Montag, 26. Oktober 2009

Kapitel 231

Sie war beim Kauf echt günstig gewesen, mehr hätte wohl auch keiner dafür bezahlt. Ich hatte unendlich viel Zeit in die Sanierung gesteckt und ohne die kleine Erbschaft, die mir meine Oma hinterlassen hatte, hätte ich das auch nicht finanzieren können. Aber sparsam, wie ich als Schwabenkind erzogen war, krempelte ich die Arme hoch und machte so gut wie alles selbst. Die Baumärkte in der Umgebung waren zu der Zeit mein zweites Daheim und die Verkäufer kannten mich alle schon beim Namen. Ich lächelte in mich hinein. Kein Wunder, wie ich die damals genervt und ausgequetscht hatte…. Einer der Jungs besuchte mich sogar einmal auf meiner Baustelle und zeigte mir, wie man Fliesen verlegt.

Beim Tapezieren, Verputzen und Streichen half mir Tini und wir hatten einen Mörderspaß. Natürlich hatten wir mehr Farbe und Putz an uns als an den Wänden. Aber wir haben viel gelacht. Am Tag vor dem Einzug hatten wir uns vorgenommen, alles gründlich durchzuputzen. Die Fenster, die Küche, das Badezimmer…. Einfach alles von oben bis unten. Bis spät in die Nacht schwangen wir die Putzlappen und den Staubsauger. Als Belohnung machten wir noch ein kaltes Bier auf, über dem wir dann, Schulter an Schulter auf dem Boden sitzend, an die Wand gelehnt, einfach einschliefen. Vermutlich hätten wir dort bis zum nächsten Morgen geschlafen, hätte Mam nicht nach uns gesucht. Schade, dass es davon kein Foto gab !

Nun war es endgültig vorbei, die Tränen liefen mir über mein Gesicht. Zu schwer wog die Erinnerung an die glücklichen Zeiten in meinen eigenen vier Wänden. Auf gar keinen Fall konnte ich diese Wohnung jemals verkaufen !
Bevor die anderen etwas bemerkten, stand ich schnell auf und lief ins Haus. In der Gästetoilette versuchte ich mich zu beruhigen, wusch ich mir mein verheultes Gesicht und ließ kaltes Wasser über meine Unterarme laufen. Danach schlurfte ich in die Küche, um nach frischem Kaffee zu schauen. Kaffee war eines der Dinge, die in diesem Haushalt immer reichlich vorhanden waren. Mit der vollen Kanne bewaffnet ging ich wieder zu den anderen zurück. Sie hoben die Köpfe und sahen mich erstaunt an.

„Was ist denn los, Sandy ?“ fragte Tini besorgt.

„Ach nichts.“

Ich sah zu Boden, damit es nicht allzu sehr zu sehen war, dass ich geweint hatte.

„Hey, komm schon ! Du hast ein total verheultes Gesicht !“

„Ist schon in Ordnung, lasst uns weiter machen,“ wehrte ich ab.

„So macht das doch keinen Sinn. Ich schlage vor, wir machen eine Pause und Du erzählst uns, was Dich umtreibt,“ sagte Tom vorsichtig.

Tini füllte zwei Tassen mit Kaffee, nahm mich an die Hand und zog mich energisch von den anderen fort. Wir gingen die paar Schritte zu der Bank, die unter zwei großen Bäumen stand. Manche Zweige hingen bis aus den Boden, so dass man dort etwas versteckt sitzen konnte. Wir schwiegen eine Zeitlang. Tini gab mir Gelegenheit, meine Gedanken zu sortieren und mich zu beruhigen.

„Wir saßen schon mal auf einer Bank und eine von uns war verzweifelt,“ sagte sie leise.

Ich sah erstaunt auf.

„Du weißt schon, damals in Barcelona,“ half sie mir auf die Sprünge.

Ich lächelte.

„Ja. Damals hast Du geheult wie ein Schlosshund.“

Sie lächelte ob der Erinnerung und nickte.

„Und ich war so schräg drauf wie Du heute !“

„Schräg drauf ? Ich weiß nicht, ob man das so bezeichnen könnte.“

„Doch, Süße ! Du bist schräg drauf !“

Sie sah mich eindringlich an und mir wurde klar, dass sie genau wusste, was mir solche Sorgen bereitete.

„Sandy, wieso machst Du Dir solche Gedanken wegen Deinem Umzug ? Du hast einen der tollsten Männer an Deiner Seite, Du ziehst in ein wunderschönes Haus, in einer der schönsten Gegenden, die man sich vorstellen kann. Jon legt Dir die Welt zu Füßen.“

„Ich dachte vorhin daran, als ich meine Wohnung gekauft und saniert habe…. Wie wir zwei gestrichen haben…. An den Tag, an dem wir wie die Wahnsinnigen geputzt haben….“

„Und wie wir eingepennt sind und Deine Mutter nach uns gesucht hat….“

Sie lachte auf, als sie daran dachte.

