Dienstag, 20. Juli 2010

Kapitel 279

Er dachte an ihre erste Begegnung und schloss die Augen. Damals in Kanada, als er sie beim Joggen getroffen hatte. Ein kleines Grinsen konnte er sich nicht verkneifen, als ihm einfiel, wie sie auf dem glatten Schnee in`s Straucheln gekommen war, sich an ihm festhalten wollte und sie beide schließlich umgefallen waren. Danach mussten sie erst ihre Knochen sortieren, bevor er ihr aufhelfen konnte.

Sie war so natürlich, so unbefangen. Von Anfang an hatte sie ihn begeistert, fasziniert. Vor allem, weil sie nicht wie all die anderen Frauen sofort auf Jon angesprungen war. Damals konnte er nicht ganz verstehen, warum sie ihn so abgelehnt hatte. Gerade das aber machte sie so besonders.
Erschrocken schlug er die Augen auf und sah sich verwundert in seinem Schlafzimmer um. Eben war ihm gewesen, als ob er ihr helles Lachen gehört hätte. Dieses Lachen…. Einmal hell und unschuldig, dann wieder jenes Lachen, wenn sie sich über irgendetwas kaputt lachte und nicht mehr aufhören konnte. Jedes Mal rannen ihr sofort die Tränen herunter. Wie sagte sie dann immer ?
„Richie, hör sofort auf damit ! Ich bin schon wieder total abgeschminkt !“

Es hatte keinen Sinn. Er musste wieder runter kommen. Missmutig stand er auf und ging mit hängenden Schultern nach unten in den Wohnbereich. An der Bar griff er nach einem Glas und schenkte sich einen Whiskey ein. Mit der silbernen Zange holte er aus dem kleinen Eisfach direkt daneben ein paar Eiswürfel und ließ diese in die goldbraune Flüssigkeit fallen. Gedankenverloren schwenkte er das Glas einige Zeit hin und her um den Alkohol gleichmäßig durchzukühlen. Er trank in einem Zug aus und schenkte sich noch einen ein. Es waren nur ein paar Schritte zu den bodentiefen Fenstern. Doch er ging sie nicht.

Er wollte nicht sehen, dass im Schlafzimmer im Haus nebenan Licht brannte. Vermutlich hätte er auch noch die Schatten der beiden Menschen gesehen, die sich dort aufhielten.
Es gab ihm einen tiefen Stich, als er vor sich hin sinnierte.
Die zwei hatten einen schönen Abend verbracht. Jon hatte ihm genau erzählt, wie er sich den Verlauf vorstellte, was er geplant hatte. Er hatte ihn einfach reden lassen, nur dann und wann hatte er den Begeisterten oder den Verwunderten gegeben. Das Schlimmste war, Jon hatte ihn einige Male zweifelnd angesehen, ihn sogar gefragt, ob etwas nicht in Ordnung wäre. Mit einiger Beherrschung hatte er ihn beruhigt und die Sorgen seines Freundes mit belanglosen Ausreden abgetan.

Und er wusste, verdammt noch mal, überhaupt nicht, wie das Ganze weitergehen sollte.


Szenenwechsel:

Ich wachte vor Jon auf. Vorsichtig schlug ich die Decke zurück und blieb dann doch noch ein paar Minuten liegen, da er unruhig geworden war. Es war so schön, ihn zu beobachten. Ein paar der blonden Strähnen hingen über seine Augen. Sein Gesichtsausdruck war friedlich, entspannt….. Die Decke war herunter gezogen und gab das Tattoo auf seinem Oberarm frei. Nur zu gerne hätte ich ihn darauf geküsst, doch ich wollte auf keinen Fall, dass er aufwachte. Es war heute Nacht sehr spät geworden, bis wir endlich eingeschlafen waren. Prüfend sah ich zu meinem kleinen Radiowecker. Es war kurz vor acht.

Da ich hellwach war, stand ich auf und öffnete die Tür an meinem Schrank. Ich griff nach meinen Trainingsachen und ging ins Badezimmer. Mit der Morgentoilette machte ich mir nicht allzu große Mühe. Kurzes Zähneputzen und noch kürzeres Waschen und schon zog ich mich an. In der Küche drückte ich die Taste für Cappuccino, welchen ich im Stehen trank. Danach ging ich durch den Garten zu Richie hinüber. Ich klopfte an die Terrassentür, doch niemand öffnete. Dasselbe geschah an der Haustüre.

