Sonntag, 15. Juni 2014

Dean


Szenenwechsel:

 

Er hatte lange mit Tico gesprochen, doch dieser hatte keine wirkliche Lösung parat gehabt. Außer den allgemein üblichen Vorschlägen, die man in solch einer Situation hatte, war von ihm nichts brauchbares gekommen. Vielleicht war er auch nur zu geschockt gewesen.

Wie in Zeitlupe legte er das Handy auf die Schreibtischplatte. Dann stand er auf, ging hinüber zu dem kleinen Tischchen, auf dem allerlei Getränke standen. Die beiden Eiswürfel klirrten leise, als er den Whiskey sanft schwenkte, um ihn zu kühlen. Mit dem Glas in der Hand ging er zurück zu seinem Schreibtisch, doch dort hielt es ihn nicht lange. Er trat ans Fenster, trank das Glas in kleinen Schlucken aus und wurde immer ratloser. Ein leiser Zorn grollte in ihm hoch. Warum war es nur so verdammt schwierig geworden in der letzten Zeit ? Kaum war er ein Problem angegangen, hatte versucht, eine Lösung zu finden, tauchte auch schon das nächste auf. Je mehr er über den vergangenen Morgen nachdachte, um so unwirklicher, irrealer wurde es.

Richie hatte alles abgestritten, alles verharmlost. Einzig die Sache mit seinem Handy hatte er zugegeben, leugnen hätte sowieso keinen Sinn gehabt, die Beweise wogen zu schwer. Doch sein Alkoholproblem, auf das er ihn direkt abgesprochen hatte, wiegelte er ab, tat so, als übertreibe er maßlos. Zum Schluss hatte er getan, als wolle ihn Jon nur fertig machen.

Auch die Sache mit Sandy tat er als völlig an den Haaren herbei gezogen ab. Doch er hatte ihm nicht geglaubt, er kannte ihn zu lange. Es tat ihm in der Seele weh, als er daran dachte, wie er sie angeschmachtet hatte. Bei Tageslicht besehen, war sie gestern Abend der Situation vollkommen ausgeliefert gewesen. Klar, sie hatte sich über das Essen und die Mühen, die sich Richie gemacht hatte, gefreut. Aber als sie merkte, was tatsächlich vor sich ging, hatte sie sich unwohl gefühlt, war unsicher geworden. Deswegen schützte sie Müdigkeit und Kopfschmerzen vor……

Und er Hornochse machte ihr dann auch noch eine Eifersuchtsszene ! Ungläubig über sich selber schüttelte er den Kopf. Wie nannte sie das immer ? „Und wieder einmal bin ich hier der Mops !“

Es hatte ihn nicht gewundert, als er vorhin gehört hatte, dass sie weg gefahren war. Ahhhh….. was für ein Glück hatte er nur mit ihr….. Sie wusste, dass er allein sein musste, dass er in Ruhe über alles nachdenken musste……

Er holte sich einen frischen Drink und setzte sich zurück an seinen Schreibtisch. Fahrig fuhr er mit beiden Händen über sein Gesicht. Er musste eine Lösung finden. Zum Wohle aller und zum Wohle der Band.

Kurz entschlossen griff er nach dem kleinen, in Leder gebundenen Adressbüchlein und wählte die erste Nummer.

 

Szenenwechsel:

 

Die beiden freuten sich über alle Maßen, als sie mich in der Tür erblickten.

„Hey, das ist ja eine Überraschung !“ lachte Tini und riss mich in ihre Arme.

„Hallo Süße !“ grinste auch Tom.

Doch als sie mich genauer ansahen, wussten sie sofort, dass etwas nicht stimmte. Ohne Umschweife erzählte ich ihnen von den jüngsten Vorkommnissen, den Teil in der Küche ließ ich natürlich aus. Sie waren sehr betroffen, geschockt, konnten mit dem Geschehenen ebenfalls nicht umgehen. Tom ging zu seinem Arbeitsplatz, holte ein paar Blätter Papier, welche er mir reichte. Darauf waren etliche Adressen von Rehabilitations-Kliniken vermerkt, die er herausgesucht hatte. Akribisch, wie er nun mal war, hatte er eine ausführliche Beschreibung angefügt.

