Donnerstag, 28. Juli 2011

Kapitel 294 - Gefühle, Gewitter, Zittern und einfach alles davon......

Doch er hatte es geahnt und hielt mich am Arm fest.

„Nicht schon wieder weg laufen, little runaway….“

Dieses leise, geflüsterte „little runaway“ trieb mir augenblicklich die Tränen in die Augen und ich blieb mit gesenktem Kopf stehen.

Er zog mich an sich und drückte mich fest. Ich spürte die Verzweiflung, die in ihm tobte und diese Verzweiflung war größer als die meine. Auch ein Jon Bon Jovi hatte sich nicht immer im Griff, war nicht immer der strahlende Held, der wusste, was in welcher Situation zu tun war, über allem erhaben. Ich kapierte, dass die Sache mit Richie bei ihm um einiges schwerer wog, als so manch anderes. Und ich kapierte auch, dass ich ihn damit auf keinen Fall allein lassen durfte.

Ich legte den Kopf zurück und zwang ihn, mich anzusehen.

„Lass uns das vergessen, bitte ! Wir müssen wieder runterkommen und miteinander vernünftig reden, in Ordnung ?“

Er nickte nur niedergeschlagen.

An meiner Hand ließ er sich zurück zum Tisch führen und wir rauchten schweigend eine Zigarette.

„Es tut mir leid, was ich gesagt habe,“ begann ich leise.

„Ach, Honey, mir tut das auch leid !“

Wir schauten uns in die Augen. Abwartend, ob der andere etwas sagen würde. Abwartend, wie der andere reagieren würde. Die Sonne schien, die Vögel zwitscherten, die Palmen bogen sich leicht im Wind. Es war ein wunderschöner Tag. Den wir beide nicht wahrnehmen konnten.

„Ich hab viele Dinge gesagt, die ich wirklich nicht so gemeint habe.“

„Ich habe auch überreagiert, vor allem als ich….“ Er unterbrach sich und nahm einen Schluck vom kalten Kaffee.

„Es war blöd von mir mit dem Bier….“ fuhr er fort.

Jon sah an mir vorbei, hinaus in die Ferne.

Ich stand auf und kniete vor seinem Stuhl. Vorsichtig nahm ich seine Hände und drückte sie leicht.

„Schatz, ich möchte mich ehrlich entschuldigen. Natürlich weiß ich, dass Ihr hier auch Eure Traditionen habt. Und es war total unfair, dass ich gesagt habe, dass Du nicht weißt, was es heißt, ein neues Leben zu beginnen. Du bist ja gerade auch dabei….“

Meine Stimme brach, ich konnte nicht mehr. Als ich wiederholte, was ich ihm vorhin vorgeworfen hatte, wurde mir bewusst, wie gemein ich gewesen war.

„Schon gut, uns beiden sind einfach die Nerven durchgegangen.“

Er versuchte ein kleines Lächeln und strich mir sanft über die Wange.

Ich bemerkte diese kleine, winzige Bewegung, mit der er sich zu mir hinunter beugte. Im gleichen Moment streckte ich mich ihm ein klein wenig entgegen. So gingen wir Zentimeter um Zentimeter aufeinander zu, bis unsere Gesichter einander ganz nah waren.

Endlich küssten wir uns. Ein Kuss, in dem die Emotionen dieser Welt lagen. Angst, Hilflosigkeit, Hoffnung, Verzweiflung, Wut und endlose Liebe. Jon ließ mich spüren, dass er damit allen Unbill, alles Schlimme wieder wegwischen wollte.

Danach sahen wir uns noch lange in die Augen, bis er mich hoch hob und auf seinen Schoß zog. Ewige Zeit saßen wir dort, hielten uns in den Armen, streichelten uns sanft und vorsichtig. Die Stille legte sich über uns, keiner wagte, etwas zu sagen. Trotzdem verstanden wir uns und die Anspannung, die uns beinahe zu Schlimmerem getrieben hätte, wich schleichend aus unseren Körpern und Gedanken.

