Montag, 8. November 2010




Ja, Mädels, Missi war in Köln dabei ! Und ich kann es immer noch nicht glauben..... die After-Show-Trance hält noch immer an und das hoffentlich noch ewig !!!!
Aber nun mal von Anfang an:

Eigentlich war ich am Mittwoch Morgen todkrank, total erkältet, Fieber, Schnupfen.... Ich war auf dem Weg vom Doc nach Hause, mit einer Krankmeldung für den Rest der Woche in der Tasche und mit dem sehnlichsten Wunsch, zu duschen und mich hinzulegen. Im Autoradio lief My Immortal von Evanescence und da ich diesen Song liebe, ließ ich den Sender eingestellt, obwohl ich nicht gerne Radio 7 höre.

Gedankenverloren und traurig über mein blödes Leben, Trennung von meinem Mann, Liebeskummer nach einer kurzen, aber heftigen Affäre mit einem Typen, der mich eigentlich so gar nicht verdient hat und nun auch noch krank, bekam ich vom Song nicht mehr viel mit und fuhr so vor mich hin.

Plötzlich jedoch war ich hellwach und die Sinne auf Empfang gestellt.
Das war doch....ja ! Das war tatsächlich meine Arbeitskollegin und Freundin, deren Stimme über den Äther kam !!!!

"Ja, ich rufe nicht für mich, sondern für meine Arbeitskollegin an. Der geht`s momentan nicht so gut und sie ist ein Riesen-Bon-Jovi-Fan."

Den Rest bekam ich nicht mehr mit, hektisch kramte ich in meiner Tasche nach dem Handy und wählte ihre Nummer. Sie kreischte nur ins Telefon: "Jaaaaaaaaaaa !"

Ich fragte nur: "Sag bloß, dass Du mit der Arbeitskollegin und Freundin mich gemeint hast ?"

Sie: "Wen denn sonst ?"

Daraufhin kreischten wir beide, ich konnte es nicht fassen !
Wie in Trance fuhr ich heim, rief das Murmele an und fragte sie:

"Sitzt Du ?"

Nach einer kurzen Pause sagte sie: "Sag bloß, Du fährst nach Köln ?"

Murmele wäre nicht Murmele, hätte sie nicht sofort gewusst, was passiert sein könnte.....

Den restlichen Tag verbrachte ich zwischen Aufregung, Unglauben und unglaublicher Vorfreude. Tatsächlich erfassen konnte ich es nicht.

Am nächsten Morgen traf ich mich mit meiner Freundin zeitig zum gemeinsamen Frühstück, essen konnte ich jedoch nicht viel. Trotz der herrlichen Platte mit Müsli, frischem Obst, Käse, Wurst und allerlei Schnick-Schnack. Mehr oder weniger gestärkt gingen wir zum Bus, wo es kurz darauf los ging.

Sage und schreibe fünf Männer - und davon war einer der Fotograf - waren an Bord, der Rest natürlich Frauen.
Die Stimmung war gut, etwas verhalten. Vermutlich ging es den anderen wie mir, sie konnten ihr Glück nicht fassen.

Zwischendurch machten die Radioleute ein paar Interviews mit den Fans, die sie dann und wann an den Sender übertrugen. Ich wurde immer nervöser, denn wir stolperten von Stau zu Stau, bis wir schließlich nach über sechs Stunden Busfahrt ankamen. Die erste Reihe war weg, soviel war klar. Doch ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass es schließlich nur fünfhundert Leute sein würden und beschloß, dankbar zu sein, dass ich überhaupt dabei sein konnte.

Am Limelight angekommen, holten wir unsere Bänder und gingen ohne zu zögern hinein. Und ich hatte Recht behalten: Die ersten Reihen waren weg, wir waren der letzte Sender, der angekommen war. Und es war heiß, es war sowas von heiß, dass ich schon nach wenigen Minuten spürte, wie eine Schweißperle nach der anderen meinen Rücken hinunter lief.

Und dann ging`s auch schon los, Thomas Gottschalk kam auf die Bühne, von seiner Anmoderation bekam ich allerdings so gut wie nix mit, da ich nur Augen für Jon`s fantastisches Lächeln hatte..... *grins*

Die Band fackelte nicht lange, begann mit Bad Name und verwandelte den Club sofort in einen Hexenkessel. We weren`t born to follow, Lost Highway, It`s my life, What do you got, When we were beautiful, Wanted, Who says, Keep the faith, Livin`on a prayer, und kaum zu glauben: Always, bei dem mir wieder einmal die Tränchen herunter liefen....Als Zugabe gab`s Bad Medicine und Jon ging von der Bühne in den Graben, ließ sich abklatschen und gab Autogramme.

Bei It`s my life wurde mir plötzlich klar, dass Jon mich ansah. Ich kam mir vor wie das Kaninchen vor der Schlange, fühlte, dass ich immer kleiner wurde. Mein einziger Gedanke war, "Jon, schau endlich wieder weg, ich pack das nicht !", doch er guckte weiter. In meiner Verzweiflung sang ich gegen ihn an, musste irgendwann über mich selber lachen und zwinkerte ihm zu. Er grinste, zwinkerte zurück, lachte und nickte mir zu. Dieser Augenblick ist mir mehr wert, als jedes Autogramm und diesen Blick werde ich meiner Lebtag nicht mehr vergessen !

Leider war ich bei Bad Medicine zu weit weg und hatte keine Chance, durch den Pulk durchzukommen. Schade, wann ist man ihm schon mal so nahe ? Und dann war`s auch leider schon vorbei. Schön für mich war, dass ich die Songs mal wieder pur hören konnte, also ohne Shout, Pretty Woman, einfach so, wie sie sind. Nicht, dass mir diese Versionen nicht gefallen, aber das hatte ich mir schon länger gewünscht.

Die total glückliche Missi und ihre Freundin machten dann noch einen auf Teenie und suchten den Hinterausgang. Und tatsächlich, da standen die VW-Busse, bereits mit den Taschen der Band bestückt und kurz darauf kamen Jon und Richie, die noch auf der Treppe stehen blieben, dann jedoch gleich einstiegen. Tico kam zum hinteren Bus, ich rief noch nach ihm, die Kamera im Anschlag, er sah zu mir, bruddelte irgendwas, das Missi nicht verstand, weil sie im gleichen Augenblick wegen ihrer Kamera laut fluchte..... Dann fuhren sie auch schon weg.

Nach fünf Stunden Busfahrt kamen wir endlich wieder daheim an und ich machte mich eine gute Stunde später auf den Weg zur Arbeit. Der Blick von Jon trug mich den lieben langen Tag durch meinen Job und erst spät abends kam ich dann zur Ruhe und schlief glücklich und zufrieden ein.







Donnerstag, 4. November 2010

Kapitel 290

„Heute morgen hab ich mich so gefreut, als ich den Truck sah…. dass er so lieb war, und das für mich organisiert hat…. es war so schön, die Sachen zusammen zu verräumen…. wir hatten soviel Spaß….. ich habe mich so gefreut auf diesen Tag…. und nun….“

Richie war sehr gut ihm Trösten, er ließ mich jammern, schimpfen und weinen. Es tat in diesem Moment wahnsinnig gut, dass er bei mir war. Wie schon so oft, war er in einer schlimmen Zeit an meiner Seite und ich war froh, dass ich ihn als Freund hatte.
Als ich mich einigermaßen beruhigt hatte, hielt er mich ein wenig von sich weg, sah mich lächelnd an und meinte:

„Jetzt klatschst Du Dir ein wenig Wasser ins Gesicht und dann setzen wir uns raus auf die Terrasse. Lass uns ein wenig reden, okay ?“

Dankbar nickte ich und tat, was er vorgeschlagen hatte.
Dort saßen wir dann, mittlererweile war es Abend geworden. Von Jon war nichts zu sehen oder zu hören gewesen. Zwischendurch hatte ich nach meinem Handy gegriffen, doch Richie meinte, ich solle ihn besser schmoren lassen.

„Ich finde es absolut nicht okay, was er macht. Vor allem nicht heute, an diesem Tag. Da streitet man doch nicht ! Meiner Meinung nach hätte er sich freuen müssen.“

„Eigentlich schon !“

Da mich wieder diese verdammte Traurigkeit und Hilflosigkeit überkam, stand ich schnell auf, um unsere Gläser neu zu füllen.


Szenenwechsel:


Er kam sich ausgeschlossen vor, als er die beiden beobachtete, ihr Gespräch mit anhörte. Sie wirkten so vertraut, so einig, mit dem was sie einander sagten, wie sie leise lachten und scherzten, wenn es auch sehr verhalten klang und wenn er auch merkte, dass die Stimmung nicht so ausgelassen wie sonst war. Sein erster Impuls war, zu ihnen zu gehen und sich dazu zu setzen. Doch nach ein paar Schritten hielt er inne. Das wäre nicht gut, er würde nur stören…. Traurig und durcheinander ging er zu Bett.

Noch lange lag er wach, einen Arm über die Augen gelegt. Er versuchte, über alles nachzudenken, was ihm reichlich schwer fiel, denn seine Gedanken rasten. Hatte er einen Fehler gemacht mit dem, was er zu ihr gesagt hatte ? War seine Reaktion falsch gewesen ? Hatte er es nicht doch überzogen? Nach wie vor fand er es seltsam, dass sie soviel von dem Zeugs mitgebracht hatte. Wenn das ein Mann getan hätte, das wäre etwas anderes gewesen….. Trotzdem wurde er das schlechte Gefühl, das ihn schon die ganze Zeit beherrschte, nicht wieder los. Sonst war er doch auch nicht so spießig, konnte ihre Macken meist mit einem Scherz abtun, warum also hatte er so reagiert ? Zuerst fand er es ja noch lustig, wollte darüber lachen, und doch war ein Punkt gekommen, an dem er es nicht konnte. Warum ? Warum war das so ?

Und er hatte ihr diesen Tag gründlich versaut. Er hätte das nicht tun dürfen. Sie war wütend gewesen und diese Art von Wut zeigte sie stets, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlte. Ihre schnippische Reaktion…. Richie hatte ihre Aktion natürlich wieder witzig gefunden, dieser Kindskopf…. Sie hatte nicht mehr bei ihm angerufen, nicht nachgefragt, wo er war…. Nicht einmal eine SMS hatte er von ihr bekommen.
Je länger er darüber nachdachte und sein Hirn zermarterte, um so mehr kam er sich wie ein Vollidiot vor.

Szenenwechsel:


Das Bett neben mir war bereits kalt und leer, als ich die Augen aufschlug. Wieder war es ein sonniger, warmer Morgen, der so gar nicht zu meiner Stimmung passte. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis das Geschehene wieder in meinen Gedanken war. So ein Theater, wegen so einem Furz ! dachte ich und spürte diesen Zorn in mir aufsteigen. Ich griff nach meinem Handy auf dem Nachttisch und sah auf das Display. Ich hatte eine SMS erhalten, hastig drückte ich auf „Öffnen“, und war gleich darauf enttäuscht. Sie war von Tom.
Er bat mich, nachmittags ins Büro zu kommen.

Nun gut, dann hatte ich den Vormittag zur freien Verfügung. Ich schwang die Beine aus dem Bett, machte mich im Bad kurz frisch und warf mich in meine Trainingssachen. In der Küche wollte ich schnell noch einen Kaffee trinken. Dort traf ich auf Rosita.

