Montag, 22. Februar 2010

Kapitel 255

„Und ?“ kam Tanja fragend um die Ecke gebogen.

Ich berichtete ihr, was ich erfahren hatte.

„Scheiße. Und Du hockst hier.“

„Ich könnte mich deswegen in den Arsch beißen, wenn ich da bloß hinkäme. Verflucht….“

„Wenigstens ist er bei seinen Eltern. Das ist okay, die bauen ihn sicherlich auf und helfen ihm.“

„Du siehst in allem das Gute ?“

„Ja, sonst wäre ich nämlich von zwanzig Jahren schon durchgedreht !“

„Tanja, damals warst Du zehn !“

„Das bedeutet nicht, dass die Welt nicht schon so irre war wie heute !“

Sie holte mit einem Riesenatmer Luft und stemmte ihre Hände in die Hüften.

„So, und nun hole ich mein letztes Fläschchen Prosecco. Die haben wir uns verdient !“

„Ich glaub, wir haben schon genug….“

„Wenn Dir das Wasser bis zum Halse steht, lass nicht auch noch den Kopf hängen. Öffne den Mund und fülle ihn mit Schampus !“

Trotz meiner Sorge um Jon brach ich mit ihr in schallendes Gelächter aus. Gegen fünf fielen wir dann komplett betrunken in unser Bett.

„Gute Nacht, Sandy.“

„Gute Nacht, Tanja.“


Szenenwechsel:

Es war gegen 20.30 Uhr, als er auflegte. Sie war wirklich ein Schatz ! Mit ihren Erzählungen und ihrer Fröhlichkeit hatte sie es doch tatsächlich geschafft, dass er sich um einiges besser fühlte. Dies fiel auch seinen Eltern auf, als er sich zu ihnen auf die Terrasse gesellte.

„Dir geht`s besser ?“

„Ja, Mam. Ich habe noch mit Sandy telefoniert.“

„Sie scheint Dir gut zu tun.“

„Das tut sie. Sie freut sich übrigens darauf, Euch kennen zu lernen.“

Seine Mam lächelte ihn an und tätschelte liebevoll seine Hand. John schenkte seinem Sohn etwas von dem Weißwein ein, den er geöffnet hatte. Sie hoben die Gläser und stießen miteinander an.

„Weißt Du Jon, Ihr wart lange zusammen, habt vier Kinder. In den letzten Jahren fiel mir oft auf, dass sie so verbissen wirkte. Manchmal hatte ich den Eindruck, sie wäre nicht gerne bei uns. Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll, aber ich denke, sie hat sich sehr verändert. Sie war nicht mehr der Mensch, der sie früher war. Deine Mutter wollte ihr oft helfen, wenn Du unterwegs warst. Doch sie lehnte jedes Mal ab. Später haben wir dann mitbekommen, dass sie doch überfordert war.“

Er sah seinen Sohn aufmerksam an.

„Ich weiß, ich war viel unterwegs. Aber Ihr wisst, wie es ist. Und auch sie wusste es. Seit die Kinder da sind, habe ich immer versucht, die Familie entweder mitzunehmen oder zwischendurch nach Hause zu gehen. Die ganzen Freunde außerhalb der Band sind deswegen weg, weil sie sich mit denen auch nicht mehr verstanden hat. Sie hat Kindermädchen, eine Köchin, Putzpersonal, Gärtner, genug Geld, einfach alles. Was sollte ich ihr noch geben ? Was wollte sie noch ? Wenn ich zuhause war, habe ich mich ausschließlich um die Familie und um sie gekümmert. Das war ihr nicht genug.“

„Ich glaube, sie hat Dich einfach nicht mehr geliebt.“

„Aber warum sagt sie das dann nicht ?“

„Weil sie es vielleicht selbst nicht weiß. Weil es vielleicht Gewohnheit war, mit Dir zusammen zu sein. Nach über zwanzig Jahren kann sie es vielleicht nicht mehr unterscheiden.“

„Du siehst keine Möglichkeit mehr, Deine Ehe vielleicht doch noch zu retten ? Weißt Du, für die Kinder wäre es doch besser…..“

Seine Mam hatte bei diesem Satz ein besorgtes Gesicht.

Jon sah nachdenklich hinaus in den Garten.

