Da heute ein wunderschöner Tag war, mit stahlblauem Himmel und Sonnenschein, beschloss ich, im Park eine Runde zu laufen. Richie nahm sein Handy nicht ab, so ging ich alleine los. Die Luft war eisig, es war klirrend kalt, doch ich genoss es trotzdem und zog meinen Schal über den Mund. Links und rechts türmten sich die Schneemassen meterhoch auf, zeitweise hatte ich das Gefühl, durch einen Tunnel zu laufen. Bald hatte ich meinen Rhythmus gefunden und stellte fest, dass ich heute sehr leicht lief, im Gegensatz zu den Tagen, an denen ich mich fürchterlich quälte und meinte, meine Beine wären aus Blei. Heute aber fühlte ich mich federleicht. In weiter Ferne sah ich eine hoch gewachsene Gestalt entgegen kommen. Wir rannten direkt aufeinander zu und waren schließlich nur noch ein paar Meter voneinander entfernt.
„Hi Richie ! Ich wollte Dich anrufen, damit wir gemeinsam laufen.“
„Schade, ich dachte, Ihr wollt heute alleine sein und den Tag genießen. Da wollte ich nicht stören.“
„Jon ist gerade `rüber gegangen.“
„Und hat Dich allein gelassen ?“
„Ja, aber ich kann es schon verstehen. Schließlich sind wir ja eigentlich zum Arbeiten hier.“
„So kann man es auch sehen ! Aber an Eurem letzten Tag ? Du bist echt viel zu gut für diese Welt. Du fliegst doch morgen früh ?“
„Ja, ich habe mich dazu entschlossen. Morgen früh geht`s nach Hause.“
„Wann kommst Du wieder ?“
„Weiß ich noch nicht genau, aber frühestens in zwei bis drei Wochen.“
„Haltet Ihr es solange ohne einander aus ?“ fragte Richie grinsend.
„Müssen wir wohl !“
Schweigend und in etwas gemächlichem Tempo liefen wir weiter.
„Weißt Du was ? Ich schau nach dem Laufen mal nach Jon, vielleicht kann ich seine Arbeitswut etwas verkürzen, so dass Ihr noch ein wenig Zeit füreinander habt.“
„Das würdest Du tun ?“ fragte ich hoffnungsvoll.
„Wenn ich nicht `rüber gehe, vergisst er sich wieder ganz. Jon ist ein echter Kontrollfreak und Perfektionist. Tico oder ich könnten einen Teil übernehmen, Dave hilft sicherlich auch mit.“
Richie ging gleich nach unserem Lauf zur Halle. Beschwingt ging ich unter die Dusche und dann anschließend in den Speisesaal, um zu frühstücken. Gerade, als ich mich setzen wollte, kam Richie mit sorgenvoller Miene herein.
„Sandy, es wird wohl nichts. Drüben ist der Teufel los. Sie haben wohl Probleme mit der Technik, die Anlage ist ausgefallen. Momentan probt eine Band, die nicht so bekannt ist und gerade die machen Zicken ohne Ende. Jon ist stinksauer und tobt. Sein ganzer Terminplan ist durcheinander und heute Nachmittag hat er noch eine Fernseh-Aufzeichnung, in der er bezüglich der Konzerte und der Proben interviewt wird.“
Meine Hoffnung auf einen Tag, den ich mit Jon verbringen konnte, schwand.
Traurig sagte ich:
„Kann man leider nichts machen, der Job geht vor.“
Nun war mir der Appetit vergangen, obwohl ich vorher großen Hunger hatte. Meine Jungs samt Tini und Tom trudelten ein. Da ich ziemlich mutlos und traurig war, entschuldigte ich mich nach kurzer Zeit und ging in die Halle, um zu sehen was wirklich los war.
Jon stand mit ein paar Leuten zusammen und gestikulierte wild. Vorsichtig trat ich ein paar Schritte näher, damit ich verstehen konnte, was sie redeten. Er war wirklich sauer ! Vorher hätte ich mir nicht vorstellen können, Jon schreien zu hören. Es war wohl besser, ihn nicht zu stören. Daher entschloss ich mich, leise wieder zu gehen.
Zurück in unserer Suite setzte ich mich an das Fenster, um weiter an meinen Songtexten zu feilen. Das war immer noch die beste Methode, um mich abzulenken. Es war bereits später Nachmittag, als Jon anrief.
Kapitel 111
„Babe, es tut mir unendlich leid, aber hier geht alles drunter und drüber. Ich kann hier wirklich nicht weg, sonst bricht noch das volle Chaos aus.“
„Mach Dir keine Gedanken, Richie hat mir Bescheid gegeben.“
„Ja, aber heute ist unser letzter Tag, und den hätte ich schon lieber zu großen Teilen mit Dir verbracht.“
„Ich auch, aber Dein Job geht eben vor. Außerdem ist es nur unser letzter Tag auf Zeit, wir sehen uns ja bald wieder, oder ?“
„Schon, aber Du bist jetzt ein paar Wochen weg, und ich vermiss Dich jetzt schon !“
Ich musste lächeln.