„Guten Morgen“, grüßte ich sie.

„Hallo, Sandy ! Gut geschlafen ?“

„Na ja, geht so….“

Sie sah mich aufmerksam an, natürlich hatte sie sofort bemerkt, das etwas nicht stimmte.

„Geht`s Dir nicht gut ?“

„Doch, ich hab nur ein wenig Ärger mit Jon.“

„Was ist denn passiert ?“ fragte sie erschrocken.

Ich erzählte ihr in Kurzform die Geschichte und sie machte ein mitfühlendes Gesicht.

„Ach, das renkt sich schon wieder ein ! Ich finde das nicht schlimm, keine Ahnung, warum der sich so darüber aufregt. Soll ich mal mit ihm reden ?“ fragte sie.

„Ich glaub, das bringt nichts. Aber versuchen kannst Du es ja….“

„Wenn er wieder aus der Stadt zurück ist, heute früh murmelte er irgendwas von einem wichtigen Termin….“

Sie zwinkerte mir aufmunternd zu und ich widmete mich wieder meinem Kaffee. Als ich ausgetrunken hatte, stöpselte ich die Hörer in meine Ohren, schaltete meinen MP3-Player ein und ging in den Garten. Gemächlich trabte ich los. Dieses Wetter passte tatsächlich nicht zu meiner Stimmung, ich wurde immer missmutiger. Warum zur Hölle, konnte er nicht mal auf Wiedersehen sagen ? Das konnte ich echt nicht leiden, so viele Menschen hatten sich im Streit getrennt, waren zur Arbeit, zum Einkaufen oder sonst wohin gefahren und hatten sich dann nicht mehr lebend gesehen, weil irgend etwas Schlimmes geschehen war…..

Die Wut, die in mir war, konnte ich an diesem Morgen nicht weglaufen, ich bekam meinen Kopf nicht frei. Das passierte selten, eigentlich nur, wenn mich etwas zu sehr belastete. Ich war so zornig, dass ich nicht einmal weinen konnte.

Dienstag, 21. September 2010

Kapitel 289

Szenenwechsel:

Irgendwann war es mir zu bunt geworden. Ich verstand ihn nicht. Warum nur machte er so ein Theater darum ? Eigentlich hatte ich eher damit gerechnet, dass er sich darüber amüsierte. Und war es denn nicht tatsächlich so, dass es in den Staaten kein vernünftiges Bier gab ? Mir war, als sollte ich ein schlechtes Gewissen haben, mich als Alkoholikerin fühlen…. Gerade er, der sein Leben ja auch gelebt hatte, wollte mir Vorhaltungen machen ? Wegen so einem Kinkerlitzchen ? Auf keinen Fall würde ich mir das bieten lassen, soviel war sicher, nicht wegen so einem kleinen Ding. Am meisten ärgerte mich, dass er gar nicht wusste, warum und wieso.

Erstens war ich niemals von Alkohol abhängig gewesen, zweitens konnte ich ohne dass mir etwas fehlte, wochenlang ohne Alkohol auskommen, allein meiner Stimme wegen, drittens trank ich meist nur in Gesellschaft. Und viertens - der allerwichtigste Grund - war das Bier zum großen Teil für meine Jungs gedacht. Mit einem grimmigen Grinsen im Gesicht freute ich mich dennoch auf ein gepflegtes Weizen heute Abend. Das würde ich mir schon zum Trotz genehmigen. Hätte er mich wegen meines Konsums an Kaffee ausgeschimpft, das hätte ich wenigstens verstehen können…..

„Miss Reed ?“ wurde ich aus meinen Gedanken gerissen.

„Ja ?“ wandte ich mich zu Mr. Williamson um.

„Wir haben ein kleines Problem mit Ihrem Schrank….“

Er sah mich verlegen lächelnd an.

„Welches denn ?“ fragte ich ihn, wischte mir die Hände an meinem Rock ab und ging zu ihm.

„Ehrlich gesagt, wir wissen nicht, wie dieser zusammen gebaut wird !“

Trotz meines Unmutes über Jon musste ich lachen.

„Die Keile ?“

„Ja,“ erwiderte er und kratzte sich am Kopf.

Wir gingen zusammen in die Halle, wo seine Männer ratlos um die Einzelteile standen. Ich zeigte ihnen, wie die Holzkeile in die Seitenwände gesteckt und dann mit dem Boden und dem Oberteil verbunden werden mussten. Von den Seitenwänden gingen weitere Querverstrebungen ab, die ebenfalls miteinander verzahnt werden mussten, so dass die Stabilität erreicht wurde. Sie lachten ob ihrer Unwissenheit und einer meinte dann:

„Tut uns leid, aber so was haben wir wirklich noch nie gemacht ! So was wird ja heutzutage gar nicht mehr hergestellt. Alles ohne Schrauben und Dübel, nur verkeilt…. So was haben wir noch nie gesehen….“

Besser, ich bleibe dabei und helfe, bis das Ding steht…. dachte ich im Stillen. Er war mir zu wertvoll, als dass ich zugelassen hätte, dass er nicht ordnungsgemäß aufgestellt wurde. Ich nickte einem der Arbeiter aufmunternd zu und hielt eine der Wände fest. Mit der freien Hand zeigte ich ihm, welches Teil nun kam und wo es hin gehörte. Als er das System kapiert hatte, war es nicht mehr so schwierig und zum Schluss musste ich gar nicht mehr viel zeigen.

Jon sah uns zu, jedoch konnte ich seinen Gesichtsausdruck nicht deuten. Wollte er lächeln oder war er damit beschäftigt, möglichst unbeteiligt auszusehen ? Langsam aber sicher wurde ich wirklich sauer….

Die Möbelpacker waren mit ihrem Job fertig, die Kisten, Kartons und Möbel waren alle am gewünschten Ort und warteten darauf, ausgepackt zu werden. Die Halle war soweit wieder aufgeräumt, der Container leer und auch der Zankapfel Bier hatte seinen Weg in den Keller gefunden. Jon quittierte den Rapportzettel, gab ein ordentliches Trinkgeld und die Männer verabschiedeten sich freundlich. Eigentlich schien alles in bester Ordnung zu sein…..

Was Mr. Rockgott wirklich bewegte, schien in den nächsten Sekunden allzu deutlich. Richie kam mit drei gefüllten Weizengläsern aus der Küche, nur der liebe Gott wusste, wie er in dem ganzen Chaos an meine Gläser gekommen war. Die Holzkisten, in denen mein Geschirr lagerte, waren noch nicht ausgepackt.

„Na dann, lasst uns anstoßen ! Allerdings hab ich die Zitronen weggelassen, nicht, dass ich hier noch Schimpfe krieg,“ sagte er strahlend.

Doch das Lächeln gefror ihm sofort ein, als er in Jon`s Gesicht blickte.

„Ich hab noch einen Termin in der Stadt,“ sagte dieser kurz angebunden.

„Jetzt ?“ fragte ich.

„Heute ?“ fragte Richie im gleichen Atemzug mit hochgezogenen Augenbrauen.

„Ja, ich muss was erledigen, dass ich nicht aufschieben kann. Ich bin bald zurück.“

Er bedachte mich mit einem flüchtigen Kuss, drehte sich ohne ein weiteres Wort um und ging.

Nun war ich sauer.

Das konnte doch jetzt echt nicht wahr sein ! Vollkommen fassungslos und hilflos ließ ich mich auf eine der Holzkisten sinken, meine Knie gaben nach. Was zur Hölle war mit ihm los ? Ich verstand ihn immer weniger. Richie schien es ähnlich zu gehen, er stand immer noch dort, mit den drei Gläsern in der Hand, sah abwechselnd zur Haustür, die eben laut ins Schloss gefallen war und dann wieder zu mir. Ich streckte einen Arm aus und bedeutete ihm wortlos, er möge mir eines der Weizen geben. Mit einem mitleidigen Blick reichte er mir es und stieß mit einem bedauernden Lächeln mit mir an.

„Cheers !“

Ich nickte nur und nahm einen tiefen Schluck. Danach wischte ich mir den Schaum von der Oberlippe. Eine Weile saßen wir schweigend dort, jeder in seine Gedanken versunken. Jons Reaktion war für uns beide nicht nachzuvollziehen, es beschäftigte uns wohl zu sehr.

„Sandy….“ ergriff Richie leise das Wort.

Ich sah zu ihm auf und schüttelte den Kopf.

„Schon okay,“ wehrte ich lahm ab.

„Nichts ist okay. Ich seh doch, wie`s Dir geht. Ist irgendetwas zwischen Euch beiden vorgefallen ? Ich mein, das ist doch nicht normal, wie der sich verhält ?“

„Nein, es war alles eitel Sonnenschein, zumindest solange, bis er die Kisten entdeckt hat.“

„Und dann ging er so ab ?“

„Ja, und ich hab keine Ahnung, warum. Ist es denn soooo schlimm, was ich gemacht hab ?“

„Nun, es ist schon eine ganze Menge an Bier und für eine Frau ist so ein Mitbringsel etwas….. sagen wir mal, ungewöhnlich.“

„Mag sein….aber….“

„Aber was ?“ fragte er sanft und lächelte mich dabei mit seinem warmen, liebevollen Lächeln an. Dieses Lächeln tat mir so gut in diesem Augenblick, von Anfang an hatte es mich für Richie total eingenommen. Schon damals, als wir uns in Kanada im Park getroffen hatten….

„Aber was ?“ hakte er nochmals nach und setze sich auf die Kiste neben mir.

„Es ist doch nicht alles für mich, der allergrößte Teil ist für die Jungs gedacht, als Mitbringsel aus unserer Heimat. Sie mögen das so gerne und Ihr trinkt das doch auch ? Ich hab mir nichts schlimmes dabei gedacht…. Jon weiß doch gar nicht, was es für mich bedeutet, hier her gezogen zu sein…. weit weg von meinem daheim…. Auf einem anderen Kontinent….und er fragt nicht mal nach, warum…. wieso…. was wirklich dahinter steckt…. ich hab eben meine Traditionen…. wir haben bei unseren Proben immer welches getrunken…. es ist unser Bandgetränk….ein kleines Ritual…..“

Ich verhaspelte mich, stotterte und schließlich liefen mir die Krokodilstränen über die Wangen…..

„Na komm schon her !“

„Irgendwas brauche ich doch hier von zuhause…. ich bin doch keine Alkoholikerin…. wieso stellt er mich so hin…..“

Er zog mich in seine starken Arme und strich beruhigend über meinen Rücken. Wie ein Kind saß ich dort auf seinem Schoß und ließ mich von ihm trösten. Er murmelte nur dann und wann ein leises „schschsch“…. „schon gut“…..

Ich heulte wie ein Schlosshund.

Dienstag, 24. August 2010

Kapitel 288

Szenenwechsel:

Es machte ihn glücklich, als er ihr mit den Augen folgte. Sie war jemand, der binnen Sekunden von Null auf Hundert schalten konnte, wenn sie eine Aufgabe bekam. Wie sie umher flitzte, die Männer anleitete, diese Energie, die sie an den Tag legte….. Im Moment beugte sie sich kurz hinunter, um die Schrift auf einem der Kartons zu entziffern. Es war ihre eigene, und doch hatte sie Mühe, diese zu lesen. Die Stirn gerunzelt besah sie sich immer wieder die Hieroglyphen, die mit schwarzem Filzstift darauf gepinselt waren.

