung.“

Ich nickte nur. Jon ging auf der anderen Seite der Liege in die Hocke und sah mich liebevoll an. Dabei strich er mir sanft über die Haare.

„Es ist hoffentlich in Deinem Sinne ?“

Ich sah ihn sehr lange an, bevor ich im antwortete.

„Natürlich. Und ich danke Dir sehr dafür. Danke für alles !“

Er küsste mich unendlich zärtlich und sah mich ebenfalls lange an.

„Wenn es Dir zuviel wird, sagst Du es bitte. Ich möchte unter keinen Umständen, dass Du Dich überanstrengst, okay ?“

„Versprochen !“ gab ich lächelnd zurück.

Ich genoss diesen Abend im Kreis meiner Lieben so sehr, aber ich schaffte es nicht allzu lange. Die bleierne Müdigkeit kam wieder über mich und ich war machtlos gegen sie, so sehr ich mich auch wehrte. Jon half mir die Treppen hoch. Oben angekommen, war ich dermaßen außer Atem, dass ich erst Luft holen musste, bevor ich die paar Schritte ins Schlafzimmer gehen konnte. Wieder traf mich Jons besorgter Blick, in dem auch etwas Hilflosigkeit lag.

„Nun schau nicht so ! Ich bin nur ein wenig aus der Puste !“ lächelte ich ihn an.

„Ist ja auch kein Wunder, nach zwei Wochen Bettruhe.“

Er half mir auf`s Bett und als ich endlich ausgezogen war und lag, nahm er meine Hände in die seinen und gab mir einen Kuss.

„Schlaf schön, Süße ! Wenn Du was brauchst,“ er hielt mein Handy hoch, „rufst Du an.“

„In Ordnung.“

Er küsste mich noch leicht auf die Stirn und löschte das Licht im Zimmer, bis auf die kleine Lampe neben dem Bett. Es waren nur Sekunden, da war ich auch schon eingeschlafen.

Mittwoch, 20. Mai 2009

Kapitel 165 - Heimkehr

Die Tage vergingen, sehr langsam zwar, aber dann war es endlich so weit. Ich durfte die Klinik verlassen. Ich konnte leider nur einige Schritte am Stück gehen, und ohne Krücken war es überhaupt nicht möglich. Die Schmerzen im Rücken waren manchmal unerträglich, und so wurde ich von Jon im Rollstuhl aus dem Krankenhaus geschoben. Richie begleitete uns. Im Erdgeschoß angekommen, hielt Jon an und ging vor mir in die Hocke.

„Honey, ich muss Dich auf etwas vorbereiten. Nein, nicht erschrecken ! Da draußen wartet jede Menge Presse, es wird also nicht ganz einfach werden. Wir wollten durch den Hinterausgang, aber dort stehen sie ebenfalls.“

„Ich werde mit ihnen reden.“

„Du willst mit Ihnen reden ?“

„Ja, ich werde ein paar Fragen beantworten.“

„Fühlst Du Dich stark genug, um das zu tun ?“

„Eigentlich schon, und wenn es mir zuviel wird, kann ich das ganze ja abbrechen, okay ?“

Er zuckte die Schultern und nickte dann.

„In Ordnung, aber wenn ich merke, dass Du Dich überanstrengst, schieb ich Dich einfach weiter.“

Ich musste über seinen entschlossenen Gesichtsausdruck lachen.
Richie hielt die Tür auf und ein nie da gewesenes Blitzlichtgewitter brach über uns herein. Die Reporter brüllten nervös durcheinander, ich konnte kaum etwas verstehen. Schließlich hatten sie es kapiert, dass in dem ganzen Durcheinander überhaupt nichts ging und sie fragten nacheinander.

„Wie geht es Ihren Beinen ?“

„Es geht schon besser, danke.“

„Wann werden Sie wieder gehen können ?“

„Ich werde eine Physiotherapie absolvieren, die Muskulatur im Rücken aufbauen.“

„Was macht die Verletzung am Kopf ?“

„Nun, ich glaube, durch den Sturz wurde da oben einiges wieder gerade gerüttelt,“ versuchte ich zu scherzen. Sie lachten natürlich gefällig.

„Tragen Sie bleibende Schäden davon ?“

„Nein. Außer, dass ich bei Regenwetter sicher nicht mehr mit hohen Absätzen auf der Bühne stehen werde.“

Sie lachten wieder.

„Wo fahren Sie jetzt hin ?“

„Das bleibt mein Geheimnis !“

„Ist das Geheimnis Jons Haus in LA ?“

Ich winkte nur ab und gab Jon ein Zeichen, dass es genug war. Die beiden Jungs hatten dies voraus gesehen und halfen mir rasch ins Auto, da ich ja ohne Hilfe nicht einsteigen konnte und wir rasten zum Flughafen. Dort angekommen, luden die zwei mich wieder aus, schoben mich schnell durch die Kontrollen und wir warteten im VIP-Bereich, bis der Privat-Jet von Bon Jovi bereit war. Jon packte mich dort auf einen Sitz, so dass ich bequem liegen konnte und deckte mich mit einer Decke zu. Vom Flug selbst bekam ich nichts mit, da ich sofort wieder einschlief. Im Unterbewusstsein spürte ich jedoch die ständige Besorgtheit von Jon, er war immer an meiner Seite, hielt mir alles vom Hals und erleichterte mir durch sein umsichtiges Handeln das Ganze unwahrscheinlich. Auch die Fahrt zum Haus nahm ich nicht war.
Doch, als ich sah, welche zwei Menschen vor der Haustüre standen, war ich sofort hellwach und spürte eine riesige Energie in mir.

Meine Eltern ! Sie waren tatsächlich da ! Vor lauter Freude vergaß ich für einen kurzen Moment, dass ich eigentlich nicht alleine gehen konnte, doch der Schmerz, der in meinen Rücken fuhr erinnerte mich sofort daran. Jon hatte den Rollstuhl aus dem Kofferraum geholt, aber ich griff entschlossen nach den Krücken. Richie wollte noch eingreifen, aber ich war trotz allem schneller und stellte mich auf die Gehhilfen.
„Sandy, bitte….“ hörte ich noch Jons Flehen, aber es half nichts. Auf gar keinen Fall wollte ich meinen Eltern noch mehr Sorgen machen und mich im Rollstuhl zu ihnen fahren lassen. Die beiden kamen mir mit besorgten Blicken entgegen. Meine Mam nahm mich augenblicklich in ihre Arme und drückte mich fest an sich.

