Kapitel 7
Wir trafen uns wieder bei mir in der Wohnung und frühstückten gemeinsam. Als wir losfuhren, waren wir ganz schön aufgekratzt und nervös. Wie immer quasselten alle wild durcheinander und keiner hörte dem anderen zu. Mir fiel auf, dass sich meine Jungs auch ganz schön herausgeputzt hatten. Herausgeputzt heißt in diesem Fall, sie hatten ganze Shirts an. Komisch, sogar Eddy hatte Gel in den Haaren. Ich musste schmunzeln und eine liebevolle Wärme stieg in mir auf. Ich beobachtete sie und hörte ihnen zu.
Es war schön mit ihnen ! Es tat einfach gut, mit ihnen zusammen zu sein. Und ich fand es so toll, dass wir solch aufregende Dinge zusammen erleben durften. Ich muss zugeben, dass ein kleiner Stolz auf uns selbst in mir aufstieg. Zufrieden lehnte ich mich im Sitz zurück und versuchte, trotz der immensen Aufregung, ein bisschen zu entspannen. Das hatte ich auch bitter nötig, wie ich beim Eintreffen bei 8tmf feststellte.
Am Empfang wurden wir bereits von drei Personen erwartet, die uns ganz geschäftig in die oberen Etagen begleiteten. Sie gaben mir, wie soll ich sagen, das Gefühl, das alles sehr dringend war und verbreiteten eine unheimliche Hektik.
Oben angekommen, brachten sie uns in einen Raum mit Sitzgelegenheiten, ein Büffet war aufgebaut. Eine Blondine bot uns Getränke und Essen an. Sie bedeutete uns zu warten, die Crew komme gleich. Wir setzten uns erst einmal und schauten uns verdutzt an. Die Crew ? „Na, da werden ja nicht gleich 10 Mann auftauchen. Schließlich machen wir ja nur ein paar Fotos !“ Marc winkte mit seiner Hand ab.
„Mir kommt das alles ganz unwirklich vor. Ich hatte eben das Gefühl, dass wir unheimlich wichtig sind,“ wandte ich ein. Worauf Eddy zu lachen begann.
„Also, wenn wir nicht so bodenständig wären, würde ich glatt glauben, wir sind schon richtige Stars. So wie das hier abläuft.“
Die Tür ging auf und ein strahlender Tom erschien.
„Hallo, guten Morgen. Ich hoffe, ihr hattet eine gute Fahrt.“
Er begrüßte uns alle mit Handschlag. Er schaute mich sehr lange an und hielt meine Hand weiter fest. Er trat ein paar Schritte zurück und musterte mich von oben bis unten. Lächelnd sagte er:
„Ich dachte, Du hast nichts anzuziehen ?“
Ich lachte und erwiderte: „Du hast wohl gehofft, ich komme nackt !“
Er zwinkerte mir zu und wandte sich zu den anderen um.
„Wir werden heute ein volles Programm haben. Erst machen wir die Fotos und für heute Nachmittag habe ich ein einige Radioleute eingeladen, die ein paar Interviews mit Euch machen werden. Vorher werden wir natürlich noch Euer Image abchecken und die Antworten durchgehen. Da das für einen Tag ziemlich viel ist, möchte ich Euch um äußerste Disziplin bitten, wenn es auch anstrengend und ermüdend sein wird.“
Stefan grummelte vor sich hin, es werde uns ja wohl nicht umbringen. Außerdem müsse er morgen wieder in seiner Werkstatt stehen und arbeiten.