So oft hatte er selbst Haare raufend versucht, die kleinen Notizen, die sie für ihn hinterlassen hatte, zu entschlüsseln. Geschieht ihr ganz recht, dachte er in sich hinein lachend, dann geht`s ihr wenigstens auch einmal so, vielleicht wusste sie ja dann, was für eine Sauklaue sie hatte. Trotz allem war es eine schöne Schrift, klein, gleichmäßig, aber so verschnörkelt und in sich verschlungen, dass man schon ein geübtes Auge brauchte, um es flüssig lesen zu können.

In der Halle herrschte bereits ein heilloses Durcheinander, überall standen Kartons, Holzkisten und noch in Luftpolsterfolie verpackte Teile.

Er beobachtete sie weiter, wie sie sich wieder und wieder zu den Kartons hinunter beugte, um das Gekritzel zu lesen. Ihr Mini war eindeutig zu kurz geraten. Ein warmes Ziehen stieg von seinen Lenden empor und brachte sein Herz in Wallung. Doch dieses Gefühl wischte er schnell beiseite. Er konnte schließlich nicht jetzt…. hier…. Es war unglaublich, mit welch wenigen Bewegungen sie ihn unbewusst…. Fahrig rieb er sich mit den Händen über das Gesicht. Um sich abzulenken, ging er hinaus, um nachzusehen, wie weit der Container geleert war. Eigentlich hatte er ihr ja geglaubt, als sie sagte, es wäre nicht viel….

Doch das, was er ganz hinten an der Wand entdeckte, machte ihn schließlich fassungslos.

„Sandy ? Kommst Du mal bitte ?“

Sie kam herausgeschossen, wahrscheinlich in der Annahme, es wäre etwas kaputt gegangen.

„Was ist das ?“ fragte er mit dem letzten Rest Beherrschung.

Sie verzog das Gesicht und fragte leise:
„Was meinst Du denn ?“

„Frag nicht so scheinheilig ! Hinten, an der Wand ?“

Sie holte tief Luft und sagte vorsichtig:
„Mein USA-Überlebenskit ?“

„Das ist nicht wahr, oder ?“

„Doch.“

„Du spinnst doch total !“

„Warum ?“ fragte sie mit einem unschuldigen Augenaufschlag.

„Das sind doch mindestens….“

„Du kannst ja nachzählen !“ gab sie schnippisch zurück.

„Wie viele ?“ fragte er ungläubig.

„20.“

„Warum gerade 20 ?“

„Eben so viele Kisten, wie jeweils Flaschen drin sind.“

„Was ist das bitte für eine Logik ?“

„Weibliche vielleicht ?“

„Ich glaub das einfach nicht !“

„Dann lass es. Sie sind hier, Ihr habt hier ja schließlich kein vernünftiges ! Selbst schuld.“

Sie wollte sich umdrehen und gleich wieder davon flitzen, doch er bekam sie am Arm zu fassen und hielt sie fest.

„Oh nein ! So einfach kommst du mir jetzt nicht davon ! Du willst mir doch nicht tatsächlich sagen, dass Du - und ich glaube es wirklich noch immer nicht – 20 Kisten deutsches Bier hier her geschafft hast ?“

„Nein das will ich nicht sagen,“ antwortete sie mit der stoischen Ruhe, die sie immer dann an den Tag legte, wenn ihre Sturheit durchkam. Sie stand vor ihm und der Trotz stand in dicken Buchstaben in ihr Gesicht geschrieben.

„Sandy, ich kann die Kisten sehen, obwohl ich meinen Augen immer noch nicht traue.“

„Bayrisches.“

Entnervt rollte er mit den Augen und stöhnte leise auf.
„Was bayrisches ?“

Bayrisches ! Nicht deutsches. Und Hefeweizen ! Nicht Bier.“

Er gab auf. Vielleicht wäre es besser, er würde sich fürs Erste zurückziehen und in Ruhe eine rauchen. Und genau das tat er auch, indem er sich auf eine der Holzkisten hinter dem Container setzte und tief durchatmete. Wie aus dem Nichts tauchte eine frisch angezündete Zigarette in der Höhe seiner rechten Schulter auf. Er drehte den Kopf und neben ihm stand eine grinsende Sandy. Fast wäre er versucht gewesen, zurück zu lächeln, doch so leicht wollte er es ihr nicht machen. Welche Frau brachte bei ihrem Einzug schließlich 20 Kisten Bier mit ? Auch wenn das amerikanische mit dem deutschen – halt ! bayrischen – nicht mithalten konnte, fand er es trotzdem mehr als seltsam. Von den 10 Kartons Cellini wollte er erst gar nicht anfangen…..

Er setzte einen ausdruckslosen Blick auf, der ihr Grinsen zu einer Maske erstarren ließ. Abrupt drehte sie sich um und ging mit weit ausgreifenden Schritten wieder ins Haus. Nun war sie wütend, doch davon ließ er sich nicht beeindrucken. Er rauchte langsam, schnippte schließlich die Kippe weg und wollte gerade aufstehen, als Richie um die Ecke kam.

„Hey, was ist denn bei Euch los ?“ fragte er.

„Ihre Sachen sind gekommen.“

„Und warum machst Du dann so ein Gesicht ?“

„Richie, in dem Container sind 20 Kisten Bier und 10 Kartons Prosecco.“

Dieser wandte blitzschnell den Kopf und beugte sich etwas nach links, um in den Container zu sehen.

„Hey, das stimmt ja wirklich !“ rief er aus und ging rasch die paar Schritte auf die hintere Wand zu.

„Jon ! Das ist Hefeweizen ! Das ist doch genau das, was wir auf der letzten Tour auch getrunken haben ! Super Idee von ihr !“

Er hielt eine der Flaschen in der Hand und studierte interessiert das Etikett. Lachend wandte er sich zu seinem Freund um.

„Weißt Du noch, wie die Fans uns aufgezogen haben, weil wir das mit Zitronen getrunken haben ? Dabei darf man das ja nur bei dem klaren…. Wie hieß das noch ?“

Jon runzelte missmutig die Stirn.

„Was ist denn ?“

„Sag mal, Rich, Du findest das vollkommen normal, dass sie mit so was hier ankommt ?“

„Vollkommen normal sicher nicht. Eine Frau bringt eher soviel Schuhkartons mit.“

„Die hatten wir schon,“ erwiderte er mit einigem Sarkasmus.

„Aber Du weißt doch gar nicht, für was das ist. Vielleicht will sie ja eine Party veranstalten oder ihre Jungs damit beglücken ? Die freuen sich bestimmt tierisch darüber.“

„Sie hat es immerhin ihr „USA-Überlebenskit“ genannt.“

„Komm schon, Jon ! Das ist doch nur wieder einer ihrer Scherze. Ich verstehe wirklich nicht, warum Du Dich darüber so aufregst, das ist ja fast wie im Kindergarten. Solange Du nicht weißt, was wirklich dahinter steckt, gibt es keinen Grund, wütend zu sein.“

„Du verteidigst sie wohl immer ?“

„Jep ! Außerdem mache ich das bei jedem ungeklärten Fall so.“

Montag, 16. August 2010

Kapitel 287

Am nächsten Morgen wurden wir durch lautes Metallgeklapper und das Brummen eines LKW`s geweckt. Ratlos sahen wir uns an, sprangen aus dem Bett und stürzten hinaus auf den Balkon.
Im Hof stand ein chromblitzender Truck, der in der Sonne nur so funkelte. Der Fahrer war gerade dabei, mit dem Kran einen Container abzuladen. Diesen Container kannte ich nur allzu gut.
Jon sah mich an, ich jubelte nur laut:

„Yeah ! Meine Sachen sind da ! Yippieeeeehhhhh !“

Hastig kramte ich ein paar Sachen zum Anziehen zusammen und vollführte dabei vor lauter Freude einen wilden Indianertanz.

„Heya heya heya…. wuwuwuwuwu….. heya heya heya……wuwuwuwuwu….“

Jon brüllte vor Lachen, als er mich dabei beobachtete.
Kopfschüttelnd verschwand er in`s Bad. Wie schnell sich ein so fürchterlicher Morgenmuffel doch wandeln konnte, dachte er wohl und er hatte absolut Recht damit. Ich flitzte ihm aufgeregt nach, begann mit einer schlampigen Katzenwäsche, bei der ich mich nebenher anzog. Die Zahnbürste in der Hand, zog ich ein Shirt über den Kopf, spülte rasch meinen Mund mit Wasser aus, zog mir dabei einen Mini an und rannte die Treppe hinunter. Rosita war gerade dabei, die Frachtpapiere zu quittieren, als ich blitzartig stoppte.
Mooooment !

Wer hatte das eigentlich organisiert ? Keine Ahnung, warum, aber als ich so ruckartig stehen blieb, schaute ich, von fremden Mächten gelenkt, zum Balkon des Schlafzimmers hoch. Dort stand ein über alle vier Backen grinsender Jon und beobachtete mich gespannt. Die diebische Freude, die er hatte, war körperlich zu spüren. Voller Dankbarkeit schickte ich ihm geschätzte tausend Handküsse, von denen er mir lächelnd einen zurück gab. Nun stand ich vor dem Monstrum und machte mich ungeduldig am Schloss zu schaffen, der Fahrer hatte mir eben den Schlüssel in die Hand gedrückt, die Plombe kriegte ich gerade noch so ab, aber für den Riegel brauchte ich schweres Gerät. Warum eigentlich waren alle Schiffscontainer auf diesem Planeten grundsätzlich verrostet ? Schon in der Firma, in der ich vorher gearbeitet hatte, hatte ich mit diesen Dingern zu tun, mehr papiertechnisch natürlich, aber noch nicht ein einziges Mal hatte ich einen neuen, nicht zerdellten gesehen.
Jemand tippte mir leicht auf die Schulter.
Jon stand hinter mir, mit einem Brecheisen und einem Werkzeugkoffer in der Hand.

„Ah, danke Dir !“

Ich wollte nach dem Brecheisen greifen, doch er sah mich leicht vorwurfsvoll an.

„Jon, Du wirst doch nicht….“

„Doch, ich werde. Warum denkt eigentlich alle Welt von mir, ich wäre ein handwerklicher Chaot ?“

„Hmmmm…. vielleicht, weil es so ist….“ sagte ich vorsichtig.

„Komm schon, Du wirst mir doch zutrauen, dass ich diesen Riegel aufbekomme ?“

Mit einigen Zweifeln behaftet, trat ich zur Seite. Er würde dieses Ding ganz bestimmt aufbekommen, er konnte nicht wirklich was kaputt machen, jedenfalls nicht am Container…..
Viel mehr hatte ich Angst, dass er sich verletzten würde.
Und wieder einmal belehrte mich Jon, Mr. Rockgott, eines besseren.
Mit überraschend geübten Griffen zog er das Hängeschloss mit der Zange ab, hebelte den Riegel über den Bügel, stemmte mit dem Brecheisen die Tür auf, die schrecklich quietschend und langsam aufschwang.
Triumphierend drehte er sich zu mir um, beugte sich etwas vor und steckte seinen Arm aus, um mit einer einladenden Bewegung dann einen Schritt zur Seite zu tun. Frech grinsend stand er neben mir, als ich freudig auf die Dinge zuging, die ich vor kurzer Zeit auf einem anderen Kontinent verpackt hatte.

