Er grinste mich noch an, gab mir einen kleinen Kuss auf die Schläfe und ging zur Küchentür. Dort drehte er sich noch einmal um und zwinkerte mir zu. Leise fiel die Tür ins Schloss und ich sah auf meine Tasse hinunter. Vielleicht sollte ich im Kaffeesatz lesen, um zu erfahren, was er für heute Abend geplant hatte….. Dieser Mann war einfach unglaublich. So oft glaubte ich, ihn zu kennen und dann überraschte er mich wieder völlig. Eine Weile grübelte ich noch darüber nach, was er sich ausgedacht haben könnte, dann stand ich seufzend auf.
Von alleine kam ich ja sowieso nicht drauf, und so ging ich mit einer frisch gefüllten Tasse hinaus in den Garten. An eines der Rankgitter gelehnt, rauchte ich in Ruhe eine Zigarette. Gedanken verloren blies ich den Rauch aus und dachte über Richie nach. Es ging mir einfach nicht aus dem Kopf, was vorgefallen war. Was war nur mit ihm los ? Sein Blick erschien vor meinem Auge. Seine Begierde, das Leuchten, als sein Blick über meinen Körper gestreift war….. Er war doch wie ein Bruder für mich….. Ein Seelenverwandter….. Jon war sein bester Freund….
Höchste Zeit, Tini anzurufen. Nach kurzem Geplänkel, wie es uns beiden ergangen war und einem knappen Bericht über meinen Umzug und Tanja`s Liebeskummer berichtete ich von diesem Erlebnis. Tini war zuerst sprachlos, doch dann lachte sie lauthals los.
„Wie, glaubst Du, soll er reagieren, wenn Du nur in Dessous vor ihm stehst ?“ fragte sie prustend.
„Aber…“
„Nix aber ! Sag mal, Du weißt wirklich nicht, wie Du auf einen Mann wirken kannst ?“
„Super Antwort, falsche Antwort ! Du weißt schon, dass wir beide oft als Zwillinge betitelt werden ? Du siehst doch fast gleich aus, wie ich. Außerdem haben wir dieselbe Figur.“
„Ich weiß das. Aber ich weiß auch, was geschieht, wenn ich halbnackt vor Richie stehe. Mensch Mädel, er ist schon so lange alleine ! Ich weiß jetzt nicht, was Du willst ? Soll er so tun, als sähe er Dich nicht ?“
Sie lachte wieder laut auf.
„Also manchmal glaube ich wirklich, Du lebst unter einem Stein. Warum echauffierst Du Dich eigentlich so ? Es ist doch nichts passiert !“
„Nein, Tini, es ist nichts passiert. Außer dass der beste Freund von Jon dessen Freundin lüstern angeschaut hat. Ich konnte genau sehen, was ihm durch den Kopf ging.“
„Ja und ? Ich finde das eigentlich völlig normal. Bist Du neuerdings unter die Nonnen gegangen ? Du bist doch sonst nicht so verklemmt ?“
„Bin ich ja auch nicht, aber es war Richie ! Richie ist wie ein Bruder für mich, und ich hab einfach Muffensausen, dass da noch was nachkommt….“
„Jetzt halt mal die Füße still. Früher hättest Du Dich köstlich darüber amüsiert, hättest mir die gleiche Story immer und immer wieder erzählt….“
Durch diese Bemerkung hatte sie mich wieder auf den Boden der Tatsachen geholt. Sie hatte ja Recht. Und je länger ich mit ihr sprach, um so weniger konnte ich meine Zweifel verstehen. Früher hätte ich darüber gelacht, hätte in dem Augenblick irgendeine doofe Bemerkung zu ihm losgelassen. Wahrscheinlich war ich doch unter die Nonnen gegangen, zumindest gedanklich dann und wann. Tini beruhigte mich weiter und noch während des Gespräches konnte ich wirklich darüber lachen und das Ganze etwas lockerer sehen. Und doch sah ich immer wieder zur Tür hinüber und vergewisserte mich, dass ich alleine war und niemand mich belauschte.
Nachdem ich aufgelegt hatte, zündete ich mir noch eine Zigarette an und setzte mich an den Tisch. Eine kleine Weile noch wollte ich meine Gedanken spielen lassen. Mit Absicht hatte ich Tini nicht auf das Büro angesprochen, denn ich wollte, dass sie es mir von sich aus erzählten. Da kam eben meine Sturheit wieder durch. Ich sah Rosita vom Garten her kommen und lächelte ihr erwartungsvoll entgegen. Sie ließ die grüne Gießkanne aus den Händen fallen und lief freudig auf mich zu. Bei mir angekommen, zog sie mich hoch und riss mich in ihre Arme.
