„Nur Eure Tops. Ich bin sofort wieder da !“
Er ging mit raschen Schritten aus dem Büro
und ließ die Tür hinter sich zufallen.
„Tini
!“ fuhr ich sie erbost an. „Wo bin ich hier und wie zum Teufel bist Du bloß auf
diesen Typen gekommen ?“
„Ich…. Ich…..“
Sie wusste nicht, was sie sagen sollte,
fassungslos wie sie war. Doch wir hatten keine Zeit, uns darüber zu unterhalten,
da Dean mit zwei T-Shirts in der Hand wieder vor uns stand.
„Na los ! Ich will Euch nicht an die Wäsche,
zieht die mal über !“
Er warf Tini ein schwarzes, mir ein weißes
Oberteil zu. Beide waren mit Totenköpfen bedruckt, unter denen zwei gekreuzte
Knochen lagen. Wir taten, wie uns geheißen und entledigten uns unserer Shirts.
Er griff nach einer Schere auf seinem Schreibtisch und fing bei Tini an, die
kaum, dass sie ihr eigenes ausgezogen hatte, auch schon in das andere
geschlüpft war. Er schnitt und knotete, zupfte, rückte zurecht, trat einen Schritt
zurück, besah sich das Ganze. Verwundert rieb ich mir die Augen, das
hatte ich noch nie gesehen, er hatte aus einem stinknormalen, nichtssagenden Oberteil
ein absolut traumhaftes Einzelstück gezaubert.
Das selbe tat er nur Augenblicke später bei
mir, ich ließ ihn gewähren, obwohl er den Eindruck eines Besessenen machte,
während er arbeitete. Tinis hatte schräge Schnitte auf Vorder- und Rückseite,
meines waagerechte, bei dem er jeden zweiten zusammenknüpfte. An den Ärmeln
hatte er einen Längsschnitt gesetzt und die Zipfel zusammengeknotet.
Wir fragten, was wir bezahlen sollten, doch
er winkte nur lässig ab.
„Geht jetzt, ich muss mich jetzt
konzentrieren.“
Und wir zwei Mädels waren restlos begeistert,
als wir aus dem Geschäft gingen.
Ein triumphierender Blick traf mich von der
Seite, als wir uns in die Autositze fallen ließen.
„Na ?“ fragte sie nur.
„Hey, das sind die tollsten Shirts, die wir
je besessen haben !“ jubelte ich.
„Und Du hast mir mal wieder nicht vertraut !“
„Komm schon ! Du hast doch genau so doof
gekuckt wie ich !“
„Ja, ich geb`s ja schon zu. Aber ich wär doch
nicht mit Dir dahin gegangen, wenn er nicht die absolut besten Referenzen hätte
!“
„Dann gibst Du wohl auch zu, dass er trotz
allem sehr seltsam ist ?“
„Auch das gebe ich zu, aber er ist Gerüchten
zufolge einer der kommenden Designer, vor allem für ausgefallene Outfits,
siehst Du ja ! Wir hätten auch zu einem renommierten Modemenschen gehen können,
doch dort hätten wir um einiges mehr bezahlt und hätten wahrscheinlich das
Standardprogramm bekommen.“
„Dann wäre ich wie Madonna in so einer
Spitzbusen-Korsage herumgerannt ?“
Wir sahen uns an, hielten ganz kurz inne und
schütteten uns aus vor Lachen, als wir uns das vorstellten. Sie wischte sich
die Lachtränen aus den Augenwinkeln und warf mir einen gespielt bösen Blick zu.
„Wenn Du mich mal ganz dolle ärgerst, dann
zwinge ich Dich dazu !“
„Nein, das tust Du mir nicht an !?“
„Doch !“
Zurück im Büro tippselte ich schnell eine
kurze SMS an Jon, damit er wusste, wo ich war und sich keine Sorgen machte. Tom
nutzte die Tatsache, dass ich da war, sofort zu einer Besprechung, in der er
mich auf den neuesten Stand brachte. Meine „Ferien“ waren vorbei, ab morgen
durfte ich wieder arbeiten.
Ich wurde sehr aufgeregt, da er für den
folgenden Tag den ersten Termin mit Rick Pherson, dem Modeltrainer, anberaumt
hatte. Eigentlich konnte ich mich nicht wirklich dabei vorstellen, jedoch war
ich gespannt wie ein Flitzebogen, was da wohl auf mich zukommen mochte. Tom
kannte mich zu gut und hatte Ke Gao ebenfalls dazu bestellt. Wir sprachen noch
über einige Dinge, klärten offene Fragen meinerseits und schließlich ging ich
in das Büro nebenan, um in Ruhe meine Emails zu checken. Nebenbei wählte ich
Tanjas Nummer, doch sie ging leider nicht ran. So googelte ich nach Dean, und
was ich dort las, bestätigte Tinis Aussage. Er schien tatsächlich der kommende
Star am Modehimmel zu sein, sehr gelobt für seine Ideen, aus alltäglichen,
unscheinbaren Kleidungsstücken ausgefallene Einzelstücke zu fertigen. Ich fand
eine Seite, auf der Bilder von ihm waren und war sehr beeindruckt, für wen er
schon alles gearbeitet hatte. Dort waren auch viele Kleider, Hosen, Abendroben
und so weiter abgebildet, die er entworfen hatte. Es war genau mein Stil,
einfach, nicht überladen, aber doch mit Pfiff und kleinen Details, die einen
genauer hinschauen ließen.
Mein Handy klingelte. In der Annahme, Tanja
würde zurück rufen, meldete ich mich gleich mit „Hey Süße !“. Doch es war Jon.
Geistesabwesend hatte ich nicht auf den Klingelton geachtet.
„Wohl eher „Hi Süßer“, oder ? Wen hast Du
denn erwartet ?“
„Tanja, ich hab sie vorhin angerufen, aber
sie nahm nicht ab.“
„Ach so. Du bist im Büro ?“
„Ja, bin ich.“
„Wie lange arbeitest Du noch ?“
„Eigentlich arbeite ich nicht wirklich, ich
informiere mich gerade über einen Designer.“
„Über was ?“ lachte er leise.
„Das ist `ne längere Geschichte, die erzähle
ich Dir besser später.“
„Okay, willst Du nachher mit mir essen gehen
?“
„Au ja ! Gute Idee !“ stimmte ich freudig zu,
denn so langsam hatte ich Hunger bekommen. Außer dem Mini-Frühstück, das
eigentlich gar keines gewesen war, und einem kleinen Stück Kuchen, das mir
Hailey vorhin brachte, hatte ich den ganzen Tag nichts gegessen.
„Dann hol ich Dich ab ? So gegen sieben ?“
„In Ordnung, ich freue mich.“
Wir legten auf. Langsam legte ich das Handy
wieder auf den Schreibtisch zurück. Seine Stimme hatte komisch geklungen,
irgendwie belegt….. Er war sehr bemüht gewesen, normal zu erscheinen.
Hoffentlich hatte er nicht noch mal mit Richie gestritten und hoffentlich war
nicht sonst noch was passiert. Trotzdem beschloss ich, mich auf den Abend zu
freuen.