Enttäuscht ging ich wieder zurück. Es wäre zu schön gewesen, wenn wir heute morgen hätten zusammen laufen können. Wir hatten das so lange nicht mehr gemacht. Also trabte ich alleine los. Bevor ich den Garten verließ, sah ich Richie auf der anderen Straßenseite zurück kommen. Ich rief seinen Namen.
Sein Kopf fuhr verwundert zu mir herum und er zog die Stöpsel seines MP3-Players aus den Ohren.

„Schade, Du kommst schon zurück ?“

„Ja, ich konnte nicht mehr schlafen.“

„Warum hast Du denn nicht gefragt, ob ich mitkomme ? Wir sind schon ewig nicht mehr zusammen gejoggt ! Außerdem haben wir das gestern Abend eigentlich so ausgemacht ?“

Er sah mich lange an, bevor er antwortete. Zu lange, fand ich.

„Ich wollte Euch nicht wecken, Ihr seid ja bestimmt erst spät in die Kiste gekommen, oder ?“

„Ja, allerdings !“ lachte ich.

Ein Schatten ging über sein Gesicht. Sein Lächeln, mit dem er mein Lachen quittierte, sah mehr als gequält aus.

„Richie, sag, was ist los mit Dir ? Stimmt was nicht ?“

„Doch, doch ! Alles okay. Vielleicht habe ich einfach Herzschmerz.“

„Herzschmerz ? Wegen der Badewannen-Lady ?“

„Ne, nicht wegen der. Vielleicht bin ich ganz einfach einsam.“

„Einsam ?“ Ich erschrak und stammelte vor mich in, da ich nicht wirklich wusste, was ich ihm antworten sollte. „Okay, ich kann das verstehen. Jon und ich feiern da drüben und Du hockst alleine hier. Es tut mir leid, wirklich.“

„Es braucht Dir nicht leid zu tun. Du brauchst Dich nicht dafür zu entschuldigen, dass Dir der Mann, der dich liebt, einen solchen Abend bereitet hat. Es ist schon in Ordnung.“

Wir standen schweigend voreinander. Mit schwante, dass das nicht die volle Wahrheit war. Es war zu offensichtlich, dass ihn etwas quälte, über das er im Moment nicht reden wollte.

„Also dann….“ sagte er.

„Kommst Du nachher zum Mittagessen rüber ?“

„Ich glaube nicht, ich hab nachher noch einen Termin in der Stadt. Keine Ahnung, wann ich zurück bin.“

„Schade. Aber Du weißt ja, wo wir sind ?“

„Jep. Nun lauf schon los !“

Ich hob meine Hand und strich ihm sachte über die Wange. Sonst wusste ich nicht, was ich in diesem Moment hätte für ihn tun können. Ohne ihn noch einmal anzusehen, drehte ich mich um und lief los. Jeder andere hätte vermutlich auf ein Gespräch gedrängt, hätte versucht, heraus zu bekommen, was mit Richie war. Das war jedoch nicht meine Art, ich hatte immer Angst, zu sehr in jemand zu dringen. Wenn er darüber reden wollte, würde er das sicher von alleine tun.

Nur wenig später hatte ich meinen Rhythmus gefunden und achtete auf meine Atmung, bevor ich schließlich doch wieder meinen Gedanken nachhing. Grübelnd versuchte ich darauf zu kommen, was mit ihm war. Mir fiel die Situation von gestern wieder ein, als ich nur in Unterwäsche vor ihm stand. Sein begehrlicher Blick…. Konnte es damit zu tun haben ? Hatte er ein Auge auf mich geworfen ? Ach Quatsch ! Ich wischte dies unwillig beiseite. Nie im Leben konnte ich mir vorstellen, dass er an so etwas dachte.

Schließlich waren wir nicht nur Freunde, unsere Beziehung zueinander basierte auf etwas tieferem, etwas besonderem. Außerdem würde er niemals wagen, die Freundin seines besten Freundes…. Ganz bestimmt war er nur einsam und er sehnte sich nach einer echten Beziehung. Da war es natürlich zusätzlich belastend für ihn, dass er gleich in unmittelbarer Nähe ein so verliebtes Paar wie uns beide hatte. Kein Wunder, dass er so durcheinander war….. Und dann der Abend gestern…. Die beiden mit ihren Gitarren…. Jon, als er vor mir kniete…. Mir traten die Tränen in die Augen, so sehr war ich auch jetzt noch gerührt…. An die Nacht konnte ich schon gar nicht denken, ohne dass mir heiß und kalt wurde…. Ich hob leicht meinen Arm und betrachtete stolz den Ring, den er mir geschenkt hatte. Er war wirklich wunderschön, etwas besonderes…. Ein unglaublich starkes, liebevolles Gefühl stieg in mir auf, als ich Jons Gesicht vor mir sah…. eine unendliche Dankbarkeit.

