Am nächsten Morgen fuhr er wieder nach München zurück. Ich blieb zuhause und machte mich mal wieder daran, meine Wohnung auf Vordermann zu bringen. Ich putzte zwar nicht gerne, wie viele andere Menschen, jedoch hatte das ganze eine Art Selbstreinigungsmechanismus für mich. Ich dachte viel über Tom nach und vor allem, ob ich wohl verliebt war oder nicht. Am Nachmittag rief ich Tini an und lud sie zu mir zum Kaffee ein. Als sie bei mir ankam, hatte das einen Hauch von einem Wirbelsturm. Sie wirbelte mich herum, nahm mich in ihre Arme, drückte und herzte mich, fragte drei Fragen auf einmal.
„Tini, jetzt lass mich doch erst mal Luft holen !“
„Ich will alles wissen ! Jetzt ! Sofort !“
Wir setzten uns auf meine Terrasse und tranken unseren Kaffee. Zuerst wusste ich nicht, wo ich anfangen sollte. Aber ihre neugierigen Fragen brachten mich dann dazu, ihr alles zu erzählen. Sie war jetzt schon restlos von Tom begeistert. Ich zeigte ihr Fotos von ihm, die ich auf meinem Handy hatte.
„Wow, Sandy ! Der ist ja…. Mensch, ist der toll ! Ich glaube, Du hast endlich jemanden gefunden, der Dich wirklich glücklich machen kann. Halt ihn fest, bitte. Lass ihn nicht gleich wieder fallen, so wie die anderen in der Vergangenheit. Ich kenne ihn zwar nicht persönlich, aber das, was ich bis jetzt von ihm weiß und wie Du ihn beschrieben hast, ist ja… Also, das müsste Dich doch unendlich happy machen !“
Ich gab ihr darauf keine Antwort. Es war in den letzten Wochen einfach zuviel passiert. Zuviel für mich. Ich merkte, dass ich das alles gar nicht so einfach verarbeiten konnte. Ich konnte das alles auch nicht einfach so genießen. So bin ich, wenn es eigentlich am schönsten sein sollte, machte ich mir immer noch irgendwelche Gedanken und versuchte immer wieder, einen Haken zu suchen.
Aber wer wird auf einem Konzert entdeckt, bekommt einen Plattenvertrag, geht auf ein Fotoshooting, lernt einen Wahnsinns-Mann kennen ?
Am Abend trafen wir uns alle bei Stefan, da ja noch die Radio-Premiere von „Can`t stop calling you“ bevorstand.
Gespannt saßen wir vor seiner Anlage und lauschten dem Radio-Moderator.
„Und nun kommen wir zu einer total neuen, hippen Band. Nine Lives mit ihrem Rocker „Can`t stop calling you !“ Wir hörten andächtig die ersten Klänge unseres Songs, welche dann von einem Einspieler „Neu – auf Antenne Bayern“ unterbrochen wurden.
Keiner sagte ein Wort. Mir kam es so vor, als ob keiner von uns auch nur zu atmen wagte. Es war komisch, es war unbeschreiblich, es war einfach total geil ! Als unser Lied zu Ende war, herrschte immer noch Schweigen. Bis wir alle gemeinsam aufsprangen und jubelten, uns umarmten und wild durcheinander kreischten. Wir freuten uns total ! Eddy hatte Tränen in den Augen. Ich ging zu ihm und nahm ihn fest in die Arme. Er begann hemmungslos zu heulen. Eddy heulte ! Das hatte nun wirklich noch niemand von uns gesehen ! Wir stießen mit Champagner an und feierten. Stefan ging zu seiner Wohnungstür. In den ganzen Lärm, den wir machten, hatte niemand außer ihm das Klingeln gehört. Gespannt wartete ich, wer da wohl gekommen war. Wir waren doch vollzählig ? Es war Tom, beladen mit Champagnerflaschen und einen wahnsinnigen Strahlen auf seinem Gesicht. Nachdem er sich von seiner Last befreit hatte, umarmte er uns nacheinander und beglückwünschte uns. Dann sah er Tini und stellte sich vor. In der ganzen Freude bemerkte ich nicht wirklich den Blick, der zwischen beiden hin und herging.
Kapitel 12
Wir feierten bis in die frühen Morgenstunden. Stefan hatte irgendwann nichts mehr zu trinken und wir beschlossen, nach Hause zu fahren, beziehungsweise zu laufen. Fahren konnte nun niemand mehr.
Tom und ich torkelten zu meiner Wohnung. Als ich versuchte, meine Tür aufzuschließen, dies dann auch endlich geschafft hatte, fielen wir Arm in Arm in meinen Flur. Er begann mich zu küssen und zu streicheln. Seine Hände waren überall. Wir schafften es an diesem Abend nicht mehr in mein Schlafzimmer, geschweige denn in mein Wohnzimmer.
