„Krieg ich auch einen ?“ fragte er.
„Sicher !“
Wir stießen an und tranken unsere Gläschen
aus.
„Das habe ich jetzt gebraucht !“ schnaufte
ich.
„Ich glaube, ich auch !“
„Was für ein seltsamer, anstrengender
Abend….“
„Jep“ antwortete er nur.
Er hatte sich mir gegenüber an die Theke
gelehnt, ein Bein über das andere gestellt und drehte das Gläschen in seinen
Fingern.
„Jon, Du musst das morgen unbedingt klären.“
Er blickte auf, sah mir fest in die Augen.
„Du aber auch.“
„Was meinst Du ?“
„Komm schon. Glaubst Du, ich habe nicht
bemerkt, was zwischen Euch beiden läuft ?“
„Hast Du noch alle Latten am Zaun ?“ fragte
ich entgeistert.
„Ich
hab sie noch alle, bei Euch beiden
bin ich mir da nicht so sicher.“
„Bist Du etwa eifersüchtig ?“
„Sollte ich nicht ?“
„Nein, solltest Du nicht ! Du hast nämlich
absolut gar keinen Grund dazu !“
„Na, ich weiß nicht….. Mein Freund Richie
lädt uns zum Abendessen ein, und was tischt er auf ? Ein Essen, das von vorne
bis hinten nur auf Dich abgestimmt ist.“
„Du bist wegen des Essens eifersüchtig ?“ Ich
war fassungslos.
„Nicht nur deswegen.“
„Was habe ich sonst noch angestellt ?“ gab
ich trotzig zurück.
„Du vielleicht nichts. Du warst schließlich
sehr bemüht, alles normal ablaufen zu lassen. Richie jedoch…..“
„Ich war um Normalität bemüht ? Das war ja
wohl mehr als nötig ! Und was hat Richie getan, was er sonst nicht tut ?“
„Hast Du seinen Blick gesehen, als wir drüben
ankamen ? Er hat Dich beinahe mit seinen Augen verschlungen ! Ich kenne ihn
lange genug, um zu wissen, was er sich unter Deinem Shirt und Deiner Hose
vorgestellt hat. Es war eindeutig.“
Ich schaute an mir hinunter, versuchte, an
meinen Klamotten etwas aufreizendes festzustellen. Hätte mich jetzt jemand
gefragt, was ich an diesem Abend trug, hätte ich ihm sicherlich keine Antwort
geben können. Doch ich hatte keine knallenge Hose an, kein gepushtes Dekollete,
nicht mal High Heels….
„Du hättest in einem Kartoffelsack bei ihm
auftauchen können und er hätte Dich trotzdem auf der Stelle am liebsten
vernascht.“
„Jon, also weißt Du…..“
Er ging zur Kaffeemaschine und ließ eine
Tasse einlaufen. Dann griff er nach der nächsten und gab mir die erste.
„Danke.“
„Bitte.“
Wir schwiegen. Das Ticken der Küchenuhr war
das einzige Geräusch, das zu hören war. Und das wurde lauter, lauter, immer
lauter.
„Du hast keine Kopfschmerzen und Du bist auch
nicht müde.“
„Nein, Jon. Aber ich hab diese Spannung, all
dieses Ungesagte, Ungeklärte einfach nicht mehr ausgehalten. Glaubst Du, es war
einfach für mich ? Weißt Du eigentlich, wie weh es mir tut, wenn ich Euch beide
so sehe und genau weiß, dass Richie morgen einen Mörder-Anpfiff von Dir kriegt
? Ich wollte es einfach nur beenden, wollte mit Dir nach Hause.“
Er sah mich mit schief gelegtem Kopf an,
jedoch nicht ohne seinen Kontrollblick einzusetzen.
„Es tut mir weh, wenn ich ihn so sehe.
Natürlich weiß ich, dass er scharf auf mich ist. So wie er momentan auf jede
Frau scharf ist, die in seine Nähe kommt und einigermaßen nach etwas aussieht.
Es geht ihm nicht gut, er trinkt, er ist zu viel allein. Er weiß, dass er mit
der Handy-Geschichte einen Riesenfehler gemacht hat und vermutlich weiß er
auch, dass da von Dir noch was nachkommt.“
Er sagte noch immer nichts. Wir nippten an
unserem Kaffee.
„Ist zwischen Euch etwas vorgefallen ?“
fragte er leise.
„Jon ! Jetzt mach aber mal halblang ! Es ist
gar nichts vorgefallen, außer….“
Ich wusste, ich sollte das jetzt nicht sagen.
Ich sollte ganz einfach meine Klappe halten. Aber ich kann nun mal nicht lügen.
Und am allerwenigsten kann ich die Leute, die mir sehr viel bedeuten, anlügen. Das
wusste auch Jon.
„Was außer ?“ hakte er nach.
„Neulich, als er mit mir zum Training ist….“
Ich stockte und sah zu ihm, versuchte, in seinem Gesicht zu lesen. Doch es war verschlossen.