„Ach, ist das schön, dass Du endlich wieder da bist !“
Sie hielt mich, nachdem sie mir einige Küsse auf die Wangen gedrückt hatte, etwas von sich weg und musterte mich strahlend. Ihre Augen funkelten voller Temperament und Freude, mich zu sehen.
Wieder zog sie mich an sich und drückte mich fest. Ihre Freude war ehrlich und überschwänglich. Und genau das tat mir so gut im Moment. Als sie mich los ließ, sah sie mir ernst in die Augen und sah mich beschwörend an.
„Weißt Du, ich mag Dich sehr, und Du tust Jon so gut. Er tut mir so leid….. Bevor er nach New York flog, hing er nächtelang nur im Studio herum und manchmal hat er dort unten sogar geschlafen. Er hat Dich sehr vermisst.“
Sie sah zu Boden und hielt inne. Es war ihr anzusehen, dass sie sich Sorgen gemacht hatte.
„Jetzt bin ich ja wieder da. So wie es aussieht, hat er in Sachen Scheidung bis auf weiteres alles auf den Weg gebracht. Hoffentlich ist das Schlimmste überstanden.“
„Das hoffe ich auch. Für Euch beide ! So, nun muss ich aber in die Küche, ich muss doch kochen für heute Abend.“
Augenblicklich schlug sie sich erschrocken die Hand vor den Mund und schaute mich mit großen Augen an.
„Oh ! Jetzt habe ich wohl zuviel gesagt ! Du weißt von nichts, okay ?“
Lachend nickte ich.
„Nein, ich weiß von nichts !“
Sie wuselte davon, drehte sich noch einmal zu mir um und zwinkerte mir verschwörerisch zu. Ein klein wenig hatte ich also doch heraus bekommen. Wir würden heute Abend also hier bleiben, warum sonst sollte Rosita kochen ? Mit einem Grinsen im Gesicht ging ich nach oben um zu duschen und mich fertig zu machen. Von Jon war bis jetzt nichts mehr zu hören oder zu sehen gewesen.
Nachdem meine Haare trocken waren, trat ich vor meinen Schrank und suchte mir die Sachen, die ich anziehen wollte, zusammen. Ich griff nach einem beigefarbenen Top mit Spaghetti-Trägern und dem weißen, langen Stufenrock. Irgendwo musste doch der geflochtene Gürtel sein…. Ganz unten auf dem Boden sah ich etwas braunes, ledernes heraus lugen und zog daran. Aus der Wäschekommode nahm ich das Set aus schwarzer Seide, das mir Jon bei Victorias Secret gekauft hatte.
Ich lehnte mich an der Kommode an und ließ den zarten, duftigen Stoff durch meine Finger gleiten. Voller Freude sah ich den funkelnden Swarovski-Stein, der den Verschluss vorne verdeckte. Die drei Träger, die vom Körbchen spiralförmig über die Schultern liefen, würden frech unter dem Träger des Tops hervor blitzen. Zufrieden mit meiner Auswahl schlüpfte ich in die Sachen und ging zurück in`s Bad. Dort schminkte ich mich sorgfältig und ging schließlich erwartungsfroh nach unten. Auf der untersten Stufe angekommen, lauschte ich in die Stille. Jedoch war nur Rosita in der Küche zu hören.
Ich öffnete die Tür, jedoch war diese kaum offen, kam mir auch schon eine mit dem Geschirrtuch wedelnde Rosita entgegen und scheuchte mich aufgeregt wieder davon. Schulter zuckend ging ich hinaus in den Garten ging langsam schlendernd zum Mäuerchen hinunter. Dann würde ich eben warten, bis etwas hoffentlich entscheidendes geschehen würde…..
Ich ließ meine Gedanken schweifen und versank völlig darin. Irgendwie ging mir ein paar Textfetzen nicht mehr aus dem Kopf…. Through the clouds…. Against the storm…. Above the sea…. You will shine on me…..
Schließlich stand ich auf, um im Haus nach meinem Notizbuch zu suchen und die Fragmente zu notieren, bevor ich sie wieder vergessen hatte. Weit kam ich jedoch nicht.
Rasch verbarg ich mich hinter dem dicken Baumstamm rechts von mir und starrte gebannt auf das seltene Bild. Oben auf der Terrasse deckte Mr. Rockgott persönlich den Tisch. Ich konnte von Weitem sehen, dass er sich damit sehr viel Mühe gab. Er rückte das Besteck zurecht, rückte an den Tellern, zupfte an den Servietten, verschob die Gläser mal dahin, dann wieder dorthin. Dazwischen trat er ein, zwei Schritte zurück, um sein Werk zu betrachten.
