Freitag, 23. April 2010

Kapitel 268

Er nickte nur stumm und blickte ohne jegliche Regung auf den Tisch. Es war ein seltsamer Augenblick, in dem wir uns befanden, in dem wir fast gefangen schienen. Zum ersten Mal sah ich Jon hilflos. Ja, zum ersten Mal war er nicht derjenige, der allen sagte, wo es lang ging. Der sofort eine Lösung parat hatte, der tröstete, half, aufbaute. Ich nahm mir Zeit, und überlegte mir die Worte gut, die ich nun zu ihm sagte.

„Schau, ich bin mir sicher, es ist nur ihr verletzter Stolz. Wahrscheinlich fühlt sie sich gekränkt, gedemütigt, weg geworfen. Sie ist die Mutter Deiner Kinder, Ihr zwei habt viele Jahre zusammen verbracht. Das ist nun alles vorbei. Ihr ist das vermutlich erst jetzt klar geworden, es kann auch sein, dass das durch den Termin mit den Anwälten erst ausgelöst wurde, so wie sie sich aufgeführt hat, kann ich mir das nur so erklären.“

„Ich weiß es nicht….“ entgegnete er leise. „Das mit dem Interview ging doch auch in diese Richtung….“

„Sie wehrt sich, wenn es auch der falsche Weg ist.“

„Der vollkommen falsche Weg ! Sie glaubt doch nicht im Ernst, dass sie mich mit solchen Aktionen zurück gewinnen kann ?“

„Nein, Jon. Das sicher nicht. Aber versetz Dich mal in ihre Situation. Stell Dir vor, sie hätte einen neuen Freund und würde in Hochglanzbildern in ich weiß nicht wie vielen Zeitungen erscheinen ? Und Du sitzt zu Hause, mit vier Kindern ?“

„Ich versteh es trotzdem nicht !“

Er schüttelte im Unglauben den Kopf.

„Willst Du nicht wissen, was sie über Dich gesagt hat ?“

„Nein, Jon. Weil es sicher nur im Zorn gesagt wurde. Sie kennt mich nicht, hat noch nie ein Wort mit mir gesprochen, also, woher soll sie sich ein Urteil über mich erlauben können ?“

„Eigentlich nimmst Du sie ja gehörig in Schutz.“

Wieder nahm ich mir Zeit für die Wahl meiner Worte.

„Ja, weil ich weiß, wie sie sich fühlt. Nur war ich damals auf der anderen Seite.“

„Oh Honey ! Das wollte ich nicht ! Ich wollte wirklich nicht, dass Du wegen dieser leidlichen Geschichte an Joe erinnert wirst !“

Er sprang rasch auf, kniete sich vor meinen Stuhl und nahm mich fest in seine Arme. Seine Hände strichen zärtlich über meinen Rücken und er drückte einen sachten Kuss auf meine Haare. Ich lehnte mich zurück, um ihm in die Augen sehen zu können.

„Hey hey ! Nicht Du sollst mich trösten, sondern ich Dich !“

Endlich war da dieses Zucken um seine Augen, welches meist ein Lächeln ankündigte. Gleichzeitig holten wir beide tief Luft und seufzten über uns selbst grinsend tief auf. Er kniete noch immer vor mir und plötzlich schoss mir diese geniale Idee durch den Kopf.

„Weißt Du, was wir zwei jetzt machen ?“

„Nein, aber Du sagst mir das hoffentlich gleich ?“ lächelte er schelmisch.

„Du hast den Kopf voll und ich auch. Was hältst Du davon, wenn wir die Motorräder heraus holen und eine kleine Tour unternehmen ?“

Ein kurzes Blitzen der Überraschung flog über sein Gesicht, und er sagte sofort zu.

„Oh ja ! Das ist eine klasse Idee !“

Nur wenige Minuten später standen wir in der Garage und zogen unsere Ledersachen an. Jon reichte mir eben den Helm, als mir etwas siedend heiß einfiel.