„Seitdem ich mit Sandy zusammen bin, weiß ich auf jeden Fall, was die letzten Jahre in meiner Ehe schief lief. Manchmal denke ich, ich bin der glücklichste Mensch auf der Erde. Dieses Mal ist es nicht so, dass die Frau die ich liebe, brav zuhause auf mich wartet. Da wir beide viel unterwegs sind, kann es sein, dass sie auf Tour ist und ich hock daheim. Sie hat mir zum Beispiel noch nicht ein einziges Mal vorgeworfen, wenn ich keine Zeit für sie hatte. Sogar ihren Umzug meistert sie ohne mich, obwohl ich das mit ihrem Manager ausbaldowert und ihr fest versprochen habe, dass ich mitkomme. Es ist einfach total anders mit ihr, unbeschwerter, leichter, lustiger, aufregender.“

„Sie scheint ja ein wahrer Engel zu sein,“ hakte sein Dad nach.

„Das ist sie auch. Ihr werdet es sehen, wenn Ihr sie trefft.“

„Übrigens haben wir noch eine kleine Überraschung für Dich,“ sagte seine Mam lächelnd.

„Welche denn ?“

Seine Mutter sah abwartend zu ihrem Mann.

„Nun sagt schon !“ forderte Jon.

„Deine Kinder besuchen in den nächsten Tagen ihre Großeltern !“

Er sah sie ungläubig an.

„Stimmt das ?“

„Wieso sollte ich das erfinden ?“

Jon sprang auf und fiel ihr um den Hals. Nebenbei grinste er über ihre Schulter zu seinem Dad und klopfte mit seiner Hand auf dessen Knie.

„Das ist wirklich eine Überraschung ! Finde ich echt super von Euch !“

„Dorothea weiß nichts davon, dass Du hier bist. Wir dachten, es ist besser so. Dann kannst Du ohne irgendwelche Befürchtungen mit ihnen zusammen sein.“

„Hey, ich freu mich echt ! Das ist wenigstens mal eine gute Nachricht heute !“

Seine Eltern waren glücklich, ihn so zu sehen. Bei seiner Ankunft waren sie sehr erschrocken, wie gebeugt und deprimiert er gewirkt hatte.

Sonntag, 14. Februar 2010

Kapitel 254

„Die Küche !“

„Okay. Aber wenn wir die jetzt schon ausräumen, mit was kochen wir dann heute Abend ?“

„Dann kochen wir eben nicht. Eine Straße weiter befindet sich einer der besten Italiener, ich lade Dich ein !“

„Kommt gar nicht in die Tüte ! Wenn, dann lade ich Dich ein !“

„So haben wir aber nicht gewettet, ne ne ne !“

Nach kurzem hin und her gab sie jedoch nach.

„Okay, ich streite mich da nicht drum !“

„Die Kaffeeutensilien lassen wir halt draußen und packen sie morgen dazu. Apropos Kaffee. Könnten wir welchen kochen ?“ fragte ich.

„Ich mach schon ! Ich brauch auch unbedingt einen.“

„Sag mal, gibt`s hier in der Nähe eigentlich einen Bäcker oder so ?“

„Ja, gleich um die Ecke. Eigentlich eine Konditorei, machen echt leckere Sachen. Warum ?“

„Weil ich dermaßen Gelüste auf so eine herrlich große, sahnige, fluffige Schwarzwälder Kirsch habe !“

Tanja lachte sich fast kaputt, als sie mein Gesicht sah.

„Dann hol halt welche ! Und wenn Du schon dabei bist, bringst Du mir vielleicht eine Eierlikörtorte mit ?“

Ich stimmte in ihr Lachen ein. Das hatte sich also auch nicht geändert !
Als ich zurück kam, waberte schon der Kaffeeduft durch ihre Zimmer. Der Tisch war bereits gedeckt und kurz darauf tranken wir gemütlich unser Käffchen und schaufelten die Sahnetorten in uns hinein.

„Weißt Du was ? Es ist so unglaublich schön mit Dir, wenn ich ehrlich bin, will ich Dich gar nicht nach Amerika lassen ! Und Tini fehlt mir auch unheimlich. Es war immer so toll mit uns dreien.“

„Stimmt. Wir hatten immer eine Menge Spaß.“

„Ja, aber auch die schlechten Zeiten haben wir miteinander durch gestanden.“

Ich nickte nachdenklich.