„Wir müssen uns sowieso noch unterhalten, wie Ihr das künftig mit Euren Jobs regelt. Ich denke, Ihr werdet nicht mehr soviel Zeit dafür haben.“
Ich erschrak und merkte, wie das unbestimmte, unangenehme Gefühl wieder in mir aufstieg. Die anderen fragten Tom, wie er sich das vorstelle, wir könnten doch nicht von unserer Musik leben, wir hätten allesamt nicht so große Ersparnisse um einen längeren Zeitraum zu überbrücken. Eddy meinte, sein Job gefalle ihm, er wolle diesen nicht aufgeben und auch Marc äußerte Bedenken. Jimmy meinte, ihm wäre es egal. Ob er jeden Tag in die Fabrik marschiere und anderer Leute Reichtum vermehre, oder seinen eigenen, wäre für ihn eine klare Entscheidung. Tom wiegelte ab wir sollten das Thema auf später verschieben. Die Gedanken in mir überholten sich selbst. Ich konnte nicht mehr klar denken. Alles in mir raste, mein Blut pochte, ich konnte meinen eigenen Herzschlag hören. Ich kam mir so klein und unwissend vor. Was passierte mit uns ? Ich hätte ein Königreich für meine Tarotkarten gegeben. Einmal, nur einen kurzen Blick in die Zukunft. Die Tür ging auf und ein ganzer Trupp Menschen kam herein. Ein Typ, der Kameras mit sich schleppte. Zwei Frauen, die Köfferchen trugen. Zwei Jungs, sehr gestylt. Nochmals zwei Frauen, die Kleiderständer voll behängt mit Klamotten vor sich her schoben und hinter sich her zogen.
Und dann: Fünf graue Männer in Anzügen.
Was wollten die denn alle hier ? Tom stellte sie uns vor. Es waren die Vorstände von 8tmf. Sie wollten uns begutachten, wahrscheinlich bevor sie ihr Geld für uns ausgaben. Sie unterhielten sich leise mit Tom. Worum es ging, bekam keiner von uns mit. Sie musterten uns und gingen dann glücklicherweise bald wieder. Ich wollte Tom nach ihnen fragen, jedoch blieb mir keine Zeit dafür, weil die anderen Personen sich um uns scharten und an uns herumzupften.
Plötzlich hatte ich zwei Hände an meinen Backen und ein Gesicht vor mir, das mir tief in die Augen schaute.
„Hi, ich bin Stella, Deine Visagistin für heute.“
„Hi“ entgegnete ich.
Sie drehte meinen Kopf von links nach rechts und von rechts nach links.
„Okay, wir werden Dich jetzt abschminken und ich werde Dir ein ausdrucksvolleres Face verpassen.“
Sie rubbelte mit Wattebäuschchen an mir herum, und ich merkte, dass an meinen Haaren ebenfalls gezupft wurde. Ich hörte von hinten eine Stimme die sagte:
„Hallöchen, keine Angst, ich bin`s nur, die Romy. Man nennt mich auch die Frisöse ! Super, mit Deinen Haaren muss ich gar nicht viel anstellen. Du hast sie Gott sei Dank offen gelassen. Außerdem hast Du sehr schöne Locken, da kann ich meine Wickler eingepackt lassen.“
Im Spiegel sah ich, wie die Tür abermals aufging und noch zwei Jungs hereinkamen, bepackt mit irgendwelchen technischem Zeugs. Ich runzelte die Stirn.
Stella lachte auf und sagte:
„Keine Panik, das hier sieht alles schlimmer aus, als es ist. Wir machen immer einen riesigen Wind, und genauso wie der Wind aufkommt, legt er sich auch wieder.“
Romy lachte ebenfalls und nickte. Als ich fertig war und in den Spiegel schaute, war ich unheimlich zufrieden mit dem Werk der beiden. Es war nicht so, dass ich mich nicht wieder erkannte, aber die beiden hatten meinen Typ einfach so unterstrichen, dass die Vorzüge voll zur Geltung kamen und die Nachteile verschwanden. Ich hatte ein schmaleres Gesicht und meine Augen wirkten größer. Meine Haare waren zur Löwenmähne aufgebauscht. Ich drehte mich um und suchte nach meinen Jungs. Bei denen stellte sich das jedoch anders da. Die beiden durchgestylten Jungs hatten ihnen andere Klamotten verpasst. Es waren nicht völlig andere Klamotten, die sie sonst trugen. Aber diese Klamotten waren einfach cooler, waren einfach besser. Man sah von weitem, dass es sich hier um Designerstücke handeln musste. Die beiden – es waren Stylisten – steuerten auf mich zu.
