Kapitel 20
Wir hielten vor einem wunderschönen spanischen Haus und der Fahrer bedeutete uns, dass wir an dem von ihm gewählten Ort angekommen seien. Er gab uns seine Nummer und sagte:
„Ich werde Ihre Einkäufe in Ihre Suiten bringen lassen. Wenn Sie wünschen, abgeholt zu werden, rufen Sie einfach diese Nummer an. Lassen Sie sich ruhig Zeit und genießen Sie.“
Wir bedankten uns und stiegen aus. Ich allerdings mit wackligen Knien.
Wäre ich nicht so aufgelöst gewesen, hätte ich mich über die Schönheit des Anwesens freuen können. Das Restaurant war sehr großzügig und sehr geschmackvoll im spanischen Stil eingerichtet. Überall waren warme Erdfarben, viel Holz und viel Keramik. Große Palmen gaben grüne Farbtupfer. Joe fragte einen der Kellner nach einem freien Tisch, möglichst im Außenbereich. Dienstfertig watschelte dieser voran und gab uns einen Sitzplatz im Freien. Er brachte uns die Karten und verschwand wieder.
Joe brach schließlich unser Schweigen.
„Wollt Ihr was essen ? Habt Ihr Hunger ?“
„Nein“ fauchte Tini. „Mir ist der Hunger vergangen !“
Er sah sie ruhig mit unverwandtem Blick an.
„Tini, Ihr beide seid doch Freundinnen ?“
Sie blickte unsicher auf. Sie konnte in diesem Moment mit seiner ruhigen, verhaltenen Art überhaupt nicht umgehen.
„Wieso reagierst Du so heftig ?“ fragte er sie.
„Ich finde es nicht normal, dass Ihr beide was miteinander habt. Tom ist für ein paar Tage in München und Sandy hüpft sofort mit einem anderen in`s Bett.“
Er sah sie weiter unbewegt an.
„Woher weißt Du das ?“
„Ach komm, Joe ! Verkauft mich doch nicht für dumm ! Ich habe gleich bei meiner Ankunft bemerkt, dass etwas nicht stimmt. Dann bist Du in Ihrem Zimmer, gehst mit uns shoppen, kennst Sandy`s Größe, bezahlst alles, bist in ihrer Umkleide, einfach alles. Ihr seid beide so vertraut, man sieht eure Blicke, Eure Berührungen. Die Luft brennt zwischen Euch, das kann man sogar sehen ! So blöd bin selbst ich nicht, dass ich das nicht spanne !“
Ich wagte nicht, aufzusehen. Ich kam mir so schlecht vor. Schlecht, weil ich bei etwas verbotenem ertappt worden war. Schlecht, weil ich Tom hintergangen hatte und schlecht, weil ich Tini nichts gesagt hatte.
Der Kellner erschien und wir bestellten Kaffee.
„Ja, wir waren zusammen im Bett, mehrmals sogar. Und es war unglaublich. Ich habe vom ersten Moment an, als ich Sandy kennen gelernt habe, unheimlich Bock auf sie gehabt.“
„Bock auf sie ? Das ist ja wohl die Höhe ! Du willst doch nur ein Chick, mit dem Du Deinen Spaß haben kannst. Rockstar-Allüren eben.“
„Tini, Du weißt nur die Hälfte und den Rest reimst Du Dir zusammen.“ warf ich dazwischen.
Sie holte tief Luft und wollte gerade wieder loslegen, als der Kellner wieder erschien und uns fragte, ob wir noch etwas wollten. Joe bestellte eine Karaffe Rotwein.
„Jetzt mal halt ! Ich möchte Dir noch etwas erklären. Natürlich sieht es für Dich so aus, als ob ich Sandy nur für meinen Spaß haben will. Aber es ist nicht so. Wir sind seit Wochen miteinander auf Tour, wir arbeiten zusammen, sind im selben Hotel, essen oft gemeinsam. Ich habe mich lange von ihr ferngehalten, eben weil ich wusste, sie ist in einer Beziehung. Und sie war mir von Anfang an zuviel wert, als dass ich sie nur für ein Abenteuer ausnützen würde. Es war für mich auch nicht einfach, weil ich selbst lange verheiratet bin. Aber dann kam eben dieser Moment, als ich sie im leeren Stadion fand. Sie war verzweifelt, unglücklich und einsam. Als ich sie da sitzen sah, gedankenverloren, zusammen gekauert und eine Zigarette nach der anderen rauchend, kam dieses Gefühl über mich. Dieses Gefühl, einfach alles über Bord zu werfen und über alles hinweg zu gehen. Und gegen dieses Gefühl ist jeder machtlos. Sogar Du, wenn Du in solch eine Situation kommst. Dann kam dieses hammer-geile Konzert, Nine Lives rockten ab, als ob es um ihr Leben ging. Dann kam dieser Abend, an dem wir alle zuviel getrunken haben und dann kam dieser erste Augenblick zwischen uns.
Sie ist abgehauen, weil sie sich vor mir „retten“ wollte. Zuerst war ich erleichtert, ich dachte, okay, sie bremst mich aus. Vielleicht ganz gut so. Aber mir wurde klar, dass das so nicht zu Ende ist.“
Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und trank einen Schluck. Mir war mittlererweile schlecht.
Tini schnappte nach Luft.
„Ihr könnt es nicht schön reden. Ihr habt beide Eure Partner betrogen. Ihr habt, nur aus Eurem triebhaften Verlangen heraus zwei Menschen betrogen.“
Ich wandte mich an sie.