„Aber das rollen wir jetzt nicht wieder auf, Süße. Sonst fangen wir hier nämlich nie mehr an.“

„Okay, okay, hab schon verstanden !“

Und so machten wir uns daran, auch Tanja`s Wohnung in Kartons zu verfrachten. Um zehn gingen wir nacheinander duschen. Dann machten wir uns hurtig auf zum Italiener und ich drängte zur Eile. Sonst bekämen wir womöglich nichts mehr zu essen dort. Doch Tanja beschwichtigte mich, schließlich kannte sie den Wirt. Wir lachten viel an diesem Abend, holten die alten Geschichten heraus und konnten gar nicht mehr aufhören damit. Gegen zwei Uhr mahnte der Wirt zum Aufbruch, die Sperrstunde hatten wir völlig vergessen. Ziemlich betüdelt machten wir uns auf den Heimweg.
Tanja schloss gerade die Haustüre auf, als mein Handy klingelte.

„Ich geh mal vor ins Bad, dann kannst Du ungestört mit ihm sprechen.“

Ich nickte dankbar. Mit einiger Aufregung nahm ich ab.

„Hi Süße ! Ich hoffe, ich hab Dich nicht geweckt, aber ich hatte solche Sehnsucht nach Dir ! Ich hab`s vorhin schon mal probiert, aber Du warst nicht zu erreichen.“

„Jon ! Es ist so schön, Deine Stimme zu hören. Wir waren beim Italiener, essen. Wie geht`s Dir denn ?“

Ich hoffte, meine Stimme klang nicht allzu besorgt, geschweige denn betrunken.

„Es geht schon. Ich bin bei meinen Eltern die nächsten Tage.“

„Wie war`s mit Dorothea ?“

„Es war nicht gerade schön. Sie ist wieder mal ausgeflippt und hat mich beschimpft.“

Er atmete tief ein und aus.

„Schlimm ?“

„Ich hätte darauf vorbereitet sein müssen. Aber ich gutmütiger Trottel bin halt dem Irrglauben aufgesessen, dass ich normal und ruhig mit ihr sprechen könnte. Und das war dann nicht so. Ich habe jetzt alles den Anwälten übergeben und entweder sie geht darauf ein, oder sie hat Pech gehabt.“

„Wenn ich Dir nur helfen könnte….“

„Sandy, so schlimm ist es nicht. Ich denke, ich bin ihr gegenüber großzügig genug. Aber ich wollte im Guten auseinander gehen, in Frieden. Da habe ich mich wohl getäuscht.“

„Kann ich irgend etwas für Dich tun ?“

„Ja,“ lachte er gezwungen. „Bald wieder kommen.“

„Ich verspreche Dir, ich mach so schnell wie möglich.“

„Mach Dir keinen Stress, Honey. Ich bleibe sowieso die nächsten Tage noch hier, da ich in New York ein paar Dinge erledigen muss. Aber Du fehlst mir so….“

„Du fehlst mir auch. Wenn ich vorher gewusst hätte, was passiert, wäre ich später nach Deutschland geflogen.“

„Das hätte auch nichts geändert.“

Es räusperte sich.

„Ach, noch was. Ich habe vorhin lange mit meinen Eltern gesprochen. Sie wollen Dich unbedingt und so schnell wie möglich kennen lernen.“

„Echt ?“

„Ja, echt. Und ich finde, das ist überfällig. Sobald Du wieder da bist, könnten wir das doch arrangieren ?“

„Sicher, ich freu mich schon darauf.“

„Sie auch. Ich hab ihnen ein paar Bilder von Dir gezeigt. Also, Dad gefällst Du. Er meinte nur, ich hätte Glück, dass er schon so alt wäre.“

Ich musste lachen und Jon stimmte mit ein. Wenigstens seinen Witz hatte er behalten. Er fragte, wie es bei uns Mädels so lief und ich berichtete. Dabei versuchte ich, so witzig wie möglich zu erzählen, damit er auf andere Gedanken kam. Es war mir nicht entgangen, dass er sich sehr um Normalität bemühen musste.

„Gute Nacht, Schatz.“

„Gute Nacht, Sandy. Ich melde mich, sobald ich kann, okay ?“

„Okay.“

Das Klicken wartete ich noch ab, erst dann drückte ich auf den kleinen roten Hörer. Und schon schossen mir die Tränen in die Augen. Es ging ihm nicht gut. Ich hatte es ihm deutlich anhören können.