„Lass uns eine Pizza essen gehen, irgendwo, wo uns keiner kennt.“

Jon sah überrascht auf. Seine Augen wurden groß, der Mund stand etwas offen.

„Irgendeine kleine Pizzeria, nichts besonderes, ohne Schnick Schnack, okay ?“ drängte ich.

„Okay,“ sagte er gedehnt. „Jetzt gleich ?“

„Jetzt gleich, ich hab Hunger.“

„Wollen wir nicht lieber hier was….“

„Nein, ich muss raus hier, wenigstens für ein Weilchen.“

Ich stand auf, doch ich wusste, dass ihm nicht klar war, was mich antrieb. So drehte ich mich nochmals zu ihm um und erklärte es ihm.

„Sei mir nicht böse, aber ich muss das tun. Glaub mir, es wird uns beiden gut tun, in Ordnung ?“

Er nickte nur, griff nach den beiden Tassen und ging mir nach. Im Badezimmer schloss ich die Tür hinter mir und lehnte mich an. Ich schloss die Augen und versuchte, mich zu beruhigen. Meine Gedanken spielten wieder einmal miteinander Jojo. Verzweifelt sandte ich ein Stoßgebet gen Himmel, in dem ich darum bat, dass mein Leben wenigstens für die nächsten Tage ein klein wenig ruhiger verlaufen würde. Ich wusste, dass ich dieses Auf und Ab, diese ständige Action nicht länger aushalten konnte. Mein ganzer Körper, meine Seele sehnte sich nach etwas Ruhe, nach einem geregelten Tagesablauf…. Wenn ich daran dachte, dass wir schon in wenigen Tagen auf Tour gehen würden, wurde mir beinahe übel.

Ein leises Klopfen riss mich aus meinen Überlegungen.

„Schatz ?“ fragte er vorsichtig.

Ich öffnete die Tür und der Blick, mit dem er mich ansah, machte mir klar, dass er wieder einmal genau wusste, was in mir vorging. Vermutlich hatte er die vergangenen Minuten genutzt, um nachzudenken.

„Lass uns beim Essen drüber reden, bitte.“

„Okay !“ nickte er nur und wandte sich dann ab.

Ich machte mich schnell frisch, schminkte mich ein wenig und bürstete meine Haare. Danach ging ich zurück in das Schlafzimmer um mich umzuziehen. Jon zog sich gerade eines seiner alten Schlabbershirts über und beugte sich nach seinen Schuhen. Ich tat es ihm nach, schlüpfte in eine Jeans und griff nach einem meiner Tops. Über mein Outfit machte ich mir an diesem Abend so gut wie keine Gedanken, es war mir egal. Ich wollte normale Klamotten anziehen, kein besonderes Styling. In Wirklichkeit wollte ich einen ganz normalen Abend mit meinem Freund verbringen, so wie Millionen anderer Frauen auf diesem Planeten auch.

„Ich weiß, wo wir hingehen können. Aber es ist wirklich sehr einfach dort, ich hoffe, Dir gefällt es trotzdem….“

Unsicher schaute er mich an. Noch immer schwelte etwas Unerklärliches zwischen uns beiden. Spannung, Ungesagtes, Unsicherheit…..

„Je einfacher, desto besser !“ versicherte ich ihm und probierte ein Lächeln.

Jon fuhr nicht Richtung Stadt, wie ich erwartet hatte, sondern nahm die Landstraße, die wir vor wenigen Tagen gefahren waren, als wir unsere Motorradtour gemacht hatten. Ich überlegte, wohin er mit mir wollte, dachte an Benton und Beryl, doch das schien mir zu abwegig, es war zu weit weg. Außerdem hatten sie ja keine einfach Pizzeria, sondern ein Lokal der eher gehobenen Klasse. Ich spürte, das er mich ansah und wandte den Kopf zu ihm.

Nun war er es, der ein Lächeln versuchte. Er legte mir die Hand auf den Schenkel.

„Besser ?“ fragte er.

„Ja.“

Montag, 18. Juli 2011

Kapitel 293


Was, wenn er mir jetzt sagen würde, dass alles ein Irrtum gewesen war, dass ich wieder gehen solle ? Ich beachtete den tiefen Stich, der sich durch mein Herz bohrte, nicht.

