Dienstag, 30. Dezember 2008

Kapitel 63-64 - She`s a little runaway....

Kapitel 63

Meine innerliche Abwehr baute sich in mir auf. Was glaubte er, wer ich war ? Sah ich so aus, als ob ich so einfach zu haben wäre ?

„Jon, ich bin kein billiges Groupie. Auch wenn es in der Presse vielleicht den Anschein hatte. Glaub mir, ich werde den Rest meines Lebens sicherlich nicht damit verbringen, mich von einem Superstar verarschen zu lassen ! Und nur weil Du berühmt bist und eine Menge Frauen alles tun würden, um mit Dir in die Kiste zu hüpfen, muss das bei mir noch lange nicht der Fall sein. Du glaubst wohl, Du kannst Dir echt alles erlauben ?“

Ich rannte davon und ließ ihn einfach stehen. Völlig verwirrt, schwankend zwischen Fassungslosigkeit und Wut, war ich wieder einmal abgehauen. Wie schon so oft in meinem Leben. Ich spürte einen unbändigen Zorn in mir aufsteigen. Da lernte ich endlich meinen Helden, meinen Superstar, meinen Abgott seit über zwanzig Jahren kennen und was machte dieses Idol auf einem Marmorpodest ? Es wollte mich abschleppen ! Auf die übliche billige Art und Weise, die ich schon immer zutiefst verabscheut hatte. Ich winkte ein Taxi herbei und ließ mich zum nächsten Mietwagen-Verleih bringen. Die Weltstadt mit Herz hatte in dieser Nacht auch ein Herz für mich und der Verleih noch auf. Ich raste durch die Nacht direkt zu mir nach Hause.
Heulend vor Wut warf ich mich auf mein Bett. Die Gedanken spielten Ping Pong in meinem Kopf. War das der Preis, den ich für meinen Erfolg zahlen musste ? Ständig unglücklich zu sein, unterbrochen von ein paar flüchtigen Glücksmomenten ? Langsam verstand ich, warum so viele Stars soffen oder Drogen nahmen. Ein normaler Mensch musste wirklich verdammt stark sein, um diesen Wahnsinn, dieses Wechselbad der Emotionen aushalten zu können.
Am nächsten Morgen wurde ich aus meinen Träumen, es waren sowieso nur Alpträume, gerissen. Irgendetwas piepste. Blinzelnd, da ich von der Sonne geblendet wurde, tastete ich nach meinem Handy.

„Mensch Sandy, wo bist Du denn ?“ rief Tini hektisch in den Hörer.

„Zuhause,“ gab ich zur Antwort.

„Zuhause bei Dir ?“

„Ja.“

„Süße, wir suchen Dich hier überall. Deine Sachen sind noch in Deinem Zimmer und Du bist wie vom Erdboden verschluckt ! Was ist denn bloß wieder geschehen ?“

Ich schüttete ihr mein Herz aus und erzählte ihr von meinem Gespräch mit Jon.

„Ja und genau dieser Jon sucht Dich gerade mit uns ! Er versteht überhaupt nicht, warum Du davon gelaufen bist. Er wollte sich mit Dir nur unterhalten, mit Dir noch ein paar Drinks nehmen und Dich ganz bestimmt nicht in die Kiste kriegen ! Er ist total durcheinander, was er schlimmes angestellt hat und Du einfach abgehauen bist. Außerdem musst Du ziemlich üble Sachen zu ihm gesagt haben.“

„Ja, das habe ich hoffentlich auch ! Anscheinend glaubt jeder in der Szene, dass die liebe Sandy von Nine Lives ganz einfach und glatt abzuschleppen ist. Es kotzt mich so an. Ich habe es satt, ständig auf die Story mit Joe reduziert zu werden.“

„Aber das tut Jon doch nicht ! Er macht sich wirklich Sorgen und Vorwürfe.“

„Untersteht Euch bloß, ihm meine Adresse oder Nummer zu geben !“

„Jetzt mach mal halblang. Nicht jeder Mann ist schlecht oder will Dir nur übel mitspielen.“

„Nicht jeder Mann, aber jeder Rockstar !“

Wütend legte ich auf.
Da es sofort wieder klingelte, schaltete ich kurzerhand aus.
Das durfte doch nicht wahr sein ! Er machte mir ein eindeutiges Angebot und am nächsten Tag war dann plötzlich alles ganz anders. Typisch ! Und dann machte er noch einen auf harmlos und gab vor, mich mit den anderen zu suchen. Es war unglaublich ! Meine Wohnung erdrückte mich, da beschloss ich laufen zu gehen.
Ich lief meine große Runde bis ich vollkommen erschöpft wieder in meiner Wohnung ankam. Endlich war mein Kopf wieder frei geworden. An meiner Einstellung zu den Vorkommnissen hatte sich jedoch nichts geändert. Auf meinem Handy waren verschiedene Anrufe, darunter auch Tom. Ich beschloss, ihn zurück zu rufen.

Kapitel 64

„Was machst Du denn nur für Sachen ?“ fragte er liebevoll.

„Ach Tom, ich konnte einfach nicht anders !“

„Ich weiß. Aber lass uns gleich darüber reden, ich hab noch ungefähr zwei Kilometer zu Dir.“

Ich freute mich total auf ihn. Ich wusste, dass er mich verstehen würde.
Als er ankam, nahm er mich in die Arme und strich mir beruhigend über die Haare.

„Das bringst auch nur Du fertig ! Millionen von Frauen hätten ihm nicht widerstehen können !“ meinte er lächelnd, als er mich los ließ.

„Tom, Du weißt warum. Ich habe einfach eine Allergie gegen solche Angebote. Überhaupt, wenn sie von einem Mann kommen, der glaubt, er könne jede haben. Und die Sache mit Joe hat meine Sinne geschärft. Ich habe zuviel gelitten, als dass ich so etwas noch mal erleben möchte. Joe hat mich fast zugrunde gerichtet, und das will ich nie mehr ! Und nur weil er der Jon Bon Jovi ist, kann er nicht davon ausgehen, dass er jede in`s Bett kriegt. Der ist für mich gestorben !“

Er nickte wortlos. Ich merkte, dass er noch etwas auf dem Herzen hatte.

„Was ist los ?“ fragte ich.

„Ähm, ich weiß jetzt nicht, wie ich Dir das beibringen soll. Ausgerechnet jetzt und heute. Aber ich muss !“

Mein Herz begann lauter zu schlagen.

„Sag es einfach.“

„Jon organisiert im nächsten Winter einige Konzerte in den USA, in denen die beiden auf die Klimakatastrophe aufmerksam machen wollen. Die Initiative kommt ursprünglich von Al Gore, wie Du weißt.“

Ich unterbrach ihn.

„Du sagst jetzt aber nicht, was ich denke, das Du gleich sagen wirst ?“

„Doch.“

„Oh nein !!!!“

„Oh doch ! Sandy, es ist für Euch eine riesige Chance, in den USA bekannt zu werden. Ich hatte sowieso schon Anfragen, aber da es nur kleinere Sachen waren, habe ich bis jetzt immer abgelehnt. Nur bei diesem Angebot kann ich nicht nein sagen.“

Ich musste mich setzen, da meine Beine zitterten.

„Oh. Mein. Gott.“

„Hey, es wird sicher nicht so schlimm für Dich. Bis dahin ist es noch eine Weile. Außerdem ist es ein ziemlich großes Hotel, in dem Ihr die zwei Wochen Vorbereitung verbringen werdet.“

„Wir machen was ?“ rief ich panisch.

„Das Orga-Komitee will, dass die Bands zwei Wochen vorher anreisen, um an den Info-Veranstaltungen teilnehmen zu können. Sie wollen, dass jeder genau weiß um was es geht, und die Botschaft sozusagen glaubhaft vertreten kann. Es ist eine große Halle für die Proben dabei. Jon will, dass die Konzerte absolut perfekt organisiert sind.“

„Ich brauch jetzt erst mal einen Schnaps !“

In meinem Barschrank musste noch der italienische Kräuterschnaps sein. Mit zitternden Händen schenkte ich zwei großzügige Gläser ein, von denen ich eines Tom reichte.
Na toll. Das waren ja fantastische Neuigkeiten. Aber Tom hatte Recht. Wir hatten eine Chance, in den Staaten Fuß zu fassen. Es war für eine gute Sache und es war noch eine Ecke hin. Schweren Herzens und etliche Schnäpse später stimmte ich zu.
Die Monate vergingen rasend schnell. Bei den Aufnahmen für unser neues Album verbrachten wir so viel Zeit im Studio, dass ich oft nicht mehr wusste, ob es Tag oder Nacht war. Manchmal konnte ich mich nicht erinnern, ob ich bei Tageslicht ins Studio gefahren war oder im Mondschein. Wir brachten unser ganzes Herzblut ein. Durch die schwere Zeit nach der Trennung von Joe war ich äußerst kreativ geworden. Wahrscheinlich, weil ich viel zu verarbeiten hatte. Vielleicht musste man leiden, um wirklich gute Songtexte schreiben zu können. Meine vier Jungs waren jedenfalls begeistert. Wir schaukelten einander hoch und hatten viele gute Ideen. Das einzige, was mich dann und wann aus dem Konzept brachte, war dass sich Joe plötzlich wieder meldete. Ich sah seine Nummer auf dem Display, nahm aber nicht ab.
Ich beschloss bei fremden Nummern überhaupt nicht mehr ranzugehen. Daher machte ich mir auch keine Gedanken über die Nummer, die dann und wann auftauchte. Ich sollte erst Wochen später erfahren, wem sie gehörte.

Montag, 29. Dezember 2008

Kapitel 62 - Backstage with JBJ.....

Kapitel 62

„Wir sind zu einer After-Show-Party bei Bon Jovi eingeladen !“

Ich sah überrascht auf.

„Nein ? Echt ? Wow, das ist ja echt Wahnsinn !“

Automatisch checkte ich mein Outfit. Schwarze Lederhose, weißes Top, schwarze Pumps. Ich wollte mich dieses Mal besser präsentieren und nicht wie beim ersten Zusammentreffen mit Jon, so verheult und verstrubbelt. Schnell musterte ich mich im Spiegel.

„Sandy, Du siehst fantastisch aus wie immer !“

„Wirklich ?“

„Jaaahhhh !“ kam von beiden.

Wir gingen aus dem Stadion. Tom geleitete uns zu den Autos, die bereits warteten. Tini trippelte aufgeregt von einem Bein auf das andere. Aber nervös war ich auch.
Wir fuhren zu einer Bar, in der ein riesiger Nebenraum reserviert worden war. Wir waren durch den Hintereingang eingelassen worden, leider eine Schattenseite des Erfolges. Es waren bereits viele Leute da, die meisten kannte ich jedoch nicht. Nur einige Musiker der Bands, die vor uns gespielt hatten. Bon Jovi fehlte noch. Ich holte mir zur Feier des Tages statt meinem Wasser gleich ein Glas Champagner und stieß mit den anderen an.
Ich unterhielt mich gerade mit dem Sänger von Just reply, als sie eintrafen.
Im Geräuschpegel versank ich in meine Gedanken und beobachtete sie. Diese Chance hatte man, wenn überhaupt, nur einmal im Leben.
Sie gingen getrennt von einander auf die Leute zu und unterhielten sich.

„Er ist ein richtiger Menschenfänger, der schöne Jon,“ sagte Tini leise zu mir.