„Kind, was machst Du denn für Sachen ?“

Sie hielt mich mit einem Arm umschlungen, mit der anderen Hand streichelte sie sachte über meine Wange. Ich sah auf und der Blick von meinem Vater traf mich. Er war sehr ernst. Einen kurzen Augenblick lang überlegte ich, ob meine Verletzung doch schlimmer sein konnte, als ich selbst wusste. Ich drehte den Kopf, um nach Jon zu sehen. Auch sein Blick war bestürzt.

„Ach kommt Leute ! So schlimm ist es doch nun wirklich nicht !“ wiegelte ich ab und bemühte mich, meinen Eltern einen möglichst positiven Eindruck zu vermitteln. Damit war ich allerdings nicht sehr erfolgreich, wie ich an den Blicken der anderen sehen konnte. Richie brach das plötzliche Schweigen, das mir Angst machte, mit seinem Strahlemann-Lächeln und schob den Rollstuhl zu mir hin.

„So Süße, jetzt hast Du genug Held gespielt für heute !“ und drückte mich mit sanfter Gewalt hinein.

„Außerdem wartet noch eine Überraschung auf Dich !“

„Eine Überraschung ? Was für eine denn ?“ fragte ich neugierig.

„Wenn wir es vorher verraten, was ist es dann nicht mehr ?“ fragte Jon ironisch.

Unser Lachen befreite uns von der trüben Stimmung, die sich breit gemacht hatte.

Montag, 18. Mai 2009

Kapitel 165

„Du kannst mir glauben, er hätte viel dafür getan, nicht auf die Bühne zu müssen. Er wirkte wie ein Tiger, der in einem Käfig eingesperrt ist. Wir waren alle wie gelähmt, weil wir nicht wussten, was Dir wirklich passiert ist. Viele liebe Grüße übrigens von Tico, Dave und Hugh !“

„Danke. Wo ist Tini und wo sind meine Jungs ?“

„Tini und Stefan waren die halbe Nacht hier, sie hatten mit mir noch nach Dir geschaut. Bis uns die Schwester weggeschickt hatte. Ich habe noch kurz mit Tom gesprochen. Er arbeitet bereits an einer Mitteilung an die Medien.“

„Ist das Interesse so groß ?“

„Hör mal ! Es kommt ja schließlich nicht jeden Tag vor, dass eine Sängerin auf der Bühne so stürzt. Und bei der unglaublichen Zuschauerquote ist das Interesse natürlich immens. Vor allem, wenn es sich um die absolute Newcomer-Band und die Freundin von Jon handelt.“

Er lächelte mich an.

„Joe hat sich nach Dir erkundigt.“

„Joe ?“

„Ja, er hat es in seiner Garderobe auf den Bildschirmen mitbekommen. Gleich, nachdem sich die erste Aufregung gelegt hat, kam er zu mir und hat nach dir gefragt.“

„Ich habe wohl mächtig für Aufsehen gesorgt !“

„Ja, das hast Du ! Ich soll Dir liebe Grüße und gute Besserung von ihm bestellen.“

„Danke. Richie, ich glaube, ich werde müde.“

„Schlaf ruhig, ich bleibe bei Dir.“

Er strich mir leicht über die Wange. Es wurde dunkel vor meinen Augen und ich glitt hinüber in die Welt des Vergessens.
Wenige Stunden später wachte ich auf. Wieder musste ich mich zwingen, die Augen zu öffnen. Richies Kopf lag neben meiner Schulter auf dem Bett. Er schlief tief und fest. Der Duft frischer Blumen stieg mir in die Nase und ich sah mich neugierig um. Auf dem Nachttisch stand ein riesiger Strauß roter Rosen, daneben lag eine Karte. Ich erkannte Jons Handschrift.

„Hallo Liebes, als kleine Entschuldigung falls Du aufwachst und ich nicht da bin. Ich umarme Dich und küsse Dich. In Liebe Jon.“

Er war so süß ! Er war doch nur zu Richie gefahren, um zu schlafen. Und doch dachte er an mich ! Ich legte mich zurück und war gerade wieder am eindösen, als die Tür einen kleinen Spalt aufging und Tini`s Kopf zum Vorschein kam.

„Oh, wie schön ! Du bist wach !“

Sie kam an das Bett, küsste mich auf beide Wangen und strahlte mich an. Dann fiel ihr Blick auf Richie und sie lächelte.

„Wie geht es Dir ?“

„Ach, geht schon. Ich hab nur wahnsinnige Kopfschmerzen und spüre meine Beine nicht.“

„Ich hab es schon gehört, ich hab gerade mit der Schwester gesprochen. Aber das wird ja bald wieder. Ach, übrigens ! Du hast es in die Nachrichten geschafft !“

„Wie in die Nachrichten ?“

„Tom hat im Internet gestöbert und ist auf einen Bericht in den Spätnachrichten gestoßen. Sie brachten einen Film über das Konzert und Deinen Sturz. Außerdem wurde Dein Transport auf der Trage gesendet.“

„Das ist nicht wahr ?“

„Doch. Jon und Richie waren auch einige Male zu sehen.“

„Hier in den Staaten ?“

„Jep, und auch in Europa.“

Ich wollte meinen Kopf schütteln, ließ das aber sofort wieder bleiben.

„Jon war völlig von der Rolle. Er hat sich mächtig Sorgen um Dich gemacht und so manches Mal dachte ich, jetzt tickt er aus. Ich möchte nicht wissen, was er gemacht hätte, wenn irgendjemand einen Fehler gemacht hätte. Derjenige wäre hundertprozentig von ihm gelyncht worden.“

„Er hat die ganze Nacht an meinem Bett gesessen.“

„Ja, und nichts auf der Welt hätte ihn davon abgehalten.“

Sie sah mich aufmerksam an.