„Lass uns ausladen !“

„Nein mein Schatz ! Das kannst Du so was von vergessen !“

Erstaunt sah ich mich um.

„Warum denn nicht ? Es ist doch nicht viel ?“

Ich verstand ihn nicht, nach meiner Schätzung würden wir nur einen Tag brauchen, um alles ins Haus zu tragen. Wirklich schwere Teile waren nicht dabei, mal von meinen Kommoden abgesehen.

„Du glaubst doch nicht allen Ernstes, dass ich das Risiko eingehe, dass Du Dir irgend etwas tust !“

Vorwurfsvoll runzelte er die Stirn.

„Außerdem….“ er blickte kurz auf seine Armbanduhr, „wirst Du die zehn Minuten abwarten können.“

„Welche zehn Minuten ?“ fragte ich nun leicht genervt zurück.

„Die zehn Minuten, bis die Möbelpacker eintreffen werden.“

Da war es wieder, dieses triumphierende Grinsen. Diese Überlegenheit, die er an den Tag legte, wenn er etwas ausgeheckt hatte und mich damit überraschen konnte.

„Du hast mal wieder alles perfekt organisiert, was ?“ erwiderte ich lächelnd.

„Jep. Du kannst ja, während die alles reinbringen und aufbauen, aufpassen damit sie nichts falsch machen, in Ordnung ?“

„Hmmm…. Lass mich raten: Während ich auf die Möbelpacker aufpasse, passt Du auf mich auf ?“

„Jep. Richtig geraten, hundert Punkte.“

Ich sah ihn an, wie er zufrieden grinsend am Container lehnte, ein Bein über das andere geschlagen und die Arme verschränkt. Es sah ihm wieder mal ähnlich. Alles geregelt, alles organisiert, Sandy dumm fragen lassen und dann zufrieden zurück lehnen. Jedoch war ich ihm keinesfalls böse, sondern unendlich dankbar. Mir hatte - ehrlich gesagt - schon davor gegraut, selbst beim Zoll anzurufen. Die amerikanischen Behörden begegneten einem allesamt mit einer großen Freundlichkeit und zuvorkommend, doch wirklich schnell und effektiv arbeiteten sie wie auch in meinem Heimatland nicht. Das hatte er mir abgenommen, oder abnehmen lassen, besser gesagt.

Er lehnte immer noch dort, schaute mich abwartend an. Vermutlich las er wieder einmal meine Gedanken. Ziemlich sicher wusste er genau, was ich dachte. Ich ging auf ihn zu, legte meine Arme um seinen Hals und sagte leise:

„Danke. Ich bin sehr glücklich, dass Du das arrangiert hast. Du bist echt ein Schatz !“

Ich küsste ihn, spielte mit seiner Zunge und wir beide versanken augenblicklich in der uns ganz eigenen Welt.

Ein lautes „Guten Morgen !“ ließ uns auseinander fahren und wir öffneten etwas verwirrt unsere Augen.

Jon hatte sich als erster wieder gefangen und ging freundlich lächelnd auf den Mann zu, der da so plötzlich vor uns stand.

„Guten Morgen ! Sandy, das ist Mr. Williamson, er ist der Chef der Möbelpacker.“

„Hi ! begrüßte ich ihn und er schüttelte mir mit festem Händedruck die Hand.

„Miss Reed, gibt es irgend etwas, das wir beachten sollten ?“

„Nein, eigentlich nichts besonderes, außer dass Sie vielleicht ganz besonders auf meine Kommoden und meinen alten Schrank achten. Diese Möbel liegen mir sehr am Herzen, es sind Erbstücke meiner Familie und echte Antiquitäten.“

„Na, wenn sie den Übersee-Transport überstanden haben, werden sie meine Männer auch noch verkraften,“ meinte er lächelnd.

Auf mein Stirnrunzeln hin, dessen ich mich nicht verwehren konnte, erwiderte er jedoch schnell:

„War nur ein kleiner Witz ! Wir haben bereits die Möbel von Mister Bongiovi hier her gebracht und auch aufgebaut. Sie können sicher sein, dass wir die allergrößte Sorgfalt walten lassen. Sie werden es ja gleich sehen.“

Er besah sich den Inhalt des Containers und winkte dann die zwei Mitarbeiter zu sich. Er sprach kurz mit ihnen, um ihnen die ersten Anweisungen zu geben und trat dann wieder zu uns.

„Ich denke, wir schaffen die ersten Teile am Besten zuerst in die Halle, damit wir einen ungefähren Überblick haben. Dann können Sie uns sagen, wo alles hin soll.“

Ich nickte nur. Super, ich hatte mir noch gar keine Gedanken gemacht, an welchen Platz die Möbel sollten. Jon hätte ja mal wenigstens eine Andeutung machen können, dann hätte ich…. Doch der hatte immer noch dieses Grinsen im Gesicht.

„Na komm, Süße, lass uns reingehen und überlegen, wie wir das machen.“

Er zog mich zu sich, legte den Arm auf meine Schulter und zusammen betraten wir die Halle.

„Also, der große, dunkle Schrank würde doch dort gut hinpassen.“

Mit dem Finger zeigte er auf die Wand, von der auf der einen Seite die Tür zur Küche und auf der anderen Seite die Tür zum Wohnzimmer war. Dort stand bis jetzt ein kleines, antikes Tischchen, auf dem wir unsere Schlüssel in eine gläserne Schale legten. Meist lagen auch dort die Handys und die Handtasche, die ich gerade in Gebrauch hatte. Er lag genau richtig, dort würde er am schönsten zur Geltung kommen. Außerdem wäre er ideal als Schrank, in dem wir unsere Jacken unterbringen konnten. Eine Garderobe fand Jon immer spießig, sie hätte auch nicht in diesen schönen Raum gepasst.

„Und links davon,“ ich wies auf die Wand neben der Tür zu seinem Arbeitszimmer, „könnten wir eine der Kommoden hinstellen, vielleicht die mit den Messingbeschlägen ?“

Er nickte zustimmend.

„Aber die mit dem Marmoraufsatz hätte ich gerne im Schlafzimmer.“

„Wie Du willst !“

„Und die andere packen wir in das Gästezimmer direkt daneben, da kann ich dann noch einiges von meinem Krimskrams unterbringen.“

„Okay.“

Doch da wurden wir bereits in unseren Überlegungen gestört, denn die Männer brachten die ersten Kisten herein. Ich zeigte ihnen den Platz, wo sie diese hinstellen konnten. Auch die Kartons mit meinen Kleidungsstücken waren schnell ins Schlafzimmer gebracht. Die Schachteln mit den Fotos, den Collagen und meinen Erinnerungsstücken ließ ich ebenfalls in das Zimmer bringen, in dem ich die erste Nacht verbracht hatte.

Samstag, 7. August 2010

Kapitel 286

Tini kam herein und schnappte sich zwei der Salatschüsseln. Ich folgte ihr mit dem Brotkorb und dem Fleisch.

„Dann lasst uns anstoßen !“ rief Jon.

Die fünf Kelche stießen aneinander und der helle Klang passte so gut zu der heiteren Stimmung, die augenscheinlich herrschte. Anscheinend hatten alle beschlossen, heute Abend ihre Schokoladenseite zu zeigen. Auch Richie.
Seine schlechte Stimmung war wie weggeblasen, er wirkte wie ausgewechselt. Eine schlimme Ahnung überkam mich, wie es dazu gekommen war…. Mir fielen die Blicke auf, die er und Jon immer wieder tauschten....

Beim Essen sprachen wir über die Arbeit, die Tini und Tom die letzte Zeit geleistet hatten, auch Richie zeigte viel Interesse und brachte sich auf den neuesten Stand. So, wie es aussah, hatte auch er nicht sonderlich viel von den Aktivitäten seiner Mitbewohner mitbekommen. Jon bot wie immer die Hilfe seines Teams an, doch Tom lachte nur und meinte:

„Danke Jon, Deine Leute haben uns bereits sehr geholfen, sie sind echt klasse und haben uns viele wertvolle Tipps gegeben. Ich mag mir nicht ausmalen, wo wir wären, wenn sie uns nicht die ganzen Adressen der Firmen vermittelt hätten, die Ihr engagiert. Es ist so verflucht schwierig, ein vernünftiges Transportunternehmen zu finden, das sich bereit erklärt, zu unseren Konditionen zu arbeiten.“

„Das sind echte Profis !“ lobte auch Tini. „Vor allem sind die alle so freundlich und zuvorkommend. Sie haben sich mächtig angestrengt ! Ich musste nie lange auf einen Rückruf warten und oft war sehr viel mehr abgeklärt, als ich dachte.“

Ich sah sie fragend an.

„Ja, oft hatten sie Dinge erledigt, an die ich zum Beispiel noch gar nicht gedacht hatte ! Oder sie wiesen mich bei meiner Anfrage auf eventuelle Schwierigkeiten hin und hatten dann aber bereits die Lösung parat. Also echt unglaublich !“

„Freut mich, dass das alles so wunderbar klappt !“ lächelte Jon mit einem gewissen Stolz in der Stimme.

„Nur über die Modalitäten müssen wir uns halt noch einigen,“ warf Tom ein.

„Welche Modalitäten meinst Du ?“

„Jon, Deine Leute werden von Dir bezahlt, sie arbeiten aber für uns ?“

„Ach, Du meinst, Ihr wollt sie bezahlen ?“

„Genau. Woanders müssten wir das auch, niemand arbeitet heute mehr umsonst.“

„Quatsch, momentan haben sie eh nicht soviel zu tun. Im Gegenteil ! Bonnie meinte heute am Telefon sie sind froh, dass sie endlich wieder eine Tour organisieren können, wenn sie auch nur dabei wären. Den Stillstand, der zwischen den unseren herrscht, mögen sie nicht sonderlich….wobei der ja eigentlich nie lange anhält…. Für die ist das auch immer ganz schön aufregend, das sind echte Adrenalinjunkies !“

Er lachte leise und Richie nickte ihm wissend zu.

„Manchmal habe ich den leisen Verdacht, dass sie uns heimlich, fies und leise manipulieren, damit wir uns endlich wieder auf die Socken machen,“ erwiderte dieser.

„Und wenn die Aufregung und das Chaos in Luft aufgelöst und wir weg sind, sind sie auch wieder froh !“

Jon prostete Richie grinsend zu und lehnte sich entspannt in die Lehne zurück.

„Jetzt ist aber Schluss mit Geschäft und Arbeit, lasst uns ein wenig Musik machen !“

Er klatschte in die Hände und stand gleichzeitig auf.

„Ja, dann hol ich mal unsere Gitarren bei mir drüben !“

Die zwei stimmten einen lustigen Country-Song an, der von einem Cowboy erzählte, der zuerst sein Pferd und dann seine Freundin verlor. Dieser überlegte sich nun, was für ihn schlimmer war, der Verlust des Pferdes oder des Mädchens. Jon sang die Strophen und Richie fiel beim Refrain mit ein. Dabei übertrieb er den Kaugummi-Slang des Mittleren Westens bis zur Schmerzgrenze und schon alleine deswegen fielen wir vor Lachen fast von den Stühlen. Und die Grimassen, die er zog, waren zu göttlich !