Ich holte tief Luft und sprach weiter. Es
hatte sowieso keinen Zweck.
„mhhhmmm….. Ich war gerade dabei, mich
anzuziehen….. also ich hatte gerade meine Unterwäsche an….. dann…..“
„Was dann ?“ Er war mühsam beherrscht.
„Ich kann es Dir nicht erzählen ! Ich habe es
ihm versprochen !“
„Zählt ein Versprechen an Richie mehr als die
Wahrheit für mich ?“
„Das ist unfair !“
Ich war verzweifelt. Er bannte mich mit
seinem Blick. Wieder einmal war ich das Kaninchen vor der Schlange.
„Sandy, wir müssen ihm helfen. Und das hier,
genau das hier, gehört auch dazu ! Normalerweise würde Richie niemals die
Freundin eines Bandkollegen anbaggern. Genauso wenig wie ein anderer von uns
das täte. Also, raus mit der Sprache !“
Ich holte tief Luft. Das, was ich jetzt tat,
tat ich äußerst ungern. Nein ! Ich hasste es !
„Nun gut. Er schaute mich an, eben wie ein
Mann eine Frau in Dessous so anschaut. Er meinte, er beneide Dich unendlich und
ich denke, dass er nur einen Millimeter davon entfernt war, mich verführen zu
wollen.“
„Er begehrte Dich.“
„Ich glaube, ja. Zuerst war mir das nicht
klar, ich hab mit Tini gesprochen. Sie meinte, es wäre vollkommen normal, wie
er reagiert hätte, als er mich da so sah. Ich solle mich nicht so haben.“
„Tini weiß Bescheid ?“
„Sie ist meine Freundin und mit jemandem
musste ich doch reden.“
„Okay,“ sagte er gedehnt.
„Jon, mir war das alles äußerst unangenehm
und ich gäbe viel dafür, wäre es nicht passiert. Aber ich kann nichts dafür !
Richie vermutlich auch nicht…..“
„Nein ! Richie kann natürlich gar nichts
dafür !“
Der Sarkasmus in seiner Stimme war
übermächtig.
„Es hatte keine Bedeutung, glaube mir ! Jon,
er ist einfach total durch den Wind. Er sucht nach irgendetwas, etwas, das
seinem Leben neuen Sinn gibt. Schau doch, was er in der letzten Zeit alles
durchgemacht hat…..“
„Deswegen braucht er aber nicht meine Freundin
anzumachen ! Weißt Du eigentlich, was das alles für Auswirkungen haben kann ?“
Ich wusste, um was es für ihn ging. Es ging
nicht nur darum, dass er mich verlieren könnte. Es ging ihm auch nicht nur
darum, dass er seinen besten Freund verlieren könnte. Es ging auch um die Band.
„Jon…..“ versuchte ich es noch mal.
„Lass es. Es ist alles zu verfahren !“
Fahrig fuhren seine Hände durch seine Haare,
anschließend rieb er sich über das Gesicht. Unangenehmes wegwischen.
„Jon, bitte ! Es war ihm fürchterlich peinlich.
Ich bin mir sicher, es war nur ein Ausrutscher. Er hat mich schließlich vorher
auch schon im Bikini gesehen, und da hat er nicht so reagiert. Ganz bestimmt
ist das nur geschehen, weil er so durcheinander ist momentan.“
„Ich weiß, dass Ihr beide Euch sehr gerne
habt, dass Ihr Euch auch sehr gut verstanden habt, von Anfang an. Aber ich
dachte immer, Ihr seid wie Bruder und Schwester.“
„Das sind wir doch auch ! Nur ist Richie
momentan nicht ganz bei sich, und er tut eben Dinge, die er sonst niemals tun
würde !“
„Sandy, ich liebe Dich, wie ich noch niemals
eine Frau geliebt habe. Ich will Dich nicht verlieren, egal an wen.“
Ich trat zu ihm und legte vorsichtig meine
Hände an seine Hüften.
„Schatz, das wirst Du doch nicht ! Sag mal !
Denkst Du wirklich, nur weil Richie gefühlstechnisch durchdreht, husche ich
gleich nach nebenan zu ihm ? Also wirklich !“
Irgendetwas fiel jetzt gerade von ihm ab,
seine Schultern sanken nach unten, sein Körper verlor die Anspannung, die ihn
die letzten Minuten beherrscht hatte. Endlich nahm er mich in die Arme, drückte
mich fest an sich und wir küssten uns. Sanft eroberte seine Zunge meinen Mund
und ich ließ ihn gewähren. Mir wurde heiß und kalt. Er atmete schwer nahe
meinem Ohr, bevor er begann, mit seinen Zähnen leicht an meinem Ohr zu
knabbern. Als er mich leicht auf die Halsbeuge küsste, war es um mich
geschehen. Ich stöhnte leise auf.
Dann spürte ich seine heiße Hand, die unter
mein Shirt fuhr und fast unmerkbar strich er mit dem Zeigefinger über meinen
Bauch. Ich erschauderte.