Ich war viel zu weit von ihm entfernt.

Donnerstag, 11. Februar 2010

Kapitel 253

Die Frühlingssonne brannte mir auf den Pelz und verschlafen wickelte ich mich aus der Decke. Nur langsam kam die Erinnerung an die vergangene Nacht zurück. Ich sprang wie von Sinnen auf und flitzte ins Wohnzimmer. Ich sah mich hektisch um. Irgendwo musste dieses dämliche Handy doch sein ! Es war nirgends zu sehen. Ah, Küche ! Tanja war als bekennender Kaffee-Junkie bereits an der Maschine zugange und köstlicher Duft wehte durch die Wohnung. Dort lag es. Das Display zeigte – Gott sei Dank ! – an, dass ich eine neue Nachricht hatte. Sie war um 4.00 Uhr eingetrudelt.

„Hi Darling. Es ist ganz gut verlaufen, war zwar ein Kampf und sie war unmöglich, aber ich hoffe, dass es jetzt seinen Weg geht. Alles weitere später, ich leg mich jetzt hin, bin todmüde und total fertig. Tausend Küsse und sorge Dich nicht, Jon.“

Mit rasenden Fingern tippte ich die Antwort.

„Hallo Honey, ich mach mir aber trotzdem Sorgen. Ich gäbe soviel, wäre ich jetzt bei Dir ! Du kennst ja meine Ungeduld. Zehntausend Küsse zurück und ich denke ganz fest an Dich. Ich liebe Dich Sandy.“

War ich nun beruhigt ? Oder war ich noch unruhiger ?

„Ich wünsch Dir auch einen guten Morgen !“ sagte meine Freundin gedehnt.

„Sorry Tanja, guten Morgen !“

„Was schreibt er denn ?“

Ich öffnete die SMS nochmals und hielt ihr das Handy hin. Sie las aufmerksam.

„Du kannst meine Antwort auch lesen.“

Als sie fertig war grinste sie mich an.

„Hört sich doch gut an ! Hab ich doch gesagt !“

„Für Dich ist immer alles so einfach !“

„Sandy, das ist es auch meist ! Mach Dir nicht so viele Gedanken ! Wenn es nicht gut verlaufen wäre, hätte er das bestimmt geschrieben. Und das hat er nicht. Also ?“

Sie sah mich forschend an.

„Warum rufst Du ihn heute Abend nicht mal an ? Wenn Du mit ihm sprichst, weißt Du mehr.“

„Ich wollte ihn eigentlich in Ruhe lassen,“ sagte ich zögerlich.

„So ein Quatsch ! Wenn Du Dir solche Sorgen machst, ist es das Beste, Du redest mit ihm.“

Ich zuckte die Schultern und schenkte mir Kaffee ein. Nach einem großen Schluck musste ich ihr Recht geben. Im Grunde war es Blödsinn, immer nur SMS oder E-Mails. Und ich wollte endlich auch wieder seine Stimme hören.

„Na los ! Lass uns jetzt aufbrechen und meinen Kram holen, okay ? Dann kommst Du auf andere Gedanken. Schluss jetzt mit den Grübeleien !“

Sie zog mich an der Hand hoch und ich ging, um mich anzuziehen.
Wieder tigerten wir durch den Baumarkt und versorgten uns mit den bekannten Verpackungsmaterialien. Danach fuhren wir auf dem kürzesten Weg Richtung Autobahn. Dank der Bayerischen Landesregierung kamen wir nur sehr schlecht voran. Eine Baustelle folgte auf die nächste. Doch davon ließen wir uns nicht die Stimmung vermiesen. Das Radio war laut aufgedreht und die Fenster standen weit offen. Wir sangen lauthals mit, besonders als „Saturday night“ gespielt wurde. Auf Antenne Bayern war halt Verlass ! Neben uns stand ein dicker, großer Grufti-Mercedes. Das darin enthaltene Paar hatte es sich anscheinend zur Tagesaufgabe gemacht, den Kopf über uns zu schütteln. Wir lachten nur darüber und grölten um so lauter mit.

