Montag, 7. September 2009

Kapitel 218

Mit meinem MP3-Player bewaffnet ging ich in den Garten und legte mich in die Sonne. Es war sicherlich besser, eine Weile zu warten, bis Jons Wut verraucht war und wir in Ruhe reden konnten. Ich wusste, dass er Harmonie über alles stellte. Er kam bestimmt bald von sich aus, um sich wieder zu versöhnen. Doch da täuschte ich mich gewaltig.

Den ganzen Nachmittag bekam ich ihn nicht mehr zu sehen. Als ich hungrig wurde, ging ich ins Haus, machte mir ein Sandwich und setzte mich vor den Fernseher.
Es wurde immer später und später. Schließlich sah ich noch in seinem Arbeitszimmer nach. Dort stellte ich fest, dass sein Handy, dass er sonst immer neben sein Laptop legte, nicht da war. Ich ging zurück in die Halle und sah in der Schüssel auf der Kommode nach, wo wir die Autoschlüssel hineinlegten. Es fehlte einer.

In der Garage klaffte eine Lücke, in der die Viper sonst immer stand. Außer Jon fuhr diesen Wagen niemand.
Klar, er hatte dieses Auto genommen, um sich abzureagieren. Bestimmt jagte er mit ihr über die Highways.
Ich kuschelte mich im Wohnzimmer auf das Sofa und sah mir einen Psychothriller an. Später kamen meine Eltern vom Essen in der Stadt zurück. Sie erklärten mir lächelnd, sie hätten eine kleine Auszeit gebraucht und einen Abend alleine sein wollen. Wo denn Jon wäre ? Ich tischte ihnen auf, er wäre mit Freunden ausgegangen. Auf ihre Frage hin, wie denn das Interview gewesen war, erzählte ich ihnen kurz davon und sie wünschten mir noch eine gute Nacht. Ich legte mich aufs Sofa und schaltete den Ton am Fernseher wieder ein. Der Film war sicherlich spannend, doch meine Gedanken schweiften immer wieder ab.

So langsam wurde ich unruhig. Jon war nun seit Stunden verschwunden und hatte sich nicht gemeldet. Das kannte ich nicht von ihm. Ihn anzurufen, hielt ich jedoch für eine schlechte Idee. Ich stand auf und kramte nach meinem Handy. Auf dem Display wurde jedoch kein Anruf, keine SMS angezeigt. Was zur Hölle sollte ich tun ? Rastlos und mit tausend sinnlosen Gedanken tigerte ich durch das Haus. Doch es half nichts. Schließlich fasste ich einen Entschluss. Ich schlüpfte in meine Schuhe, verließ das Haus. Im Garten angelangt, bog ich die Hecken zu Richies Grundstück auseinander und ging auf die Terrassentür zu. Im Wohnzimmer brannte nur eine kleine Lampe und der Fernseher lief mit leisem Ton. Richie fuhr mächtig zusammen, als er mich bemerkte.

„Hey !“

„Richie, er ist immer noch weg !“

Als ich das gesagt hatte, schossen mir die Tränen in die Augen und ich begann, hemmungslos zu weinen. Er fuhr hoch und nahm mich in seine Arme. Beruhigend strichen seine Hände über meinen Rücken. Schließlich hielt er mich ein Stückchen von sich weg und sah mich fragend an.

„Hat er sich gemeldet ?“

„Nein, kein einziges Mal. Kein Anruf, keine SMS. Die Viper steht nicht in der Garage. Wo könnte er nur sein ?“

Richie sah zu Boden und man konnte ihm förmlich ansehen, dass er krampfhaft überlegte.

„Hast Du ihn angerufen ?“

„Nein, ich habe mich nicht getraut, so sauer wie er war….“

Richie überlegte immer noch. Er fuhr sich mit beiden Händen durch seine Haare.