„Ja, er hat eine unglaubliche Ausstrahlung.“

Ich wurde von den anderen ins Gespräch gezogen, versuchte aber, Jon zu beobachten. Er schaute immer wieder zu mir. Auch er hatte bemerkt, dass sich unsere Blicke immer wieder trafen und lächelte mir zu. Irgendwann riss er sich los, schnappte von einem Tablett einer Kellnerin zwei frisch gefüllte Gläser und steuerte auf mich zu. Mir blieb fast das Herz stehen.

„Freut mich, dass Du gekommen bist !“

„So einer Einladung kann man ja wohl kaum widerstehen !“

Er lachte auf und legte dabei seinen Kopf nach hinten. Dann sah er mich mit einem unglaublich intensiven Blick an.

„Wollen wir ein bisschen frische Luft schnappen ? Komm, lass uns rausgehen, mir ist es hier viel zu laut.“

„Okay !“

Er nahm meine Hand und zog mich hinter sich her. Hoffentlich fiel das niemand auf. Aber im allgemeinen Getümmel bemerkte es doch keiner und wir schafften es ungesehen auf die nächtliche Terrasse.
Ja, und da standen wir dann. Ich hatte keine Ahnung, was ich sagen oder wie ich mich verhalten sollte. Er bemerkte es wohl und setzte sein gewinnendes Lächeln auf. Dann hielt er sein Glas hoch und bedeutete mir, mit ihm anzustoßen.

„Auf die heutige Show !“

„Auf die heutige Show !“ sagte ich und lächelte zurück.

„Es war toll, Euch als Vorband zu haben. Allerdings fand ich es etwas schade, dass Ihr Endless Love nicht gespielt habt. Es ist doch ein klasse Song.“

Er trank einen Schluck und bedachte mich mit einem prüfenden Blick.

„Ich weiß, wir haben auch lange darüber nachgedacht. Die Fans waren sicher enttäuscht. Aber es gibt Gründe, warum wir es nicht gebracht haben.“

Er sah mich noch immer mit diesem fragenden Blick an.

„Gründe, über die Du nicht sprechen willst ?“

Ich atmete tief durch bevor ich ihm antwortete.

„Ja, aber auch nicht sprechen kann.“

„Das tut mir leid. Ich kann aber, auch wenn Du es mir nicht sagst, verstehen warum. Es ist verdammt schwer, einen Song zu singen, mit dem man persönliche Erfahrungen verbindet.“

Überrascht sah ich auf. Was wusste er ? Woher wusste er ?

„Vor allem, wenn es schmerzliche Erfahrungen sind“, legte er nach.

Er blickte in die Dunkelheit.
Es war, als ob er mir zu verstehen geben wollte, dass er über alles Bescheid wusste. Ein seltsames Gefühl der Verbundenheit überkam mich. Und das, obwohl ich ihn eigentlich gar nicht kannte, und er mich auch nicht.
Nach einer endlosen Weile, so kam es mir vor, wandte er sich wieder zu mir.

„Sollen wir woanders hingehen ? Ich wäre gerne noch etwas mit Dir alleine.“

Abrupt stellte ich mein Glas ab.

„Ich denke, das ist keine so gute Idee.“

„Warum nicht ? Ich denke, wir beide haben heute etwas Spaß verdient. Komm, nur wir beide ?“

Samstag, 27. Dezember 2008

Kapitel 61

Als ich auf der Bühne stand und Marcs Solo hörte, war ich Gott sei Dank wieder auf dem Trip. Alles, wirklich alles fiel von mir ab. Das Bewusstsein, dass mein großes Idol zuschauen könnte, trieb mich wahnsinnig an. Ich achtete sehr auf meinen Gesang und meine Gestik. Aber wie durch ein Wunder ging es von alleine.
Die Menschenmasse spornte mich an, ich ließ mich von ihr tragen. Ich sah die La Ola Wellen, die durchs Stadion wogten. Früher war ich selbst dabei und heute stand ich hier, hier auf der Bühne ! Es war wie ein Rausch, ich ließ mich fallen und begann es zu genießen. Die Aufregung, die vorher noch übermächtig war, fiel langsam von mir ab und das Adrenalin trieb mich wahnsinnig an.
An der Stelle, an der sonst Endless Love kam, lief ich zu Stefan.

„Can`t help falling in love with you !“

“Bist Du sicher ?”

“Ich war selten so sicher !“

„Wegen Jon ?“ fragte er grinsend.

„Auch ?“ grinste ich frech zurück.

„Wenn er überhaupt zusieht !“

Ich zwinkerte ihm noch zu, ging zu meinem Mikro zurück und nahm es mit vor an den Bühnenrand. Stefan gab den Technikern ein Zeichen für die Beleuchtung, so dass ich nur von einem Spot angestrahlt wurde. Im Nachhinein betrachtet sang ich den Song, als ob es um mein Leben ginge. Vielleicht ging es ja auch darum. Vielleicht war es nur ein Abschluss von etwas. Dieses Mal überkam mich das Gefühl, den Song in Gedenken an Jon zu singen und das Konzert vor über einem Jahrzehnt, noch stärker. Weil ich seine Anwesenheit spürte ? Als ich geendet hatte, erlosch der Spot. Das Klatschen des Publikums ertönte. Meine Augen gewöhnten sich rasch an die Dunkelheit. Als ich zurückging, um etwas Wasser zu trinken, hörte ich das Klatschen eines einzelnen Menschen. Überrascht schaute ich mich um. Da stand Jon, sehr lässig ein Bein über dem anderen an der Wand lehnend, er lächelte mir bewundernd zu. Oh Mann, er hatte wirklich zugesehen ! Ich war unglaublich stolz und platzte fast. Wir spielten Out of the chains you got me in. Wider Erwarten klappte es hervorragend und den Leuten gefiel es. Unter tosendem Beifall gingen wir von der Bühne. Bon Jovi warteten schon auf ihren Gig.

„Hey, das war wirklich großartig von Dir ! Bist Du Elvis-Fan ?“ fragte Richie, mir auf die Schulter klopfend.

„Ja, aber ehrlich gesagt, bin ich eher Bon Jovi-Fan !“ antwortete ich.

„Schön, dass Du den Song gebracht hast, hat mich echt beeindruckt !“ kam von Jon.

Ich sah ihn an und genoss den warmen Blick, mit dem er mich ansah. Seine blauen Augen strahlten, als ob die Sonne darin gefangen wäre.

„Freut mich, dass es Euch gefallen hat.“

Tico witzelte:
„Dann müssen wir wohl unsere Setlist umschreiben, den können wir ja heute schlecht bringen !“

Wir lachten miteinander, aber dann mussten sie auch schon los.

„Viel Glück !“ wünschte ich Jon.

„Normalerweise bekommt man in Amerika einen Kuss, wenn einem jemand viel Glück wünscht !“

Ich sah ihn verwundert an und zögerte.

„Aber ich hol ihn mir auch später ! Du läufst doch sicher nicht weg ?“

Er schenkte mir ein strahlendes Lächeln, drehte sich um und lief den anderen hinterher. Ich befand mich in einem unbeschreiblichen Hype. Was hatte er eben zu mir gesagt ? Hatte ich richtig gehört ? Hatte er mir wirklich dieses unglaubliche Lächeln geschenkt ? Doch da wurde ich auch schon von den anderen mitgezogen und stolperte an Marcs Hand hinterher. Wir sahen der Show vom Bühnenrand zu und mir ging das Herz auf. Eigentlich lief es mir über, als ich Bon Jovi zusah. Sie rockten wirklich ab und ich konnte fast nicht mehr an mich halten. Jons Stimme war kraftvoller und stärker geworden. Ich hatte das auch auf ihrem neuen Album bemerkt, aber live war sie noch schöner und ging richtig unter die Haut. Wie schon fast zur Gewohnheit geworden, spielten sie fast drei Stunden, mit nur einer kurzen Pause. Von mir aus hätten es auch vier Stunden sein können. Es tat gut, wieder einmal nur Fan zu sein. Ein kleiner Fan inmitten von Tausenden. Nach ihrer Show ging ich in meine Garderobe zurück, um mich wieder abzuschminken und Stella legte mir ein leichteres Make-up auf. Ich zog mich gerade um, als Marc und Stefan herein kamen.

„Du wirst nicht erraten, wo wir jetzt hingehen ?“

Ich lachte.

„Aber Ihr werdet es mir doch hoffentlich gleich sagen ?“

Mittwoch, 24. Dezember 2008

Herzklopfen und Aufregung.....

Vor den Garderoben herrschte wie immer Aufregung und Hektik.
Stella kam angerauscht und sagte:

„Ach herrje, wie siehst Du denn wieder aus ? Na komm, ich reparier das mal. So kannst Du unmöglich vor die Meute !“

Im Spiegel sah ich die Misere. Ganz toll ! Ich traf Jon Bon Jovi und sah so fürchterlich aus wie selten ! Andere Frauen achten auf sich, sind perfekt gestylt und geschminkt. Und ich ? Mein ganzes Make-up war über meine Backen verlaufen, die Augen verquollen, die Nase rot.
Aber Stella wäre nicht Stella, wenn sie das nicht hinbekommen hätte. Sie legte mir kalte Gelkompressen auf mein Gesicht.

„So, die bleiben jetzt erst mal fünf Minuten drauf ! Und entspann Dich, Du bist ja völlig verkrampft.“

Sie gab mir noch eine Handmassage und es begann in meinem ganzen Körper zu kribbeln.
Wir schwiegen beide, bis Stella bemerkte:

„Hase, ich versteh ja, dass Du noch traurig bist wegen Joe. Aber Du musst das endlich hinter Dir lassen, sonst drehst Du irgendwann noch wirklich durch. Freu Dich doch, dass Du heute mit Bon Jovi spielst. Hier in Deinem Stadion !“

„Weißt Du, das letzte Mal hier war er dabei. Und es schien alles in Ordnung zu sein. Ich verstehe einfach nicht, warum er das alles gemacht hat. Die Interviews die er gab, in denen er bekundete, er liebe nur seine Frau. Dann will er wieder mit mir reden, es wäre alles ein Missverständnis. Die ganzen Liebesbeweise, die er mir gab ? Ich kann mich doch nicht so geirrt haben ?“

„Ich weiß es nicht. Aber ich weiß ganz sicher, dass die ganzen Gängeleien, die er veranstaltet hat nicht normal waren. Meiner Meinung nach hat er Dich nur eingesperrt. Er selbst hat doch dann getan was er wollte, ohne auf Dich Rücksicht zu nehmen. Das ist keine Basis für eine gesunde Beziehung !“

„Genau meine Meinung !“

Romy war hereingekommen.

„Es gibt so viele tolle Männer, die Dich nicht gleich in den goldenen Käfig einschließen um dann vor Deinen Augen das zu machen, was sie Dir selbst verbieten wollen. Lacht mich nicht aus, aber ich finde, Du bist ein Adler, der frei herumfliegen muss. Und Adler darf man nicht einsperren, sonst sterben sie. Außerdem braucht ein Adler ein schönes Gefieder, und drum werden wir Dich jetzt mal frisieren.“

Als die beiden ihr Werk vollendet hatten und ich umgezogen war, war ich heilfroh, dass es Romy und Stella gab. Es war nichts mehr zu sehen. Ich war wie neu ! Heute hatten sie sich besonders angestrengt und Romy meinte nur:

„Alles für den schönen Jon !“

Wir lachten alle drei herzlich.
Stefan kam herein und sah mich nachdenklich an.