Nach diesem Lied folgte von Richie eines, das sehr traurig war und von Liebeskummer und Weltschmerz handelte. Er sang dieses alleine und alle hörten ihm betroffen zu. Das Gefühl, das er hinein legte, war deutlich zu spüren und der eine oder andere überlegte sich ganz sicher, was dieser Song für ihn wohl wirklich bedeuten mochte.
Als er die letzten Akkorde ausklingen ließ, herrschte Schweigen. Nur zögerlich applaudierten wir, sein Gesicht sprach Bände.
Tini war diejenige, die die betretene Stimmung auflöste. Sie bat Tom, auch etwas zum Besten zu geben.

„Nein, nein ! Das könnt Ihr vergessen ! Ich mach mich doch hier nicht zum Affen, wenn zwei so begnadete Künstler vorgelegt haben !“ wand er sich unbehaglich.

„Bitte spiel Dein House of the rising sun !“ bettelte Tini und klatschte dabei in die Hände.

„Ach komm ! Das muss doch nicht sein, Sandy ist doch auch noch da !“ wehrte er ab.

Doch er konnte uns nicht entkommen, Jon reichte ihm mit einem bösen Grinsen seine Gitarre.
Tom konnte nicht schlecht spielen, aber singen, das konnte er wirklich nicht. Sein Gejaule tat in den Ohren weh. Tini grinste sich eins, Richie verbiss sich das Lachen und Jon hatte die Hände vor sein verzogenes Gesicht gelegt. Ich konnte nicht anders, ich setzte mich neben Tom und unterstützte ihn gesanglich, um es nicht ganz schlimm enden zu lassen. Doch er kämpfte sich tapfer Strophe um Strophe durch, und irgendwann konnte ich nicht mehr, ich bog mich ebenfalls vor Lachen. Fast war es, als wäre ein Damm gebrochen, denn die anderen lachten schallend mit.

„Ich hab`s Euch ja gesagt, aber Ihr wolltet ja nicht hören !“

„Tom, es ist wohl besser, Du startest keine Karriere als Sänger !“ frotzelte Jon.

„Schuster, bleib bei Deinen Leisten !“ prustete Richie.

„Danke, Tini, vielen Dank ! Es ist doch schön zu wissen, was ich an Dir habe !“ sagte Tom sarkastisch.

Sie legte ihre Arme auf seine Schultern und küsste ihn.

„Ich fand`s schön !“ wollte sie ihm Glauben machen, konnte sich dabei aber das Lachen immer noch nicht verbeißen.

Ich hatte nicht erwartet, dass dieser Abend trotz allem noch so heiter werden konnte, Jon und ich tauschten dann und wann besorgte Blicke, doch Richie schien wirklich gut drauf zu sein. Er trank fast keinen Alkohol, sein Sektglas hatte er lediglich einmal nachfüllen lassen. Viel mehr griff er zu Cola und Wasser. Vermutlich hatte er bemerkt, dass wir ihn beide nicht aus den Augen ließen. Und doch lag etwas in der Luft, etwas bedrohliches, unerklärliches, etwas, das in naher Zukunft sehr viel verändern könnte und uns mit Sicherheit sehr viel Kraft und Nerven kosten würde. Ich wischte die bösen Gedanken beiseite und beschloss, den Vorahnungen entschlossen entgegen zu treten. Es konnte ja auch sein, dass ihn das Zusammensein mit uns von seinen Problemen etwas ablenkte….

So langsam aber sicher war ich davon überzeugt, dass er von heftigem Liebeskummer geplagt wurde. Alle Anzeichen sprachen dafür. Was jedoch nicht dafür sprach, war, dass ich nicht wusste, um wen es sich handelte. Die Badewannen-Lady war es hundertprozentig nicht und sonst hatte ich von keiner Frau etwas mitgekriegt. War es Heather ? Hatte er die Trennung vielleicht doch nicht verarbeitet ? Oder war es ein Allerweltsherzschmerz ?

Als er ging, klopfte er Jon auf die Schulter. Mich nahm er lange in seine Arme.

„Es war schön bei Euch !“

Er sah mir noch tief in die Augen, bis er mich schließlich losließ und im Dunkel der Nacht entschwand.

Donnerstag, 5. August 2010

Kapitel 285 - Grillfete

„Hey hey hey !“

Meine Verzweiflung war anscheinend in mein Gesicht geschrieben, denn er stand schnell auf, kam um den Tisch herum und nahm mich in die Arme. Beruhigend strich er über meinen Rücken.

„Schatz, das ist völlig normal. Das geht mir heute noch so ! Aber vertrau Ihnen, sie machen einen guten Job, glaube mir.“

Du hast Angst vor Euren Touren ?“ fragte ich fassungslos nach.

„Sicher, und nicht nur ich ! Du solltest mal unseren coolen Tico sehen, bevor es los geht. Oder Dave. Der einzige, der wirklich ruhig bleibt und einen kühlen Kopf bewahrt, ist Richie. Wobei ich bei ihm glaube, dass er sich auch dann und wann hinter seinen blöden Scherzen versteckt.“

„Jetzt kommt aber nicht der Spruch, dass die Angst dazu gehört, dass man ohne Angst leichtsinnig wird und so weiter ?“

„Doch, genau den wollte ich gerade sagen. Weil er einfach wahr ist.“

Unsicher sah ich ihn an. Traurig erwiderte ich:
„Unser kleines Familienunternehmen gibt es dann wohl nicht mehr ?“

Jon lachte auf.

„Doch, Süße, das wird es weiterhin geben. Ihr erweitert es einfach ein wenig, sagen wir, Ihr expandiert ?“

Sein kleiner Scherz zwang mir doch wieder ein Lächeln aufs Gesicht. Er ließ mich los und setzte sich wieder gegenüber. Ohne die Augen von mir abzuwenden, nippte er an seinem Wein.

„Wir mussten uns, als wir anfingen, auf total fremde Leute verlassen, das war oft schwierig, weil wir nicht wussten, wer nur an uns verdienen wollte und wer ein echtes Interesse an uns hatte. Du hast dagegen Deine beste Freundin an Deiner Seite, Dein Ex-Freund ist Dein Manager, besser kannst Du es nicht treffen.“

Er nickte, sich selbst zustimmend und lächelte mich aufmunternd an.

„Du kannst nicht mehr alles selbst machen, alles kontrollieren. Das geht einfach nicht. Ihr braucht ein Team, auf das Ihr Euch absolut verlassen könnt. Und Du…“ er legte eine bedeutungsvolle Pause ein, „…. musst Ihnen das Vertrauen geben.“

„Ich fühlte mich heute einfach überfahren….“

„Das wird wahrscheinlich noch öfters passieren, aber Du wirst sehen, wenn alles funktioniert, ist das nur noch halb so schlimm. Irgendwann hat sich das eingespielt. Außerdem kann ich Dir ja auch noch helfen, wenn Du nicht weiter weißt, okay ?“

Dankbar über seine Worte, setzte ich mich auf seinen Schoß. Ich kuschelte meinen Kopf in seine Halsbeuge und genoss seine Nähe. Er wuschelte durch meine Haare und küsste mich sanft darauf.
Leise sagte er:

„Es ist Zeit, den Grill anzuheizen.“

Widerwillig erhob ich mich und ging in die Küche, um zu schauen, ob wir an alles gedacht hatten. Vorsichtig zog ich den Bräter etwas aus dem Ofen und drehte die Kartoffeln, damit auch die obere Seite noch ein wenig Öl abbekam. Dann mischte ich die Salate nochmals durch und ging mit dem Geschirr auf einem Tablett wieder hinaus, um den Tisch zu decken.

Derweil ging Jon zu Richie, um ihn zum Essen zu holen. Als ob das notwendig wäre ! So oft, wie er sich schon selbst eingeladen hatte und wie selbstverständlich seine Anwesenheit bei uns am Tisch geworden war…..
Wahrscheinlich hätte das Fleisch noch keine Minute auf dem Grill verbracht und er wäre aufgetaucht, mit einem seiner üblichen Sprüche auf den Lippen.
„Oh, Ihr esst schon ? Kann ich vielleicht ….?“ Oder „Ihr habt doch sicher nichts dagegen ?“
Der Spruch „er hat den Braten gerochen“ wurde meiner Ansicht nach für Richard Steven Sambora erfunden….. Leise lachte ich vor mich hin.
Doch als Jon zurück kam und ich seine Miene sah, ahnte ich Schlimmes.

„Sag mal, weißt Du wirklich nicht, was mit dem los ist ?“

Fragend sah ich ihn an.

„Wieso, was war denn ?“

„Er will tatsächlich nicht zum Essen kommen, kannst Du Dir das vorstellen ?“

„Ja aber warum denn ? Er isst doch sonst auch immer mit uns ?“

„Keine Ahnung, er murmelte nur, er hätte keinen Appetit und ihm wäre nicht gut. Außerdem hatte ich den Eindruck, dass er `ne ganz schöne Fahne hatte.“

„Er hatte eine Fahne ? Alkohol ?“

Jon`s nachdenklicher Blick ließ mich verstummen. Irgend etwas stimmte wahrlich nicht mit ihm. Ich war fest entschlossen, das sofort und auf der Stelle heraus zu finden.
Das Geschirrtuch, das wie üblich beim Kochen auf meiner Schulter lag, drückte ich Jon in die Hand und machte mich auf den Weg durch den Garten. Ich bog die Hecke um und ging auf Richie`s Terrasse zu. Die Glastüren standen wie meist weit offen.
Mit einigem Unbehagen ging ich hinein.

Lange musste ich nicht suchen, er saß in der Küche. Vor sich ein leeres Glas, in dem unter den Eiswürfeln eine braune Flüssigkeit schimmerte. Rasch versuchte er, dies zu verbergen.

„Richie, wieso willst Du nicht zu uns zum Essen kommen ?“

„Weil ich keinen Hunger habe ?“

„Kann es sein, dass ich Dir das nicht glaube ? Was ist denn los mit Dir ? Ist irgend etwas passiert ?“

„Nein, es ist nichts passiert. Ich hab einfach keinen Hunger und will einfach nur alleine sein.“

„Willst Du nicht darüber reden ?“

„Über was ?“

„Zum Beispiel über das, was Dich bedrückt ?“

„Mich bedrückt nichts, es ist alles in bester Ordnung.“

„In bester Ordnung sieht bei Dir aber anders aus. Warum trinkst Du ?“

„Sandy, was ist dabei, wenn ich mir Abends ein kleines Gläschen genehmige ?“

„Normalerweise nichts, aber Du wolltest das Glas gerade eben vor mir verstecken, und da ist sehr wohl etwas dabei. Also, was ist los ?“

„Ich sagte gerade eben schon, dass alles okay ist.“

„Warum glaube ich Dir das nur nicht ?“

Gedankenverloren, den Kopf gesenkt, spielte er mit dem Glas in seinen Händen. Die Stille wurde übermächtig und dröhnte laut in meinem Kopf. Dann sah er mich an.
„Also gut, ich komme zum Essen, Du gibst ja sonst eh keine Ruhe.“

Unschlüssig trat ich zum ihm und legte vorsichtig meine Hand auf seinen Rücken. Fast war mir, als zuckte er unter der Berührung zusammen, dann stand er ruckartig auf und stellte das Glas auf den Spültisch.

„Ich zieh mich noch um, dann komm ich rüber, okay ?“

„Okay.“

Bedrückt schlenderte ich wieder zum benachbarten Anwesen zurück. Jon stand am Grill und verteilte die bereits glimmende Kohle, so dass sie eine gleichmäßige Glut bekam.

