Mittwoch, 16. Juni 2010

Kapitel 274

Was war das für eine Spannung, die sich da gerade eben zwischen uns aufgebaut hatte ? Woher kam sie ? Ich wischte alles energisch beiseite. Auf gar keinen Fall wollte ich solchen Gedanken Raum schaffen. Sicherlich war das noch der Jetlag. Hallo ! Miss Reed ! Geht`s eigentlich noch ? Ich rief mich zur Ordnung und als ich das Restaurant betrat, fühlte ich mich sicher genug, ihm unter die Augen zu treten.
Er saß an einem kleinen Tisch, gerade groß genug für zwei Personen, die Hände gefaltet vor sich und schaute mir entgegen. Ich ging direkt auf ihn zu, fing ihn mit meinem Blick, doch er konnte ihm nicht standhalten. Er rieb seine Hände aneinander und sah nervös zum Fenster hinaus. Na klasse.

„Hi,“ sagte ich nur und zog den Stuhl zurück um mich zu setzen.

„Sorry….“

Er war aufgesprungen, um mir die Tasche abzunehmen, den Stuhl zurecht zu rücken, was weiß ich…. Ich schaute zu ihm hoch und da sah ich seinen seltsamen Blick. Da mir nichts besseres einfiel, räusperte ich mich verlegen und strich meine Haare zurück. Bei all dem wich dieser Blick nicht eine Sekunde von mir.

„Möchtest Du….“ er unterbrach sich und drehte den Kopf auf der Suche nach der Bedienung.
„Was kann ….“ und wieder stockte er.

„Rich….“

Doch er winkte ab und sah sich vollkommen hektisch nach jemandem um, der uns was zu trinken bringen konnte.

„Rich….“ versuchte ich es eindringlicher.

Und endlich wandte er sein Gesicht wieder zu mir.
Nun wusste ich nicht mehr, was ich sagen sollte.

„Hör mal…. Wegen vorhin…. Es tut mir sehr leid, was da geschehen ist…. Aber als ich Dich so gesehen hab…. Und…..“

Der Gitarrist meiner Träume saß mir gegenüber und stotterte vor sich hin.

„Ich weiß nicht …. Ich weiß wirklich nicht, was in mich gefahren ist…. Ich kann es Dir nicht erklären…..Ich kann mich nur ehrlich dafür entschuldigen.“

Mit einer gehörigen Portion Unsicherheit bemühte ich mich, ihn anzulächeln. Schließlich wusste ich ja selbst nicht, was in ihn gefahren war. Vermutlich war er sich über seine Gefühle vollkommen unklar.

„Irgendwann musste es ja so kommen…..“ rutschte mir heraus.

Sein überraschtes Gesicht zwang mich zu einer Erklärung.

„Na ja…. Ich meine, wir beide sind so innig…. Da bleibt das wohl nicht aus. Du bist einfach schon viel zu lange alleine. Am besten wir vergessen das einfach.“

„Kannst Du das ?“ fragte er mit leiser Stimme.

„Ich werde das müssen, Du übrigens auch !“

„Sandy, ich kann nur wiederholen, dass mir das ganze unheimlich leid tut.“

„Ist okay, es ist ja nichts schlimmes passiert. Wir sind schließlich nicht in der Kiste gelandet, wir haben uns nicht einmal geküsst.“

Ich versuchte, dem Ganzen die Spannung zu nehmen, schließlich war es doch völlig harmlos. Endlich kam eine Kellnerin vorbei und fragte uns nach unseren Wünschen. Wir bestellten Kaffee und Wasser.

„Möchten Sie vielleicht etwas essen ?“

„Nein, danke !“ wehrten wir gleichzeitig ab. Anscheinend war nicht nur mir der Appetit vergangen.

Bis sie mit den Getränken wieder kam, schwiegen wir. Ich spielte nervös mit dem Besteck. Es war eine blöde Situation…..
Froh, mich mit meinem Cappuccino beschäftigen zu können, schüttete ich den Zucker hinein und rührte so lange darin herum, bis von der Crema nichts mehr übrig war.

„Wirst Du ihm davon erzählen ?“

Entsetzt sah ich ihn an. Entsetzt, weil er mir das zutrauen konnte.

„Nein, Rich, ganz sicher nicht. Das ist unser Geheimnis, und das wird es auch bleiben.“

„Puhhh !“ stieß er aus.