„Wie geht`s Dir Liebes ?“

„Schon wieder ganz gut. Ich habe das „Tal der Tränen“ mal wieder hinter mir gelassen.“

„Du tust mir so leid.“

„Nö nö, ist nicht so schlimm.“

„Komm schon, ich weiß doch wie`s in Dir aussieht ! Du kannst es nicht vor mir verstecken.“

Wir zündeten uns beide eine Zigarette an und rauchten eine Weile schweigend.

„Ich war heute nicht mal im Stadion oben, um mich zu konzentrieren.“

„Dafür hast Du aber was anderes schönes erlebt ! Und ich hoffe, dass Dir das etwas gibt. Ich will mir Dir die Hütte heute zum Beben bringen !“

„Was ist mit Endless Love ?“

Stefan zögerte, bevor er antwortete.

„Also, ich hab mich mit den anderen unterhalten. Sie wollen Dir das nicht zumuten, ich übrigens auch nicht. Aber Tom meint, der Song ist einer unseren besten und wir könnten das echt nicht bringen, wenn wir ihn nicht spielen.“

Er sah mich hoffend an.

„Steff, ich kann das einfach nicht ! Wenn ich nur einen Ausweg wüsste ! Mir ist schon klar, dass die Fans auf das Lied warten, aber…“

„Wenn wir ihn nur instrumental bringen ?“

Das wäre vielleicht eine Möglichkeit, allerdings keine sehr gute.

„Und wenn wir Out of the chains you got me in spielen ?”

“Sandy, wir haben das kaum geprobt !”

„Ach komm, es wird schon gehen !“

Wir einigten uns darauf, obwohl uns beiden nicht ganz wohl dabei war. Dem Rest der Band übrigens auch nicht. Zeit zum Überlegen hatten wir jedoch nicht, da wir auf die Bühne gerufen wurden. Jon kam mit Tico den Gang entlang und die beiden wünschten uns viel Glück. Jetzt raste mein Herz noch mehr ! Danke, Jon ! Das hast Du gut gemacht ! Wir bedankten uns trotzdem artig und gingen hoch. Mir wurde klar, dass Jon das Konzert beobachten könnte. Mein Held, der Mann den ich immer bewundert hatte, dessen Musik mich durch mein bisheriges Leben begleitet hatte, schaute uns eventuell bei der Show zu. Mein Lampenfieber stieg ins Unermessliche und mein Herz raste. Ich hatte zwar in der letzten Zeit gelernt, damit umzugehen, aber an diesem Abend stand meine Welt kopf.
Nicht einmal Stefans Blick rettete mich, aber ich hatte keine Wahl.

Dienstag, 23. Dezember 2008

Kapitel 59 - Soundcheck und mehr....

„Boah, hat der `ne Ausstrahlung ! Ich hatte das Gefühl, die Welt um uns herum existiert nicht mehr !“ Marc war restlos von Jon begeistert.

„So sind sie halt, die Superstars ! Immer toll, immer aufregend, immer fesselnd !“ witzelte Jimmy.

Stefan sah mich fragend an:
„Und unser Super-Bon-Jovi-Fan ? Sagst Du auch mal was ? Hallo ? Erde an Sandy !“

„Hey, wir haben mit Jon Bon Jovi gesprochen ! Ist Euch das eigentlich klar ?“

Noch immer klopfte mein Herz wie verrückt und ich stand mindestens 5 Meter neben mir.

Sie lachten mich aus, weil ich immer noch völlig regungs- und bewegungsunfähig wie angewurzelt am selben Platz stand.

„Komm schon, Du siehst ihn ja noch mal wieder ! Vielleicht hast Du bis dahin auch Dein Englisch wieder gefunden. Lasst uns was essen gehen, okay ?“

„Geht Ihr mal, ich hab jetzt sowieso keinen Hunger mehr. Ich schau ihm beim Soundcheck zu. Hat man ja auch nicht alle Tage.“

Ich verkrümelte mich in eine Ecke, beobachtete die Band und konnte mein Glück immer noch nicht fassen. Ich war total aufgeregt ! Wie oft war ich hier im Stadion bei ihren Konzerten gewesen ? Hatte ihnen zugejubelt, mitgeklatscht und mitgetanzt ? Bei den Balladen hatte ich manches Mal sogar ein kleines Tränchen zerdrückt und mir gewünscht, ein Mann würde so einen Song mal für mich singen. Und nun konnte ich Richie beim Stimmen der Gitarren beobachten, Dave an seinen Keyboards, Hugh am Bass, Tico hinter seinen Trommeln und Jon beim Einsingen zuhören. Mein Adrenalin spielte Achterbahn.
Zum ersten Mal seit Monaten konnte ich mich über etwas wirklich freuen. Ich spürte endlich wieder einmal etwas Glück in mir. Der Druck, der sich tief in mir eingenistet hatte, war wie weggeblasen.
Eine leise Stimme hinter mir sagte:

„Ich bin so froh, dass Du das hier erleben darfst !“

Ich drehte mich um und nahm meine Freundin herzlich in den Arm.

„Ich auch !“

Ich hielt sie etwas von mir weg und sah, dass ihr die Tränen in den Augen standen.

„Hey, warum heult jetzt Du ? Ich bin doch hier die Heulsuse !“

„Ich freu mich so für Dich ! Hoffentlich hilft Dir der Abend heute endlich aus Deinem Tief heraus. Ich wünsche Dir einfach nur ein bisschen Glück für heute und ich will Dich wieder so lachen hören wie früher. Außerdem will ich, dass wir endlich wieder so verrückte Dinger machen wie früher. Ich will meine Sandy wieder !“

Nun rannen auch mir die Tränen über die Wangen.

„Tini, ich wäre doch auch froh, wenn ich endlich vergessen könnte. Aber es überfällt mich halt dann und wann. Ich muss so oft noch an ihn denken und es tut immer noch so weh ! Manchmal meine ich, Joe sitzt in Amerika und reißt mir mein Herz entzwei.“

„Das ist mir auch noch nie passiert ! Zwei hübsche Mädels, die sich bei unserem Soundcheck weinend in den Armen liegen !“

Oooppps ! Wir hatten ihn nicht bemerkt. Wie viel hatte er von unserem Gespräch gehört ? Tini rettete die Situation. Wie immer !

„Hallo Jon ! Freut mich, Dich kennen zu lernen !“

Lächelnd sah er von einer zur anderen. Wie um sich zu entschuldigen, tat er so, als würde er in seinen Taschen nach etwas kramen.

„Ich habe jetzt leider kein Taschentuch bei mir ! Kann ich Euch sonst irgendwie helfen ?“

Wir schüttelten beide die Köpfe und lächelten zurück, ich natürlich total unbeholfen.

„Nein, ist schon okay. Wir freuen uns nur über die Maßen, dass wir bei unserer absoluten Lieblingsband beim Soundcheck dabei sein dürfen !“

„Na, dann geht`s ja noch. Ich dachte schon, etwas Schlimmes wäre passiert !“

Wieder traf mich dieser fragende Blick von ihm.

„Ich glaube, ich muss jetzt in die Maske“, antwortete ich lahm und zog Tini mit mir.

„Wir sehen uns aber später noch, versprochen ?“ rief er uns nach.

„Versprochen !“ riefen wir zurück.

Montag, 22. Dezember 2008

Kapitel 58 - Sandy hat `nen Herzhüpfer......

Kapitel 58

„Bon Jovi“, sagte Tom nun etwas atemlos.

Mir blieb das Herz stehen.

„Sag das noch mal ! Wer ?“ Meine Stimme überschlug sich.

„Ihr habt richtig gehört ! Die Amis sind auf Euch aufmerksam geworden, und Bon Jovi natürlich auch.“

„Das glaub ich jetzt einfach nicht ! Tom, sag sofort, dass Du uns veräppelst !“

„Nein, ich schwöre, es ist die Wahrheit !“

Ich musste mich erst einmal hinsetzen. Bon Jovi. Wir sollten vor Bon Jovi auftreten. Ich würde Jon endlich einmal sehen, ihn vielleicht etwas kennen lernen. Das musste ein Traum sein ! Ich konnte es nicht fassen, geschweige denn glauben. Ungläubig sah ich Tom an, der mir lächelnd zunickte.

„Sag mal, so schlimm kann das doch jetzt nicht für Dich sein ! Du warst mit Joe Perry zusammen, Du bist mit Aerosmith auf Tour gewesen.“

„Schon, aber ich bin schon immer, seit ich denken kann, Fan von Bon Jovi. Es ist für mich ein Traum, auf der gleichen Bühne stehen zu dürfen. Ich kann es echt nicht glauben.“

Tom lachte und meinte:
„Hab ich mir gedacht, Tini ist auch schon ganz nervös. Sie wird die Werbekampagne mit den Bon Jovi-Leuten machen.“

Die Nachricht rüttelte mich wach. Endlich spürte ich wieder Energie in mir. Es gab wieder etwas, für das es sich lohnte, zu kämpfen. Der Ruck, der mich normalerweise beim Betreten der Bühne durchfuhr, war jetzt Dauerzustand. Ich stand unter Dauer-Adrenalin und Dauer-Schmetterlingen. Dies führte dazu, dass ich wie besessen Gesangsstunden nahm und die Band zu Proben antrieb. Nächtelang saß ich im Tonstudio um das neue Album abzumischen, zu verfeinern, andere Versionen auszuprobieren. Angestachelt von meinem Ehrgeiz machten die anderen genau so begeistert mit.
Die Zeit verging rasend schnell und dann war der Tag endlich gekommen.
Als wir am Olympiastadion in München ankamen, kamen auch die Erinnerungen hoch. Das letzte Mal war ich mit Joe hergekommen, hatte das letzte glückliche Konzert mit ihm gespielt. Es kam mir vor, als ob es eine Ewigkeit her wäre. Ich wischte die dunklen Gedanken beiseite und zwang mich an den Soundcheck zu denken. Außerdem würde Bon Jovi ja sicher auch bald auftauchen. Der Zeitplan für uns war trotz der vielen Bands nicht sehr eng, da wir nun unter den Top-Acts liefen. Ich würde Jon sehen ! Freudig ging ich mit den anderen in die Katakomben unterhalb des Stadions. Als wir mit dem Soundcheck fertig waren und wieder von der Bühne gingen, blieb mir buchstäblich das Herz stehen.
Er stand da und sprach mit einigen anderen Männern, die für die Organisation verantwortlich waren. Er trug eine schwarze Lederhose, ein schwarzes Shirt und die obligatorische Sonnenbrille. Er wirkte total konzentriert und sah seine Gesprächspartner sehr aufmerksam an. Einer der Typen bemerkte uns und winkte uns zu ihnen heran.

Es war also soweit !
Mein Herz begann zu rasen, mein Körper innerlich zu beben. In diesem Moment war ich mir sicher, ich würde kein Wort Englisch herausbringen, obwohl es meine zweite Muttersprache war. Der Mann, der uns heran gewunken hatte, stellte uns Jon vor. Er nahm seine Sonnenbrille ab und streckte mir seine Hand entgegen. Lächelnd musterte er mich von oben bis unten.

„Hi, nett Dich kennen zu lernen. Ihr seid schon fertig mit dem Soundcheck ?“

Er begrüßte auch meine Jungs sehr freundlich und gab jedem einzelnen das Gefühl, für ihn der einzige Mensch auf der Welt zu sein. Ich war sprachlos und wurde von einer unglaublichen Schüchternheit gelähmt.