„Und ?“

Zuerst nahm ich einen Schluck von meinem Weißwein, der noch auf dem Tisch stand.

„Ich habe absolut keinen Clou, was mit ihm ist. Er ist nicht damit raus gerückt, was ihm zu schaffen macht. Aber er will kommen.“

„Ja ?“ fragte Jon erstaunt. „Wie hast Du das denn geschafft ?“

„War eigentlich nicht mein Verdienst, er hat sich von selbst dazu entschlossen.“

„Sicherlich tut es ihm gut, wenn er hier bei uns ist. Dann wird er wenigstens von seinem Kummer abgelenkt, hoffe ich jedenfalls.“

„Ich fände es auch nicht gut, wenn er – während wir hier gemütlich zusammen sind – da drüben alleine rumhockt und Trübsal bläst.“

„Wer bläst hier Trübsal ? Das kann ja überhaupt nicht angehen !“ erklang die fröhliche Stimme von Tini.

Sie kam mit Tom um die Ecke gebogen, dieser war mit einer Kiste Prosecco beladen. Schnaufend stellte er sie auf dem Boden ab und küsste mich links und rechts zur Begrüßung, bevor er Jon die Hand schüttelte.

„Hi !“ grinste mich Tini an.

Meine Freundin war allerbester Laune und tat es Tom nach, danach begrüßte sie Jon.

„Also, wer ist hier schlecht drauf ?“ fragte sie, die Hände in die Seiten gestemmt.

„Richie. Und wir wissen nicht warum.“

„Richie ? Aber vor zwei Tagen habe ich davon nichts gemerkt, wir haben beim Frühstück noch herum gealbert, bis mir der Bauch weh tat vor lauter Lachen.“

Fragend sah sie von einem zum anderen.

„Soll ich zu ihm gehen und mit ihm reden ?“

„Das macht wohl wenig Sinn, genau das hat Sandy gerade eben probiert,“ erwiderte Jon.

„Hmpf. Kommt er denn wenigstens zum Essen ?“

„Gesagt hat er es.“

„Na denn. Sag mal, kann ich noch was helfen ?“

„Nein, Süße, setzt Euch einfach. Tom, Du könntest vielleicht den Prosecco einschenken ?“

Ich drückte ihm die Sektkelche in die Hand und ging dann in die Küche, um das Grillgut zu holen. Die Marinade hatte sich auf dem Boden der Schüssel gesammelt, so nahm ich die Zange und drehte die Stücke noch einmal, damit sie alle gleichmäßig davon bedeckt waren. Da ließ mich etwas aufschauen.

Durch das Küchenfenster sah ich Richie kommen, die Hände in den Hosentaschen, den Kopf gesenkt, schlenderte er zu uns herüber. Seine große Statur erschien mir kleiner, als sie tatsächlich war. Er ging gebeugt….. Es tat mir weh, ihn so zu sehen. Viel hätte ich darum gegeben, zu erfahren, was mit ihm war….. Ein bisschen waren Jon, Richie und ich zu den drei Musketieren geworden, da musste doch jedes Problem zu lösen sein, wenn wir einander halfen und füreinander da waren…. Ich nahm mir fest vor, mich in der nächsten Zeit mehr um ihn zu kümmern.

Samstag, 31. Juli 2010

Kapitel 284

Sie nickten zustimmend und mit weiteren Küssen und Umarmungen verabschiedeten Jon und ich uns, in der Tasche die Verabredung für heute Abend zum Grillen.

„Barbecue, hmmmm,“ grinste Jon im Aufzug vor sich hin.

Irgendwie war ich erschöpft, und lehnte mich an ihn. Es tat gut, seine starken Arme zu spüren, seinen ruhigen Atem. Eigentlich war es schon eine Wohltat für mich, seinen Geruch einzuatmen. Widerwillig lösten wir uns voneinander, als sich die Türen im Erdgeschoß öffneten und gingen auf den Wagen zu. Er steckte den Schlüssel in`s Zündschloss, blickte kurz nach hinten und drehte zügig auf der Straße um. Es herrschte wenig Verkehr, rasch hatten wir die Stadt hinter uns gelassen und fuhren nun auf der ruhigen Straße hoch in die Berge. Ich hing meinen Gedanken nach, ließ den Tag Revue passieren.
Jon`s Bemerkung von vorhin fiel mir wieder ein.
….“wie sich alles entwickelt, die Welt weiter dreht….“ Nun wusste ich, was er damit meinte. Ich musste loslassen, den Dingen und auch den Menschen um mich herum freien Lauf lassen, damit sie ihre Arbeit tun konnten. Das bedeutete allerdings auch, dass wir Gefahr liefen, uns voneinander zu entfernen. Tini tat ihren Job, ich tat meinen. Sie lebte ihr Leben, ich lebte meines. Das bedeutete nicht, dass ich es nicht schätzte, was sie auf die Beine gestellt hatten, aber es bedeutete, dass ich einen Teil meiner Freiheit aufgeben musste. Ich musste das tun, was sie für mich arrangiert hatten und konnte weniger spontan entscheiden, was ich tun wollte. Es war ein merkwürdiges Gefühl für mich, dass meine Freunde für mich arbeiteten, dass ich sie bezahlte. Sicher, es war die letzten Monate schon so gewesen, und doch war es mir nicht wirklich bewusst gewesen. Mir war auch nicht klar gewesen, was für eine Tour so organisiert werden musste, wie auch ?

Immer wieder spürte ich Jon`s Blicke, prüfende, abwartende Blicke. Ich hätte so gerne mit ihm darüber gesprochen, doch ich konnte nicht. Ich war viel zu sehr durcheinander. Bei den Massen an Neuigkeiten, die heute auf mich eingeprasselt waren, würde ich vermutlich ein Weilchen brauchen, bis ich das Ganze sortiert hatte. Daher war vielleicht es ganz gut, dass die beiden heute Abend kommen würden und ich für sie die Grillsachen vorbereiten musste. Beim Kochen konnte ich wenigstens über alles nachdenken.
Ich nahm an, Jon wusste, was in mir vorging, denn er ließ mich in Ruhe und schwieg während der Fahrt. Kurz vor seinem Haus hielten wir vor einer Metzgerei und besorgten noch Grillsachen.

Als er den Wagen in die Garage gestellt und wir ausgestiegen waren, nahm er mich bei der Hand und zog mich an sich. Eine Weile standen wir so in der Einfahrt, bis wir schließlich doch ins Haus gingen.
Er folgte mir auf meinen Schritten in die Küche. Überrascht drehte ich mich um.

„Lass mich Dir helfen, die Sachen vorzubereiten.“

„Aber Du….“

„Schscht schscht….“ Er legte mir den Zeigefinger auf die Lippen, so dass ich augenblicklich schwieg. „Ich weiß, ich kann nicht kochen, aber Du kannst mir ja die Hilfsjobs überlassen, wie Gemüse schnippeln und so. Dann können wir, wenn wir fertig sind, in Ruhe über alles reden, okay ?“

„Du könntest vielleicht das Fleisch ?“

„Okay, mach ich.“

Schweigend machten wir uns an die Arbeit. Ich legte Kartoffeln in Olivenöl ein, gab ein paar Kräuter und Knoblauchzehen dazu und deckte das mit Alufolie ab, damit sie durchziehen konnten. Dann zerrieb ich im Mörser weitere Zehen mit etwas Öl, Meersalz und gehäuteten Tomaten für einen spanischen Mojo de roja.

„Meinst Du das reicht mit dem Salz und dem Pfeffer ?“ fragte er nach einer Weile.

Sein fragendes Gesicht brachte mich zum Lachen. Er hatte die Hände voller Gewürz, hielt diese weit von sich. Lächelnd ging ich um den Küchenblock herum, griff nach dem Steakgewürz und Paprika und stellte dies vor ihn hin.

„Soll ich das auch noch…. ?“

Ich nickte grinsend und zeigte ihm, wie er mit etwas Öl eine würzige Marinade machen konnte und er die Fleischstücke darin einlegen sollte. Jon strengte sich sehr an mir zu helfen, ich dagegen musste mich beherrschen, nicht laut los zu lachen. Während er das Weißbrot in Scheiben schnitt, ließ ich etwas Meersalz in Öl zergehen, vermischte damit die vorher eingeweichten Trockenpilze und dünstete sie in einer Pfanne leicht an. Den Mojo mit dem Brot, die Pilze würde ich als Tapas reichen. Im Kühlschrank waren noch mit Frischkäse gefüllte Peperoni, das würde reichen. Die Salate waren ebenso schnell angemacht, allerdings hatte ich zwei davon und die Dressings für alle drei fertig, als Jon immer noch mit Putzen des Kopfsalates beschäftigt war. So half ich ihm noch dabei, bevor wir das Geschirr auf einem Tablett stapelten und ich die Kartoffeln in einem gusseisernen Bräter in den heißen Backofen schob. Wir hatten noch genügend Zeit, bis unser Besuch eintraf und so setzten wir uns mit einer kühlen Flasche Weißwein auf die Terrasse. Als er für uns beide eingeschenkt hatte, lehnte er sich zurück und sah mich aufmerksam an.

„Was denkst Du über die Sache ?“

Unschlüssig sah ich ihn an und griff nach der Zigarettenschachtel.

„Ich weiß nicht so recht. Irgendwie ist mir das alles zu heavy.“

„Das Büro ?“

„Ja, auch. Ach, einfach alles.“

Nachdenklich blies ich den Rauch langsam aus.

„Ehrlich gesagt, hab ich ja nicht so den Überblick. Aber das, was ich gesehen habe, ist schon unglaublich professionell und durchorganisiert. Als Ihr drüben zusammen gesessen habt, hab ich in unserem Büro in New York angerufen, weil ich mich über meine nächsten Termine informieren musste. Bonnie meinte, unser Team war begeistert von Tini`s Kampagne, sie hat sich oft deren Rat zu Herzen genommen, aber die Grundideen kamen alle von ihr. Unsere Werbeprofis hatten so gut wie nichts auszusetzen. Und Tom ist ein Profi, was soll bei ihm schief gehen ?“

„Jon, es ist einfach alles zu viel ! Es passiert einfach alles zu schnell !“

Leider fuhr ich etwas aus der Haut, er sah mich fast schon ein wenig erschrocken an. Bevor ich weiter sprach, atmete ich tief durch, er konnte ja am allerwenigsten dafür.

„Schau, die Chartplatzierung ist ja schon ein wahnsinniger Erfolg. Aber Tom plant eine Riesentour, er hat, so wie ich gesehen habe, nur Stadien und Hallen gebucht, die mehr als 30.000 Zuschauer fassen, das größte hat 80.000 ! Die Auftritte nebenher, die Videodrehs, die Fototermine, die Fernsehaufzeichnungen…. Und ich hab eine Scheißangst, dass es schief gehen könnte. Am liebsten würde ich alles absagen, mir einen Job in einem Büro suchen….“

Mittwoch, 28. Juli 2010

Kapitel 283

„Halt ! Tom, ich kann mir das unmöglich alles merken, kann ich mir das aufschreiben ?“

Lachend antwortete er:

„Brauchst Du doch nicht ! Erstens habe ich Dir bereits einen Kalender erstellt, einen einfachen übrigens, ich weiß ja, wie Du bist. In Papierform, den Du immer bei Dir tragen kannst. Und zweites wirst Du von mir rechtzeitig informiert werden, okay ?“

„Puhhh !“ atmete ich durch. „Das ist ja Wahnsinn ! Ihr zwei habt echt geackert !“
sagte ich bewundernd.