„Hey hey hey… määän…. Aim alaiiiifff…. Aim täiking iiitsch däi änd nait ät a taim…. Jeah aim daun, bat ai nou aill get baiiii……”

Nun war es passiert. Wir bogen uns vor Lachen und Kichern. Die Tränen liefen uns die Wangen hinunter und beide waren wir kurz vor dem Platzen. Am liebsten hätte ich in das Armaturenbrett gebissen. Das Paar neben uns schaute nun ganz konzentriert durch die Windschutzscheibe nach vorne. Da es einen Ruck gab, die Autos vor uns fuhren langsam an, rissen wir uns schließlich mit aller Mühe zusammen.
Eine Stunde später waren wir an Tanja`s Wohnung angekommen.

Den Wohnungsmieten in München sei Dank ! Ihre Bleibe war nicht so groß und meiner Schätzung nach würden wir das heute und morgen schaffen. Diese Nacht würden wir hier übernachten und am nächsten Tag - so hofften wir - war alles gepackt und eingeladen. Sie hatte den größten Teil bei ihren Eltern gelassen, die Wohnung hier war nur als Provisorium gedacht gewesen. Aufgrund ihres Jobs war das hier eher mit einem Hotelzimmer vergleichbar. Sie hatte meist nur hier geschlafen, nicht wirklich gewohnt.

„Ich glaube, wir fangen mit dem Schlimmsten an,“ schlug Tanja vor.

„Und was wäre denn das Schlimmste ?“ fragte ich grinsend.

Mittwoch, 10. Februar 2010

Kapitel 252

Szenenwechsel:

Ich wachte schweißgebadet auf. Im Dunkeln tastete ich nach dem Lichtschalter und drückte darauf. Es war erst Mitternacht. Ich nahm mir noch etwas Zeit, um zu mir zu kommen. Mir war, als hätte ich einen Alptraum gehabt.
In New York war es jetzt 18.00 Uhr.

Mein Herz raste. Langsam torkelte ich ins Bad und ließ kaltes Wasser über meine Unterarme laufen. Mein Spiegelbild ließ mich zusammen fahren. Oh je, wie sah ich denn aus ? Ich klatschte das kalte Wasser in mein Gesicht und langte nach dem Handtuch, um mich abzutrocknen. Mir wurde schwindelig und so setzte ich mich auf den Rand der Badewanne. Was war nur los ?
In New York war es jetzt 18.00 Uhr.

Zurück im Schlafzimmer zog ich das nass geschwitzte Shirt aus und griff nach einem trockenen. Ich beschloss, etwas zu trinken und ging in die Küche. Nebenbei schlüpfte ich in meinen grauen Schnuffelanzug und suchte nach dem Handy. Das Display war leer.
In New York war es jetzt 18.00 Uhr.

Ja, verdammt ! Dort war es jetzt sechs Uhr abends. Warum schoss dieser eine Satz immer wieder durch mein Hirn ? Jon saß bestimmt noch bei seinen Anwälten, sonst hätte er sich doch schon gemeldet. Wenigstens per SMS.
Total daneben ging ich hinaus auf die Terrasse und ließ mich auf einer der Liegen nieder. Auf dem Tischchen daneben lagen Zigaretten. Nachdenklich zündete ich eine an und sog den Rauch gierig in meine Lungen.
Da hörte ich leise Tappser hinter mir.

„Kannst Du nicht schlafen ?“ murmelte Tanja und gähnte herzhaft.

„Nö. Hab ich Dich geweckt ?“

„Ich hab eh noch nicht richtig gepennt.“

Sie pflanzte sich auf die Liege neben mir. Ich warf ihr die Zigaretten zu. Wir qualmten schweigend vor uns hin und sahen in den dunklen, schwarzen Himmel, an dem in dieser Nacht kein einziger Stern zu sehen war.

„Eigentlich hätten wir auch hier draußen schlafen können,“ murmelte sie.

„Mhhhm.“

„Ist doch schön hier.“

„Mhhhm.“

„Für Frühsommer ist es echt schon total warm.“

„Mhhhm.“

„Kannst Du auch was anderes sagen als „Mhhhm“ ?“

„Ach Tanja….. Irgendwie schießt mir immer wieder durch den Kopf, dass es in New York jetzt 18.00 Uhr ist.“

„Du machst Dir Sorgen ?“

„Ja, ziemlich.“

„Hat er sich noch nicht gemeldet ?“

„Nein.“

„Dann geht`s ihm auch gut !“

„So einfach ist das ?“

„Ja, Sandy ! So einfach ist das !“

„Wenn Du meinst….“

„Ich meine !“

Sie drehte ihr Gesicht zu mir und sah mich aufmunternd an.