Dann würde ich eben wieder einpacken, gehen, weiter ziehen. Es wäre mal wieder ein weiteres Fiasko gewesen…..

Ach quatsch, Sandy, was reimst Du Dir nur wieder zusammen ? gemahnte ich mich zur Ruhe. Warum hätte er dann das Mini-Konzert veranstaltet, den Ring gekauft, all die lieben Worte gesagt ?

Noch unruhiger geworden, griff ich nach meinen Zigaretten und ging auf die Terrasse hinaus. Meine Knie waren mittlererweile so zittrig, dass ich froh war, dass ich mich auf den nächst besten Stuhl fallen lassen konnte. Sein Gesicht trat vor meine Augen, ich hatte vorhin nur allzu deutlich gesehen, wie seine Wangenknochen mahlten. Das verhieß nichts Gutes. Seine Miene war nahezu ausdruckslos gewesen. An seine Stimme wagte ich nicht einmal zu denken….

Irgendwie hatte ich ein ganz und gar ungutes Gefühl, gegen das ich mich nicht wehren konnte. Und wie so oft, spielten meine Gedanken Jojo auf der Achterbahn.

Jedoch spürte ich auch diesen Zorn in mir aufsteigen, welcher mir - so widersinnig es auch klingen mochte - wieder etwas Klarheit brachte. Auf gar keinen Fall würde ich mich wegen diesem Vorfall verbiegen lassen. Und ich würde mir auch nichts von ihm verbieten lassen.

Wortlos stellte er die beiden Kaffeetassen auf den Tisch und setzte sich mir gegenüber. Er schlug ein Bein über das andere, stütze die Ellbogen auf den Lehnen auf, legte die gespreizten Hände aneinander vor seinen Mund und sah mich abwartend an.

„Was geht eigentlich zwischen Dir und Richie vor ?“

Booom. Zwischen mir und Richie ? Was zur Hölle wollte er damit sagen ? Bis jetzt war ich in der Annahme gewesen, ich wäre bereits komplett verwirrt, doch ich hatte mich getäuscht.

„Zwischen mir und Richie ?“

„Jep.“

„Was meinst Du ?“

„Irgendetwas verheimlicht Ihr mir doch ?“

„Wir verheimlichen Dir etwas ?“ fragte ich ratlos.

„Kannst Du mir eine meiner Fragen vielleicht auch ohne Gegenfrage beantworten ?“ fragte er mit einer gehörigen Portion Ungeduld in seiner Stimme.

„Ich versuche es…. Aber ich weiß wirklich nicht, was Du meinst…..“

„Also gut. Dann zäumen wir das Pferd von vorne auf.“

Sein durchdringender Blick ließ mich zum Teenager werden. Nein, ich kam mir vor wie ein kleines Kind, das etwas angestellt hatte und nun gerügt wurde.

„Du hast mitbekommen, dass ich ständig Anrufe von dieser durchgeknallten Person bekomme ?“

„Ja, hab ich….“

„Wie kommt diese Frau an meine Nummer ?“

„Ich hab keine Ahnung….“

„Sandy, es hat keinen Sinn, ihn zu schützen. Ich weiß genau, dass sie die Nummer von ihm hat. Was ich jetzt noch wissen will, ist, wer ist sie und wie konnte das passieren ?“

„Du weißt….. ?“

„Wollen wir das Gegenfragen-Spiel noch stundenlang treiben ?“ fragte er genervt.

„Nein, natürlich nicht….“

„Also, dann raus mit der Sprache !“

Er wusste es. Woher auch immer. Es hatte keinen Zweck, dass ich Ausreden erfand, geschweige denn, dass ich ihn anlog. Das wollte ich auf gar keinen Fall. Ich überlegte rasend, wie ich es ihm beibringen konnte, so dass Richie nicht allzu schlecht dabei wegkam.