„Ja, jetzt weißt Du wenigstens, warum wir uns hier so verkrochen haben,“ antwortete Tini.

„Es tut mir leid, was ich vorhin alles gesagt habe, ich war ungerecht zu Euch !“

„Schon okay, Kleines. Bereits vergeben und vergessen !“

Tom sah mich bei seinen Worten beruhigend an und drückte sanft meine Hand.

„Wird es denn nicht zuviel für sie werden ?“ warf Jon besorgt ein.

„Nein, ich denke, ich habe zwischendrin für genügend Freiraum gesorgt. Ihr zwei werdet Euch allerdings etwas einschränken müssen, obwohl ich mit Eurem Team natürlich auch gesprochen und einige Termine mit den Euren abgestimmt habe. Zu hundert Prozent ging es jedoch nicht.“

„Schon klar,“ erwiderte Jon nachdenklich und mit gesenktem Blick. Dann wandte er sich an Tom.

„Kann ich Dein Büro benutzen ? So könnt Ihr hier in Ruhe weiter machen und ich würde Euch nicht stören.“

„Selbstverständlich, aber Du störst uns doch nicht !“

Der kleine Kontrollfreak ! Ganz klar, dass er jetzt gleich in New York anruft und das alles nachprüft, dachte ich im Stillen. So war er eben. Er küsste mich auf die Wange und stand auf.
Wir beugten uns wieder über die Papiere auf dem Tisch und waren nur wenig später vollkommen darin vertieft. Nun war Tini`s Part dran. Sie hatte sich unheimlich Mühe mit der Promotion gegeben und unzählige Zeichnungen für die Tourplakate und Werbebanner angefertigt. Alles war soweit fertig, eigentlich hatten sie nur noch darauf gewartet, dass ich das Ganze abnicke. Der Rest der Band hatte sich bereits einverstanden erklärt und sie hatten ebenfalls nur noch auf mein Ja gehofft. Ich lehnte mich zurück und musste mir eingestehen, dass ich den beiden wirklich Unrecht getan hatte, denn nicht nur, dass alles perfekt vorbereitet war, sondern auch das Timing war absolut in Ordnung. Nur die kleinen Anmerkungen von Tom, fast nicht zu lesen, machten mich stutzig.

„Tom, heißt das hier neben dem Shooting-Termin etwa Romy und Stella ?“

„Jep !“

„Neeeiiiin !“

Vor Freude fiel ich ihm um den Hals. Ich freute mich wie Bolle, dass ich die zwei wieder um mich haben würde. Ich musste lachen, als ich an unsere „Garderoben-Gespräche“ auf der Tour mit Aerosmith dachte.

„Doch, die zwei Mädels hab ich auch für Dich engagiert. Allerdings hat mir Jon noch einen weiteren Stylisten empfohlen, der einen sehr guten Ruf hat. Er ist zwar etwas teuer, aber ich denke, das wird sich auf jeden Fall lohnen.“

„Drei Leute allein nur für mich ?“ hakte ich ungläubig nach.

„Ja, Süße. Du bist das Aushängeschild der Band, natürlich werden die drei sich auch um Deine Jungs kümmern, da ist schließlich auch noch einiges zu tun, aber Du bist einfach die Hauptperson.“

Er sah mich nachdenklich an.

„Ach ja, dann habe ich noch Rick Pherson gebeten, sich um Deine Performance zu kümmern. Zusammen mit Ke Gao. Hat der eigentlich schon mit dem Tanztraining begonnen ?“

„Ja, hat er. Das habt Ihr also auch ausbaldowert ? Wer zur Hölle ist Rick Pherson ?“

Tom grinste.

„Bevor ich Dir das beantworte, musst Du mir was versprechen.“

„Was ?“

„Dass Du nicht ausflippen wirst.“

„Kann ich nicht. Ich will`s aber trotzdem wissen.“

„Ein Modeltrainer ?“

„Ein Was ?????

Nun war es endgültig vorbei mit meiner Beherrschung. Schön und gut, dass alles perfekt sein sollte. Mir war auch klar geworden, dass unsere Combo bei einigen Dingen Nachhilfe brauchte. Aber einen Modeltrainer ? Ich schüttelte mich vor Lachen, als ich mir vorstellte, wie dieser Rick mit mir einen imaginären Catwalk entlang stolzierte, oder wie er mich beobachtete, wie ich stundenlang mit einem Buch auf dem Kopf den stolzen Gang einer Dame übte.

„Super, dass Du es wenigstens witzig findest,“ grinste Tini vor sich hin.

Die Tränen liefen mir über das Gesicht und binnen kurzer Zeit war ich mal wieder total abgeschminkt. Tini hatte sich von meiner Lachsalve anstecken lassen und prustete mit.

„…. wie Du mit einem Buch auf dem Kopf…..“

„genau an das habe ich gerade auch….“

„wie in ‚Pretty Woman’, als die Schnecke oder was auch immer….“

„von der Gabel geschossen ist….“

Wie hielten unsere Bäuche vor Lachen und hingen auf halb sieben auf der Couch. Als Jon, vermutlich von unserer Geräuschkulisse aufgeschreckt, vorsichtig seinen Kopf zur Tür hereinsteckte, erklärte ihm Tom den Grund dafür.
Auch er ließ sich von uns anstecken und lachte herzlich mit.
Tom löste das Ganze auf, indem er vorschlug, dass wir für heute Schluss machen würden.

„Wir können ja morgen weiter machen, ja ?“

„Okay, heute macht es wirklich keinen Sinn mehr, wir sind jetzt zu albern drauf.“

Ich nahm Tini fest in den Arm und drückte sie lange an mich. Sie sah mich erstaunt an.

„Es tut mir leid, ich hab das alles missverstanden. Hätte ich gewusst, was Ihr hier auf die Beine stellt, hätte ich nicht so schlecht von Euch gedacht. Mich zerfrisst das schlechte Gewissen fast.“

„Sandy, es ist schon okay. Tom und ich sind dafür da, Euch alles vom Hals zu halten. Na ja, wenn ich ehrlich bin, macht das auch verdammt viel Spaß. Außerdem hat uns Jon von seiner Überraschung für Dich erzählt und wir wollten Euch auch ein bisschen Zeit für Euch alleine geben. Du weißt ja, in Verschwörungen ist unsere Truppe erste Klasse.“

„Ihr seid mir nicht böse ?“

„Nein, natürlich nicht. Allerdings könntest Du es mit einem guten Essen wieder gut machen.“

Ich grinste. Das war typisch.

„Allerdings hätte ich noch eine Bedingung.“

Gespannt schauten sie mich an.

„Ich möchte nie mehr wieder, dass Ihr Euch als unsere Angestellten betrachtet.“

„Aber….“ warf Tom ein.

„Nix aber. Ich will es niemals mehr hören. Okay ?“

Sonntag, 25. Juli 2010

Kapitel 282

Tom bedeutete uns, uns zu setzen und holte tief Atem, bevor er sprach.

„Ich dachte mir, dass Du so reagieren würdest.“

Tini stand auf und trat an die Kaffeemaschine. Mit zwei gefüllten Tassen kam sie zurück und stellte diese vor sich und Tom. Sie musste sich beschäftigen, sie fühlte sich unbehaglich, die Situation war ihr gänzlich unangenehm. Ich kannte sie.

„Wenn Du wusstest, wie ich reagieren würde, warum hast Du dann nichts zu mir gesagt ?“

Wieder dieser schneidende Ton.
Er sah mich lange und mit festem Blick an, trank dann einen Schluck seines Kaffees und stellte die Tasse bedächtig zurück.

„Sandy, wir wollten Dich damit einfach nicht behelligen. Du hattest den Umzug, dann erfuhren wir von der Geschichte mit Tanja…. Außerdem kenn ich Dich lange genug, um zu wissen, was der Jetlag bei Dir so anstellt. Aber das wichtigste für uns war, dass Du Dich auf Jon konzentrieren konntest, dass Du für ihn Zeit und einen freien Kopf hattest. Wir haben lange mit allen zusammen darüber beratschlagt und dies für die beste Lösung gefunden.“

„Wie mit allen ?“ hakte ich nach.

„Zum Beispiel mit Deinen Jungs ?“

„Okay….“ sagte ich gedehnt.

„Hey, Kleines ! Du musst Dich daran gewöhnen, dass Du Angestellte hast, die dafür bezahlt werden, für Dich alles zu erledigen. Du wirst in den nächsten Monaten keine Zeit haben, Dich um so profane Angelegenheiten wie Einkäufe, Shopping mit Tini und so weiter zu kümmern. Schau, Du hast uns doch vorher auch vertraut, warum denn jetzt nicht mehr ? Wegen diesem Büro ?“

Er sah mich liebevoll an. Dann beugte er sich zu mir herüber und griff nach meinen Händen.

„Du siehst doch auch ein, dass wir das nicht mehr von Richie`s Wohnzimmer aus machen können ?“

Meine Gedanken rasten. Verflucht ! Jetzt stieg mir auch noch das Wasser in die Augen !
Unter Tränen antwortete ich schließlich.

„Ich möchte nie mehr, dass Ihr zwei Euch als meine Angestellten bezeichnet ! Ihr seid doch meine Freunde !“

Heulend sah ich schließlich zu meiner besten Freundin, die aufstand, sich auf die Lehne meines Sessels setzte und mich in ihre Arme nahm.
Es war zuviel für mich, es war alles zu neu für mich. Ich konnte damit nicht umgehen. Jedenfalls jetzt noch nicht.

„Willst Du Dir denn nicht mal alles ansehen ?“ fragte Jon mit leiser Stimme.

Ich nickte nur und ließ mich von Tini hochziehen. Alle vier zusammen gingen wir durch die Räumlichkeiten und Tom erklärte alles. Die Führung begann mit einem Raum, der jedoch noch nicht fertig gestellt war. Dort hingen noch unzählige Kabelstränge aus den Wänden und von der Decke. Das würde der Besprechungsraum werden. Tom meinte, sie hätten damit gewartet, weil sie noch unsere Meinung hören wollten, was wir alles an Kommunikationstechnik hier haben mochten. Danach ging es weiter zu seinem Büro. Im Gegensatz zu Tini`s kreativem Chaos herrschte hier eine klar durchstrukturierte Ordnung. Sein gläserner Schreibtisch war bis auf seinen PC, sein Handy und einem einzelnen Ordner leer. Tom konnte nur effektiv arbeiten, wenn er nicht von herumliegenden Sachen abgelenkt wurde. Er war straff durch organisiert und verließ sich vollkommen auf seinen Rechner und sein Handy.

Die Ordner im Regal an der Seite waren allesamt von der gleichen Farbe und mit den gleichen Rückenschildern beschriftet. Sogar seine Jacke hing ordentlich an dem kleinen Ständer links neben der Tür. Als einzigen Luxus hatte er sich eine große, saftig grüne Washingtonia-Palme gestattet. Weiter ging`s zu den Waschräumen mit den Toiletten.

Tom schloss die Tür und drehte sich lächelnd zu mir um.