„Ach komm schon ! Wenn was schlimmes wäre, hätte er doch schon angerufen. Wahrscheinlich verhandeln die immer noch und das ist ein gutes Zeichen.“

„Du hast Dich ja auch schon hundertmal scheiden lassen,“ frotzelte ich.

„Nein habe ich nicht. Aber wenn es schief laufen würde, z. B. seine Ex ist gar nicht aufgetaucht, oder sie haben Streit bekommen und einer der beiden ist auf und davon, dann hättest Du mit Sicherheit schon was gehört.“

„Ich hoffe, Du hast Recht.“

„Hab ich meistens. So, und nun wird geschlafen ! Schließlich haben wir heute noch was vor.“

Sie stand auf, ging hinein und kam mit zwei Decken zurück. Fürsorglich legte sie eine über mich und mummelte sich in die andere.

„Schlaf schön,“ murmelte sie und wenige Lidschläge später waren wir beide weggedöst.

Dienstag, 9. Februar 2010

Kapitel 251

Er war komplett fertig, genervt, enttäuscht, wütend, traurig. Diese Traurigkeit, die sich über die anderen, in ihm tobenden Empfindungen legte, ließ die Tränen hochsteigen. Doch diesen Triumph wollte er ihr nicht gönnen. Er ließ sie draußen stehen.
Die Juristen sahen ihn erstaunt an, als er wieder an den Tisch trat.

„Ich denke, es ist soweit alles gesagt. Sie werden sicher alles weitere mit meiner Frau festlegen. Auf Wiedersehen.“

Jon wartete nicht weiter ab. Er stürmte ohne einen Gruß an Bonny vorbei hinaus, riss die Tür des wartenden Wagens auf und ließ sich in die weichen Polster fallen. Der Fahrer fragte wohin er ihn bringen solle. Jon nannte das Ziel, griff vor sich in die Minibar und leerte das kleine Fläschchen in einem Zug. Der Alkohol lief heiß die Kehle hinunter, augenblicklich konnte er die wohltuende Wirkung verspüren. Etwas ruhiger geworden, nahm er eines der Gläser, warf einige Eiswürfel hinein und goss Whiskey darüber. Erschöpft legte er den Kopf zurück auf die Lehne und schloss seine Augen.

Was war aus dieser Frau geworden ? Sie hatte all die Liebenswürdigkeit, Sanftheit, Gelassenheit, Fröhlichkeit, Herzlichkeit verloren. Sie hatte all das verloren, was sie früher ausgemacht hatte. All das, weswegen er sie einmal geliebt hatte. Mit dem letzten Rest Beherrschung wischte er die Trübsal weg und sah auf seine Uhr. 18.00 Uhr. In Deutschland war es bereits Mitternacht. Die Sehnsucht, die er nach ihr verspürte, wurde übermächtig. Er griff nach seinem Handy. Anrufen konnte er sie jetzt nicht mehr, bestimmt lag sie bereits total erledigt im Bett und schlief. Also begann er, eine SMS an sie zu schreiben, doch bevor er auf Senden drückte, las er den Text nochmals durch. Er löschte ihn. Hätte er diese SMS versandt, hätte sie sich nur Sorgen gemacht.

Er ließ sich zurückfallen und schloss die Augen. Dann wollte er wenigstens ganz fest an sie denken, vielleicht merkte sie es ja.

„Wir sind da, Jon,“ hörte er die Stimme des Fahrers.

„Oh, danke !“

Mit gebeugter Körperhaltung stieg er aus, holte seine Tasche und ging auf das Haus zu. Die Tür ging auf und dort stand die Frau, die ihn niemals verlassen würde. Die immer für ihn da sein würde.

„Jon !“ rief sie freudig aus und lief ihm entgegen.

Die beiden fielen sich in die Arme und sie drückte ihn fest an sich. Es schien, als wolle sie ihn gar nicht mehr loslassen.

„Jetzt lass ihn doch erst einmal hereinkommen. Er ist sicher erschöpft !“

Sein Vater war zu den beiden getreten und auch er nahm ihn fest in die Arme.

„Hallo ! Schön, dass ich bei Euch unterkommen kann !“

„Ach Junge, das ist doch selbstverständlich !“

Seine Mam ging voraus, sein Dad hatte die Hand auf seine Schulter gelegt.