„Wir suchen ihn. Geh rüber und zieh Dich um, ich hol Dich dann ab, okay ?“

„In Ordnung.“

Ich rannte durch den Garten zurück und die Treppen hoch ins Schlafzimmer. Dort riss ich die Türen des Schrankes auf und zog wahllos eine Jeans und ein Shirt heraus. Nachdem ich umgezogen war, schnappte ich meine braune Lederjacke vom Stuhl, streifte leichte Turnschuhe über und rannte die Treppe wieder hinunter. Richie wartete mit laufendem Motor vor dem Haus. Ich stieg schnell ein und legte den Gurt an.

„Na dann los !“ sagte er.

Eine Weile schwiegen wir, bis ich es nicht mehr aushielt.

„Weißt Du denn, wo er sein könnte ?“

„Ich habe eine Ahnung, aber versprechen kann ich Dir nichts.“

„Oh Mann Richie ! Ich verstehe das alles nicht. Warum reagiert er so ?“

„Ich denke, es ist halt momentan einfach zu viel für ihn. Der Stress mit der Scheidung, die Aussagen von Dorothea. Jon ist ein Mensch, der Harmonie mehr als alles andere braucht. Das schlimmste jedoch ist, dass er sich wahnsinnige Sorgen um Dich macht.“

„Aber ich habe doch wirklich nichts schlimmes getan !“

„Du hast nicht mitbekommen, wie ihn Dein Unfall damals geschockt hat. Liebes, er ist fast durchgedreht. Weil er unbedingt zu Dir ins Krankenhaus wollte, hat er mit dem Gedanken gespielt, den Auftritt abzusagen. Es fiel uns unendlich schwer, ihn dazu überreden zu müssen. Ich habe ihn noch nie so auf der Bühne erlebt, er hat die Songs einfach durchgezogen, nicht mit den Fans gescherzt, keine Zugaben. Danach ist er sofort zu Dir gerast, hat jeden angefahren, der ihm nicht gleich sagen konnte, wie es Dir geht.“

„Er ist die ganze Nacht an meinem Bett gewesen. Und es war so süß, wie besorgt er immer um mich war,“ sagte ich leise.

Wir fuhren schweigend weiter durch die tiefschwarze Nacht. Richie nahm den Highway Richtung Norden. Die grünen Schilder rasten an uns vorbei, wobei mir die Namen die darauf standen, sowieso nichts sagten. Ich war hier noch niemals zuvor gewesen.
Richie zog sein Handy aus seiner Jacke und wählte Jons Nummer an. Danach stellte er auf laut. Das Rufzeichen ertönte in seinen regelmäßigen Abständen. Er ließ es durchklingeln, Jon nahm jedoch nicht ab. Ich wurde immer aufgeregter.

„Keine Panik, Kleines ! Wir finden ihn schon,“ versuchte er mich zu beruhigen.

Ich nickte nur und sah weiter hinaus in die Dunkelheit. Richie nahm den Weg Richtung Route 66. Auf meinen fragenden Blick hin lächelte er mich nur an. Mir wurde bewusst, was für einen wundervollen Freund ich in ihm gefunden hatte und eine große Dankbarkeit überflutete mich. Für einen kurzen Moment war ich erleichtert und mein Herzschlag verlangsamte sich etwas. Ich legte meine Hand auf seine, die auf dem Schaltknüppel ruhte. Wieder lächelte er mich an und drückte meine Hand fest.