„Hi, so dann werden wir noch die Sahneschnitte der Band begutachten.“
Die beiden standen vor mir und taxierten mich. Sie gingen um mich herum. Ich kam mir echt vor wie auf der Fleischbeschau. Als wenn sie es bemerkten, lächelten sie mich an und der kleinere von beiden sagte:
„Okay, vielleicht ein etwas knapperes Top, und statt den Sneakers würde ich Flip Flops vorschlagen.“
Der andere nickte und lief sogleich los um die Sachen zu holen. Ich zog mich schnell um, wobei Romy in Sorge, damit den Haaren nichts geschah um mich herum schwirrte. Der Fotograf – Andy – erschien und prüfte die Einstellung des Lichts. Meine Bandkollegen unterhielten sich angeregt mit ihm. Ich stand etwas verloren herum, als ich plötzlich zwei Hände auf meinen Schultern spürte. Toms Stimme war ganz nah an meinem Ohr als er sagte:
„Keine Angst, ich bin ja bei Euch. Es sind alles sehr erfahrene, coole Leute die das ständig machen. Sie gehören zu den Besten in München, wenn nicht sogar Deutschlands.“
Als ob mir das jetzt geholfen hätte ! In diesem Moment wurde mir bewusst, dass ich in meinem ganzen Leben noch nie für ein Foto posiert hatte. Sicher hatte ich schon Passfotos gemacht, aber das hier war ja schließlich was ganz anderes. Außerdem waren die Fotos heute auch entscheidend für unsere weitere Zukunft. Ich fing an zu zittern. Tom drehte sich zu mir um und schaute mir in die Augen. Er ließ seinen Blick in meinem ruhen. Er zwang mich, ohne ein Wort zu sagen oder sich zu bewegen, einfach nur mit seinen Augen, in seinem Blick zu versinken. Es war, als ob wir miteinander verschmolzen. Er sagte ganz leise zu mir:
„Vergiss nicht, ich bin hier. Du siehst einfach zum Anbeißen aus. Ihr macht klasse Musik. Deine Jungs sind an Deiner Seite. Es werden einfach geile Fotos werden.“
„Los geht`s !“ rief Andy und wir gingen zu ihm hinüber.
Er sagte uns, wie wir uns hinstellen sollten, gruppierte uns umeinander herum, die Jungs nach vorne gebeugt, ich stand hinten. Dann trugen die Jungs mich auf den Armen. Später streckten wir die Arme nach vorne, und und und und….. Es war wirklich anstrengend. Nach zwei Stunden machten wir die erste Pause. Zwischendurch wurden wir zwar immer nachgeschminkt, die Haare wieder etwas gestylt, aber eine richtige Pause gab es nicht. Mir taten alle Knochen weh. Den anderen ging es genauso, sie reckten und strecken sich.
Mir fiel während des Shootings auf, dass uns Tom ständig beobachtete. Er gab Andy Tipps und Anregungen, wie er sich das Posing vorstellte. Er sprach auch mit den Stylisten und der Visagistin. Es lief alles wie am Schnürchen ab, es gab keine Verzögerungen. Mir wurde klar, dass Tom Recht hatte. Die Leute wussten wirklich, was sie taten. Von uns beschwerte sich natürlich niemand, wir versuchten mit den Spezialisten Schritt zu halten und die Dinge auszuführen, die sie mit uns vorhatten. Irgendwann machte es so richtig Spaß und wir wurden lockerer. Marc und Eddy machten Witze und Jimmy hatte sogar noch einige wirklich gute Vorschläge für die Fotos.
2 Kommentare:
Nicht so schüchtern Sandy, immer ran an den Mann! ;o)
Ich kann es gar nicht oft genug sagen, aber och finde die Story of your life einfach klasse!
knuddel
runaway*
Danke Süße ! Das tut ja sooooo gut !
Knuddel zurück.....
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