„Willst Du was essen ? Du hast doch sicher Hunger ?“ fragte Carol besorgt.

„Ja Mam, wär ganz gut.“

Die beiden Männer setzten sich im Wohnzimmer auf die gemütliche Couch. Jon sah sich um und was er sah, ließ ihn endlich ruhiger werden. Die gewohnte, gemütliche Umgebung beruhigte ihn. Es war die richtige Entscheidung gewesen, die nächsten Tage bei seinen Eltern zu verbringen. Seine Mam kam mit einem voll gehäuften Teller zu ihnen und reichte ihn Jon.

„Fettucchine mit Meeresfrüchten ! Das isst Du doch so gerne !“

„Danke, Du bist echt die Allerbeste !“

Sie schenkte ihm noch eine Cola ein und stellte das Glas auf das kleine Tischchen neben ihm.

„Nun erzähl mal !“ sagte John.

„Jetzt lass ihn doch erst einmal essen. Er kann doch nicht essen und reden !“

Jon lächelte. Es war doch immer das gleiche mit den zweien. Sie waren so besorgt um ihn, wollten ihm alles so recht wie nur möglich machen.
Er begann langsam und ruhig von seinem Tag zu erzählen.

Mittwoch, 3. Februar 2010

Kapitel 250 - Auftritt Doro

Sie kam, ohne anzuklopfen, in das Büro hereingerauscht, ihre beiden Anwälte im Schlepptau. Sie trug ein eng anliegendes schwarzes Kleid, das ihr bis zu den Knien ging. Die Haare waren offen. An den Füßen hatte sie unwahrscheinlich hohe High-Heels, die beim Auftreten unangenehm laut knallten. Die Begrüßung ihrerseits fiel äußerst knapp aus. Sie strahlte die pure Arroganz aus.

Jon war versucht, sich die Augen zu reiben. War das die Frau, die er einmal geheiratet hatte ? Er wollte sich versichern, dass er tatsächlich das sah, was er sah.
Ohne die weiteren Begrüßungen oder Freundlichkeitsfloskeln der anderen Anwesenden abzuwarten, kam sie sofort auf den Grund ihres Treffens zu sprechen.

„Ich möchte keine Zeit verschwenden, davon habe ich nämlich keine. Also lassen Sie uns beginnen.“

Jon schüttelte ungläubig den Kopf. Er konnte nicht fassen, was er gerade erlebte.
Richard Walker, einer von Jons Adjutanten ergriff das Wort.

„Das ist ganz in unserem Sinne, Mrs. Bongiovi. Mr. Bongiovi möchte die Scheidung so schnell als möglich durchführen. Er ist bereit, Ihnen einen angemessenen Betrag zu überlassen, der Ihnen ermöglicht, Ihren gewohnten Lebensstandard weiterhin zu führen. Für die Kinder wird – das versteht sich von selbst – ausreichend gesorgt. Das wird in einem separaten Vertrag genau aufgeführt sein. Mr. Bongiovi möchte das Verfahren so diskret wie nur möglich durchführen.
Das bedeutet für Sie allerdings: Keinerlei Interviews, keine Details an die Öffentlichkeit. Des weiteren besteht mein Mandant aufgrund der Gegebenheiten seines Berufes auf uneingeschränktem Besuchsrecht. Das schließt – ohne dies hier in diesem Rahmen ausdrücklich erwähnen zu müssen – ein uneingeschränktes Mitspracherecht bei der Erziehung mit ein. Mr. Bongiovi überlässt Ihnen das Anwesen in New Jersey, hier eingeschlossen die komplette Einrichtung.“

Walker machte seine Sache gut. Jon warf einen Blick auf seine Frau. Sie hatte die dunkle Sonnenbrille abgenommen und drehte sie nervös in den Händen. Augenscheinlich war sie überrascht. Überrascht von Walker`s Vortrag, überrascht von Jon`s Großzügigkeit. Sie hatte wohl erwartet, um ihr Auskommen kämpfen zu müssen. Jonathan Westing, der zweite von Jon`s Advokaten listete nun die Besitztümer der Eheleute auf und erklärte, was davon an Dorothea übergehen würde. Er tat dies mit der genauen Beschreibung dieser, daher gestaltete sich dies als sehr langwierig. Danach war eine kurze Pause angesetzt.