„Süße, ich bin so froh, dass nichts ärgeres geschehen ist. Zum ersten Mal habe ich richtig Angst um Dich gehabt. Ich fühlte mich so hilflos, heute Nacht.“

„Es tut mir leid, dass ich Euch so große Umstände mache. Aber….“

„Sag mal, spinnst Du ? Es war ein Unfall und Du kannst nichts dafür !“

Sie schüttelte ungläubig den Kopf.

„So was kann auch nur Dir einfallen !“

Plötzlich musste ich an meine Eltern denken.

„Tini, wissen meine Eltern Bescheid ?“ fragte ich aufgeregt.

„Ja, natürlich. Wir haben sie gestern Abend gleich angerufen. Ich hab ihnen allerdings nichts davon gesagt, dass Du nicht bei Bewusstsein warst. Sie wissen nur, dass Du unglücklich gestürzt bist und im Krankenhaus zur Beobachtung bist.“

„Gott sei Dank !“

„Ja, wäre echt übel gewesen, wenn sie es wieder aus den Medien erfahren hätten.“

Sie plapperte noch eine Weile munter drauflos, war sehr besorgt um mich, doch dann musste sie zurück zu Tom. Die beiden hatten ja schließlich eine Menge Mehrarbeit mit den Presseerklärungen, außerdem mussten sie die restlichen Termine, die wir für die kommenden Wochen hatten, absagen. Als sie gehen wollte, kamen meine vier Jungs hereinmarschiert. Ihr Anblick brachte uns Mädels zum Lachen. Jeder von ihnen hielt einen kleinen Strauß in der Hand, und alle hatten den gleichen. Es war so süß, wie sie da standen. Von unserem Lachen erwachte auch Richie und er lachte herzlich mit. Sie waren natürlich ebenfalls sehr besorgt, vor allem Stefan. Aber als sie sahen, dass es mir einigermaßen gut ging, begannen sie mit ihren üblichen Frotzeleien und Witzen.
Ich war ziemlich erschöpft, als sie gingen. Richie blieb, bis Jon wieder kam. Er sah wieder besser aus, die schwarzen Augenringe waren verschwunden und er wirkte insgesamt frischer.

„Hast Du geschlafen ?“ fragte ich.

„Ja, ein wenig.“

Er setzte sich auf den Rand des Bettes und küsste mich leicht auf die Stirn.

„Vielen Dank für die schönen Rosen, ich hab mich sehr darüber gefreut.“

Er strahlte mich mit seinem unglaublichen Lächeln an.

„Sie sind aber nicht so schön, wie Du !“

„Schmeichler ! Ich sehe bestimmt unheimlich sexy aus mit meinem Kopfverband !“

„Jaaahhhh !“ Er lachte. Doch dann sah er mich durchdringend an.

„Was ?“ fragte ich und in diesem Moment wusste ich, dass er an etwas bestimmtes dachte.

„Ich habe mit dem Arzt gesprochen. Ich möchte Dich nach Hause holen, nach Los Angeles. Er meinte, spätestens Mitte nächste Woche könntest Du das Krankenhaus verlassen.“

„Ehrlich ?“

„Ehrlich ! Dr. Morris setzt sich heute noch mit dem Therapeuten in Verbindung, den er vorgeschlagen hat und dann kannst Du sofort mit Deinem Training beginnen.“

„Oh, Jon ! Das freut mich so ! Ich dachte schon, ich muss ewig hier bleiben !“

„Das würde ich nie zulassen, das weißt Du. Zuhause kannst Du Dich bestimmt besser erholen, als hier.“

Er sah mich liebevoll an.

„Ich bin echt dankbar, dass Dir nichts schlimmeres zugestoßen ist. Das hätte ich mir nie verziehen.“

„Jon, Du kannst doch nun wirklich nichts dafür !“

„Ich weiß es nicht. Sonst stehe ich immer an der Seite der Bühne und dieses Mal habe ich mich vor dem Regen verdrückt. Vielleicht….“

„Hey ! Was hättest Du denn tun wollen ? Du hättest mich auch nicht auffangen, oder sonst wie davor bewahren können.“

Seine Miene sprach Bände. Er machte sich tatsächlich Vorwürfe !

„Jon, das bringt doch nichts ! Ich wäre trotzdem gestürzt, ob Du da gestanden wärst oder nicht ! Mach Dir bitte keine Gedanken darüber !“

Er kuschelte sich an mich, war dabei äußerst vorsichtig, als ob er Angst hätte, mir weh zu tun. Wir schliefen zusammen ein.

Donnerstag, 14. Mai 2009

Kurz darauf kam sie mit dem Arzt zurück, der meinen Verband leicht löste und die Wunde begutachtete. Danach schlug er die Bettdecke zurück, tastete meine Beine ab und testete meine Reflexe.

„Sie haben Glück gehabt. Sie treiben viel Sport ?“

Er prüfte meinen Blutdruck und fühlte meinen Puls.

„Ja.“

„Wären Sie nicht so durchtrainiert, hätte das anders ausgehen können. Aber so kommen Sie mit Lockerungsübungen und Aufbautraining davon.“

„Aufbautraining ?“

„Ja, Sie werden Ihre Wirbelsäule stärken müssen. Weiter werden Sie in den nächsten Wochen Lähmungen in den Beinen haben, die dann und wann auftreten werden. Für die Wirbelsäule gibt es ein sehr effektives Programm. Allerdings nur mit sehr leichten Übungen und wenig Gewichten. Sie müssen hier sehr vorsichtig vorgehen und jeglichen Leichtsinn vermeiden, sonst könnte es sein, dass sie nicht mehr gehen können, oder die Schmerzen konstant vorhanden sein werden. Kennen Sie hier einen Physiotherapeuten ?“

„Nein, ich lebe ja eigentlich nicht in den Staaten.“

„Ach so. Ja, dann werde ich mich für Sie nach einem umsehen.“

„Ich will, dass sie den besten bekommt ! Und mit dem besten meine ich den besten !“ mischte sich Jon ein.

„Natürlich, Mr. Bongiovi. Das versteht sich doch von selbst. Ein Freund von mir arbeitet in einem Spa-Center in Los Angeles, in dem meist Prominente verkehren. Er ist äußerst verschwiegen und diskret. Er hat sehr viele Privatpatienten. Und er ist einer der besten.“

Richie kam mit zwei Bechern Kaffee zurück und begrüßte den Arzt.