„Wie ist es, seid Ihr zufrieden hier ? Ihr wisst sicher, dass dieses Stadion zu meinen absoluten Lieblingsplätzen gehört. Und das Publikum ist eines der besten weltweit !“

Da ich kein Wort heraus brachte, antwortete Stefan.

„Uns geht es genauso ! Wir waren vor ein paar Monaten hier und hatten den besten Auftritt unserer bisherigen Karriere. Es war einfach gigantisch !“

„Ah, ich erinnere mich ! Ihr wart ja mit Aerosmith auf Tour !“

Sein fragender Blick traf mich. Wie sollte ich das denn deuten ?
Jon bekam ein Zeichen, dass er auf die Bühne sollte.

„Ja, ich muss dann wohl ! Wir sehen uns ja sicher später noch mal, oder ?“

Wir nickten zustimmend und sahen ihm nach, wie er eiligen Schrittes die Treppen zur Bühne hochging.

Samstag, 20. Dezember 2008

Kapitel 56-57 - Das Leben geht weiter

Die anderen warteten schon ungeduldig. Natürlich ahnten sie etwas, aber ich winkte nur ab.
Während des Essens konnte ich mich zumindest eine Zeit lang zusammen reißen, aber alle bemerkten die gedrückte Stimmung. Ich hörte ihr aufgesetztes Lachen und ich bemerkte auch ihre erzwungene Fröhlichkeit. Sie wollten mir einen schönen Abend bereiten. Als es nicht mehr ging, entschuldigte ich mich zur Toilette. Ich schloss mich ein und saß still auf dem WC. Nach einer Weile hatte ich mich wieder einigermaßen im Griff und ging zurück. Schweigend saßen sie beisammen, sie wirkten bedrückt, als sie mich sahen.

„Leute, jetzt macht Euch mal wegen mir nicht solche Gedanken. Ich habe einfach Liebeskummer, so wie Ihr ihn auch schon hattet. Ich werd`s überleben ! Und ich will jetzt auch nicht weiter darüber nachdenken, und Ihr sollt das auch nicht.“

Der Abend wurde dann doch noch schön, zwar nicht wie sonst, man spürte immer noch, dass etwas in der Luft lag. Als wir zurück im Hotel waren, ergriff Stefan das Wort.

„Ich glaube, ich spreche allen aus dem Herzen, wenn ich sage, wie leid mir das alles tut. Ich gäbe viel dafür, wenn ich Dir helfen könnte, Sandy. Ich verspreche Dir jedenfalls hier, dass ich für Dich da bin. Die Konzerte bringen wir auch noch rum, lass uns dabei einfach Spaß haben.“

Die anderen pflichteten ihm bei und versprachen mir, mich nicht alleine zu lassen.

„Aber was ist mit Endless Love ? Ich meine, niemand kann von Sandy verlangen, dass sie den Song weiterhin mit Joe singt. Der Kuss am Ende ist ja wohl sicher passe“, warf Jimmy ein.

Ruhig und sehr leise sagte ich:

„Ich werde Endless Love nie wieder singen.“

„Wie, Du wirst ihn nie wieder singen ? Der Song ist ein riesiger Erfolg ! Ich verstehe ja, dass Du ihn nicht mehr mit Joe singen willst, aber nie mehr ?“ fragte Tom erschrocken.

„Ich kann und werde es nie wieder tun. Und es ist mir völlig egal, ob er ein Hit ist oder nicht.“

Da war er wieder, dieser unmenschliche Druck auf meiner Brust. Ich konnte nicht mehr atmen. Daher drehte ich mich wortlos um und ging auf mein Zimmer. Weinend warf ich mich auf das Bett.
In den nächsten Tagen versuchte Joe immer wieder, mich alleine zu erwischen. Er suchte nach Gelegenheiten, mit mir zu reden und mich abzupassen. Ich ließ ihn keine Sekunde an mich heran. Auch auf seine Anrufe oder seine SMS reagierte ich nicht. Ich war zu sehr verletzt.
Meine Eltern hatten natürlich die Berichte in den Zeitungen gelesen und machten sich große Sorgen. Ich versuchte, allerdings mit wenig Erfolg, sie zu beruhigen.
Während der Tour konnte ich mich einigermaßen aufrecht halten. Ich hatte ständig Leute um mich, hatte genug zu tun. In der wenigen freien Zeit, die mir blieb, hatte ich wieder begonnen an Songtexten zu arbeiten. Stefan zwang mich zu einem privaten Gitarrenkurs, in dem er mich lehrte. Natürlich verarbeitete ich meinen Herzschmerz und mein Elend in einem Song. Out of the chains you got me in. Die Konzerte waren toll, das Publikum war begeistert, trotzdem war ich froh, als es endlich vorüber war. Als der Abschied von Aerosmith gekommen war, verabschiedete ich mich von allen, außer von Joe. Ich konnte ihn nicht mehr in meiner Nähe ertragen.

Kapitel 57

Wieder zuhause angekommen, machte ich mich am nächsten Tag sofort daran, meine Wohnung komplett von oben bis unten zu putzen. Ich stand früh auf und arbeitete den ganzen Tag. Es war eine Art Selbstreinigung, eine Art Abschluss und Neubeginn. Ich musste nach vorne schauen. Damals hatte ich keine Ahnung, dass es über ein Jahr dauern würde, bis ich die Geschichte überstanden hatte.
Joe versuchte irgendwann nicht mehr, mit mir Kontakt aufzunehmen. Ich telefonierte zwar oft mit Steven, aber ich fragte nie nach ihm. Sobald Steven von ihm erzählen wollte, unterbrach ich ihn und blockte ab. Das Kreuz, dass wir beide von Tini geschenkt bekamen, legte ich in eine Schachtel, die ich tief in meinem Schrank vergrub. Ich wollte durch nichts an ihn erinnert werden. Sicherlich ging ich immer wieder durch mein Tal der Tränen, hatte meine schlechten Tage. Aber ganz langsam fasste ich wieder neuen Mut und manchmal konnte ich sogar wieder lachen.
Wir waren im Studio, um unser neues Album aufzunehmen, als Tom hereingestürmt kam. Mir war sofort klar, dass etwas ganz aufregendes passiert sein musste. Er schüttelte kurz den Schnee von seinen Haaren und seiner Winterjacke, als er auch schon herausplatzte.

„Ihr glaubt im Leben nicht, was heute passiert ist ?“

„Der Papst hat geheiratet ?“

Wir mussten lachen. Typisch Jimmy !

„Quatsch ! Ich habe heute einen Mega-Vertrag für ein Konzert unterschrieben und da wird sich eine hier ganz besonders freuen !“

Neugierig wandte ich mich ihm zu.

„Tom, mach`s nicht so spannend, raus mit der Sprache !“

An Pfingsten wird es hier in Bayern ein Riesen-Konzert geben, so nach Art Rock im Park. Unendlich viele Bands werden dabei sein. Das Motto ist die Aids-Kampagne.“

„Schön, Du siehst aber sicher ein, dass ich jetzt nicht vor lauter Beigeisterung ohnmächtig werde. Wir haben ja schon zu Beginn bei Rock im Park gespielt,“ frotzelte ich.

„Ja schon, aber Ihr habt nicht direkt vor dem Headliner gespielt !“

„Und wer ist denn der Headliner ?“ tat ich gelangweilt.

Freitag, 19. Dezember 2008

Kapitel 54-55

Tom rief am vorletzten Tag im Cottage an. Meine Eltern hatten also doch nicht ganz dichtgehalten.

„Hallo Tom.“

„Mensch Mädel, Du kannst Dich doch nicht einfach so verstecken !“

„Doch Tom, ich habe das einfach gebraucht.“

„Wie geht es Dir ?“

„Es geht mir etwas besser. Ich bin mir über einiges klar geworden. Nur der schreckliche Liebeskummer und die schrecklich schönen Erinnerungen,“…. Ich stockte.

„Hast Du von ihm gehört ?“

„Nein, kein einziges Mal.“

„Oh nein ! Das gibt’s doch nicht, er hat sich nicht einmal gemeldet ?“

„Nein, und eigentlich ist mir das auch vollkommen recht.“

„Hey komm schon, das tut doch weh, oder ?“

„Er hat mir schon zu sehr weh getan. Ich dachte, ich hätte jetzt endlich die große Liebe gefunden. Ich habe mich ihm so geöffnet, soviel von mir preisgegeben wie noch nie zuvor, und er verpasst mir so einen Arschtritt.“

„Hast Du es etwa schon gelesen ?“

„Was meinst Du, Tom ?“

Es klopfte. Überrascht sah ich auf.

„Wart mal kurz, bitte. Es hat eben geklopft.“

„Geh schon hin und lass mich rein !“

Da rannte ich zur Tür und fiel Tom in die Arme.

„Du bist extra hergekommen ?“ fragte ich freudestrahlend.

„Ja, aber wenn ich die Zeitungen schon in Deutschland gelesen hätte, wäre ich Dir wohl nicht unter die Augen getreten.“

Ratlos sah er mich und ich ihn an. Ich riss sie ihm aus den Händen.
Es war gleich auf der zweiten Seite.

„Rock-Traumpaar – Das Aus ?

Die Liaison des Traumpaares Sandy + Joe ist beendet. Anscheinend kehrte Joe Perry zu seiner Frau Billie zurück. Die beiden wurden mehrfach Händchen haltend und in vertrauter Zweisamkeit in der Nähe ihrer Farm beobachtet. Mehreren Journalisten verriet der Gitarrist der Rockband Aerosmith: „Eine kurze Affäre hat unserer Ehe noch nie geschadet. Wir sind bereits so lange verheiratet, dass wir beide genau wissen, wohin wir gehören. Vielleicht ist dies ja des Rezept unserer glücklichen Ehe ?“ Wo sich die Sängerin Sandy Reed derzeit aufhält, ist uns nicht bekannt. Wir werden unsere treuen Leser aber weiterhin auf dem Laufenden halten.“



Kapitel 55

Meine Hände begannen zu zittern, kalter Schweiß brach mir aus. Ich brach unter einem Heulkrampf zusammen und fiel zu Boden. Endlose Minuten, oder waren es Stunden ? vergingen bis ich Tom wieder wahrnahm. Er führte mich zum Bett und nahm mich in seine Arme. Beruhigend streichelte er mich, hielt mich einfach fest.
Am nächsten Morgen erwachte ich bereits sehr früh. Tom hatte mich ausgezogen und zugedeckt. Auf dem Nachttisch stand eine Kanne Tee. Gerade als ich einschenken wollte, öffnete er die Tür und setzte sich auf den Bettrand.

„Guten Morgen, mein Schatz.“

„Hallo“ erwiderte ich mit kläglicher Stimme.

„Ganz schön heavy, was er da bringt.“

„Ja. Ich weiß nicht einmal, ob es stimmt. Hat er es nur lanciert, um die Trennung einfacher zu machen ?“

„Glaube ich nicht, ich glaube eher, dass er total durchdreht. Dass er nicht mehr weiß, was er tut. Möglicherweise will er Dir nur weh tun, Dich testen. Vielleicht will er Dich auch nur dazu bringen, dass Du ihm nachläufst ?“

Ratlos zuckte ich mit den Schultern.