So langsam dämmerte mir, wie bescheuert ich mich verhalten und was für einen Fehler ich gemacht hatte. Welcher von den vielen kleinen Teufeln in mir hatte mich da nur wieder geritten ? Innerlich raufte ich mir die Haare, äußerlich lähmte mich die Angst um Jon. Die Angst, dass ihm etwas passiert sein konnte, dass er mir wirklich übel nahm was ich mir geleistet hatte. Ich war so doof, so tatsächlich doof ! Genau genommen hätte ich meine überschüssigen Kräfte ganz einfach im Fitness-Raum im Keller oder im Pool abbauen können. Ganz einfach. Ohne Stress. Ohne Terror. Ohne Streit.
Und vor allem hätte ich mich jetzt Champagner schlürfend mit Jon auf dem Bett räkeln können. Statt dessen hatte ich auch noch als Sahnehäubchen obendrauf Richie vom Sofa gejagt und fuhr mit ihm durch die Nacht. Warum nur tat ich immer wieder solche Dinge ? Das war doch genau das, warum es bei mir nie wirklich mit einem Mann funktioniert hatte. Im Gegensatz zu früher jedoch lag mir dieses Mal etwas an diesem Mann.
Mir lag sogar sehr viel an ihm. Früher hätte ich das Ganze abgetan und dem Typen die Schuld zugeschoben. Ich wäre abgehauen. Oder er hätte sich nicht mehr gemeldet. Bei meinen Freundinnen hätte ich dann ganz fürchterlich über Männer im Allgemeinen geschimpft und mich selbst darin bestätigt, dass diese Spezies eigentlich nicht auf diese Welt gehört. Aber jetzt war es etwas vollkommen anderes. Ich liebte Jon. Ich liebte ihn ganz fürchterlich. Und dabei schoß mir urplötzlich das Wasser in die Augen.
Kurz darauf nahm er eine Ausfahrt und hielt an der nächsten Tankstelle an.

„Brauchst Du was ?“

„Kaffee wäre nicht schlecht. Aber ich komme mit.“

6 Kommentare:

Missi68 hat gesagt…

Ich hoffe, der Post war lang genug, Sam !
Ich bin auch immer wieder total von der Rolle, wieviele Hits ich habe, das hätte ich niemals gedacht !

Vielen Dank für Euer FB und viel Spaß mit dem neuen Teil !

Knuddels

Ilona hat gesagt…

Hallo Missi,

dieser Teil ist ja wieder so was von spannend. Wo der gute Jon wohl nur wieder ist? Auf Richie als Freund kann man sich halt immer wieder verlassen. Hoffentlich finden die beiden ihn bald und es geht ihm gut. Sandy und Jon werden das schon wieder irgendwie hinkriegen, hoffe ich zumindest.

Lg
Ilona

JBJ4ever hat gesagt…

Hallo Missi & "Rest",

der Post war wirklich superlang und superschön.
Dein Einfallsreichtum ist grenzenlos und deine Art zu schreiben ist der Hammer!

Bitte, bitte, laß unseren Rockgott nicht verunglücken... Eine romantische Aussprache in einer verträumten Bucht und dann traute Zweisamkeit mit allem Drum und Dran ;-)) tut es auch. Meine Nerven halten noch mehr Spannung kaum aus!!!
BITTE,BITTE ganz schnell weiter und wieder soooo schön lang...

Knuddels

Sam hat gesagt…

Kann mich den anderen nur anschließen, was für ein super langer und spannender Teil...*michverneig*

Ich denke doch das unser Jon irgendwo mit einer Flasche feinstem Whisky eine Verabredung hat...

@missi: dann lass mal die Korken knallen, aber net übertreiben, mit schwerem Kopf lässt es sich so schlecht Posten...*fg*

LG Sam

Mabel hat gesagt…

OHHHHHHHHHHH; JA!!!
es ist ja so erwachsen, mit dem auto davonzutrotzen und frau (um die er ja soooooooooo besorgt ist!!!nich wahr???) in angst und schrecken zu versetzen.ganz toll, herr bongiovi!
ehrlich, mädels, das ist doch die pest, wenn ein kerl sowas tut. da würd ich aber ganz sicher nicht hinterherfahren und womöglich noch mit onkel richie im graben landen!
mein vater hat immer gesagt, wenn sie hunger haben, kommen sie von ganz alleine nach Hause!! so, liebe missi, nun schreib unserer sandy mal ne portion selbstvertrauen auf den leib, sie wollte laufen- und ist doch wohl ihr körper! ...und dann schreib uns doch einen schönen versöhnungssiebenminuseins! und auch konggratjuleschens von mir zur 20 000!!!
und eh sich hier jemand beschwert: mir ist bewußt, ich mecker über jon -traummann- bon jovi, aber diesmal hat er es verdient!!! *grummel* mabel

Anonym hat gesagt…

HEY wie kannst du jetzt nur aufhören???
Wo zum Teufel steckt der süße Mistkerl?
Wir machen uns doch sorgen!

lg Alexis