„Wann können wir beide wieder joggen ?“ versuchte er zu scherzen.

„Die nächsten Wochen sicherlich nicht. Miss Reed wird noch eine Weile auf Krücken angewiesen sein und Joggen ist für sie absolut tabu, da die Belastung beim Joggen für ihre Wirbel Gift wäre.“

„Dann geh ich eben mit Dir zur Krankengymnastik !“ grinste er.

„Wir sollten uns außerdem über die Pressemeute Gedanken machen, die den Eingang unseres Krankenhauses blockiert,“ warf Dr. Morris ein.

„Wir werden nachher mit dem Manager von Miss Reed reden. Es tut uns leid, dass wir Ihnen Unannehmlichkeiten bereiten,“ entschuldigte sich Jon.

„Sie können ja nichts dafür, es sollte kein Vorwurf sein. Ich bin mir sicher, es wäre Ihnen ohne den Presserummel auch lieber.“

Der Arzt nickte freundlich in die Runde und verabschiedete sich.

„Jon, fahr zu mir nach Hause und ruh Dich eine Weile aus.“

„Nein, ich ….“ wehrte er ab.

„Komm schon, Du bist total übermüdet. Leg Dich hin und schlaf ein paar Stunden. Ich bleibe bei Sandy.“ Er streckte Jon seine Schlüssel hin.

Dieser zögerte unschlüssig.

„Geh ruhig, Richie ist ja da !“

„Sicher ?“

„Ganz sicher !“ antworteten Richie und ich wie aus einem Mund.

Ich sah, dass Jon erleichtert war. Es fiel ihm nicht leicht, aber er wusste, es war das Beste. Er beugte sich über mich und küsste mich liebevoll zum Abschied.

„Und keinen Blödsinn machen, versprochen ?“

„Hoch und heilig !“ versprach ich.

„Danke, Rich !“ Er lächelte seinen Freund erschöpft an.

„Schon okay ! Und jetzt geh endlich !


Richie berichtete mir von den Vorkommnissen des vergangenen Abends. Wie das Konzert unterbrochen wurde, von den anderen Musikern, die sich besorgt nach mir erkundigt hatten. Von ihrem Auftritt und von Jon.

Dienstag, 12. Mai 2009

Kapitel 164

Szenenwechsel:

Mein Kopf dröhnte wie nie zuvor. Mein ganzer Körper schmerzte. Komisch, das Bettzeug fühlte sich total anders an. Ich wollte mich zur Seite drehen, es ging nicht. Mit einiger Anstrengung gelang es mir, meine Augen zu öffnen. Wo war ich ? Das alles sah nach Krankenhaus aus. Doch dann kam die Erinnerung mit aller Macht zurück. Das Konzert, ja. Der Regen, der Sturz. Jon saß neben meinem Bett und sah mich ungläubig an. Ob ich ein Lächeln zustande brachte, weiß ich nicht, auf jeden Fall versuchte ich es.

„Honey, ich bin so froh…. Ich kann Dir gar nicht sagen wie….“ stotterte er und fasste nach meinen Händen. Er sah mich mit einem liebevollen, aber auch sehr besorgten Blick an.

„Küss mich,“ verlangte ich und er beugte sich über mich und gab mir einen kleinen, sehr vorsichtigen Kuss. Sein Gesicht war eingefallen, fast spitz. Dunkle Augenringe hatten sich um seine Augen gelegt.

„Welcher Tag ist heute ?“

„Es ist Sonntag Morgen.“

„Der Sonntag Morgen nach dem Konzert ?“

Er nickte nur.

„Warst Du die ganze Nacht hier ?“

Wieder konnte er nur nicken.

„Jon, das hättest Du nicht machen müssen. Du hattest doch auch einen anstrengenden Tag und brauchst Deinen Schlaf !“

„Keine Sekunde hätte ich schlafen können, so lange ich nicht weiß, wie es Dir geht !“

Ich wollte mich aufrichten, um ihn in die Arme zu nehmen, aber ich konnte es nicht. Das Stechen in meinem Kopf wurde unerträglich und ich merkte, dass ich fast kein Gefühl in meinen Beinen hatte. Ich erschrak.

„Bleib liegen, Liebes !“ Er drückte meine Schultern sanft zurück auf das Kissen.

„Was ist mit mir ?“

„Du hast eine mächtige Platzwunde am Kopf. Im Fallen hast Du Dir ein Bein verdreht.“

„Ich spüre meine Beine nicht !“ rief ich verzweifelt aus.

„Bleib ruhig, es ist nicht so schlimm ! Du musst wahrscheinlich eine Weile liegen und danach Krankengymnastik machen.“

Die Tränen rannen mir über die Wangen. Die Gedanken in meinem Kopf überschlugen sich. War es wirklich nicht so tragisch, oder wollte er mir nur keine Angst machen ? Ich spürte ein ohnmächtiges Gefühl in mir aufsteigen. Doch da öffnete sich langsam die Tür und Richie streckte seinen Kopf herein.

„Hey ! Na, wer wird denn weinen ?“

Sein Gesicht wirkte ebenfalls übernächtigt und er bemühte sich, fröhlich zu wirken. Er fasste nach meiner Hand und drückte mir einen Kuss auf die Stirn.

„Ich habe gerade mit einem Arzt gesprochen der Dich heute Nacht behandelt hat.“

„Und ?“ Jon fuhr auf.

„Es ist wirklich nicht so schlimm, wie wir befürchtet haben. Du hast eine mächtige Gehirnerschütterung davongetragen.“

„Und meine Beine ?“ rief ich ungeduldig.

„Nun, da Du ja wieder einmal wie ein Derwisch über die Bühne gefegt bist, warst Du ziemlich schnell im Fallen. Dabei hat sich Dein rechtes Bein verdreht. Der Arzt meint, dass dabei eine Zerrung entstand, und außerdem hat sich ein Wirbel verdreht. Sie haben Dir Mittel gespritzt, die Deinen Rücken und Deine Beine ruhig stellen, damit sich alles entspannen kann. Deswegen kannst Du Dich nicht bewegen.“

Etwas beruhigt sank ich in die Kissen zurück. Jon sah mich immer noch besorgt an und streichelte unablässig meine Hand.