Die Monate vergingen. „Can`t stop calling you“ schoss auf die eins. Wir hatten einen Termin nach dem anderen und reisten in ganz Deutschland herum. Wir spielten Konzerte, wurden unendlich oft fotografiert, interviewt, hatten Fernsehauftritte. Dazwischen waren wir noch im Studio, um unser erstes Album aufzunehmen. Wir waren vorher zwar schon bei Aufnahmen gewesen, aber das hier war etwas völlig anderes. Es war so aufregend, wie ein Rausch, man kann es nicht beschreiben. Unsere Songs wurden neu abgemischt und wir waren, getragen von der Euphorie um uns herum, sehr kreativ. Mittlererweile hatten wir alle fünf unsere Jobs gekündigt und lebten ein völlig anderes Leben. Tom war immer an unserer Seite und hielt uns alles Belastende vom Hals. Unsere Beziehung war nun bekannt geworden und wir waren offiziell ein Paar. Tini hatte ihren Job in der Werbeagentur ebenfalls gekündigt und arbeitete für ihre Firma als freie Mitarbeiterin. Sie entwarf unser erstes Cover und war für sämtliche Angelegenheiten, die unsere Werbung und unser Image betrafen, zuständig. Sie hatte einen Vertrag mit 8tmf abgeschlossen und arbeitete eng mit deren Promo-Leuten zusammen.
Irgendwann waren wir dann sogar bei „Wetten dass“ eingeladen ! Wir spielten unseren Song und saßen bei Thomas Gottschalk auf der Couch ! Wir waren unglaublich glücklich und konnten das alles überhaupt nicht fassen. Immer wieder versuchten wir zu begreifen, was für ein riesiges Glück wir hatten und wie perfekt momentan alles war.
Im nächsten Jahr hatten wir Anfragen aus dem benachbarten Ausland für Fernsehauftritte und Konzerte. Und dann kam der Kracher. Von Aerosmith hatten wir einen Vertrag für die komplette Europa-Tour erhalten. Wir spielten zum Teil vor bis zu 60.000 Menschen, als Opener. Dies waren Konzerte in Deutschland, Großbritannien, Italien und Spanien. Spanien, Barcelona ! Dieses riesige Stadion ! Als wir dort in den Katakomben, eigentlich Garderoben ankamen, wimmelte es nur so von Leuten. Alles lief durcheinander und es war völlig hektisch. Rasch stellte ich meine Tasche ab. Als ich das Chaos nicht länger ertrug, suchte ich den Weg in`s Stadion. Ich ging einen langen Gang entlang und erreichte die Stufen, die hinauf zu den Rängen führten.
Die Bühne war aufgebaut, es war alles bereit. Das Stadion war zu dem Zeitpunkt noch völlig leer, bis auf ein paar Roadies, die noch Kabel verlegten oder die Beleuchtung prüften. Ich setzte mich auf einen Sitzplatz und zündete mir eine Zigarette an.
Es tat gut, einmal für ein paar Minuten alleine zu sein. In der letzten Zeit war ich eigentlich nur noch auf der Toilette alleine. Ständig war jemand um mich herum, nicht einmal nachts war ich für mich, da Tom ja bei mir war. Ich versuchte, ein wenig zu meditieren und meinen Kopf leer zu bekommen. Ich brauchte doch meine Kraft für unseren Auftritt. Mich beschlich das Gefühl, dass ich unzufrieden war, dass mich irgendetwas tief in meinem Inneren plagte. Was war es nur ? Plötzlich hörte ich eine Stimme hinter mir:
„Hey, noch jemand der vor dem Auftritt allein sein will !“
4 Kommentare:
Hallöle, da bin ich ja mal die erste! Also, du lieferst den tollen Lesestoff ja auch noch superzuverlässig täglich! Danke! Aber bitte, die Nylons nicht mit Steven Tyler-der kann zwar singen-aber was anderes will ich mir nich vorstellen-grins!!! Freu mich schon auf den nächsten Teil! Liebe Grüße! Mabel
Soooo ich muss jetzt mal was sagen....
Ich liebe diese Story und könnte sie noch 100 mal lesen und immer wieder bin ich voll fasziniert davon.....
Ich freue mich schon auf die neuen Teile.....
Liebe Grüße
Pixelschubser.....
das mit dem alleine lassen vor dem Konzert hat sich ja nun wohl erledigt.....
ALLEINE heißt das man auch nicht angesprochen wird, dass man mit seinen Gedanken alleine ist.... und das man voe allem nicht gestört wird, Herr Unbekannter :) :) :)
schnell weiter hier..........
Hey Pixelchen, Du bist auch hier ? Das ist aber schön !
@Mabel: Die Nylon-Szene bewahre ich mir natürlich für jemand besonderen auf......
Weißt Du Murmele, manchmal ist es schon schön, wenn man beim Alleinsein gestört wird *frechgrins*
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