„Noch bin ich ja hier ! Spätestens heute Nacht wirst Du ja sicher fertig sein ?“
„Hmhm, ich glaub schon, dass es heute ziemlich spät wird,“ sagte er zerknirscht.
„Mach Dir keine Gedanken, ich warte auf Dich !“
„Ich beeile mich, so gut es geht !“
Wir legten auf und ich kehrte an den kleinen Schreibtisch zurück. Nachdenklich sah ich aus dem Fenster. Was, wenn ich doch nicht fliegen würde ? Aber dazu war es zu spät. Ich hatte meinen Jungs bereits versprochen, dass wir die zwei Wochen nutzen würden, um endlich an unserem Album weiter zu arbeiten. Ich wischte den Gedanken schnell beiseite.
Abends holten mich Tini und Tom zum Essen ab. Auf dem Weg nach unten erfuhr ich, dass Richie und Tico bei Jon waren, um ihm wenigstens das Organisatorische abzunehmen. Er hatte sich nicht mehr bei mir gemeldet, und ich hatte auch nicht mehr bei ihm angerufen. Ich wollte ihm nicht auch noch auf die Nerven gehen und dachte bei mir, wenn er in Ruhe arbeiten konnte, ging es vielleicht auch schneller.
Nach dem Essen gingen wir wie üblich an die Bar.
Meine Freunde versuchten mich aufzuheitern, was ihnen aber gründlich misslang. Irgendwann hörte ich auf, nach Jon Ausschau zu halten und trank mürrisch meinen Cocktail. Ich hatte die Hoffnung aufgegeben, dass er noch auftauchen würde, als mich jemand von hinten plötzlich umarmte und mir mit eiskalten Lippen einen Kuss auf die Wange drückte. Er wirbelte mich herum und als ich sein Strahlen sah, war der ganze Ärger vergessen.
„Sorry, dass es so spät wurde, aber ….“
Ich ließ ihn nicht ausreden, ich wollte seine Entschuldigung nicht hören, um nicht noch mehr Zeit zu vergeuden. Statt dessen stellte ich mich auf die Zehenspitzen und küsste ihn. Erstaunt sah er mich an. Ich zwinkerte ihm zu.
„Schon in Ordnung, vergiss es !“
Erleichtert bestellte er ein Bier, das er, als er es hingestellt bekam, auch sofort in einem Zug leerte. Lachend gab ich dem Barkeeper ein Zeichen, dass er noch eines bringen sollte.
Ich sah Jon den anstrengenden Tag an und strich ihm zärtlich über die Wange. Er nahm meine Hand und wir tauschten einen der Blicke, bei dem der eine in den Augen des anderen las.
„Danke !“ sagte er ernst.
„Danke für was ?“
„Danke, dass Du mir keine Vorwürfe machst.“
„Und warum sollte ich ? Du kannst doch am wenigsten dafür !“
„Du bist mir nicht böse ?“ fragte er mit einem unschuldigen Ausdruck im Gesicht.
„Nein, natürlich nicht !“
Er zog mich an sich und vergrub sein Gesicht in meinen Haaren.
„Wollen wir hoch gehen ?“ fragte er und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
Ich nickte und wir verabschiedeten uns von den anderen.
„Hey, Du bist doch sicher total geschafft ?“ fragte ich ihn, als er die Tür hinter sich schloss.
„Aber nicht zu geschafft….“ grinste er mich frech an.
2 Kommentare:
Tja da muss Sandy nun leider durch. Ich glaube es gibt Jon nur so, oder gar nicht. *grins*
Aber sie haben ja noch ein bissl Zeit sich die Nacht um die Ohren zu schlagen. Schlafen können Sie, wenn sie wieder alleine zu Hause sind. ;o)
Dann kann ich nur sagen: "Have fun!"
Grüße aus der verschneiten Hauptstadt!
Ach, wenn ich das so lese, geht die Sonne auf... Auch wenn wir hier im Schneechaos versinken.... Solange die Datenleitung nicht einfriert...hihi.
Wenn Jon nicht schon über beide Ohren in Sandy verknallt wäre, wäre er es spätestens jetzt..... Die beiden bringen den Schnee in Kanada heut Nacht bestimmt zum schmelzen...*fg*
PS.: Danke für euer Mitgefühl, geht mir wieder gut... Hab mein Zähnchen unters Kopfkissen gelegt.... mal sehen ob die Zahnfee kommt...hihihi
Grüße an alle.
Sam
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