Jon hielt es nicht länger auf seinem Stuhl und er ging zu dem Tisch an der Wand, auf dem Getränke bereit gestellt waren. Er goss sich gerade eine Tasse Kaffee ein, als er Dorothea neben sich bemerkte.

„Wie geht es Dir ?“ fragte er beherrscht, aber freundlich.

Sie sah ihn an und blitzartig sah er das dunkle Funkeln in ihren Augen.

„Wie soll es mir schon gehen ? Sehr gut, seitdem Du endlich aus meinem Leben verschwunden bist.“

„Ach komm, Dorothea ! Können wir das nicht friedlich regeln ?“

„Friedlich regeln ? Das hättest Du Dir wahrlich etwas früher überlegen müssen.“

„Doro, Du weißt genau, dass wir beide das so beschlossen haben.“

„Nenn Du mich nicht Doro ! Tu das nie wieder !“ fauchte sie.

„Sei doch vernünftig ! Wir können doch normal miteinander umgehen.“

„Normal miteinander umgehen ? Und beschlossen habe ich mit Dir gar nichts ! Ich jedenfalls kann mich nicht daran erinnern, Dir erlaubt zu haben, Dich mit dieser Schlampe einzulassen.“

Jon blieb bei diesem Spruch das Herz stehen. Nun wurde er wütend. Sehr wütend.

„Wenn Du Sandy noch einmal so bezeichnest, dann schwöre ich Dir, bekommst Du richtigen Ärger mit mir !“

„Was ? Wirst Du mir ein Milliönchen weniger überweisen ?“

Sie lachte schrill auf und ihre Stimme überschlug sich.

„Was ist mit Dir nur passiert ? Was ist aus Dir geworden ?“ fragte er hilflos.

Er drehte sich weg. Verständnislos schüttelte er den Kopf. Er verstand es nicht. Völlig mutlos geworden ging er auf den Balkon hinaus. Er musste an die frische Luft, sonst wäre er vermutlich explodiert. Ein Gedanke jagte den anderen und er hatte das Gefühl, keinen klaren Kopf mehr zu haben. Er griff in die Innenseite seiner Jacke und holte die Zigaretten heraus, inhalierte den Rauch tief und sah auf die Stadt hinunter. Doch Dorothea hatte noch nicht genug.

„Weglaufen, ja das kannst Du ! Das war schon immer Deine ganz große Stärke ! Immer wenn es unbequem wurde, verpisste sich der große Rockstar !“

„Du weißt ganz genau, dass….“

„Dass was ? Dass Du nicht anders kannst ? Dass Dich Dein bescheuerter Job dazu zwingt ? Hör auf mit dem Scheiß, das habe ich zu oft von dir gehört.“

Er zog an der Kippe und blies den Rauch langsam aus.

„Weißt Du was ? Ich glaube, es macht wirklich keinen Sinn, vernünftig mit Dir zu reden. Vor lauter Schuldzuweisungen und Gefühlsausbrüchen bist Du nicht mehr in der Lage, die Dinge zu sehen, wie sie tatsächlich sind.“

„Wie die Dinge tatsächlich sind ?“ fragte sie erbost und kam drohend auf ihn zu.

„Soll ich Dir mal sagen, wie die Dinge sind ? Ich habe es satt von Dir verarscht und belogen zu werden. Ich habe Deine Weibergeschichten satt. Ich habe es satt, ständig auf Dich zu warten und doch von Dir enttäuscht zu werden. Und falls Du es in Deinem Liebeswahn vergessen haben solltest….“

Sie stand nun direkt vor ihm und ihr ausgestreckter Zeigefinger bohrte sich in seine Brust.

„….Du hast vier Kinder !“

„Das war ja klar ! Natürlich benützt Du sie als Dein Schutzschild ! Kapier es endlich: Wir sind seit über einem Jahr getrennt. Wir hatten damals besprochen, dass es nicht mehr geht mit uns, dass wir uns trennen. Du hast Dich doch keinen Deut mehr für mich interessiert. Wann hast Du das letzte Mal bei mir angerufen ? Gefragt, wie es mir geht ? Und jetzt hast Du mitgekriegt, dass ich eine andere Frau an meiner Seite habe, und drehst komplett durch !“

Er wandte sich ab. Er konnte ihren Anblick nicht mehr ertragen. Doch eines musste er noch loswerden.

„Weißt Du wie Du bist ? Du bist genau wie die Frauen, die Du früher immer so sehr verabscheut hast.“