„Okay, wenn Du immer noch darüber nachdenkst, wie Du ihn retten kannst, lass es ! Ich habe von einer Detektei die Nummer checken lassen, ich hab ihre Adresse, sogar Fotos von ihr. Eigentlich weiß ich alles, außer, warum Richie so ein Vollpfosten war und ihr die Nummern gegeben hat.“

„Jon, er hat oder hatte eine Affäre mit ihr. Er sagte mir, dass er mit ihr nichts mehr zu tun haben will, weil er außer den Bettgeschichten nichts mit ihr anfangen kann. Leider verfolgt sie ihn und….“

„Wie ist sie an die Nummern gekommen ?“ bohrte er unerbittlich nach.

„Sie hatten getrunken, waren wohl ziemlich wild bei der Sache, jedenfalls Richie. Sie wollte es unbedingt in der Wanne tun, Richie konnte es nicht mehr erwarten, er stolperte und fiel mit der Jeans und dem Handy ins Wasser, sie wollte es am nächsten Tag reparieren lassen und er hat es ihr gegeben.“

Wieder dieser durchdringende, alles scannende Blick….. Nur, dass er jetzt seine Hände um die Lehnen gelegt hatte. Die Knöchel traten schneeweiß hervor. Die Anspannung war nicht mehr nur zu spüren, sie war körperlich zu sehen.

„Ich könnte ihn umbringen !“

„Sei nicht so streng mit ihm, er wusste einfach nicht, was er damit auslösen würde,“ bat ich.

Doch er schaute mich noch immer so an.

„Du kannst Dir doch eine andere Nummer geben lassen….“

„Das kann ich schon, und übrigens all die anderen Leute auch ! Sie ruft jeden, aber auch wirklich jeden, der im Speicher war, an. Unsere Familien, unsere Freunde, unsere Angestellten, Geschäftspartner ! Bonnie sitzt in New York und tut den lieben langen Tag nichts anderes, als sich um Schadenbegrenzung zu bemühen. Das geht so nicht !“

„Schau, er war ganz einfach betüdelt….“

„Sandy, er war nicht ganz einfach betüdelt, er war wie schon so oft ganz einfach besoffen !“

„Das ist Dir natürlich noch nie passiert !“

„Doch, aber wenn, dann dreh ich nicht solche Dinger ! Und außerdem brauche ich nicht schon Morgens einen Drink, bevor ich mich an den Frühstückstisch setze !“

Auch das wusste er. Ich brauchte also nicht mehr um den heißen Brei herum reden oder Ausreden erfinden. Wir konnten offen darüber sprechen.

„Aber wir müssen ihm doch helfen….“

„Was glaubst Du, habe ich schon versucht ?“

Der bittere Unterton in seiner Stimme machte mich vollends sprachlos. Es ging also schon länger, es war ein noch größeres Problem, als ich zu hoffen gewagt hatte.

„Ich habe davon nie etwas geahnt, Jon. Als Fan war ich immer so stolz darauf, dass Ihr sauber seid, dass es bei Euch keine solch fürchterlichen Exzesse wie bei anderen Bands gab. Obwohl ich ja wirklich nichts dafür getan hatte, war ich stolz. Stolz auf Euch.“

„So kann man sich täuschen.“

Er stand auf und schaute reglos in den Garten.

„Und dann kommst Du noch mit 20 Kisten Bier an.“

„Willst Du mir etwa vorwerfen, dass ich daran schuld bin, dass er trinkt ?“ fragte ich fassungslos.

„Nein, aber Du unterstützt ihn damit.“

„Ich mache was ?“

„Du animierst ihn mit solchen Aktionen.“

„Das ist doch völliger Blödsinn ! Jetzt komm mal wieder runter ! Das Bier ist für meine Band gedacht gewesen. Außerdem ist Dein Haushalt ebenfalls mit Alkoholika bestückt. Richie ist ein erwachsener Mann, Du glaubst doch nicht im Ernst, dass Du allen Stoff dieser Welt vor ihm verstecken kannst ?“

„Nein, das dachte ich anfangs ja auch….“

„Außerdem gilt bei uns in Bayern Bier nicht als Alkohol !“

Mit diesem kleinen Witz wollte ich die Stimmung etwas entspannen, doch er verstand ihn nicht.