„Danke !“

„Bitte. Ich habe die Liste bereits an Jon gemailt.“

„Aber woher wusstest Du…. ?“

„Na ja, unser letztes Gespräch hat mir keine Ruhe gelassen, eigentlich habe ich mir schon gedacht, dass es noch schlimmer werden wird.“

„Könnt Ihr mich ein bisschen ablenken ?“ fragte ich bittend. „Mit einem Haufen Arbeit oder so ?“

„Kein Thema !“ lächelte meine Freundin.

„Du kannst gleich und auf der Stelle mit mir in die City fahren. Ich habe dort einen Termin mit einem Typen, der sehr vielversprechend in Sachen Klamotten ist. So kannst Du Dir das anschauen und Dir selbst ein Bild machen.“

„Cool !“

Ich freute mich wirklich, denn fast hatte ich auf so etwas gehofft. Ich musste mich dringend beschäftigen, am besten mit einer mir fremden Umgebung, mit etwas Neuem, Aufregendem. Tini holte noch schnell ihre Tasche und wir gingen an Hailey vorbei zum Aufzug.

„Aus irgendeinem Grund mag ich diese Frau nicht,“ sagte ich, als sich die Türen geschlossen hatten.

„Hailey ? Warum denn ? Sie ist äußerst fleißig, verschwiegen und immer sehr hilfsbereit.“

„Keine Ahnung…. Ich hab vielleicht nur so ein Gefühl….“

„Ach was ! Das meinst Du nur ! Ich mag sie sehr gerne.“

„Na dann….“

Nur ein paar Minuten später stoppte sie ihren Wagen vor einem Geschäft, das sofort meine Aufmerksamkeit erregte. Vom äußeren Erscheinungsbild eher unscheinbar, fast schon herunter gekommen, jedoch nur auf den ersten Blick. Beim zweiten, genaueren sah man, dass das ganze gewollt war. Die Fassade war mit altem Holz verkleidet, welches mich an Westernfilme erinnerte. Das Firmenschild hing absichtlich schief über der Eingangstür. Den Schriftzug konnte ich nicht entziffern.

Tini beobachtete mich grinsend.

„Jetzt mach nicht so ein Gesicht !“

„Meinst Du wirklich….?“

„Jetzt komm schon ! Der Typ ist echt cool, Du wirst es sehen !“

Lachend griff sie nach meiner Hand und zog mich mit sich.

Im Ladeninneren wurde mein erster Eindruck bestätigt. Westernflair. Die Wände waren ebenfalls mit roh gezimmerten Brettern verkleidet, die mit rostigen Nägeln befestigt waren. Der Fußboden bestand aus alten, ausgetretenen Dielen, die jedoch sehr gepflegt waren. Darauf lagen sicherlich sehr wertvolle Perserteppiche, die so dick waren, dass man darauf achten musste. In der Mitte hing ein monströser Kerzenleuchter, der mit echten, brennenden Kerzen bestückt war. Die Ware, hauptsächlich Jeans und T-Shirts lag auf Glasplatten. Um das Ganze noch absurder erscheinen zu lassen, erklang aus den Lautsprechern leise, klassische Musik. Irgendwie war ich verwirrt. Im gleichen Augeblick stolperte ich fast, konnte mich jedoch wieder fangen.

„Watch your step !“

Mit einem strahlenden Lächeln stand plötzlich ein junger, schlanker Kerl vor uns, der ebenfalls nicht in dieses Interieur passte. Er trug ein enges schwarzes Shirt, dazu eine Lederhose, die an ihm angewachsen schien, und Turnschuhe. Die langen, braunen Haare hatte er zum Zopf gebunden.