„Tini, das ist wohl wahr. Dagegen sagt ja auch keiner von uns was. Aber es war uns beiden einfach unmöglich, dem anderen zu widerstehen. Ich habe mich gegen Joe gewehrt, aber es war sinnlos. Du kannst Dich nicht gegen etwas wehren, das Dich um den Verstand bringt, gerade weil Du es nicht bekommst.“
„Ihr habt beide Euren Verstand in Eurem Schritt ! Ich weiß eigentlich auch überhaupt nicht, warum ich mich mit Euch beiden noch unterhalte.“
Es wurde mir zuviel. Ich erhob mich und entschuldigte mich, um zur Toilette zu gehen. Dort angekommen, beugte ich mich über den Waschtisch und klatschte mir kaltes Wasser in`s Gesicht und ließ mir dies auch über meine Unterarme laufen. Nach einer Weile beruhigte ich mich. Ich konnte wieder einen klaren Gedanken fassen. Warum reagierte sie so abartig heftig ? Das passte einfach nicht zu ihr. Die Tini, die ich kannte, hätte gelacht und hätte mich über alle Einzelheiten im Bett ausgefragt. Irgendetwas stimmte da nicht. Aber was ? Ich beschloss, zurück zu gehen und sie einfach gerade heraus danach zu fragen. Fest entschlossen, mich nicht daran hindern zu lassen und die Wahrheit heraus zu finden, ging ich an unseren Tisch zurück.
Joe starrte Tini an. Tini starrte Joe an. Keiner sprach ein Wort. Sie beachteten mich überhaupt nicht. Was war jetzt passiert ?
Ich traute mich fast nicht, mich wieder hinzusetzen. Aber einfach so stehen bleiben konnte ich ja auch schlecht. Die beiden fixierten sich immer noch.
„Sag das noch mal !“ fragte Joe mit einer unheimlich leisen Stimme.
„Du hast es doch gehört !“ keifte sie zurück.
„Ich will auf der Stelle, dass Du das wiederholst.“
Sie antwortete nicht, sondern zog an ihrer Zigarette. Ich sah, dass ihre Hand zitterte.
„Hörst Du eigentlich schlecht ?“ giftete sie ihn an.
„Ich glaube schon“, sagte Joe wieder mit dieser leisen Stimme.
„Ist ja auch kein Wunder, nach hundert Jahren Rockmusik !“
Nun mischte ich mich ein. So konnte das nicht weiter gehen.
„Was hast Du gesagt, Tini ? Sag es mir bitte !“
Sie sah mich an und plötzlich füllten sich ihre Augen mit Tränen. Sie war auf einmal zusammen gesackt und ihre Schultern bebten vor lauter Weinen.
„Es tut mir leid. Ich bin Deine Freundschaft nicht wert. Mir wäre auch lieber, das alles wäre nicht passiert !“
Sie sprang ruckartig auf, warf ihre Zigarette in den Aschenbecher und stieß beim Davonlaufen ihren Stuhl um. Ich war heilfroh, dass wir alleine auf der Terrasse waren.
Der Kellner erschien und fragte ratlos, ob alles in Ordnung wäre. Joe bejahte es und der Kellner verschwand kopfschüttelnd wieder.
Ich verstand nun gar nichts mehr. Irgendetwas ging wohl total an mir vorbei.
Joe kam um den Tisch herum und nahm mich in den Arm. Er drückte mich kurz fest und hielt mich dann etwas von sich weg.
„Wenn ich Dir das jetzt erzähle, erklärst Du mich für verrückt.“
„Hey, ich verstehe überhaupt nicht mehr, was hier los ist. Warum rennt sie davon, warum heult sie und warum keift sie Dich so an ?“
Joe blickte mit seinen dunklen Augen über den weitläufigen Garten und holte tief Luft, bevor er antwortete:
„Ich weiß nicht, ob es an mir ist, Dir das jetzt zu sagen. Aber sie lässt mir wohl keine Wahl.“
Er fasste mich mit beiden Händen an meinen Schultern und sagte:
„Tini und Tom haben seit einigen Wochen eine Affäre. Sie sagte mir eben, sie würden sich lieben, hätten aber Angst gehabt, Dir das zu sagen.“
„Aber….“ Nun war ich völlig perplex. „Wieso spinnt sie dann so hier herum ? Wieso wirft sie uns das vor, was sie selbst macht ? Und warum sagt sie mir nicht einfach, was Sache ist ?“
Er zuckte mit den Schultern und lehnte sich zurück.
„Meiner Meinung nach war ihr Verhalten reiner Selbstschutz. Sie hat unser Ding verurteilt, um von ihrem Fehler abzulenken. Geh ihr nach, ich glaube, sie braucht Dich.“
„Und Du ?“
„Ich warte hier.“
2 Kommentare:
Hey Missi!
Super!!! Ich habe eben erst einmal die ganze Woche nachgelesen. Du schreibst Klasse. Ich bin immer ganz gespannt wie es weitergeht.
Eine kleine Anregung von mir, könntest du nicht mal Bilder von der Gruppe (so wie bei Murmele) einfügen. (Ich weiß nämlich nicht wie die aussehen).
Mach weiter so, ich freue mich schon auf den nächsten Teil!!!!!
LG
Waldhexe
ja ja die Tini.... erst solche Vorwürfe und dann muss sie sich selbst an die Nase fassen... LOL.....
@Waldhexe: gib bei google doch einfach mal "Aerosmith" ein und klicke dann auf Bilder.... dann hast du die band vor Augen und kennen tust du die bestimmt... da kannst du bei youtube suchen *gg*
Kommentar veröffentlichen