„So schlecht bin ich in Geografie auch nicht, dass ich nicht weiß, dass Du aus Schwaben kommst und nicht aus Bayern !“

„Jon, hör auf mit dem Scheiß ! Was soll das ?“

Wir beide hatten unsere Stimmen erhoben und waren ziemlich laut. Wir standen voreinander und hatten die Arme in die Hüften gestemmt.

„Außerdem, wenn Du so gut in Geografie bist und so genau weißt, wo ich her komme, dann weißt Du auch, dass das zur Grenze von Bayern ist !“ giftete ich.

„Es ist absolut kindisch, was wir beide hier abziehen !“

„Ja, Jon-Schatz ! Das ist es wirklich !“

„Du hast es als Dein USA-Überlebenskit bezeichnet !“

„Ach komm ! Das war ein Witz, ein Scherz !“

„Der natürlich nicht ernst gemeint war !“

„Das sind Witze im Allgemeinen nicht ! Aber zu Deiner Info, es ist tatsächlich mein Überlebenskit hier, Du weißt doch gar nicht, was es bedeutet, alle Brücken abzubrechen und auf einem anderen Kontinent ein neues Leben anzufangen ! Und Du weißt als Amerikaner auch nicht, was Traditionen bedeuten ! Und Du hast keine Ahnung davon, wie gut so ein Bier nach Feierabend tut, weil Ihr hier ja nicht einmal das Wort Feierabend kennt !“

Noch immer standen wir so voreinander, die Angriffslust in den Augen, bereit dem anderen weh zu tun, sich zu verteidigen, was auch immer. Ich spürte, dass wir kurz vor der Eskalation standen und dass es so nicht weiter gehen durfte. Doch ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich hatte es übertrieben, hatte zuviel gesagt. Auch einiges, das ich so niemals hätte sagen dürfen, weil es nicht stimmte, weil es ihn verletzen musste.

Ich wollte weg und drehte mich um.

Donnerstag, 14. Juli 2011

Kapitel 292

"Du meinst….“ wollte ich nachfragen und legte voller Schrecken meine Hand vor den Mund.

„Ich meine, dass Richie ein Riesenproblem mit sich herumschleppt.“

„Du willst doch nicht sagen, dass er…..“

Ich unterbrach mich, konnte nicht weiter sprechen. Ohnmächtig ob des Unausgesprochenen beugte ich mich vor, stellte meine Ellbogen auf die Tischplatte und schlug beide Hände vor das Gesicht. Meine Gedanken rasten, realisierten, sortierten in Windeseile, überschlugen sich und kamen doch zu keinem Ende.

„Nein, Tom ! Sag bitte, dass das nicht wahr ist !“ flehte ich ihn an und wusste doch im gleichen Atemzug, dass er mein Flehen nicht erhören würde.

Ich schloss meine Augen und versuchte, meinen Atem zu beruhigen.

„Schau, wir haben ihn beide eine ganze Zeit lang beobachten können. Durch die Wohnsituation bleibt so was ja nicht aus…..“

„Nein, Tom, Tini, bitte nicht…..“

Er rutschte ein Stück vor und nahm meine Hände in die seinen.

„Es macht doch keinen Sinn, Dir das zu verschweigen, Süße.“

Tini war einen Schritt vorgetreten und sah mich hilflos an.

„Ihr wollt mir jetzt aber nicht sagen, dass er trinkt ? Dass er ein Alkoholiker ist ?“

Die beiden schwiegen und als ich in ihre betretenen Gesichter sah, wusste ich, dass es Wirklichkeit war. Der Mann, der seit meiner Jugend auf einem Marmorpodest stand, den ich für sein Gitarrenspiel anbetete, der strahlende Ritter, mein Lanzelot….. Ich dachte nach, rief mir einige Begebenheiten ins Gedächtnis. Es war alles so wirr.