„Warte, ich sag nur schnell Tini Bescheid.“

„Jep ! Nicht, dass Du wieder Schimpfe kriegst.“

Ich flitzte durch den Garten, bog die Hecke auseinander und rannte auf Richies Haustüre zu. Dort angekommen, klingelte ich Sturm. Doch niemand öffnete. Ich ging die paar Schritte, bis ich die Terrasse erreicht hatte, doch dort war auch niemand. An der Glastür baumelte ein Zettel. Neugierig ging ich näher.

„Do not disturb !“ stand dort und ich musste lachen. Das war wieder einmal typisch Richie ! Er, der jedes Mal unangemeldet bei uns hereinplatzte, hängte an seine Terrassentür so ein Schild. Es war unglaublich, eigentlich eine Frechheit !
Also machte ich mich auf den Rückweg, tippte im Gehen eine kurze SMS an Tini, damit sie wusste, wo ich war. Gerade, als ich den Helm überstülpen wollte, griff Jon mit der Hand nach meinem Arm und zog mich an sich. Er küsste mich liebevoll und sagte fast unhörbar:

„Pass auf Dich auf !“

Ich lächelte ihn an.

„Pass Du auch auf Dich auf !“

Wir starteten die Motoren und wieder einmal bekam ich Gänsehaut bei dem Klang der Harleys. Kein anderes Motorrad hörte sich so an. So kraftvoll, so in sich ruhend, so stolz.
Nacheinander fuhren wir die Auffahrt hinunter und bogen auf die Straße ein. Ein kurzer Kontrollblick zeigte uns, dass keine Journalisten herumlungerten.
Jon fuhr voraus und folgte der Landstraße, die an den Villen hinaus auf das Land führte. Der Wind pfiff um unsere Nasen und ich genoss dieses Gefühl, so frei zu sein !
Die Strecke, die wir fuhren, war landschaftlich sehr aufregend. Die dichten Wälder wechselten sich nun ab mit karger, fast öder Natur. Die Orte, die wir passierten, waren oft nur mehr eine Ansammlung von ein paar wenigen, kleinen und unscheinbaren Häusern. Man hätte in jedem dieser kleinen Dörfchen, bei entsprechender Dämmerung, einen Thriller oder Horror-Streifen drehen können. In diesen Augenblicken war ich unglaublich glücklich, unglaublich gelöst…..

Mir stand das Bild vor Augen, als Jon damals bei „Miracle“ auf dieser Harley fuhr…. Wie lange war das schon her ? Wie jung waren wir damals gewesen ?
Er hier in den Staaten, ich in meinem kleinen, beschaulichen Deutschland. Es schien mir fast wie aus einer anderen Zeit. Plötzlich riss er mich mit Handzeichen aus meinen Gedanken. Er winkte, hob den Arm und zeigte mit der Hand nach vorne. Als er bemerkte, dass ich nicht wusste, was er mir zeigen wollte, hob er die Faust zum Mund und machte das Zeichen für Essen.

2 Kommentare:

Murmele hat gesagt…

hi hi hi

Sandy denkt an "Miracle" *grins*

das sind aber wirklich viele Jahre ins Land gezogen *kicher*

und außerdem hatte da der Herr Bongiovi noch lange Haare... da flattert jetzt aber nix mehr im Wind, wenn er keinen Helm auf hat LOL

aber ansonsten würde ich da jetzt gerne mit fahren.... da ist es bestimmt um einiges wärmer als hier *kaltehändehabe*

Wer nimmt mich auf dem Sozius mit???

Sam hat gesagt…

Was für eine klasse Idee, rauf auf die Maschinen und den Kopf freibekommen, alles hinter sich lassen.... manchmal ist das das einzigste was hilft.... zumindestens für den Moment...

@missi: Du beschreibst diese Tour mit soviel "Leidenschaft" ...Du fährst doch bestimmt selber Motorrad.... *neugierigsei*

Wünsche allen ein sonniges WE....

Knuddels Sam