Ein Lächeln überzog mein Gesicht. Es war so süß, wie er sich anstrengte. Wie man sehen konnte, schien es ihm unheimlich wichtig zu sein.
Dann sah ich, wie die Hecke auseinander gebogen wurde und Richie hindurch schlüpfte. Mit langen Schritten durchmaß er den Garten und ging auf ihn zu. Jon klopfte ihm freudig auf die Schulter, Richie tat es ihm gleich. Sie unterhielten sich kurz, Jon sagte etwas eindringlich zu ihm, dabei zählte er mit den Fingern bis fünf. Richie stand vor ihm, die Hände in die Hüften gestemmt und hörte ihm aufmerksam zu. Leider konnte ich kein Wort des Gesprochenen hören, dafür war ich zu weit weg. Richie hob beide Hände zum Victory-Zeichen und verließ das Gelände ebenso schnell, wie er es betreten hatte.
Unschlüssig geworden, was ich tun sollte, ging ich langsam die kleine Anhöhe hoch.
Gerade, als ich auf der Terrasse angekommen war, kam Jon aus der Küche, mit zwei Schüsseln in der Hand, gefolgt von Rosita. Diese stellte ihre behände auf dem Tisch ab und nahm die anderen aus seinen Händen. Mit seinem Million-Dollar-Lächen strahlte er mich an. Wollte ich mein Augenlicht behalten, bräuchte ich wohl eine Sonnenbrille.
„Hey, Du kommst gerade richtig !“
Mit seinem federnden Gang, den er immer drauf hatte, wenn er glänzender Laune war, kam er auf mich zu. Er fasste mich an beiden Händen und sah mich mit einem unglaublich intensiven Blick an. Ich merkte, wie er meinen Geruch in sich einsog und langsam wieder ausatmete. Dann spürte ich seine Lippen zart auf meinen. Vor langer, langer Zeit hatte ich die Augen geschlossen. Er nahm mich fest in seine muskulösen Arme und hielt mich dicht an sich gedrückt. Ich spürte jeden einzelnen Finger von ihm auf meinem Rücken. Diese starke Nähe von ihm ließ keinen Platz für andere Gedanken. Sie ließ keinen Platz für irgend einen Gedanken. Mit wenigen Gesten nahm er von mir Besitz und machte mich sich völlig zu eigen. Deutlich konnte ich seinen schnellen Herzschlag an meiner Brust spüren. Mit dem letzten Rest Beherrschung versuchte ich, nach Atem zu ringen und verlor doch kläglich den Kampf gegen die aufsteigenden Tränen.
„Jetzt ist nicht die Zeit für Tränen, Honey,“ sagte er bedeutungsvoll und küsste mich abermals.
„Und bevor Du mich geteert und gefedert auf einer Stange aus der Stadt tragen lässt, lade ich Dich zu einem romantischen Dinner ein. Außer, Du hast doch etwas anderes vor ?“
Mit dem Daumen strich er die Spuren von meinen Wangen weg und lächelte mir aufmunternd zu. Er führte mich, die Hand an meinen Rücken gelegt und sanften Druck ausübend, zum festlich gedeckten Tisch, zog meinen Stuhl zurück und setzte sich mir gegenüber. Das kleine verschmitzte Grinsen, das eben über sein Gesicht huschte, war mir nicht entgangen und machte mich neugierig. Irgendetwas hatte er doch wieder ausgeheckt !
Als er die Deckel der Schüsseln anhob, musste ich schon wieder lachen.
4 Kommentare:
Hallo Mädels,
ich hab Euch endlich mal wieder ein frisches Teilchen da gelassen, falls Ihr noch wollt.....
hallo mein Name Yve, und ich bekenne mich als dein Fan! Du kannst so wunderbar schreiben! Habe mir die ganze Story durchgelesen! Und ich muss sagen ioch bin richtig begeistert! Mache weiter so! Warte schon auf den nächsten Post!
LG Yve
Hallo Missi,
vielen lieben Dank für den neuen Teil. Sooooo romantisch !
Und mach Dir keine Gedanken ... wir wollen doch immer !
LG
Ilona
Hallo und ich weiss nicht so recht ob ich begeistert oder schockiert sein soll!! Ich bin zufällig auf dich hier / das hier gestossen ich bin total verwirrt.....
Ich liebe Jon was natürlich nur in meinem Herzen passiert doch hab ich beim lesen doch echt so was wie "Eifersucht" empfunden!! Lächerlich doch du schreibst so gefühlsecht nah mal sehen ob es so weitergeht ........ cu jbj69
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