Natürlich trank er manchmal einen über den Durst, wie wir alle. Kein Mensch konnte nach einem Gig einfach so in sein Bettchen gehen, das gerade Erlebte einfach so zur Seite schieben, als wäre nichts gewesen, das Adrenalin ließ sich nicht auf Knopfdruck ein- und ausschalten. Da hatte Richie doch meist nur ein paar Bier getrunken….. So richtig betrunken hatte ich ihn doch nur ein oder zwei Mal gesehen…. Aber, als ich ihn zum Essen holte, wollte er sein Glas vor mir verstecken….

„Habt Ihr mit Jon darüber gesprochen ?“

„Nein, wir haben uns – ehrlich gesagt - nicht getraut. Jon ist bei Bon Jovi der Don, der Padrone und daher….“

Tom unterbrach sich rasch, ich merkte, wie unangenehm ihm die Situation war.

„Leute, es tut mir leid, aber ich fahr jetzt nach Hause. Nachdem, was ich gehört habe, krieg ich sowieso nix mehr auf die Reihe. Ich muss in Ruhe überlegen, was wir tun können und dann werde ich mit Jon reden.“

Ihr Einverständnis vorausgesetzt, stand ich auf, griff nach meiner Tasche und ging zur Tür. Sie gingen mir nach und umarmten mich kurz. Tini nickte mir noch aufmunternd zu und dann verließ ich das Büro. Am Empfang nickte ich Hailey kurz zu und betrat den Aufzug. Als sich die Tür geschlossen hatte, lehnte ich mich an die Wand. Meine Knie zitterten und mir wurde schwindelig. Im Auto ließ ich die Scheibe runter und zündete mir eine Zigarette an. Eigentlich wäre jetzt ein Schnaps genau das richtige gewesen, dachte ich bitter. Gerade, als ich den Zündschlüssel umdrehte, fiepste mein Handy. Es war Jon.

„Wo bist Du ?“ fragte er ohne Umschweife.

„Ich sitz im Auto vor unserem Büro, ich fahr jetzt heim.“

„Okay, ich warte auf Dich.“

„Jon ?“

„Ja ?“

„Wir müssen reden.“

„Das müssen wir wohl.“

„Bis gleich !“

„Bye.“

Ich wartete noch kurz, aber er hatte bereits aufgelegt. Unsicher und mit sehr gemischten Gefühlen fuhr ich aus der Stadt hinaus. Komischerweise verirrte ich mich dieses Mal nicht und fand ohne Umwege den richtigen Weg. Mir war nicht wohl beim Gedanken, gleich daheim anzukommen, aus irgendeinem Grund wollte ich nicht wirklich dorthin. Doch wusste ich, dass ich es nicht umgehen konnte.

Nachdem der Wagen in der Garage und das Tor verschlossen war, ging ich auf das Haus zu. Der Eingang, der mir sonst immer so einladend erschien, sah ablehnend aus. Ich straffte die Schultern, richtete mich auf und zwang mich, ruhig zu atmen.

Sofort, nachdem ich die Haustür geschlossen hatte, kam Jon aus seinem Arbeitszimmer. Unschlüssig standen wir voreinander und auch das kurze „Hi“ von ihm ließ die Anspannung nicht von mir weichen. Ich stand immer noch direkt vor der Tür, er neben meiner kleinen Kommode. Mit wackligen Beinen ging ich die paar Schritte dorthin und legte meine Tasche darauf ab. Nicht wie sonst kam er auf mich zu, sondern er blieb abwartend stehen und sah mich ausdruckslos an.

Ich wollte etwas sagen, doch er unterbrach mich.

„Lass uns nach draußen gehen.“

Ohne meine Antwort abzuwarten, drehte er sich um, ging in die Küche. Ich hörte, wie er dort die Kaffeemaschine anwarf und mit dem Geschirr klapperte. Sein Auftreten machte mich wütend, ich fand es unmöglich, dass er so eine Riesensache draus machte. Eigentlich hatte ich gehofft, dass er mich in die Arme nehmen würde, sich entschuldigen würde, mir sagen würde, alles wäre wieder okay. Doch es hatte keinen Anschein, dass das geschehen würde