War für ein Leben führte ich ? Nur wenige Monate waren vergangen, seit wir zusammen waren und doch kam es mir vor, als wären es Jahre. Soviel war passiert, soviel geschehen. Manchmal hatte ich den Eindruck, andere erlebten das in ihrem ganzen Leben nicht, was mir in der kurzen Zeit geschehen war. Wie lange das wohl noch so gut gehen würde ?

Wieder wischte ich die dunklen Gedanken von mir und lief schneller. Irgendwie musste ich es doch schaffen, wieder runter zu kommen und meinen Kopf zu leeren. Sonst klappte das doch auch immer ! Ich rannte, bis mir die Glieder schmerzten, glücklicherweise befand ich mich schon auf der Rückrunde und nach wenigen Minuten sah ich Jons Anwesen zwischen den Bäumen auftauchen. Ich machte einen Satz über die Hecken und durchquerte den riesigen Garten. Er saß auf der Terrasse.
Als er mich sah, beendete er rasch sein Telefonat und legte das Handy und die aufgeschlagene Zeitung zur Seite. Noch bevor ich am Tisch angekommen war, hatte er eine frische Wasserflasche geöffnet und hielt sie mir grinsend entgegen.

5 Kommentare:

Missi68 hat gesagt…

Wenn Ihr schon sooooo brav kommentiert, dann muss ich ja wohl posten ! *lautloslach*

Ich liebe solche langen Kommis, hab ich das schon mal gesagt ?

Sonnige Grüße !

Ilona hat gesagt…

Hallo Missi,

schön, dass wir so viele neue Teile von Dir bekommen. Versteh ich das richtig ? Wenn wir weiterhin soooo brav kommentieren, dann bekommen wir postwendend eine Fortsetzung ?
Also Leute, dann nix wie in die Tasten hauen.... :-)

@sam: ich war vom 19.06. bis 27.6. in London ( 5 Bon Jovi-Shows und ein Q&A mit Jon - natürlich kam auch das Sightseeing nicht zu kurz.)
Diese Zeit werde ich wohl so schnell nicht vergessen.

zur Story:
wo soll das mit Richie nur hinführen ... der Arme quält sich ja ganz schön ...
bin schon gespannt wie es weitergeht!


Lg an alle

Ilona

Anonym hat gesagt…

Daaaaaaaaaanke liebe Missi, war mal wieder ein schöner Post! Zugabe, Zugabe, Zugabe! Aber Richie macht mir sorgen, der Arme, haste nicht mal ne Schnitte für den guten! Da ist glücklich, Sandy ist glücklich und der Jon erst! HIHI Mach weiter so freue mich schon auf den nächste Post!!!!!!!! GLG Yve

Sam hat gesagt…

Ahhhhh....ich verstehe.....bei langen Kommis gibt nen extra Post.... Hast ja auch recht. Wir sollten uns auch etwas anstrengen.... *grins*

Also Mädels haltet euch ran....*hihi*

Nun gut... dann leg ich mal los.... *grübel*...

Eine wirklich interessante Wende nimmt das ganze plötzlich.... Eine weitere Person kommt ins Spiel... Richie.... Gut, er ist schon seit 279 Kapiteln alleine.... eine ganzschöne lange Zeit wie ich finde..... Da kann "Mann" so einiges falsch interpretieren.... Da fühlt "Mann" sich schonmal zu einer vertrauten Person hingezogen.... läßt sich zu einer kleinen Schwärmerei hinreißen... oder ist das doch mehr....???? Mich macht das auf jeden Fall noch neugieriger.....

Also her mit noch mehr von Richies geheimen Gedanken...... *fg*

Love it !!!!
Sam

@Ilona: Und das schreibst du hier mal eben einfach so....5 Shows und Q&A mit Jon..... *völligfassungslossei* Wäre froh wenn du deine Erfahrungen mit uns teilst....büüüüüüüüüüde

Ilona hat gesagt…

@sam: wenn du so lieb bittest, werde ich euch natürlich ein wenig erzählen. Ich glaube aber nicht, dass ich das alles hier bei den Kommentaren reinschreiben kann ...

P.S. Wann warst Du in London ?


Lg an alle
Ilona