Nun musste ich lachen. Der sonst so coole, über alles erhabene, ständig einen Witz machende Richie Sambora sank erleichtert in sich zusammen. Nein, ich würde seinem Freund nichts davon sagen.

„Wollen wir vielleicht doch etwas essen ?“ fragte er nun zusehend fröhlicher.

„Wenn Du willst ?“

Er winkte die Kellnerin wieder zu uns und so kam es, dass wir an diesem Tag doch noch in Ruhe miteinander zu Mittag aßen. Es war zwar immer noch etwas Unerklärliches, Seltsames zwischen uns, aber wenigstens konnten wir uns wieder einigermaßen ungezwungen unterhalten.
Nach dem Essen fuhren wir zurück und ich verabschiedete mich von ihm mit einem kleinen Kuss auf die Wange.

„Alles wieder okay, Mr. Sambora ?“

„Ja, Miss Reed. Aber Du wirst…..“

„Ich habe Dir gesagt, dass Jon nichts davon erfahren wird. Und so schlimm war es auch wieder nicht !“

Mit diesen Worten schloss ich das Garagentor, warf die Sporttasche über meine Schulter und lief ohne mich umzusehen, die kleine Treppe zum Hauseingang hoch. Kaum hatte ich die Tür geöffnet und die Halle betreten, trat auch schon Jon aus seinem Arbeitszimmer und kam mir strahlend entgegen. Als ich in seine Arme flog, war das vorher Geschehene nur noch ein grauer Fetzen, ähnlich einer Wolke, die sich langsam in ein Nichts auflöste.

Er hielt mich fest und nach endlosen Sekunden küsste er mich mit einem dieser Atemraubenden, besinnungslos machenden Küsse, fast so, als wolle er allen Unbill, der mir widerfahren war, damit ungeschehen machen. Ich ließ mich von ihm in eine andere Welt entführen…..
Endlose Zeit später ließ er mich los, hielt mich etwas von sich und sah mich mit diesem Lachen, diesem Jon-Lachen, an.

„Hey, Du siehst wunderbar aus ! Das Training hat Dir gut getan ?“

An seiner Hand zog er mich hinter sich her in die Küche.

„Kaffee ?“ fragte er.

„Ja, bitte !“

Er werkelte an der Kaffeemaschine herum und stellte die Tassen danach auf der Theke ab. Wir ließen uns einander gegenüber nieder und tranken den heißen Kaffee. Mir tat er sehr gut. Kaffee war schon von jeher mein Rettungsanker, mein Lebensgeist.
Wie immer wollte Jon alles wissen, was ich an diesem Tag erlebt hatte. Ich erzählte ihm von Ke Gaos Einfall, Standardtänze als Training zu verwenden. Er lachte sich fast kaputt.

„Das wär ja wieder mal was für mich gewesen !“ schüttelte er den Kopf.

„Jetzt tu doch nicht so ! Du bist ein gar nicht so schlechter Tänzer, wie Du immer tust. Mir kommt es so vor, als würdest Du damit immer ein bisschen kokettieren !“

Er ließ sich gerne necken und war bester Laune.

„Ne ne ! Ich kann in Wirklichkeit gar nicht tanzen, keinen Schritt !“

„Du willst doch nur von mir hören, dass Du das auch ganz toll kannst ! Wie immer willst Du nur von mir bewundert werden !“ lachte ich.

„Wenn Du mich schon ständig Mr. Rockgott nennst….“

„Ja, und ein Mr. Rockgott kann natürlich auch glänzend tanzen !“

Er lächelte mich selig an, den Kopf leicht in den Nacken gelegt. Ich spürte, wie wohl er sich fühlte. Es war lange her, dass er so ausgelassen gewesen war. Die letzten Vorkommnisse hatten ziemlich an ihm gezehrt und sein helles Lachen war fast gar nicht mehr zu hören gewesen. Es tat so gut, ihn so zu sehen.

„Hast Du heute Abend schon was vor ?“ fragte er mich über den Tassenrand hinweg.

„Ja.“

„Wirklich ?“ kam von ihm, schon etwas enttäuscht.

„Jep. Ich treffe mich heute Abend mit einem wundervollen Mann. Allerdings kann ich Dir nicht sagen, was er mit mir vor hat. Das hat er mir heute Morgen nämlich nicht verraten.“

„Hat er nicht ?“

Sein schelmisches Grinsen brachte mich schon wieder zum Schmelzen.