„Hi ! Willkommen !“ strahlte er uns weiter an, gab uns beiden die Hand und als Tini mich vorstellte, wurde das Strahlen in seinem Gesicht noch breiter. „Ich bin Dean. Das ist ja eine Überraschung ! Schön, dass Du Zeit gefunden hast !“

„Ja, das hat sich zufällig ergeben,“ murmelte ich, etwas unsicher geworden ob der Freude, die er zeigte, mich zu sehen.

„Lasst uns nach hinten in mein Büro gehen !“

Wir folgten ihm und ich versuchte dabei die Sachen kurz in Augenschein zu nehmen. Irgendwie war ich ratlos, das hier sah nach einem stinknormalen, durchschnittlichen Geschäft aus. Zwar war die Einrichtung, die Musik und auch der Typ völlig ungewöhnlich als Gesamtbild, aber die Klamotten würde man in einem anderen Laden auf der Welt ebenso finden. Wie war Tini nur auf ihn gekommen ?

Einer seiner Angestellten brachte uns Getränke und wir setzten uns auf eine bequeme Couch. Tini kramte in ihrer großen Tasche, die einer Aktentasche glich, jedoch eher einen femininen Touch hatte. Sie beförderte einen Ordner zutage, der, wie gleich zu sehen war, einige Bühnenfotos von mir enthielt.

„Oh ! Fantastisch !“ rief Dean aus. „Das ist genau das, was ich brauche !“

Er besah sich die Bilder eines nach dem anderen, blätterte zurück, hielt inne, drehte sie und sah mich danach lächelnd an.

„Leider habe ich noch kein Konzert von Dir gesehen, habt Ihr vielleicht auch ein Video dabei ?“

Natürlich hatte Tini auch eine DVD eines Auftrittes eingepackt, wie immer perfekt vorbereitet. Er nahm sie, behielt sie jedoch in der Hand.

„Kann ich die behalten ?“

„Sicher, aber willst Du sie nicht gleich anschauen ?“

„Nein, das mache ich in Ruhe. Auch die Bilder würde ich gerne hier behalten.“

Ich sah irritiert zu meiner Freundin, die den gleichen Gesichtsausdruck wie ich hatte. Unsere beiden Köpfe flogen augenblicklich zu ihm, der wieder nur lächelte.

„Versteht mich nicht falsch, ich muss mir erst ein Bild von Eurer Band machen. Deswegen möchte ich – bevor ich irgendwelche Vorschläge mache – zuerst in Ruhe darüber nachdenken, was zu Euch passt. Außerdem ist die Zeit knapp, soviel ich weiß, muss in spätestens sechs Wochen bereits alles fertig sein ?“

Wir nickten.

„Okay, dann schlage ich vor, wir treffen uns in den nächsten Tagen wieder ?“

Immer noch unsicher, standen wir zögerlich auf und wollten uns verabschieden, als er sich ruckartig an uns wandte.

„Zieht Euch aus.“

Was ?“ kam da von uns beiden.

Er lachte.

3 Kommentare:

Yessy hat gesagt…

Was ist das denn für ein komischer typ?
bin ja mal gespannt, wie sich das noch weiter entwickelt... aber vielleicht hat er auch nur scherze gemacht.

Ich hoffe mal richie sieht irgendwann das ein, was er jetzt leugnet. lange wird das sonst bestimmt nicht gut gehen :/

Schreib schnell weiter Missi :) :)

Anonym hat gesagt…

Hoffe John ist der rettende Engel, sollte Dean den Mädels zu nahe kommen...zumindest hat er endlich Verständnis für Sandys Gefühlswelt. Ein Schritt in die richtige Richtung...
Lass uns nicht allzu lange schmoren...bitte, Missi.

Anonym hat gesagt…

:-) :-) :-)
Armer Jon!!!! Schön das er endlich merkt was er an Sandy hat>!!!!
Na, der Dean ist ja ein komischer Typ!?!?
Schön das es weitergeht!
LG Waldhexe