„Ist mir auch egal. Vorbei ist vorbei. Wie zur Hölle soll ich die restlichen Konzerte durchstehen ?“

„Ich weiß es nicht. Aber ich gäbe viel dafür, dass Du es nicht tun müsstest.“

„Komm, lass uns ein wenig spazieren gehen. Ich muss raus an die frische Luft.“

Mittags kochten wir zusammen und dann war es bereits wieder Zeit, die Zelte abzubrechen und die Koffer zu packen. Mir war flau im Magen.
Am nächsten Morgen fuhren wir zurück nach London. Aerosmith war bereits da, auch meine Jungs. Tom ließ mir an der Rezeption ein extra Zimmer geben. Die Dame fragte verwundert nach, ob dies seine Richtigkeit haben könnte. Mr. Joe Perry hätte ausdrücklich gewünscht, mit mir zusammen eine Suite zu beziehen.
Was sollte das nun wieder ? Irgendeine dumme, blöde Hoffnung keimte in mir auf, doch ein warnender Blick von Tom ließ diese sofort wieder erlöschen.
Den Tag verbrachten wir mit Interviews, Radioterminen und dergleichen. Meine 4 Jungs stellten sich augenblicklich schützend vor mich, sobald die Fragen nach Joe und mir aufkamen. Tom brach ein Interview sofort ab, als der Reporter aufdringlich nachfragte. Die immer wieder auftretenden Tränen versteckte ich hinter meiner Sonnenbrille.
Zurück im Hotel ging ich mit Tom, Tini und meiner Band zum Essen. Da ich meine Tasche im Zimmer vergessen hatte, lief ich schnell zurück um sie zu holen. Und da sah ich ihn.
Er stand vor meiner Tür.

„Was willst Du ?“ fragte ich ihn zornig.

„Sandy, Du glaubst doch nicht ernsthaft, was in der Presse steht ?“

„Verarsch mich bloß nicht, versuch es erst gar nicht !“

Ich wollte meine Karte durchziehen, um die Tür zu öffnen. Er trat mir in den Weg.

„Lass mich endlich in Ruhe, Joe. Es ist vorbei ! Es ist zuviel passiert.“

„Ich war nicht bei meiner Frau ! Ich war in meiner Hütte, oben im Wald und zwar alleine. Ich brauchte die Zeit, um über alles nachzudenken. Was die Schreiberlinge wieder ausgegraben haben, stimmt einfach nicht. Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich mir nichts dir nichts zu meiner Frau gehe, alles was zwischen uns war, einfach beiseite wische ? Nach alldem, was wir in den letzten Monaten erlebt haben ? So gefühlskalt bin ich nicht, das darfst Du einfach nicht denken ! Ich liebe Dich doch !“

„Ja ja, und die Bilder haben die Typen irgendwo ausgegraben !“ lachte ich höhnisch.

„Die Bilder sind mindestens 4 Jahre alt. Du kannst sie im Internet anschauen, mit Datum.“

„Und der Ausraster von Dir in München ? Als Du auf einen Mann eifersüchtig warst, den ich nicht einmal persönlich kenne ? Von dessen Band ich einfach Fan bin ?“

„Okay, das war nicht in Ordnung. Es tut mir leid, ich möchte mich dafür entschuldigen.“

„Du entschuldigst Dich wieder einmal, und die Sache ist wieder vom Tisch ? Joe, wie lange und wie oft soll das noch so weiter gehen ? Du selbst hast mir einmal gesagt, ich solle alles, was in meinem Leben nicht in Ordnung ist eliminieren, sonst würde ich zugrunde gehen. Und genau das mache ich gerade.“

Ich drängte mich an ihm vorbei, angelte nach meiner Tasche und ließ ihn stehen.
Er rief mir noch nach, aber ich wollte es nicht mehr hören.

Mittwoch, 17. Dezember 2008

Kapitel 52-53 - Ruhe in England

Später fand ich mich auf einer Parkbank wieder. Wie lange ich dort saß, weiß ich nicht mehr. Heute kann ich nicht einmal mehr sagen, was ich in dieser Nacht alles dachte oder fühlte. Ich weiß nur noch, dass ich völlig ausgebrannt und leer war. Alles erschien mir sinnlos und wertlos. Joe hatte in einem Recht. So ging es nicht weiter. So schön es zwischen uns gewesen war, der Preis war zu hoch. Ich begann, mich zu verändern. Ich verlor mich selbst.
Als es hell wurde, winkte ich ein Taxi herbei um mich ins Hotel bringen zu lassen. An der Rezeption ließ ich mir ein anderes Zimmer geben und legte mich aufs Bett.
Tini rief mich gegen 10.00 Uhr an, um mir zu sagen, sie wolle mich zum Frühstück abholen.
Als sie meine Stimme hörte, die gleich nach dem ersten Wort brach, fragte sie nur:

„Wo bist Du ?“

„341“.

Sie legte auf und war nur Minuten später bei mir. Schweigend hörte sie mir zu. Als ich geendet hatte, sagte sie immer wieder nur drei Worte:

„Irre, total irre.“

Sie ließ mich heulen und reichte mir nacheinander Papiertaschentücher.

„Hör auf damit. Der Typ macht Dich kaputt. Es hat keinen Sinn, so weiter zu machen. Das musst Du doch einsehen. Er dreht bei der kleinsten Gelegenheit durch und nachher macht er auf harmlos, entschuldigt sich und eine kleine Weile ist Ruhe. Und sobald Du die Dinge tust, die Dich als Mensch eigentlich ausmachen, tickt er wieder aus. Du bist so anders geworden. Hast Du mal selbst gemerkt, wie wenig Du noch lachst ? Deine Lachsalven, die normalerweise Minuten dauern, die gibt es praktisch nicht mehr. Du kannst sonst minutenlang über den Dreck auf der Straße lachen, und jetzt ? Jetzt schaust Du Dich um, ob auch ja niemand Anstand daran nimmt ! Du lässt Dich total verbiegen. Sandy, das kann echt nicht sein ! Ich lass das nicht zu !“

„Was soll ich denn machen ?“

„Ihr habt jetzt Urlaub geplant, oder ?“

„Gestern Abend haben wir uns eigentlich darauf geeinigt, die zwei Wochen bei mir zuhause zu verbringen. Einfach relaxen, gut essen, ein paar Ausflüge machen. Aber ich kann das jetzt nicht mehr. Und ich will es auch nicht mehr !“

Ich hatte eine SMS erhalten. Tini griff nach meinem Handy und las mir vor:

„Fliege zurück nach Hause. Muss erst über alles nachdenken. Melde mich. Joe.“

Empört sah mich Tini an.

„Das ist ja jetzt wohl der absolute Koffer ! Der hat sie doch wirklich nicht mehr alle ! Der hat Dich überhaupt nicht verdient, Sandy ! Sag mal, spinnt der komplett ?“

Irgendwie war ich überhaupt nicht überrascht. Mir war klar, dass Joe noch einen drauf setzen musste. Ich stand auf und sagte zu Tini:

„Ich fliege jetzt zu mir nach Hause. Ich will alleine sein.“

„Aber Du kannst doch jetzt nicht….“

„Doch Tini, das ist mir so wichtig, wie selten was in meinem Leben.“

„Aber wenn was ist….“

„Mach Dir keine Gedanken, ich wandere ja nicht ins Outback aus. Ich habe Telefon, Strom, Wasser….“

„Ach komm, hör doch auf ! Du kannst doch jetzt nicht….“

Ich unterbrach sie mit meinem Blick.

„Doch, Tini.“

Widerwillig rief sie Tom an, um mir einen Flug Richtung Heimat buchen zu lassen. Ich fragte an der Rezeption nach, ob Joe bereits ausgecheckt hatte und ging nach der Bestätigung in das Zimmer, um meine Sachen zu holen. Als ich fertig war, ging ich nach unten und fuhr zum Flughafen.
Zuhause angekommen, legte ich mich auf mein Bett und schlief völlig erschöpft ein. In der Nacht wachte ich auf.
Als mir die ganze Situation wieder bewusst war, wanderte ich ziellos durch meine Wohnung. Das Gefühl der Sinnlosigkeit und der Leere wurde mir wieder mit einem Schlag bewusst. Ich musste hier weg. Alles erdrückte mich.

Kapitel 53

Das Cottage !
Dort war ich immer glücklich und konnte zu mir selbst finden. Ich rief beim Flughafen an und buchte einen Flug nach England. Meinen Koffer musste ich nicht einmal auspacken, er war ja erst vor ein paar Tagen gepackt worden. Hier. Mit Joe.
Ich drängte die Tränen zurück, öffnete den Koffer und warf alle Kleidung, die mit ihm in Berührung gekommen war, in meine Wäschetonne. Später machte ich mir einen Cappuccino und setzte mich auf meine Terrasse. Als ich das Taxi hörte, nahm ich meine Sachen und ging nach unten.
Der Flug verlief rasch und reibungslos. In Stansted ließ ich mir einen Mietwagen geben und fuhr aus der Stadt. Nachdem die Häuser immer weniger und die Landschaft immer schöner wurde, beruhigte ich mich. Es war bereits Mittag, als ich am Cottage ankam. Ich musste lächeln. Wie lieblich hier doch alles war ! Ich war mir sicher, hier würde ich meinen Frieden finden. Mein Handy hatte wohl mehrfach geklingelt, ich beachtete es jedoch nicht. Ich wollte alleine sein und meine Ruhe haben. Als ich den Wagen geparkt, meinen Koffer ins Haus gestellt hatte, ging ich zu Fuß ins Dorf, um einige Kleinigkeiten einzukaufen.
Da ich eine Sonnenbrille trug, erkannte mich die Frau nicht. Zurück im Haus beschloss ich, zuerst auszuschlafen. Wie durch ein Wunder fiel ich in einen traumlosen Schlaf.
Als ich erwachte, war es bereits dunkel. Ich machte im offenen Kamin Feuer und schenkte mir ein Glas Rotwein ein. Meinen Eltern und Tini sandte ich eine SMS, dass ich weggefahren war und nicht gestört werden wollte. Es sei alles in Ordnung, ich bräuchte nur Ruhe.
Tini wollte wissen, wo ich sei. Ich antwortete nur, an einem Ort, der für mich wichtig sei und an dem ich nachdenken könne.
Meine Eltern antworteten, sie wüssten, wo ich sei. Sie versprachen, es aber niemandem zu verraten.
Die Gedanken an schönere Zeiten mit Joe tauchten wieder vor meinen Augen auf. Bruchstücke von Momenten, Worte, die er mir sagte, Blicke, die er mir zuwarf, Berührungen.
Ungläubig realisierte ich, dass das alles erst ein paar Tage her war und was war seither alles passiert ? Wie sich doch alles verändern konnte. Mit ein paar Worten, ein paar Gesten konnte alles blitzschnell ins Gegenteil gekehrt werden. Ich merkte, wie mir wieder das Wasser in die Augen stieg. Unfähig, mich dagegen zu wehren, gab ich mich schließlich dem Weinen hin.
Bill und Maggie schauten am nächsten Morgen vorbei, um nach mir zu sehen.

„Hallo, Kleines !“ Bill nahm mich liebevoll in seine Arme. Seine Barthaare kitzelten mich, das hatten sie schon, als ich noch ein kleines Mädchen war.

„Hallo, Ihr beiden ! Woher wisst Ihr, dass ich hier bin ?“ fragte ich überrascht.