„Was machst Du eigentlich schon so früh hier ?“ fragte er nun an Richie gewandt.

„Ich konnte nicht schlafen. Zuerst fuhr ich ins Hotel zu Tini und den anderen, um Sandys Tasche zu holen. Dann fuhr ich zu meinem Haus, duschte schnell und hab mich eine Weile hingelegt. Das hat aber nichts gebracht und so bin ich dann wieder hierher gekommen. Ich kann Euch beide doch nicht allein lassen ?“

Verschmitzt grinste er uns an.

„Aber ich glaube, ich hol jetzt mal frischen Kaffee !“

Er ging aus dem Zimmer.
Eine Schwester erschien und blickte erstaunt auf mich.

„Ja, das ging aber schnell ! Sie sind ja schon wieder bei Bewusstsein ! Bei der guten Pflege ist das aber auch kein Wunder. Der junge Mann hier ist heute Nacht keine Sekunde von ihrer Seite gewichen !“

Sie kontrollierte meinen Verband um den Kopf und meinte dann:

„Jetzt holen wir am besten gleich Dr. Morris, Sie werden sicher mit ihm sprechen wollen.“

Montag, 11. Mai 2009

Kapitel 163 - Eine schlaflose Nacht

„Hier !“

Mühevoll öffnete er die Augen. Tini hielt ihm einen Becher Kaffee hin.

„Danke !“ sagte er nur und wischte sich die Augenwinkel.

Sie warteten und nichts geschah. Der Gang war wie ausgestorben in dieser langen Samstagnacht. Irgendwann erklangen Schritte. Sie sahen, wie Tom und Richie auf sie zugehastet kamen.

„Wie geht es ihr ?“ fragten sie.

„Wir wissen es nicht. Sie untersuchen sie noch.“

„Es ist sicherlich nicht so schlimm wie es aussieht ! Ich habe mit einigen Leuten gesprochen, die es beobachtet haben.“ Tom wollte alle beruhigen.

„Und die Kopfwunde ? Sie ist nicht ansprechbar ! Soll das harmlos sein ?“ fuhr ihn Jon an.

„Nein, natürlich nicht. Aber sie wurde gleich versorgt und die Sanitäter haben auf mich den Eindruck gemacht, dass sie wussten, was sie tun. Der Notarzt, der gleich dazu kam, hat mir gesagt, es wäre normal, dass sie nicht da war. Das wäre wohl immer so.“

Jon zerdrückte seinen Becher in seinen Händen.

„Und was, wenn es doch schlimmer ist ?“

„Jon, das wissen wir auch nicht. Wir müssen warten, es hilft alles nichts.“ Tini hatte sich vor ihn gekniet und hielt seine Hände. Dann stand sie auf und kümmerte sich um Stefan, der die ganze Zeit nichts gesagt hatte, sondern nur still vor sich hinsah.

„Steff….“

„Ich kann mir das gar nicht vorstellen, wenn sie ….“ Er sah hilflos um sich.

„Jetzt nehmt mal nicht das allerschlimmste an. Sandy ist ein zähes Persönchen, die kann einiges wegstecken. Außerdem ist sie durchtrainiert und fit, das wird ihr sicher helfen !“

Richie stand in der Mitte und machte einen so unerschütterlichen, optimistischen Eindruck, der allen anderen ein Fünkchen Hoffnung gab.

Eine Schwester erschien. Alle wandten sich ihr augenblicklich zu. Sie lächelte freundlich in die Runde, bevor sie ihre Auskunft gab.

„Sie schläft. Es ist nicht ganz so schlimm, wie es aussah. Die CT hat ergeben, dass sie keine weiteren Verletzungen davon getragen hat, die Wunde am Kopf ist nur eine Platzwunde. Eine sehr große, aber glücklicherweise nur eine Platzwunde. Was eventuell länger dauern wird, ist ihr rechtes Bein. Sie hat hier eine ziemliche Zerrung, die sich leider auf ihren Rücken überträgt. Zudem ist ein Wirbel, sagen wir mal, vorn über gefallen. Wir haben ihr ein Mittel gespritzt, das die Beine ruhig stellt.“

„Was bedeutet das ?“ fragte Jon ungeduldig.

„Sie wird einige Zeit liegen und danach ein paar Monate Krankengymnastik machen müssen, das wird wieder. Allerdings nur, wenn sie sich genau an die Therapie hält und sich schont.“

„Kann ich zu ihr ?“

„Ja, sie schläft aber. Und das sollte auch so bleiben.“

„Ich werde sie nicht wecken. Ich möchte nur bei ihr sein.“ Jon sah sie bittend an.

„In Ordnung. Sie können alle schnell nach ihr schauen, aber über Nacht bleiben kann nur einer ! Es wäre am besten, wenn ihr Mann oder Freund bei ihr wäre, wenn sie aufwacht.“

Als alle bei ihr gewesen waren, ging Jon hinein. Richie wollte das Zimmer gerade verlassen.

„Soll ich draußen warten heute Nacht ?“

„Nein, Rich. Danke. Du könntest morgen früh ein paar Sachen für sie bringen, wärst Du so nett ?“

„Natürlich !“ Er klopfte Jon noch auf die Schulter und ging.

Er zog einen Stuhl nahe an das Bett heran und stützte den Kopf auf seine Fäuste. Sie lag friedlich schlafend da. Vorsichtig strich er eine Locke aus ihrem Gesicht.
Sonst war er bei ihren Auftritten immer am Bühnenrand gestanden und hatte ihr zugesehen. So, wie sie das auch immer bei ihm getan hatte. Nur heute, weil es regnete, hatte er sich ins Trockene verzogen, und die Show über die Bildschirme im Catering-Bereich verfolgt. Hätte er etwas tun können, wäre er dort gewesen ? Wäre es vielleicht nicht passiert ? Er griff nach ihrer Hand und hielt sie.

„Lass mich nicht allein !“ flüsterte er.

Sie bewegte sich fast unmerklich und ihr Kopf drehte sich ein kleines Stück zu ihm.
Er blieb die ganze Nacht an ihrem Bett und wich nicht von ihrer Seite. Nicht einmal Kaffee holen traute er sich. Die Schwester erbarmte sich und brachte ihm einen Becher.