„Für die Jungs haben wir das hier genommen….“

Er griff nach der Klinke der nächsten Tür und ließ diese aufschwingen. Ein großes, Licht durchflutetes Zimmer tat sich vor uns auf. Staunend und immer noch schweigend betrachtete ich es. Die Fenster waren auf der ganzen Front bodentief, der Boden mit grauem Stein ausgelegt, die Wände schneeweiß. Eine schwarze, puristische Ledercouch, die mit chromfarbenen Rohren eingefasst war, nahm einen großen Teil ein. Auch hier stand ein Glasschreibtisch, auf dem mehrere Laptops gestapelt waren. Alle mit Namen versehen. Jeder von uns konnte sich seinen nehmen und einstöpseln. An der Wand gegenüber des Schreibtisches befand sich ein riesiger Plasma-Schirm, dessen Größe ich auf 4 Quadratmeter schätzte.

„Dann gehen wir jetzt am besten in Deines,“ schlug Tom vor.

„In meines ?“

Er öffnete eine weitere Tür und wir standen in einem Eckbüro, dessen beide Fronten voll verglast waren. Ich sah mich ungläubig um, sah die moderne Einrichtung, den ebenfalls grauen Steinboden, die weißen Wände, die Ledercouch – ein Zwilling der Couch, die im Büro nebenan stand und als Krönung, und den in vollkommenem Kontrast dazu stehenden antiken Schrank, der an der Wand gegenüber stand. Derselbe Plasma-Schirm hing auch hier, man konnte von der Ledercouch wie auch vom Schreibtisch aus bequem fernsehen. Ich war sprachlos.

„Schön, dass es Dir gefällt !“ frotzelte Tini grinsend.

„Ich hab ein so großes Büro ? Aber warum, ich bin doch eher selten hier ? Und warum hab ich eines für mich alleine ? Wollt Ihr nicht lieber das nehmen ? Ihr braucht doch einen vernünftigen Arbeitsplatz und nicht ich, also ich meine, Ihr geht doch vor ?“

„Nein, Süße. Du bist der Kopf der Band. Denk dran, dass Du repräsentative Aufgaben haben wirst und dann brauchst Du ein solches Büro. Du kannst doch nicht in einer kleinen Rumpelkammer hocken….“

„Was würden dann die Leute sagen ?“ vervollständigte ich Tom`s Satz.

„Eben.“

„Waren meine Jungs schon hier ?“

„Bereits des Öfteren, sie haben es mit ausgesucht und sie sind begeistert ! Eigentlich wollten sie Dir damit eine Überraschung machen, quasi als kleine Entschuldigung, weil Du die meiste Arbeit mit der Band hast.“

Ich sah Jon an, versuchte, in seinem Gesicht zu lesen. Er war unschlüssig ob meiner Reaktion und lächelte mich etwas schief an.
Hailey kam herein und fragte, ob wir noch etwas brauchen würden.

„Würdest Du uns noch bitte ein paar gekühlte Getränke bringen ?“ bat Tini.

Sie nickte und ging wieder hinaus. Um meine Gedanken zu ordnen und wieder einigermaßen ruhig zu werden, trat ich an die Fenster und blickte auf die Stadt unter mir.
Mein Leben änderte sich grundlegend. Ich konnte es nicht aufhalten. Also beschloss ich, das Beste daraus zu machen. Wie immer dachte ich an meinen letzten Lauf, um meinen Kopf leer zu bekommen. Einige Minuten stand ich dort und sammelte mich. Es war wichtig, dass ich mich wieder in den Griff bekam. Ich holte tief Luft und drehte mich zu den dreien um, die mittlererweile auf dem Sofa Platz genommen hatten.

„Also, dann lasst uns arbeiten ! Rock and Roll !“

„Okay !“ nickte Tom erleichtert und erhob sich. „Ich hol uns am besten den Terminplaner, dann kannst Du Dir am leichtesten ein Bild machen, was wir bisher organisiert haben.“

Hailey brachte die Getränke und fragte nochmals, ob sie noch etwas für uns tun könnte. Wir verneinten, da Tom mit seinem Laptop wieder kam, vor den ich mich gespannt setzte.
Er hatte wie immer eine dermaßen komplizierte Tabelle erstellt, die es mir sehr schwer machte, ihm zu folgen, ja ich musste mich echt anstrengen. Basierend auf einem Jahreskalender hatte er mit Kommentarfunktion die kommenden Termine eingetragen. Er ging die Wochen und Monate durch und mir wurde schnell bewusst, das da einiges auf mich zukommen würde. Es war ein enormes Pensum an Vorarbeit, die vor allem ich leisten musste. Irgendwann stoppte ich ihn in seiner Begeisterung, die mich bereits erfasst hatte.

Donnerstag, 22. Juli 2010

Kapitel 281

Eine Stunde später saßen wir im Wagen und fuhren in die City. Es war herrlich, neben ihm zu sitzen. Wie schon zuvor wurde mir bewusst, was für ein guter Fahrer Jon war. Sicher, jedoch in flottem Tempo steuerte er die Limousine die gewundenen Straßen hinunter. Wir unterhielten uns angeregt und alberten miteinander herum.
Jon hielt vor einem imposanten Bürogebäude. Staunend stieg ich aus und legte den Kopf in den Nacken, um es zu begutachten.

Nicht schlecht, dachte ich. Anscheinend verdienten wir ganz schön Kohle, wenn wir uns das leisten konnten ! Dass das vom Geld bezahlt wurde, das unsere Band verdiente, stand außer Frage. Tom hatte längst bei 8tmf gekündigt, und Tini war ja schon seit der Tour mit Aerosmith bei uns angestellt. Die komplette Fassade war mit dunklem, anthrazitgrauem Glas verkleidet, der Eingang mit der großen zweiflügligen Tür war teilweise mit Messing ausgekleidet, der Boden mit schwarzem Granit ausgelegt. Ich drehte mich einmal um meine eigene Achse und schaute die umliegenden Hochhäuser an. Alle, bis auf eines, das wohl gerade saniert wurde, waren sehr elegant und modern. In der Nachbarschaft waren Bankhäuser, Immobilienfirmen und dergleichen angesiedelt, alles in allem eine seriös anmutende Gegend. Jon lehnte lächelnd an seinem Auto und spielte mit dem Schlüssel, mich beobachtend.

„Was ?“ fragte ich.

„Nichts, es ist nur immer wieder interessant, Dich zu beobachten, wie Du merkst, was um Dich herum passiert.“

„Was um mich herum passiert ?“

Er nickte nur.

„Es ist toll, wie Du staunend betrachtest, wie sich alles um Dich entwickelt, die Welt sich weiter dreht ….“

„Sei mir nicht böse, aber das ist mir gerade echt zu poetisch !“

Er sah mich von unten herauf an, mit leicht geneigtem Kopf beobachtete er mich weiter.

„Wollen wir hier Wurzeln schlagen, oder gehen wir irgendwann einmal hinein ? Ich will endlich sehen, was die beiden sich hier ausgesucht haben. Warst Du eigentlich schon mal hier ?“

„Nein, sie haben mir nur ein paar Fotos und die Pläne gemailt.“

Stirn runzelnd sah ich ihn an. Trotz der riesigen Ungeduld, die ich verspürte, hielt ich inne.

„Wieso weißt Du eigentlich immer über alles Bescheid, und ich nicht ?“

Er lachte.

„Schatz, sie wollten Dich damit nicht belasten. Du musst Dich daran gewöhnen, dass es jetzt Leute um Dich herum gibt, die das für Dich erledigen.“

„Du meinst, ich habe Personal ?“ fragte ich ungläubig.

„So sieht`s wohl aus !“

Langsam gingen wir auf den Eingang zu. Links von der Türe prangten chromfarbene Schilder, auf denen in schwarzen Lettern die Firmennamen eingeprägt waren. Die meisten sagten mir natürlich nichts, es waren einige Modefirmen und Versicherungen dabei. In der Mitte ungefähr fiel mir eines natürlich gleich ins Auge.
Schlicht und mit nur zwei Worten. Nine Lives.
Jon fasste meine Hand und zog mich grinsend mit sich. Am Empfang sagte er dem Wachmann, wohin wir wollten. Dieser gab auf einer Computertastatur einen Code ein und wies lächelnd auf einen der Aufzüge, dessen Tür sich gerade öffnete.

„Bitte ! Der Lift hält im gewünschten Stockwerk.“

Wir bedankten uns und gingen darauf zu.
Während wir sanft in die Höhen gehoben wurden, dachte ich über seine Bemerkung von vorhin nach. ….“wie sich alles entwickelt, die Welt weiter dreht….“ Ich verstand nicht, was er damit meinte.
Die Tür öffnete sich im 78. Stock und wir wurden von einer lächelnden Frau empfangen, die sich freundlich und zuvorkommend vorstellte.

„Hallo Miss Reed, Mister Bongiovi ! Ich bin Hailey Adams. Zu wem darf ich sie bringen ?“

„Zu Tini und Tom ?“ fragte ich fassungslos nach.

Ich war froh, dass mich Jon an der Hand hielt, denn diese brauchte ich im Moment und drückte sie fest.
Plötzlich öffnete sich eine der Bürotüren und Tini kam heraus gestürmt.

„Hab ich doch richtig gehört !“

Freudestrahlend lief sie auf mich zu und riss mich in ihre Arme.

„Endlich kommst Du vorbei, ich dachte schon, Du hast mich vergessen !“

Das gleich hatte ich von ihr auch gedacht, doch als sie uns in ihr Büro geschafft hatte, wusste ich warum. Dort herrschte ein heilloses Durcheinander, überall lagen Ordner, Akten, Fotos und Krimskrams herum. An einer Wand hing eine Karte der Staaten, auf denen lauter rote Pins steckten. An der nächsten waren zahllose Fotos unserer Band aufgepinnt. Über den Stühlen der Sitzecke lagen kreuz und quer Klamotten verteilt. Ohne zu fragen, trat sie an die Kaffeemaschine und drückte uns nur wenig später zwei Tassen Cappuccino in die Hand.

Nach ein paar Schlucken hatte ich endlich meine Fassung wieder gefunden und zündete mir eine Zigarette an. Während dessen räumte sie die Kleidungsstücke beiseite und wir setzen uns. Sie griff nach dem Telefon.

„Tom, kommst Du bitte, wir haben Besuch !“

Ein über alle vier Backen strahlender Tom kam nur Sekunden später herein und riss mich wie Tini zuvor in seine Arme.

„Süße ! Wie geht`s Dir denn ?“

Nach ein paar Küssen links und rechts hielt er mich etwas von sich weg und schaute mich prüfend an.

„Eigentlich dachte ich, Du hast uns vergessen ! Wieso hast Du Dich denn nicht mehr gemeldet ?“

Irgendwas ging hier wohl vollkommen an mir vorbei….

„Hattest Du viel Stress mit dem Umzug ? Erzähl, wie ist es Dir ergangen ?“

Er lies mich los und gab Jon die Hand, um auch ihn zu begrüßen. Dieser stand grinsend neben mir.

„Könnt Ihr mich vielleicht mal aufklären, was hier vor sich geht ?“ fragte ich die beiden.

Meine Stimme klang schneidender, als ich das beabsichtigt hatte. Vielleicht sahen sie mich deswegen so ungläubig an. Vielleicht war es auch mein Gesichtsausdruck.

„Wieso weiß ich von alldem nichts ? Und wieso habt Ihr Euch eigentlich nicht mehr gemeldet ? Telefon habt Ihr ja anscheinend !“

Eine peinliche Stille trat ein. Sie wussten, dass ich kurz vor einer fürchterlichen Explosion stand.