Ich ging zu Maggie, um sie ebenfalls zu umarmen.

„Deine Mam hat angerufen, wir sollen nach Dir schauen. Deine Eltern machen sich Sorgen.“

„Ich weiß, aber das brauchen sie nicht. Ich brauche die Einsamkeit hier, um mit allem klar zukommen.“

Wir tranken zusammen Tee und ich berichtete.
Die beiden waren sehr mitfühlend und ließen mich reden. Maggie wurde im Laufe des Gespräches sehr wütend.

„Wenn ich das gewusst hätte, dann hätte ich dem Kerl in München mal die Leviten gelesen ! Unglaublich, was der sich herausnimmt !“

„Ich glaube nicht, dass das etwas genutzt hätte. Schließlich bin ich selber schuld. Wenn ich mich nicht gleich so auf ihn eingelassen hätte, wäre das alles nicht passiert.“

Nun wurde Bill ärgerlich.

„Das habe ich jetzt aber nicht gehört ! Du wirst Dir doch nicht die Schuld geben ? Du hast Dich einfach und vollkommen arglos in ihn verliebt. Der Typ hat es wirklich überzogen ! Sei froh, dass Du den los bist !“

Die beiden versuchten, mir mit ihren Ratschlägen zu helfen. Als sie gingen, nahmen sie mir das Versprechen ab, dass ich mich melden würde, sollte ich etwas brauchen.
Die Tage in England verbrachte ich mit endlosen Spaziergängen, kochte endlich einmal wieder und las viel. Draußen in dieser grandiosen Natur fühlte ich mich wohl und fand wieder etwas zu mir. Ich konnte mir über meine Gefühle klar werden und das alles besser realisieren.
Es war vorbei.
Es musste vorbei sein, wollte ich nicht zugrunde gehen.

Meine Jungs fragten ebenfalls vehement per SMS nach, wo ich sei. Ich solle mich melden, sie wollten mir helfen. Nach ein paar Tagen rief niemand mehr an, sie hatten wohl akzeptiert, dass ich mit niemandem reden wollte.
Die zwei Wochen neigten sich dem Ende und mir graute vor den kommenden Tagen. Schließlich hatten wir ja noch die Konzerte in England und so weiter. Ich würde noch 5-mal mit Joe auf der Bühne stehen und knappe drei Wochen lang waren wir noch auf Tour.
Wie das gehen sollte, war mir völlig unklar.

Dienstag, 16. Dezember 2008

Kapitel 50-51 - Das Konzert und die Folgen

In den Garderoben angekommen, holte ich mir erst ein Glas Sekt, um die ganzen Emotionen etwas zu dämpfen. Aerosmith hatte noch eine Pressekonferenz, deswegen sahen wir sie erst kurz vor unserem Auftritt. Meine Eltern und ihre Freunde trafen ein und ich wurde noch nervöser. Ich unterhielt mich gerade ihnen, als mein Vater plötzlich von etwas abgelenkt war. Ich drehte mich um und sah, dass Joe gekommen war. Ich stellte alle einander vor. Meine Mam hatte ihren prüfenden Blick aufgesetzt. Sie musterte Joe genau, war aber trotzdem unheimlich freundlich zu ihm. So waren sie, meine Eltern ! Sie nahmen einfach jeden in ihr Herz auf. Zufrieden wollte ich mir noch ein Glas holen, als Stella und Romy hereingestürmt kamen, um mich für den Gig herzurichten. Ja, und dann war es auch schon so weit. Ich hörte bereits beim Hochgehen durch die Katakomben, wie die Masse oben johlte. Der Ruck ging wieder durch mich, ich tauschte meinen obligatorischen Blick mit Stefan und es ging los ! Es war so schön, in diesem Stadion ! Bald war mir klar, dass dieser Auftritt mein bisher bester sein würde. Ich gab alles. Getragen von den Gesängen der Fans, den La Ola Wellen und dem Klatschen gab ich den anderen ein Zeichen. Bevor wir Can`t stop calling you spielen würden, sang ich I can`t help falling in love with you von Elvis. Ich sang alleine, ohne Begleitung. Ich musste das machen, es war für mich mega-wichtig. Es war aber nicht für Joe gedacht, sondern in Gedenken an mein erstes Konzert in der Olympiahalle vor etlichen Jahren. Damals war Bon Jovi mit Keep the faith auf Tour. Wir hatten einen Platz ganz vorne, es war mein allerschönstes Konzert überhaupt. Jon sang genau diesen Song, ohne Begleitung, in seinem Schlangenlederanzug, die Gitarre auf dem Rücken und von nur einem Spot angestrahlt. Mir wird heute noch mulmig, wenn ich an diesen Moment denke. Und darum tat ich das, was ich gerade tat. Ich erfüllte mir damit einen Traum, nur für mich. Vor meinen Augen sah ich Jon dort stehen. Der Moment war perfekt für mich. Als ich geendet hatte, öffnete ich meine Augen. Ich hörte nichts, es war mucksmäuschenstill. Bis auf einmal das Johlen, Trampeln und Klatschen zu hören war. Stefan kam zu mir und umarmte mich. Ich war ihm unendlich dankbar.
Als wir geendet hatten und von der Bühne gingen, war ich völlig gelöst. Der ganze Knatsch mit Joe war von mir gefallen. Aerosmith kamen uns entgegen auf dem Weg zu ihrem Auftritt. Joe sah mir von weitem entgegen und beschleunigte seine Schritte auf mich zu.

„Babe, was war das denn ? War das geplant ? Hey, wie kommst Du denn auf so was ?“

„Ich musste es einfach tun, ich habe schon sehr lange davon geträumt. Ich erzähl Dir später mal davon.“

Wir küssten uns, ich wünschte ihm noch viel Glück für das Konzert und ging in meine Garderobe zu meinen Eltern zurück. Meine Eltern waren total begeistert von uns. Maggie und Bill übrigens auch. Mam war wie üblich um mein Wohlergehen besorgt, und meinte:

„Schatz, Du schaust aber schon sehr erschöpft aus !“

Ich wollte sie gerade beschwichtigen, als mir Bill in`s Wort fiel:

„Du solltest mal wieder in Eurem Cottage ausspannen. Dort warst Du doch immer so gerne, willst Du nicht bald wieder kommen ?“

„Sicher Bill, wenn`s die Zeit zulässt, komme ich bestimmt bald !“

Und ich hatte keine Ahnung, dass ich schon sehr bald dort sein würde.
Wir sahen uns noch das Konzert von Aerosmith an. Meine Mutter war von Joe`s Spiel und von der Show sehr angetan. Sie war früher schon eine Wilde, aber dennoch war ich überrascht, wie sie mitging. Später sagte sie leise zu mir:

„Dein Joe war mir anfangs etwas unheimlich, aber jetzt wo ich ihn selbst gesehen habe, muss ich meine Orakelei wohl zurück nehmen. Ich finde ihn eigentlich ganz nett, er hat auch sehr liebevoll von Dir gesprochen. Ich habe ihn beobachtet, wie er Euren Auftritt angeschaut hat und als Du den Song von Elvis gebracht hast, war er restlos begeistert von Dir. Er hat keine Sekunde seine Augen von Dir gelassen. Ich glaube, er liebt Dich wirklich.“

Ich war sehr froh über Ihre Worte. Sie beruhigten mich ungemein.
Spät in der Nacht verabschiedeten sich meine Eltern, um mit Bill und Maggie nach Hause zurückzufahren. Mein Dad ermahnte Joe noch scherzhaft, gut auf mich aufzupassen, was Joe natürlich versprach.
Als sie weg waren, nahm mich Joe in die Arme und fragte:

„Verrätst Du mir jetzt das Geheimnis des Elvis-Songs ?“

Arglos erzählte ich ihm die Geschichte. Das hätte ich wohl besser gelassen.

Kapitel 51

Er sah mich an, unbewegt wie schon so oft, drehte sich einfach um und ging.
Was hatte ich nun wieder getan ? Was war so schlimm daran, als Fan einer Rockband den Song des größten Musikers aller Zeiten zu singen ? In Gedenken an das schönste Konzert, das man erlebt hatte, im schönsten Stadion, das man liebte ? Ich verstand ihn nicht.
Da Joe spurlos verschwunden war, fuhr ich mit meinen Jungs ins Hotel zurück. Er tauchte in dieser Nacht nicht mehr auf. An sein Handy ging er ebenfalls nicht. Wir sahen uns erst am Flughafen am nächsten Nachmittag, als wir für unseren Flug nach Berlin eincheckten. Er grüßte mich zwar, würdigte mich ansonsten keines Blickes. Keiner von uns verstand, was mit ihm los war. Steven wollte mit ihm reden, kam aber nicht an ihn ran. Fassungslos erzählte er mir, dass Joe auf all seine Fragen keine einzige Antwort gegeben hatte. Ich zuckte mit den Schultern und ließ mich von Steven trösten.
Das Konzert in Berlin verlief ereignislos. Es war toll wie immer. Allerdings bemerkte ich bei unserem Duett, dass Joe mich nicht so ansah, wie sonst. Auch sein Kuss am Ende des Songs war nicht so emotional. Verstört ging ich von der Bühne und fuhr alleine in unser Hotel. In unserem Zimmer wartete ich auf Joe. Als er endlich da war, knallte er die Tür zu und setzte sich auf einen Stuhl. Die Ellbogen auf seine Knie aufgestützt, das Gesicht in den Händen vergraben sagte er unvermittelt:

„Sandy, so geht es nicht weiter. Du kannst nicht ständig auf meinen Gefühlen herumtrampeln.“

„Ich mache was ?“

„Du trampelst auf meinen Gefühlen herum. Du machst, was Du willst. Du sagst mir nicht, wo Du hingehst, Du lässt mich völlig im Unklaren, was Du wirklich denkst. Jetzt kommst Du noch mit Bon Jovi daher, singst Liebessongs, die die mal gespielt haben. Was soll das ?“

„Joe, ich tat das nur, weil ich in meinem Lieblingsstadion spielen durfte. Das heute war für mich das größte, es war eine Ehre für mich. Und den Song habe ich nur gebracht, weil es damals für mich das erste und das schönste Konzert war. Ich war damals ganz vorne gestanden, ich war einfach Fan. Das ist alles.“

„Ich glaube Dir nicht.“

„Ich kenne Bon Jovi ja nicht mal persönlich. Findest Du nicht, dass Deine Eifersucht langsam krankhaft wird ?“

„Krankhaft ? Ich und krankhaft ?“ schrie er.

Der Streit eskalierte. Wir brüllten uns an, warfen uns unsere Fehler vor. Irgendwann nahm ich meine Tasche und meine Jacke und wollte raus. Er hielt mich am Arm.

„Du tust mir weh ! Lass mich los !“

„Wo willst Du hin ? Zu einem Deiner Lover ?“

Die Tränen rannen mir über die Wangen. Ich riss mich los und rannte wortlos aus dem Raum. Wohin ich wollte, wusste ich nicht. Ich wusste nur, ich hielt das alles nicht mehr aus. Ich rannte und rannte ziellos durch diese Stadt, die mir vorher immer gemütlich und heimelig erschienen war.
In dieser Nacht war sie nur abweisend.