„Wenn Sie zur Toilette müssen, sagen sie es mir einfach. Ich bleibe dann so lange hier.“

„Danke. Vielen Dank.“

In den späten Morgenstunden kam sie endlich wieder zu sich.

Mittwoch, 6. Mai 2009

Kapitel 163 - Ungewiss.....

„Jon, wir haben jetzt unseren Gig. Das Konzert wurde unterbrochen und das Publikum verlangt nach uns.“

Tico war es sichtlich unangenehm, das zu sagen.

„Ich kann jetzt nicht auf die Bühne und einen auf Party machen !“ schimpfte Jon.

„Du weißt, dass es keine andere Möglichkeit gibt !“ mahnte nun Richie.

„Manchmal hasse ich diesen Job.“

Nervös griff er nach seinen Zigaretten. Hastig nahm er ein paar Züge, bevor er weiter sprach.

„Okay, wir gehen auf die Bühne. Ich sage ein paar Worte, beschwichtige und wiegele ab. Das wird auch hoffentlich die Journaille in Schach halten. Wir spielen unsere Setlist. Die Leute haben mitgekriegt, was passiert ist. Sie werden sicherlich verstehen, dass es heute etwas kürzer zugeht und ich nicht vor lauter Freude explodieren werde.“

Die Umstehenden nickten zustimmend und Bon Jovi verließ den Raum. Jon ging voran, mit gesenktem Kopf. Er konnte es in diesem Augenblick nicht ertragen, von jemandem angesprochen und angestarrt zu werden. Sie betraten die Bühne und Beifall brandete auf. Etwas verhaltener wie sonst, vielleicht etwas unsicher.

„Hallo, ich freue mich sehr, dass Ihr heute alle hier seid. Ihr habt ja mitbekommen, dass es hier auf der Bühne einen kleinen Unfall gegeben hat. Meine Freundin, Sandy Reed ist gestürzt. Sie ist jedoch bereits auf dem Weg ins Krankenhaus und in den besten Händen. Es geht ihr bereits wieder besser.“

Er hasste sich für diese Worte. Und er hasste seinen Job.
Ohne Spielfreude, ohne Elan und ohne die üblichen Sprüche, die Jon sonst immer zum besten gab, brachte er den Auftritt hinter sich. Es kam ihm endlos vor und es quälte ihn. Entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit gaben sie keine Zugabe. Die ganze Band verabschiedete sich vom Publikum so schnell wie möglich. Jon rannte die Gänge entlang, sprang in eines der Fahrzeuge, die bereit standen und ließ sich zum Krankenhaus bringen. Die Fahrt kam ihm endlos vor. Immer wieder trieb er den Fahrer an, schneller zu fahren. Dort angekommen, fragte er sich hektisch durch, bis er endlich im richtigen Stockwerk, im richtigen Flur angekommen war. Er sah Stefan und Tini vor einer Tür stehen und lief auf die beiden zu.

„Wie sieht es aus ? Wie geht es ihr ?“

Er blickte in zwei betretene Gesichter. Tini hatte sich als erstes gefasst und atmete tief ein, bevor sie antwortete.

„Sie ist immer noch weg. Die Schwester meinte vorhin, das wäre normal. Sie hat eine Platzwunde von dem Aufprall auf der Box davon getragen. Im Moment ist sie bei einer CT, um festzustellen, ob am Schädel irgendwelche Verletzungen sind.“

„Sag, dass das nicht wahr ist !“

„Leider doch, Jon. Sie ist wie immer über die Bühne gefegt, Du kennst sie ja. Bevor sie zu Fall kam, hatte sie ein ganz schönes Tempo drauf. Sie ist, na ja, ziemlich hart aufgeprallt.“

Jon stand vor Tini und bewegte sich nicht. Er sah sie nur an, ohne jegliche Regung in seinem Gesicht. Dann sank er auf einen Stuhl und lehnte den Kopf an die Wand. Er schloss seine Augen.

Bilder von ihr tauchten vor ihm auf. Wie sie bei ihrem ersten Treffen schüchtern vor ihm stand, und vor lauter Aufregung kein Wort herausbrachte. Wie sie ihn später angefaucht hatte, als er sie überreden wollte, mit ihm noch auszugehen. In Kanada, als sie mit tropfend nassen Haaren und nur in ein Handtuch gewickelt vor ihm stand. Der Kuss, den sie ihm gab, vor ihrer Zimmertür, als sie ihm eine gute Nacht wünschte. Wie sie auf dem Fensterbrett saß, als er in ihr Zimmer geschlichen war, in ihrer ersten Nacht in LA. Ihre erste Nacht, das erste Mal. Wie ihre Augen aufblitzten, wenn er mit ihr schlief. Ihr Blick, als sie ihm ihren Ring schenkte. Ihr erster Tanz in Kanada. Ihre Nervosität, als sie dort zum ersten Mal an seiner Seite auf die Feier ging. Wie sie mit Ava, über und über mit Schokolade beschmiert, in der Küche stand und Muffins machte. Wenn sie vom Joggen zurückkam, ausgepowert und mit geröteten Wangen. Ihr Lachen. Ihr Blick. Ihre Augen. Immer und immer wieder.

Dienstag, 5. Mai 2009

Kapitel 163 - Der Sturz

Szenenwechsel:

„Hey, Jon ! Sandy ist was passiert !“

Aufgeregt riss Dave an Jons Arm, der sich gerade eine frische Wasserflasche geholt hatte. Augenblicklich entglitten Jons Gesichtszüge und ein fassungsloser, verständnisloser Ausdruck wich seinem Lächeln. Erschrocken sah er Dave an.

„Was ? Wie ?“

Dave zog ihn wortlos mit sich. Er rannte Dave hinterher Richtung Bühne. Richie lief ihnen aufgeregt entgegen und fuchtelte mit den Armen. Jon stieß ihn weg und drängelte sich durch die Menschenmenge, die sich gebildet hatte.