„Nein, er meinte nur, er wolle „dieses Mal alles richtig machen“ und ich solle ihm „bis zum Abend Zeit geben“….. Dann ist er leider verschwunden und nun warte ich halt so vor mich hin….“

„Du wartest immer noch auf ihn ?“

Fast schon musste ich wieder lachen über unseren Dialog.

„Ja. Aber weißt Du, ich warte eigentlich schon mein halbes Leben auf ihn, da machen die paar Stündchen auch nichts mehr aus….“

„Du wartest bereits Dein halbes Leben auf ihn ?“

Wieder blitzte dieses verschmitzte Grinsen zwischen den Händen, die die Tasse hielten und dem oberen Rand der Tasse, kurz durch.

„Joa, kann man so sagen.“

„Und wenn er nicht kommt, heute Abend ?“

„Dann wird er das bitter bereuen !“

„So ?“

„Ja, so ! Für den vollkommen unwahrscheinlichen Fall, dass er sich erlaubt nicht zu erscheinen, werde ich ihn teeren, federn und auf einer Stange aus der Stadt tragen lassen.“

„Och komm schon ! Das würdest Du nicht tun ?“

„Doch, mein Schatz, das würde ich !“

„Na dann holt er Dich besser ab. Sonst wird er vermutlich eine billige Kopie der Daltons abgeben !“

Er stand auf, ging um die Theke herum und schmiegte sich an meinen Rücken. Sanft legte er die Arme um mich und küsste mich auf die Halsbeuge. Sein Atem strich über meine Haut und verschaffte mir einen Gänsehautschauer nach dem anderen.

„Dieser Mann, wann wird er Dich abholen ?“

Jon hatte an diesem Spiel genauso großen Gefallen gefunden, wie ich.

„Ich weiß es nicht. Er hatte mir keine Zeit genannt.“

Ich drehte leicht den Kopf nach links, um ihn anschauen zu können.

„Ich glaube, vorhin war ein Anruf, der Typ am anderen Ende der Leitung meinte, er würde um acht Uhr auf Dich warten. Er erwartet Dich in legerer Kleidung, und Du sollst bitte ausnahmsweise pünktlich sein.“

„Okay….“ erwiderte ich gedehnt. „Was wird denn dieser „Typ“ heute Nachmittag noch so tun ? Weißt Du das zufällig ?“

„Hmmmm…. Ich glaube, er hat erwähnt, er müsse heute noch sehr viel an seinem Schreibtisch erledigen….“

5 Kommentare:

Missi68 hat gesagt…

Danke, Mädels für Eure Anteilnahme und für die aufmunternden Worte ! Hat mir sehr gut getan und mich sehr gefreut.

Neulich sagte eine gute Freundin zu mir (und das war sooo toll und sooo bedeutend, wie sie es sagte):

Du bist momentan in einer Scheiß-Situation, aber irgendwann wartet auf Dich etwas ganz tolles !

Der Spruch ging mir echt zu Herzen und ich glaube ganz fest daran.

Und ich finde, ich habe die letzte Zeit genug Trübsal geblasen.

Liebe Grüße Missi

Ilona hat gesagt…

Hallo Mädels,

verabschiede mich hiermit in den Urlaub ... *freu*....

Also bis bald und liebe Güße

Ilona

Mabel hat gesagt…

@missi: Falls du sie noch nicht kennst, hol dir die bücher von louise l. hay, oder guck auf youtube die sachen von ihr- das ist das reinste aufbauprogramm für mädchen!grins und knuddel-alles wird gut! glg mabel

Sam hat gesagt…

Da komme ich total Happyyyyy aus London zurück.... und denke nix kann das noch topen.... da gibts hier 2 neue Posts.....*freudensprüngemach*

Und wie spannend das schon wieder ist.... Richie... na was sollen wir den davon halten.... *großeaugenmach*. Und was hat Jon wohl vor????? Ach wie gerne ich doch hier lese.....*grins*

@missi: mir hat mal jemand gesagt: "When life is a bitter pill to swallow... believe that the sun will shine tomorrow....

Knuddels Sam

Ilona hat gesagt…

Hi Mädels,

bin gerade wieder aus London zurück und sehe, dass ich gar nix verpasst hab. :-)
Jetzt sitzt ich grad in der Arbeit und kann mich gar nicht konzentrieren, weil noch so viele Eindrücke der letzten Woche in meinem Kopf rumschwirren ....

Hoffentlich geht's bald weiter!
Mich würde auch interessieren, was der liebe Jon vor hat.

Lg
Ilona