Montag, 15. Dezember 2008

Kapitel 48-49

Sie hielten Wort und unternahmen mit mir wirklich sehr viel in der freien Zeit. Natürlich ließen sie mich auch bei den beruflichen Terminen nicht aus den Augen. Joe hatte sich nach seinem Ausbruch ganze zwei Tage nicht gemeldet. Ich mich bei ihm auch nicht, da es immer noch sehr wehtat, was geschehen war. Ich fuhr gerade von einem Interview bei 8tmf nach Hause, als er anrief. Ich nahm die nächste Ausfahrt, fuhr raus und hielt an.

„Hi, Babe.“

„Hallo, Joe.“

Er holte tief Luft bevor er sich wieder einmal bei mir entschuldigte.

„Sorry, wegen meinem Ausraster. Es tut mir wirklich sehr leid, ich weiß nicht, wie ich das ungeschehen machen könnte. Ich wollte Dich wirklich nicht bedrohen, mit dem Ende von uns beiden. Aber ich war so down und die Sehnsucht nach Dir bringt mich fast um.“

Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte oder was ich sagen sollte.

„Du fehlst mir auch sehr, aber ich kann das nicht ertragen, wenn Du mich so anschreist. Ich pack das einfach nicht. Joe, ich liebe Dich doch, das weißt Du. Und schau, die drei Wochen sind bald um und wir werden uns bald wieder sehen ! Wenn Du noch willst.“

„Natürlich will ich Dich wieder sehen und ich will auch, dass es zwischen uns wieder so ist wie vorher. Es war wunderschön mit Dir, ich fühlte mich wieder wie ein Teenager. Die Welt stand uns offen, alles war möglich. Du hast mein komplettes Leben auf den Kopf gestellt. Und dafür bin ich Dir dankbar.“

Wieder spürte ich, wie mir das Wasser in die Augen schoss.
Unter Tränen sagte ich zu ihm:

„Joe, ich will den Weg weiter gehen mit Dir. Aber ich kann nicht unter dem Druck weitermachen, den Du auf mich ausübst. Das macht mich einfach fertig.“

„Es wird wirklich nicht mehr vorkommen, das verspreche ich Dir. Ich habe kapiert, dass Du Deinen Freiraum brauchst. Ich habe mich wie ein kompletter Idiot benommen !“

Seine Stimme klang so warm, wie ich sie aus glücklicheren Zeiten kannte. Ich musste lächeln.

„Bitte verzeih mir noch dieses eine Mal ! Vielleicht liebe ich Dich einfach zu sehr.“

„Vielleicht liebe ich Dich auch zu sehr !“

Wir schwiegen beide.

„Schatz, lass uns das einfach vergessen und weitermachen, wo wir in Wien aufgehört haben“, sagte Joe hoffnungsvoll.

„Okay, vergessen wir das alles.“

Er erzählte mir von den vergangenen Konzerten und von Stevens Eskapaden. Er hatte sich die Bedienung vom Hotel in Wien angelacht und spielte seither den Verliebten. Er schickte ihr jeden Tag Geschenke und hing stundenlang am Telefon mit ihr. Ich musste lachen. Als wir uns alles berichtet hatten wünschte er mir noch eine gute Nacht und süße Träume.
Mein Herz war wieder erleichtert und ich hatte den festen Willen, ihm zu glauben.
Die letzten freien Tage vergingen ohne weitere Zwischenfälle. Wir telefonierten täglich mehrmals und ich freute mich schon wahnsinnig auf unser Wiedersehen in München. Am letzten Tag vor meiner Abreise gönnte ich mir mit Tini noch allerlei schöne Sachen in unserem Wellness-Tempel. Mittags ging ich noch zu meinen Eltern, um mit ihnen die Details für unser Treffen im Olympiastadion zu besprechen. Meines Dad`s Freunde Bill und Maggie waren zu Besuch aus England gekommen und wollten ebenfalls mit. Die vier reisten extra an, da ich ja viel früher dort sein musste. Fröhlich fuhr ich nach Hause, um meine Siebensachen für die kommenden drei Wochen zu packen. Viel war es nicht, da die Bühnenklamotten von Stella und Romy betreut wurden. Ich hatte es mir gerade auf dem Sofa bequem gemacht, um endlich mal wieder einen Krimi im Fernsehen zu schauen, als es klingelte.
Erstaunt ging ich zu Tür. Mich traf fast der Schlag, als ich sah, wer da stand.

Kapitel 49

Ich fiel ihm in die Arme und wollte ihn nie mehr loslassen. Wieder einmal heulte ich, dieses Mal jedoch vor Glück.

„Wo kommst Du denn her ? Wir wollten uns doch erst morgen treffen ? Bist Du alleine her geflogen ?“

„So viele Fragen auf einmal, eigentlich will ich Dich nur küssen !“

Lachend fiel ich ihm wieder in die Arme und er küsste mich mit dieser Intensität, die ich so lange vermissen musste. Er schob mich zurück in meine Wohnung und da er wohl nicht wusste wohin, zog ich ihn Richtung Wohnzimmer. Küssend fielen wir auf die Couch und nur wenige Augenblicke später waren wir komplett nackt. Wir fielen übereinander her, als ob es kein Morgen gäbe. Ich genoss seine Berührungen, seine Blicke und seine Küsse. Einen kurzen Moment bereute ich, doch nicht nach Japan geflogen zu sein. Als ob er meine Gedanken erriet, sagte er:

„Du weißt jetzt warum ich unbedingt wollte, dass Du zu mir kommst ?“

„Ja, aber durch die Trennung ist es jetzt doch viel schöner !“

„Allerdings, dafür entkommst Du mir heute Nacht aber keine Sekunde, dass schwör ich Dir !“

Und er sollte damit Recht behalten.

Ich fasste mit meiner Hand nach rechts. Der Platz neben mir war leer. Leise stand ich auf und sah durch den Türspalt, wie Joe, nur mit Shorts bekleidet, meine Wohnung anschaute. Langsam und ruhig sah er die Bilder im Wohnzimmer an, manche nahm er ab, um sie genauer zu betrachten. Als er mich bemerkte, drehte er sich lächelnd zu mir um und kam auf mich zu.

„Guten Morgen, hast Du gut geschlafen ?“

„Ja, gut geschlafen habe ich, allerdings nicht sehr lange.“

Er grinste mich frech an.

„Frühstück ?“

„Okay“, sagte ich und ging in die Küche.
Er kam mir nach und nahm mich von hinten in die Arme.

„So könnte jeder Morgen beginnen. Es ist einfach viel schöner mit Dir !“

„Joe, fang nicht schon wieder an !“ Ich drohte ihm zum Spaß mit dem Zeigefinger.
Er lachte und duckte sich weg.

„Nein, nein, das war doch nur liebevoll gemeint.“

„So, nun lass uns aber frühstücken. Wir müssen heute Mittag um 12.00 Uhr los.“

Wir machten es uns auf meiner Terrasse gemütlich und erzählten uns die Dinge, die wir die letzten Tage ohne einander erlebt hatten.
Ich musste lauthals lachen, als mir Joe von Steven erzählte.

„Er benimmt sich wie ein alberner Gockel. Du solltest mal sehen, was für Klamotten er momentan trägt. Andere Leute bräuchten für so einen Style einen Waffenschein, und zwar, damit sie nicht eingesperrt werden. Es ist ja sonst schon schlimm, was er immer anzieht, aber das war dann doch noch nie da ! Und wie er um die Tussi balzt, es ist nicht zu fassen !“

Als ich begann, das Geschirr abzuräumen, fiel mir siedend heiß ein, dass meine Eltern Joe kennen lernen wollten !

„Joe, Du weißt, dass Du heute auf meine Eltern triffst ?“

„Ja, weiß ich. Ich muss aber wohl keinen Anzug oder so was anziehen ?“

Schmunzelnd erwiderte ich:
„Nein, sie sehen Dich ja nachher auch beim Auftritt. Du brauchst Dich also nicht zu verkleiden.“

„Sie schauen die Show an ?“

„Ja, sie wollen unbedingt dabei sein. Freunde von ihnen kommen auch mit.“

„Hey cool, die sind ja noch gut drauf !“

Stolz sagte ich:
„Ja, sonst hätten sie ja keine Tochter wie mich zustande gebracht.“

Lachend zog er mich auf seinen Schoß und er hatte wieder diesen Blick, mit dem er mich binnen Sekunden schachmatt setzte.

„Mister Joe Perry ! Aber nicht hier auf der Terrasse !“

Prüfend sah er sich um.

„Meilenweit keine Möglichkeit uns hier zu sehen !“

Da mein Widerstand sowieso zwecklos war, ließ ich es geschehen.
Wir waren natürlich wieder zu spät dran. Der Taxifahrer, den ich bereits am Abend zuvor bestellt hatte, wartete bereits seit einer halben Stunde. Wir rafften unsere Sachen zusammen, rannten die Treppen hinunter und sprangen in den Wagen, um zur Mietwagen-Zentrale zu fahren.
Als wir im Leihwagen saßen, bemerkte Joe:

„Ich bin noch nie bei Dir mitgefahren !“

„Stimmt, ich bei Dir allerdings auch nicht !“

„Ich weiß von Dir noch viele Sachen nicht.“

„Du hast aber noch jede Menge Zeit, alles herauszufinden.“

Er rutschte zu mir herüber und küsste mich.
„Das habe ich hoffentlich.“

Bei 8tmf angekommen, warteten die anderen bereits alle. Freudig begrüßten meine Jungs Joe. Der Rest von Aerosmith würde nach der Ankunft zuerst im Hotel einchecken und dann direkt ins Stadion kommen. Es war schön, wieder mit allen zusammen zu sein.
Tini nahm mich zur Seite und fragte:

„Wie kam das jetzt ?“

„Er kam gestern Abend zu mir nach Hause. Er hat sich ein paar Tage vorher am Telefon entschuldigt, hab ich Dir ja erzählt. Und nun stand er vor meiner Tür.“

„Ist alles wieder okay ?“

„Momentan schon, es ist wieder so schön und unbeschwert wie vor den Streitereien. Als ob nicht gewesen wäre.“

„Ich wünsche Dir von Herzen, dass es so bleibt.“

Sie drückte mich kurz an sich.

„Du hast mir die letzten Tage wirklich leid getan. Endlich hast Du mal jemand gefunden, dem Du Dein Herz öffnen kannst und ausgerechnet der ist dann so besitz- ergreifend und eifersüchtig ! Das ist ungerecht, finde ich !“

„Wahrscheinlich hat er es einfach nicht verkraftet, von mir getrennt zu sein. Ist ja auch kein Wunder, nach unserer wunderschönen Zeit auf der Tour. Wir haben uns kennen gelernt, uns lange nicht getraut, aufeinander zu zugehen und Boom ! Gleich in der ersten Nacht schliefen wir miteinander. Wir waren vom ersten Tag an ständig zusammen. Beim Frühstück, bei der Arbeit, Nachts.“

„Na gut, es ist ja auch kein „normales“ Leben, das Ihr führt. Der riesige emotionale Kick bei den Konzerten, das Hotelleben. Manche würden für so ein Leben morden ! Und dann treffen noch zwei so kreative Menschen aufeinander.“

Wir schwiegen beide bis Tini bemerkte:

„Der Hammer ist Euer Duett bei Endless Love. Es ist unglaublich, welche Magie dort zu spüren ist. Ich habe bei dem Song das Gefühl, man kann direkt in Eure Herzen schauen. Die Leute merken das. Weißt Du eigentlich selbst, was dabei in Euch vorgeht ?“

„Nein ! Tini, die Gefühle bei dem Lied sind für mich zu riesig, als dass ich sie wirklich erfassen könnte.“

„Hallo Ihr zwei Turteltauben, kommt Ihr dann auch ? Wir müssen !“

Tom drängte zum Aufbruch. Wir hatten gar nicht bemerkt, dass die anderen alle schon hinausgegangen waren. Wir fuhren zum Olympiastadion.