„Hach, das waren noch Zeiten ! Wie wir zwei ausgesehen haben, das war bestimmt zu göttlich !“

Wieder sah sie mich an und nahm meine Hände in die ihren.

„Sandy, schau doch ! Jon trägt Dich auf Händen, Ihr zwei könnt viel mehr Zeit zusammen verbringen, wenn Ihr zusammen lebt. Ihr habt ein Zuhause, einen Platz, der Euch gehört, an den Ihr Euch flüchten könnt, wenn die Welt da draußen zu irre wird. Ist Dir das denn gar nicht bewusst ?“

Wieder stiegen mir die Tränen in die Augen.

„Doch, schon. Aber was, wenn ich mich vor Jon zurück ziehen muss ?“

Sie sah mich verständnislos an.

„Waaas ?“

Nun fasste sie mich an den Schultern und schüttelte mich leicht.

„Du kannst bei Schwierigkeiten nicht immer abhauen ! Süße, so funktioniert das Leben nicht. Irgendwann musst doch sogar Du einmal erwachsen werden ! Außerdem glaube ich wirklich nicht, dass Du jemals vor Jon flüchten musst. So, wie der Dich liebt….“

„Jetzt im Moment….“ gab ich zu bedenken.

„Manchmal habe ich den Eindruck, dass Du gar nicht weißt, wie sehr….“

Tini schüttelte den Kopf, nahm wieder meine Hände und hielt sie fest.

„Weißt Du eigentlich, wie er Dich insgeheim nennt ?“

Sie wartete nicht ab, dass ich antwortete.

„My little runaway.“

Ich war fassungslos, mein Gesicht sprach sicher Bände, denn Tini sah mich unglaublich mitfühlend an. Sie wusste genau, was in mir los war.

„Er redet mit Dir über mich ?“

„Ja. Manchmal. Wenn er das Gefühl hat, dass Du ihm immer noch nicht vertraust, dass Du ihm glaubst.“

„Tini….“

„Lass nur. Ich bin mir sicher, er versteht das. Er hat nicht vergessen, wie sehr Dich die Sache mit Joe mitgenommen hat. Und in der kurzen Zeit Eurer Beziehung ist soviel geschehen, Ihr beide habt soviel erlebt. Man vergisst darüber immer wieder, dass Ihr erst ein paar Monate zusammen seid. Jon weiß das auch. Aber, es quält ihn schon sehr.“

Ich sah betrübt zu Boden. Little runaway…. Was mutete ich ihm da nur immer wieder zu ? Schließlich hatte er Probleme genug und eigentlich hatte ich mir gegenüber ja schon ein paar Mal geschworen, ihn zu unterstützen und nicht noch zusätzlich zu belasten. In diesem Moment mochte ich mich selbst überhaupt nicht und ich schämte mich. Tini hatte mich die ganze Zeit beobachtet und drückte meine Hände fest.

„Jetzt mach Dir keine Gedanken. Jon liebt Dich und für ihn ist es das größte, hier mit Dir zu leben. Also tu ihm den Gefallen und freu Dich doch darauf !“

Ich nickte betreten und sie nahm mich in ihre Arme.

„Danke, Tini !“

„Für was denn ?“ fragte sie lächelnd.

„Dass Du mir immer wieder den Kopf wäschst.“

Sie lachte laut auf und sah mich liebevoll an.

„Dafür sind Freunde doch da, oder ?“

4 Kommentare:

Mabel hat gesagt…

Also, ich versteh das mädel! eigner herd ist goldes wert! daran ändert auch ein traummann nicht unbedingt was! aber so ne klitzekleine wohnung in old germany weiterzufinanzieren, das können sich doch rockstars ohne weiteres leisten! also schluß mit dem geheule!
@missi: magst du mal die mail-addy von dein chef hier reinstellen? den texten wir so zu, daß du jeden tag posten kannst!!!! GRINS
mabel

Sam hat gesagt…

Endlich gehts hier weiter....*fg*.

"little runaway" ja, das passt wirklich...
Trotzdem sollte sie ihre alte Wohnung behalten, denn manchmal ist so ein kleiner Zufluchtsort Gold wert...

Hoffe bald auf einen neuen Post !!!

@mabel: du willst doch nicht etwa sagen, das du deinen eigenen Herd vorher schon mal benutzt hast... *grins*

LG Sam

Anonym hat gesagt…

Hallo!

Schließe mich Mabel an, bei seinem Einkommen kann er sich auch hier eine Wohnung leisten. Außerdem ist es besser für Sandy, wenn sie hier noch eine Bleibe hat.
Bitte schnell weiter!

LG
Waldhexe

Anonym hat gesagt…

Hallo!
Es ist schon Samstag. Ich hoffe du hast nicht mehr soviel Stress und kannst hoffentlich bald weiterposten.
Freue mich schon auf die Fortsetzung. Leichtes "Drrääääängel"

LG und schönes WE
Waldhexe