„Was zum …. ! Zum Teufel, lasst mich doch durch !“

Rücksichtslos schob er die Leute, die im Weg waren, zur Seite. Er wurde wütend, als einige nicht zu reagieren schienen und er wurde auch laut. Als er es endlich geschafft hatte, sah er die Trage und die Sanitäter, die sich um Sandy kümmerten. Sie versuchten, ihn zu beruhigen. Doch es hatte keinen Zweck.

„Was ist passiert ? fragte er mit zitternder Stimme. Er kniete neben der Trage und sah mit sorgenvoller Miene auf seine Freundin. Ihre langen Locken waren voll mit ihrem Blut. Die Augen waren geschlossen.

„Sie ist gestürzt und mit dem Kopf auf eine Box aufgeschlagen.“

„Wo bringt Ihr sie hin ?“

Die Sanitäter nannten ihm das Krankenhaus und befestigten die Gurte, damit sie beim Transport nicht herunterfallen konnte. Genauso entschlossen und ohne Rücksicht auf Verluste wie vorher bahnte Jon den Weg frei, damit sie so schnell wie möglich aus dem Stadion kommen konnten. Wie immer in einer Extremsituation reagierte er instinktiv aus dem Bauch heraus. Nach außen ruhig, strukturiert und doch energisch tat er instinktiv genau das, was er sollte. Richie versuchte ihm dabei so gut es ging zu helfen. Am Krankenwagen angelangt, fragte Jon nervös:

„Was ist mit ihr ?“

„Wir können es noch nicht mit Sicherheit sagen, sie hat wahrscheinlich eine heftige Zerrung im Bein, da sie ausgerutscht ist und ein Bein ziemlich abgespreizt war. Dazu kommen noch Prellungen, die aber eher leicht ausfallen dürften.“

„Und was ist mit ihrem Kopf ?“

Die beiden zögerten.

„So redet doch endlich !“ Seine Stimme war nun panisch geworden. „Warum ist sie nicht bei Bewusstsein ? Und warum blutet sie so stark ?“
Er starrte die beiden an.

„Mr. Bongiovi, beruhigen Sie sich doch bitte. Wir können erst nach einer gründlichen Untersuchung eine genaue Diagnose stellen, alles andere wäre reine Spekulation. Sie verstehen das sicher.“

Eine Hand legte sich auf seine Schulter.

„Jon, komm, lass sie ihre Arbeit tun. Wir müssen abwarten.“

Er drehte sich um und sah Richie hinter sich stehen, der ihn besorgt ansah. Der Krankenwagen fuhr mit rasantem Tempo davon und Jon sah ihm lange nach. Er hörte weder die Fragen der Journalisten, noch bemerkte er das Blitzlichtgewitter. Richie legte behutsam einen Arm um seine Schulter und zog ihn sanft aus der Schusslinie.

„Komm !“ sagte er leise.

Die beiden gingen zurück in die Garderobe. Jon ließ sich auf den nächst besten Stuhl fallen und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Richie sagte nichts. Er ließ ihn. Nach einer Weile ging ein Ruck durch Jon, er richtete sich auf und fuhr durch seine Haare.

„Rich, was ist geschehen ? Was ist ihr passiert ?“

„Ich habe nur gesehen, dass sie gerutscht ist und gefallen ist. Hast Du den Auftritt nicht verfolgt ?“

„Doch, bis zu jenem Moment. Ich war nur kurz abgewandt, um mir was zu trinken zu holen. Verdammt !“

Die Tür öffnete sich und Tico, Dave und Hugh kamen herein. Alle schwiegen. Die Tür öffnete sich wieder und Stefan kam hinzu. Auch er wusste nicht, was er sagen sollte. Jon stand auf und trat vor ihn.

„Steff, wie ist das passiert ?“

„Die Bühne war klatschnass, sie hatte die ganze Zeit schon Schwierigkeiten mit dem nassen Boden. Ja, dann sah ich, wie sie hinfiel. Als ich zur ihr hingerannt bin, war sie schon nicht mehr ansprechbar.“

„Himmel !“ stöhnte Jon auf. „Was war dann ?“

„Es kamen gleich drei oder vier Typen von der Security, die Planen als Sichtschutz ausgebreitet haben, ja und dann waren auch schon die Sanis da. Kurz darauf kamst Du.“

Jon tigerte auf und ab.

„Ich will sofort zu ihr ins Krankenhaus !“

Samstag, 2. Mai 2009

Kapitel 163

Der Flug verlief ruhig, Jon hatte die ganze Zeit seinen Arm um mich gelegt, hielt eine meiner Hände oder kuschelte sich an mich. Seine Blicke verrieten mir, dass es ihm sehr leid tat, dass wir gestern fast gestritten hätten. Streit, ich konnte mir das mit ihm beim besten Willen nicht vorstellen. Nie im Leben konnte ich mir vorstellen, dass wir uns anbrüllten, oder böse aufeinander waren.

In LA angekommen, fuhren wir zu Jons Haus, meine Jungs verabschiedeten sich wieder in ihr Party-Hotel. Ava schlief im Auto auf Jons Schoß sofort ein. Langsam kam die Müdigkeit auch über mich und ich war froh, als ich meine Tasche im Schlafzimmer abstellen konnte.

„Hey, ich bin froh, dass wir wieder zuhause sind !“ Jon warf sich geschafft auf das Bett.

„Ich auch !“

Ich packte unseren Kram aus und räumte die Toilettenartikel ins Bad. Als ich zurückkam, war er bereits weggedöst. Sein Anblick, wie er dort lag, mit einem zufriedenen Ausdruck im Gesicht ließ mich zerfließen. Eine unendliche Zärtlichkeit kam über mich und ich kuschelte mich vorsichtig an ihn.

Leise flüsterte ich ihm ein „Ich liebe Dich“ zu. Ein kleines Lächeln huschte über sein Gesicht und er legte seinen Arm um mich.

Die nächsten Wochen verliefen, soweit man das bei diesem Leben sagen kann, ruhig. Wir spielten die Konzerte und es war ein wahrer Triumphzug. Die Menschen in den Staaten feierten uns, und es zeigte sich, dass sich Jons Strategie auszahlte. Er war es, der durch seine penible Art, die Konzerte im Vorfeld bis in das kleinste Detail vorzubereiten, die Tour zu einem wahnsinnigen Erfolg gemacht hatte. Die Bands, die teilnahmen, wurden von den Medien gefeiert. Auch die Plattenverkäufe stiegen unglaublich an, manche Bands, die länger kein neues Album herausgebracht hatten, verzeichneten bei den vorangegangen einen wahren Hype. Und bei uns tat sich auch einiges.