Es war merkwürdig, als Act in ausgerechnet dieses Stadion zu fahren. Ich liebte es ! Obwohl es schon über 30 Jahre auf dem Buckel hatte, war es für mich DAS Stadion, DIE Arena für Rockkonzerte. Als ich noch nicht so bekannt war, war es für mich die Anlaufstelle für Konzerte, U2, Aerosmith, aber hauptsächlich Bon Jovi ! Ich empfand es immer noch als hypermodern und es war für mich so etwas wie mein zweites Wohnzimmer geworden. Und nun sollte ich auf dieser Bühne stehen und unsere eigenen Songs performen.
Nervosität machte sich in mir breit. Wie immer überkam mich das Lampenfieber, heute aber mehr denn je. Außerdem würden meine Eltern in der VIP-Lounge sitzen und ihrer Tochter zusehen.

Sonntag, 14. Dezember 2008

Kapitel 46-47

Zu meiner Überraschung war es Steven. Freudig nahm ich ab.

„Hi Steven, was gibt’s denn ?“

„Sandy, irgend etwas muss jetzt passieren, sonst bekomme ich hier mal die Krise ! Joe benimmt sich schlimmer wie ein kleines Kind, weil es kein Eis bekommt. Der neueste Dreh ist jetzt, dass er das nächste Konzert schmeißen will. Und das alles nur, weil er ohne Dich auskommen muss ! Sag mal, was ist eigentlich zwischen Euch beiden los ? Das ist langsam nicht mehr auszuhalten !“

Da auch Steven keine Kiemen hat, musste er eine Pause einlegen, um Luft zu holen.

„Was ist los ? Er will nicht auf die Bühne ?“

„Genau, klein Joe will nicht auf die Bühne, weil Du nicht an seiner Seite weilst !“

„Was soll ich denn jetzt machen ? Hast Du mit ihm gesprochen ?“

„Ja sicher, aber er hört ja nicht mal mehr zu ! Er starrt vor sich hin und alles was er sagt, ist, dass er will, dass Du herkommst, ansonsten nimmt er keine Gitarre in die Hand !“

„Hör zu, ich ruf ihn jetzt gleich an und rede mit ihm !“

„Ja mach das bitte, ich werde sonst langsam wahnsinnig. Eigentlich dachte ich immer, dass ich das schon lange bin, aber so“ ….

So langsam wurde mir die Geschichte unheimlich.

„Ich kenne ihn nun seit etwa vierzig Jahren, aber so hat er sich nicht mal in der Zeit verhalten, in der man uns die Toxic Twins nannte. Damals hätte ich das wenigstens noch verstehen können. Ich dachte eigentlich ich kenne ihn, aber weit gefehlt. So geht das auf jeden Fall nicht weiter.“

Ich versprach Steven, Joe gleich anzurufen. Aber zuerst musste ich mich beruhigen und mir überlegen, wie ich das angehen wollte. Meine Gedanken rasten. Ich wusste wirklich nicht, was ich ihm sagen wollte, geschweige denn, wie ich das ganze hinbiegen sollte. Ich rauchte erst eine Zigarette und wählte dann seine Nummer.

„Hi, ich bin`s Sandy“, sagte ich etwas zögerlich.

„Hey Babe, wow ist das schön, von Dir zu hören ! Ich vermisse Dich so, alles ist leer und langweilig ohne Dich. Mein Bett ist so kalt und groß !“

„Joe, genau deswegen rufe ich an. Steven hat sich gerade bei mir gemeldet und mir erzählt, dass Du nicht mehr auf die Bühne willst, keine Gitarre mehr anfasst, es sei denn, ich komme.“

Er schwieg.

„Schatz, so geht das nicht. Du kannst doch nicht durchdrehen, nur weil wir uns ein paar Tage nicht sehen. Du musst doch Deinen Verpflichtungen genauso nachkommen, wie sonst auch.“

Er schwieg immer noch.

„Joe, bist du noch dran ?“

„Wann kommst Du her ?“

Ich holte tief Luft.

„Du weißt genau, dass ich hier einiges zu erledigen habe. Wir haben kommende Woche ein paar Interviews, Foto-Shootings und wir müssen uns auch noch Gedanken über unser neues Video machen. Ich wollte auch noch ein paar Tage hier ausspannen.“

So, der letzte Satz war der falscheste, den ich nur sagen konnte. Er brüllte mich plötzlich an, von wegen ausspannen, ausspannen von wem ? Ich hätte nur meine Karriere im Kopf, sein Wohlergehen wäre mir s*****egal, ich wäre ein Egoist. Ihm ginge es schlecht und ich würde mich nicht um ihn kümmern.
Das war ja noch schlimmer, als ich erwartet hatte. Was ging nur in seinem Kopf vor ?

„Das stimmt doch alles nicht, Joe ! Die Termine waren bereits vor unserem kennen lernen datiert, soll ich jetzt hier alles hinschmeißen, nur weil Du Dich in irgendetwas hineinsteigerst ?“

„Entweder, Du fliegst hier her und zwar auf der Stelle, oder es ist aus zwischen uns !“

„Joe“….

Kapitel 47

Er hatte einfach aufgelegt. Ich drückte die Wahlwiederholung, aber er hatte sein Handy ausgeschaltet. Der Typ spinnt doch total, dachte ich im ersten Moment. Ich spürte Zorn in mir aufsteigen, der aber gleich von einer unendlichen Traurigkeit überschattet wurde. Keine Ahnung, was ich tun oder wie ich mich verhalten sollte. Ich war entsetzt, dass er mich erpresste und mir drohte. Meine Mam mit ihren Vorahnungen kam mir in den Sinn. Ich holte mir heulend eine Flasche Rotwein aus der Küche und setzte mich damit auf den Boden meiner Terrasse. Mein Herz zog sich zusammen. Bilder tauchten vor meinen Augen auf. Joe, wie er mich ansah. Joe wie er mich lachend in seine Arme zog. Joe, wie er schlief. Joe, wie seine Augen blitzten, als wir miteinander schliefen. Joe, wie besorgt er war, wenn ich mich nicht so wohl fühlte. Joe, fasziniert vor dem Bild in der Galerie. Joe, wie er, die Haare verwuschelt, aus der Dusche kam. Joe, wie er zum ersten Mal sagte, dass er mich liebt. Die Tränen wollten nicht versiegen, dafür aber der Rotwein. Schwankend erhob ich mich und ließ mich auf mein Sofa fallen. Gott sei Dank schlief ich endlich ein.
Mein Kopf brummte. Was war das für ein Geräusch ? Immer noch im Tran erhob ich mich mühselig und suchte nach meinem Handy. Es war bereits 10.00 Uhr. Die Helligkeit stach in meine Augen und blendete mich. Das Handy war es nicht, der Akku war leer. Ach so, die Türklingel. Ich schlurfte dort hin, um zu öffnen.

„Hallöchen !“

Ein Wirbelsturm hatte meine Wohnung geentert !

Oh Mann, dröhnte das in meinem Kopf !

„Tini, bitte sei etwas leiser, ich hab Kopfschmerzen.“

„Du heilige Scheiße ! Wie siehst Du denn aus ?“

Erst jetzt bemerkte ich, dass Tom ebenfalls mitgekommen war.

„Wir wollten mit Dir frühstücken, an Hering oder Rollmops haben wir allerdings nicht gedacht“, lächelte er mich an.

Stöhnend ging ich in die Küche voran, um Kaffee zu kochen und Geschirr aus den Schränken zu holen.

„Lass mal, setz Dich hin. Es ist besser, ich mach das.“

Dankbar nickte ich Tini zu.

„Was war los gestern Abend ?“ fragte Tom.

Die Erinnerung kam wie ein Hammer zurück. Sofort schossen mir wieder die Tränen in die Augen und ich heulte hemmungslos. Ich spürte, wie Tini mich in den Arm nahm und meinen Rücken streichelte. Ich stand abrupt auf und ging ins Bad, um zu duschen. Im Spiegel sah ich das ganze Ausmaß. Die Haare standen mir zu Berge, ich hatte schwarze Augenringe und mein Gesicht sah total eingefallen aus. Ich ging unter die Dusche, putzte mir danach die Zähne und föhnte mir die Haare. Nachdem ich mich umgezogen hatte, fühlte ich mich etwas besser. Die beiden hatten ein wundervolles Frühstück gezaubert, das ich allerdings nur mit einem Seitenblick würdigte. Ich hatte keinen Hunger. Mein Magen rumorte, wahrscheinlich aber nicht nur vom Alkohol.

„Joe ?“ fragte Tini ahnungsvoll.

„Ja. Gestern hat er alles gegeben. Er droht mir jetzt sogar mit Verlassen, wenn ich nicht sofort bei ihm auftauche.“

Erschrocken sahen mich beide an. Ich erzählte ihnen die ganze Geschichte.

„Ich war noch nie so glücklich mit einem Mann wie mit ihm. Aber ich ertrage diese Gängelei von ihm einfach nicht. Ich kann das nicht. Ich kann nicht einfach alles hinwerfen, nur um ihm 24 Stunden zur Seite zu stehen. Und ich finde, das ist auch nicht normal !“ endete ich.

Tom sah mich unbewegt an.

„Sandy, Du bist mit Leib und Seele Sängerin. Ihr seid momentan der absolute Aufsteiger. Die Medien reißen sich um Euch, die Fans schreien nach einer Tour. Endless Love ist übrigens seit gestern auf der eins, und dieses Mal auch im Ausland….“

Merkwürdig, ich konnte mich darüber überhaupt nicht freuen. Es erinnerte mich zu sehr an ihn.

„Selbst wenn ich noch in meinem alten Job wäre, würde ich auch nicht alles für ihn aufgeben. Das würde ich niemals tun.“

Tini hatte die ganze Zeit nur zugehört aber nun mischte sie sich ein.

„Die letzten Tage warst Du nicht Du selbst. Mir ist aufgefallen, dass ich Dein Lachen, wenn überhaupt, dann nur kurz gehört habe. Und die meiste Zeit war das sowieso nicht echt, sondern gekünstelt. Du warst in Barcelona so glücklich, so gelöst. Als ich ankam, merkte ich zwar, dass Dich was umtrieb, dass Du mir etwas verheimlichst. Aber als alles aufgeklärt war, warst Du dermaßen high drauf, dass ich manchmal schon dachte, irgendwann drehst Du noch an der Weltkugel.“

Ich nickte nachdenklich.

„Die verbleibenden zwei Wochen hier werden wir einiges unternehmen, damit Du auf andere Gedanken kommst. Ich schlage vor, dass Du dich mit Joe auf keine Diskussionen mehr einlässt. Irgendwann wird er schon merken, dass er Dich damit nicht mehr einschüchtern kann und er wird kapieren, dass es auch ein paar Tage ohne Dich geht.“

Tom versuchte mich aufzurichten und mir Hoffnungen zu machen.

„Ja und dann treffen wir uns in München und bis dahin ist hoffentlich wieder alles okay.“

Zuversichtlich nickte Tini mir zu.