Wir wurden in Talkshows eingeladen, wurden fotografiert, gaben Interviews bei den Radiostationen. Die Zeit verging wie im Flug und dann war es soweit.
Wir flogen nach New Jersey, die Homebase – so wurde die Heimat von allen Bon Jovis genannt. Dort, im Giants angekommen, merkten wir sehr bald, dass die Jungs ganz schön aufgeregt waren. Es war für sie ein besonderes Erlebnis, hier zu spielen. Allerdings spielte das Wetter an diesem Tag überhaupt nicht mit. Es regnete in Strömen. Jon spielte gerne im Regen, er hatte mehrfach betont, dass er das sehr sexy fände. Ich kann dem auch heute absolut nichts abgewinnen. Mir ist es allemal lieber, bei warmem Sommerwetter auf der Bühne zu stehen. Die Roadies schoben das Wasser immer wieder weg, jedoch goss es bei unserem Auftritt wie aus Eimern. Ich hatte Mühe, nicht auszurutschen und versuchte, meine Bewegungen einzuschränken.

Es passierte trotzdem.

Freitag, 1. Mai 2009

„Nein, aber ich komme mir trotzdem so vor. Einer von den Drinks war wohl schlecht. Mann, langsam werde ich wirklich zu alt für so was !“

Er setzte sich und nahm seine Sonnenbrille ab.

„Lass die mal besser auf !“ frotzelte Richie.

Tico griff stöhnend nach der Kaffeekanne und schenkte sich ein.

„Ihr solltet mal Dave und Hugh sehen ! Ach, besser nicht !“

Wir folgten seinem Blick und sahen die beiden, ebenfalls mit Sonnenbrillen bewaffnet, in den Saal treten. Gebückte Haltung, schleichender Gang. Sofort war erkennbar, dass hier nicht nur schwarzer Kaffee helfen würde. Jon stand auf, ging zum Büffet und holte die Karaffe mit Wasser. Er löste für die drei Kopfschmerztabletten auf und streckte einem nach dem anderen die Gläser hin.

„Austrinken !“

„Was würden wir nur ohne unseren Onkel Doktor machen ?“ murmelte Dave.

„Unter Brücken schlafen zum Beispiel ?“ gab Jon zurück. „Warum schüttet Ihr Euch eigentlich jedes Mal nach einem Konzert so zu ? Langsam müsstet sogar Ihr kapiert haben, dass es Euch nicht gut tut !“

„Jon, Du hast leicht reden ! Du hast eine schöne Frau, die Dein Zimmer teilt ! Wir armen Sünder dagegen….“ winkte Tico ab.

„Da kommen noch vier arme Sünder !“

Wir sahen vier weitere, erbarmungswürdige Gestalten hereinkommen. Meine Jungs.

„Hast Du noch Tabletten ?“ fragte ich an Jon gewandt.
Er war jedoch bereits aufgestanden, um frisches Wasser und Gläser zu holen.
Die vier ließen sich auf die Stühle fallen. Wir waren ja wirklich eine tolle Gesellschaft ! Sieben, sicherlich immer noch mit genügend Restalkohol versehene Männer, drei nüchterne Personen und ein kleines Mädchen, das verständnislos von einem zum anderen schaute. Jetzt fehlte nur noch Tini und Tom. Die wie auf Kommando und wie in einem schlechten Film auch bebrillt und mit hängenden Schultern eintrafen.

„Ich glaub, ich lege hier besser eine Pipeline mit Wasser ! Sagt mal, bin ich eigentlich eine Apotheke ?“ Jon schüttelte den Kopf.

„Nein, eher ein Giftmischer !“ maulte Jimmy und verzog angewidert das Gesicht, als er sein Glas ausgetrunken hatte. Tini schaffte es doch tatsächlich, mit ihren Pumps Richtung Büffet zu stöckeln und einen Teller mit einer überaus seltsamen Mischung zusammen zu stellen.

„Das willst Du doch nicht wirklich essen ?“ fragte ich entgeistert.

„Warum ? Darf ich jetzt nicht mal mehr essen, was mir schmeckt ?“ gab sie zickig zur Antwort.

Ich fasste sie an einer Schulter und drehte sie zu mir.

„Tini, siehst Du wirklich, was Du auf Deinen Teller getan hast ?“

Sie schaute darauf, ruckelte an der Sonnenbrille und drehte ihren Teller hin und her.
Darauf stand ein Schüsselchen mit Müsli. An und für sich nicht schlimm, wenn da nicht noch Lachsscheiben drin geschwommen wären. Auf den zweiten Teller hatte sie Brotscheiben gelegt, auf denen Wurst- und Käsescheiben lagen. Und darauf hatte sie einen riesigen Klecks Marmelade verteilt.

„Oh ! Ich glaub, ich hab mich etwas vertan. Ich lass das mal lieber !“ Angeekelt schob sie das Essen von sich weg und griff nach ihrer Kaffeetasse.

Ich ließ meinen Blick über die Personen an unserem Tisch schweifen und musste grinsen. Mein Blick blieb an Jon haften, der im gleichen Moment das selbe getan hatte. Wir beide begannen zu lachen und schüttelten unsere Köpfe. Richie versuchte Ava zu beschäftigen, damit sie nicht allzu viel von unseren Rauschkugeln mitbekam.

„Manchmal habe ich so meine Zweifel, ob manche hier in diesem Leben noch erwachsen werden !“ raunte Jon in mein Ohr.

„Aber nun los, alle miteinander ! Unser Flieger wartet !“

Er klatschte in die Hände und scheuchte die Meute auf.
Tini suchte ihre Handtasche, Tico seine Sonnenbrille, Stefan sein Handy, Dave kramte in seinen Hosentaschen nach einem Taschentuch, Hugh suchte seine Brille, die er auf dem Kopf trug…. Irgendwann hatte jeder alles gefunden und wir konnten endlich los Richtung Flughafen.